Urteil des LG Frankfurt am Main vom 26.03.2009

LG Frankfurt: örtliche zuständigkeit, unbewegliche sache, vorläufige einstellung, fälligkeit, kündigung, zwangsvollstreckung, sicherheitsleistung, zugang, urkunde, inhaber

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Gericht:
LG Frankfurt 12.
Zivilkammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
2-12 O 92/09
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 1193 BGB, Art 229 BGBEG, §
2 EGV 44/2001, § 22 EGV
44/2001, § 23 ZPO
Leitsatz
1. Für Klagen gegen die Vollstreckung aus vollstreckbaren Urkunden bei einem
Wohnsitz des Klägers in einem Mitgliedstaat der EU richtet sich die örtliche
Zuständigkeit nach § 797 Abs. 5 ZPO in Verbindung mit der EuGVO.
2. Bei einer der Sicherung einer Geldforderung dienenden Grundschuld ist die vorherige
Kündigung gemäß § 1193 Abs. 2 S. 2 BGB zwingende Voraussetzung für die Fälligkeit.
Für vor dem 20. August 2008 bestellte Grundschulden sind abweichende
Vereinbarungen allerdings möglich, Art. 229 § 18 Abs. 3 EGBGB.
Tenor
Die Vollstreckung aus den Urkunden .../1999, .../1999 und .../2000 der Notarin S.,
…, wird bis zur Rechtskraft des Urteils in dieser Sache oh-ne Sicherheitsleistung
einstweilen eingestellt gemäß §§ 767, 769 ZPO.
Die vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung wird aufgehoben, wenn nicht
die Klägerin binnen zwei Wochen ab Zugang dieses Beschlusses den
Gerichtskostenvorschuss bei Gericht einzahlt.
Die nachträgliche Anordnung einer Sicherheitsleistung bleibt vorbehalten.
Im Übrigen werden die Anträge des Antragstellers als unzulässig zurück-gewiesen.
Gründe
Der Antragsteller begehrt im Wege des Eilantrags gemäß § 769 ZPO die
Einstellung der Vollstreckung aus sieben notariellen Urkunden. Inhaber der
Urkunden wurde die Antragsgegnerin durch mehrfache Abtretungen. Soweit das
Gericht örtlich zuständig war (dies war bezüglich dreier der sieben Urkunden der
Fall), war den Anträgen zu entsprechen.
Hinsichtlich der Urkunden XX/1999, .../2000, .../2000 und .../1999 fehlt es jedoch an
der örtlichen Zuständigkeit des Landgerichts Frankfurt. Ausgangspunkt für die
Ermittlung der örtlichen Zuständigkeit bei Klagen gegen die Vollstreckung aus
vollstreckbaren Urkunden ist § 797 Abs. 5 ZPO. Danach ist am Wohnsitz des
Schuldners beziehungsweise an dem Gerichtsstand, der sich nach § 23 ZPO
ermitteln lässt, Klage zu erheben. Vorliegend wohnt der Schuldner im
europäischen Ausland, weshalb § 23 ZPO nicht anwendbar ist. Vielmehr ist die
EuGVO anzuwenden. Art. 22 Nr. 1 sieht für Klagen, welche dingliche Rechte an
unbeweglichen Sachen zum Gegenstand haben, die ausschließliche Zuständigkeit
der Gerichte des Mitgliedstaates, in dem die unbewegliche Sache belegen ist, vor.
Konsequenterweise ergibt sich damit nicht nur allgemein eine Zuständigkeit der
deutschen Gerichte, sondern auch eine ausschließliche Zuständigkeit des
Gerichtes der belegenen Sache, vergleiche auch § 24 ZPO. Bezüglich der
vorgenannten Urkunden ist im hiesigen Gerichtsbezirk keine belegene Sache
vorhanden. Die Urkunden XX/1999, .../2000 und .../1999 sind
Grundschuldurkunden, welche sich allesamt auf Grundstücke in anderen
Gerichtsbezirken beziehen. Der Urkunde .../2000 liegt überhaupt keine belegene
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Gerichtsbezirken beziehen. Der Urkunde .../2000 liegt überhaupt keine belegene
Sache mehr zu Grunde, auf die sich die Grundschuld beziehen könnte. Soweit der
Antragsteller gleichwohl Rechtsschutz sucht, weil er die Vollstreckung gegen seine
Person fürchtet, ergibt sich die Zuständigkeit spanischer Gerichte aus § 797 Abs. 5
ZPO sowie Art. 2 EuGVO. Eine rügelose Einlassung der Antragsgegnerin, die
hinsichtlich dieser Urkunde die Zuständigkeit des Gerichts nicht gerügt hat, liegt
nicht vor, weil dazu gemäß § 39 ZPO ein mündliches Verhandeln erforderlich wäre.
