Urteil des LG Frankfurt am Main vom 08.10.2008

LG Frankfurt: ärztliche behandlung, schmerzensgeld, ersatzbeschaffung, erwerb, totalschaden, rücknahme, verkehrsunfall, reparaturkosten, gerichtsgebühr, form

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Gericht:
LG Frankfurt 16.
Zivilkammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
2-16 S 160/08
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Norm:
§ 249 Abs 2 S 2 BGB
Schadensersatz wegen Verkehrsunfall: Erstattung der
Mehrwertsteuer bei Erwerb eines Ersatzfahrzeugs
Gründe
In dem Rechtsstreit ... ergeht folgender Hinweis nach § 522 Abs. 2 ZPO.
Die Kammer weist darauf hin, dass die Berufung des Klägers keine Aussicht auf
Erfolg bietet, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die
Fortbildung des Rechts sowie die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung
eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordern. Es ist deshalb
beabsichtigt, die Berufung durch einstimmigen Beschluss gem. § 522 Abs. 2 ZPO
zurückzuweisen.
Ein EUR 500,00 übersteigendes Schmerzensgeld steht dem Kläger für die
erlittenen Verletzungen nicht zu. Es handelt sich hierbei um typische
Sicherheitsgurtverletzungen ohne Frakturen; eine dauerhafte ärztliche Behandlung
war nach eigenem erstinstanzlichen Vortrag nicht erforderlich und der Kläger war
nach einer Woche wieder arbeitsfähig. Für diese Art der davongetragenen
Verletzungen ist - auch unter Berücksichtigung von Dauer und Intensität der
erlittenen Beeinträchtigungen - das letztlich ausgeurteilte Schmerzensgeld in
Höhe von EUR 500,00 billig und ausreichend i.S.d. § 253 Abs. 2 BGB, zumal ein
grob fahrlässiges oder gar vorsätzliches Verhalten des Beklagten zu 1) gerade
nicht angenommen werden kann. Soweit der Kläger nunmehr in der Berufung
anführt, eigentlich sei eine "Krankschreibung" von 3 - 4 Wochen "erzielbar"
gewesen, so handelt es sich insofern um eine lediglich subjektive Einschätzung die
in den vorgelegten Behandlungsunterlagen keine objektive Grundlage findet; sie
hat daher bei der Bemessung des Schmerzensgeldes außen vor zu bleiben.
Gleiches gilt für die erstmals in der Berufung angeführten, nicht näher
beschriebenen "Angstzustände in Bezug auf das Autofahren", wobei insofern zu
bemerken ist, dass der Kläger sich bereits weniger als einen Monat nach dem
Unfall wieder einen PKW gekauft hat und nicht ansatzweise dargelegt ist, ob bzw. in
welchem Umfang der Kläger durch seine "Angst" am Führen des PKW gehindert
gewesen sein will. Schließlich entspricht die Höhe des ausgeurteilten
Schmerzensgeldes auch dem, was andere Gerichte in vergleichbaren Fällen für
Verletzungen dieser Art angesetzt haben (vgl. etwa Slizyk Schmerzensgeld-
Tabelle, Stand Oktober 2008, Nr 248, 250, 1819, 2529 und 72).
Im Ergebnis zu Recht hat das Amtsgericht auch einen Anspruch des Klägers auf
Zahlung von EUR 170,00 Umsatzsteuer verneint, von weichem mit der Berufung
nunmehr lediglich ein anteiliger Betrag i.H.v. EUR 139,40 beansprucht wird.
Nach gefestigter Rechtsprechung des BGH stellt die Beschaffung eines
gleichwertigen Ersatzfahrzeuges nach wirtschaftlichem Totalschaden - wie es
vorliegend gegeben ist - eine Form der Naturalrestitution i.S.d. § 249 BGB dar (vgl.
BGHZ 115, 364, 368; 115, 375, 3747; 158, 388, 389; Schiemann in Staudinger,
Kommentar zum BGB, Stand 2005, § 249 Rn. 236d; Oetker, Münchener
Kommentar zum BGB, 5.A., § 249 Rn. 426). Dies bedeutet, dass auch der
wirtschaftliche Totalschaden einen Restitutionsfall i.S.d. § 249 BGB n.F. und keinen
Kompensationsfall i.S.d. § 251 BGB darstellt (BGHZ 158, 388, 392) mit der Folge,
dass auch die Neuregelung des § 249 Abs. 2 Satz 2 BGB Anwendung findet.
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dass auch die Neuregelung des § 249 Abs. 2 Satz 2 BGB Anwendung findet.