Soweit der Antragsteller vorträgt, dass gemäß § 35 ZPO ein Wahlrecht des Klägers
unter mehreren zuständigen Gerichten bestehe und dies auch für den Fall gelte,
dass mehrere Gerichte ausschließlich zuständig seien, ist nicht erkennbar,
inwieweit sich das auf den vorliegenden Fall auswirken sollte. Schließlich hat der
Antragsteller auf den die Zuständigkeitsbedenken bereits thematisierenden
Hinweis des Gerichtes hin nicht einmal ansatzweise dargelegt, woraus sich
bezüglich der genannten Urkunden die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts
Frankfurt ergeben sollte, von einer ausschließlichen Zuständigkeit ganz zu
schweigen. Dass die Antragsgegnerin im Gerichtsbezirk ihren allgemeinen
Gerichtsstand hat, dürfte angesichts der Zuständigkeitsregelung in § 797 Abs. 5
ZPO jedenfalls keine Rolle spielen. Andere Berührungspunkte des Frankfurter
Gerichtsbezirks mit den vorgenannten Urkunden sind nicht ersichtlich.
Hinsichtlich der übrigen drei Urkunden ist das Gericht allerdings örtlich zuständig.
Die Gerichtsstandsvereinbarung für München, auf die sich die Antragsgegnerin
beruft, kann gemäß § 40 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 ZPO jedenfalls keine Wirkung entfalten.
Wegen dieser drei Urkunden besteht auch ein Anordnungsgrund, weil der
Antragsteller glaubhaft gemacht hat, dass die Antragsgegnerin bereits die
Zwangsvollstreckung eingeleitet hat.
Dem Antragsteller steht auch ein Anordnungsanspruch zu, weil die
Antragsgegnerin nicht schlüssig vorgetragen beziehungsweise nicht ausreichend
glaubhaft gemacht hat, dass sie bereits zum jetzigen Zeitpunkt aus den
Grundschuldurkunden vollstrecken darf.
Angesichts der ausdrücklichen Bezugnahmen in den jeweiligen
Darlehensverträgen und des auch ansonsten klaren und von der Antragsgegnerin
nicht angegriffenen Sachvortrags des Antragstellers handelt es sich bei den
Grundschulden um Sicherungsgrundschulden gemäß § 1193 BGB. Grundsätzlich
ist nach § 1193 Abs. 1 BGB Voraussetzung der Fälligkeit des Kapitals einer
Grundschuld die vorherige Kündigung. Danach steht dem Sicherungsgeber
ansonsten grundsätzlich die Einrede aus dem Sicherungsvertrag zu, dass die
Forderung noch nicht fällig sei. Diese Einrede hat der Antragsteller mit seinem
Vortrag, er habe bis zum heutigen Tage keine wirksame Kündigungserklärung
irgendeines seiner Darlehen erhalten, konkludent erhoben.
Abs. 2 bestimmt allerdings, dass abweichende Bestimmungen zulässig sind. Für in
jüngster Zeit abgeschlossene Grundschulden regelt neuerdings § 1193 Abs. 2 S. 2
BGB, dass man vom Kündigungserfordernis nicht abweichen darf, wenn eine
Geldforderung gesichert wird. Für die hier vorliegenden älteren Grundschulden gilt
dies freilich noch nicht, Art. 229 § 18 Abs. 3 EGBGB.
Die Antragsgegnerin trägt jedoch nicht vor, dass abweichende
Fälligkeitsbestimmungen getroffen worden seien, sondern behauptet vielmehr,
eine ordnungsgemäße Kündigung liege vor. Diesen Vortrag konnte sie aber nicht
ausreichend glaubhaft machen, weil sie zur Glaubhaftmachung lediglich das
angebliche Kündigungsschreiben vom 02.02.2009 selber anbot, den Zugang jenes
angeblich per Einschreiben versandten Schreibens aber nicht glaubhaft machte.
Da die Antragsgegnerin dies darlegen und glaubhaft machen muss, ist nicht von
einer ordnungsgemäßen Kündigung auszugehen.
Von einer abweichenden Regelung zur Fälligkeit des Kapitals der Grundschuld kann
das Gericht ungeachtet der Tatsache, dass es in den Grundschuldurkunden
regelmäßig heißt "die Grundschuld ist fällig", nicht ausgehen, weil die
Antragsgegnerin dazu nichts vorgetragen hat. Wie der Bundesgerichtshof
ausdrücklich entschieden hat, wäre eine entsprechende Klage der Antragsgegnerin
solange unschlüssig, bis nicht ausdrücklicher und substantiierter Vortrag zu einer
abweichenden Fälligkeitsvereinbarung vorliegt (BGH WM 2004, 833).
Nach alledem steht unabhängig von den ebenfalls vom Antragsgegner
aufgeworfenen Fragen der Wirksamkeit der Abtretung an die Antragsgegnerin
aufgeworfenen Fragen der Wirksamkeit der Abtretung an die Antragsgegnerin
jedenfalls die Fälligkeit des Kapitals der Grundschulden derart stark im Zweifel,
dass die Zwangsvollstreckung ohne Sicherheitsleistung vorläufig einzustellen war.
Die weitere Klärung der Berechtigung der Zwangsvollstreckung bleibt dem
Hauptsacheverfahren vorbehalten.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.