Hintergrund des am 1. 8. 2002 in Kraft getretenen zweiten Gesetzes zur Änderung
schadensersatzrechtlicher Vorschriften und der hiermit eingeführten Vorschrift des
§ 249 Abs. 2 S. 2 BGB ist das gesetzgeberische Bestreben, den Ersatz des reinen
Sachschadens stärker an dem konkreten Schaden des Geschädigten
auszurichten. Es soll verhindert werden, dass der Geschädigte einen Ausgleich für
einen Schaden erhält, der sich konkret bei ihm nicht realisiert hat (Oetker,
Münchener Kommentar zum BGB, 5.A., § 249 Rn. 421).
Ausgehend vom klaren Wortlaut des § 249 Abs. 2 Satz 2 BGB kann dem Kläger
somit für den Erwerb des Ersatzfahrzeuges, bei dem es sich um einen
Gebrauchtwagenkauf von privat handelt, und bei dem tatsächlich keine
Umsatzsteuer angefallen ist, auch kein Anspruch auf Erstattung von
Mehrwertsteuer zustehen; es bleibt daher bei der Erstattung des Nettobetrages
(vgl. Born/Schneider in Berz/Burmann, Handbuch des Straßenverkehrsrechts,
Stand EL 21, 5 B Rn. 94). Auch eine anteilige Erstattung der Mehrwertsteuer für
denjenigen Teil des Schadens, für den keine vollständige Restitution erfolgt ist,
kommt entgegen der von Heinrich in NJW 2005, 2749 vertreten Ansicht nicht in
Betracht. Zum einen ergibt sich aus der von Heinrich besprochenen Entscheidung
des BGH (BGH NJW 2005, 2220) gerade nicht, dass dem Geschädigten in dem Fall,
in welchem die tatsächlichen Kosten der Ersatzbeschaffung unterhalb des Brutto-
Wiederbeschaffungswert liegen, ein Anspruch auf Zahlung - anteiliger
Mehrwertsteuer zusteht. Vielmehr hat der BGH in dieser Entscheidung festgestellt,
dass eine Kombination fiktiver und konkreter Abrechnung grundsätzlich unzulässig
ist und weiter bekräftigt, dass die Mehrwertsteuer nur zu ersetzen ist, wenn sie bei
einer Wiederbeschaffung tatsächlich angefallen wäre und der Geschädigte ohne
Durchführung der Ersatzbeschaffung nur einen Anspruch auf den Netto-
Wiederbeschaffungsaufwand hat (vgl. BGH NJW 1110, 1111). Es verbleibt demnach
bei der Regelung des § 249 Abs. 2 Satz 2 BGB, wonach der Kläger nur
dann Umsatzsteuer ersetzt verlangen kann, wenn und soweit diese angefallen
ist. Da der Kläger über den Betrag von EUR 7.000,00 hinaus eine
Wiederbeschaffung nicht durchgeführt hat, kann er - da er insofern fiktiv abrechnet
- lediglich den Nettobetrag ersetzt verlangen (vgl. hierzu etwa BGH NJW 2006,
2181). Dies entspricht zudem dem aus den Gesetzesmaterialien ersichtlichen
Willen des Gesetzgebers. So heißt es in BT-Dr 14/7752, S. 23 f. hierzu: "Der
Geschädigte kann auch wie bisher auf eine Reparatur oder Ersatzbeschaffung der
beschädigten Sache ganz verzichten und stattdessen den hierfür erforderlichen
Geldbetrag verlangen. In diesem Fall erhält er jedoch - entgegen der bisherigen
Rechtslage - nicht mehr den vollen, sondern den um die Umsatzsteuer reduzierten
Geldbetrag. Dies gilt sowohl für den Fall, dass sich der erforderliche Geldbetrag
nach den fiktiven Reparaturkosten richtet, als auch für den Fall, dass er sich nach
den fiktiven Kosten für die Beschaffung einer gleichwertigen Ersatzsache richtet,
weil die Reparaturkosten die Ersatzbeschaffungskosten unverhältnismäßig
übersteigen würden".
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Stellung zu nehmen. Zur Vermeidung weiterer Kosten wird die Rücknahme der
Berufung angeraten. Im Falle einer Rücknahme entstehen - abgesehen von den
ohnehin anfallenden Anwaltkosten - lediglich 2 Gerichtsgebühren (KV 1222 Nr. 1
GKG). Wird demgegenüber die Berufung förmlich durch Beschluss zurückgewiesen,
verbleibt es bei der 4 - fachen Gerichtsgebühr (KV 1220 GKG).
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert.