Urteil des LG Frankfurt am Main vom 14.03.2017

LG Frankfurt: therapie, einstweilige verfügung, heilende wirkung, behandlung, irreführende werbung, akte, broschüre, universität, irreführung, schriftstück

Gericht:
LG Frankfurt 3.
Zivilkammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
2-03 O 643/06,
2/03 O 643/06, 2-3
O 643/06, 2/3 O
643/06
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 3 UWG, § 4 Nr 11 UWG, § 3
Nr 1 HeilMWerbG
Irreführende Heilmittelwerbung: Beweislast für die
Wirkungsbehauptungen bezüglich einer umstrittenen
Behandlungsmethode; Wirkungsnachweis für eine MBST-
KernspinResonanzTherapie
Tenor
I. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines Ordnungsgeldes bis 250.000
EUR, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, die
Ordnungshaft zu vollziehen an ihrem Geschäftsführer, für jeden Fall der künftigen
Zuwiderhandlung, zu unterlassen,
im geschäftlichen Verkehr für die M Therapie wie in der Anlage K 2
"Krankenkassenunterlagen zur M Therapie" zu werben:
1. "Neue Behandlungsform bei Arthrose und Sportverletzungen";
2. "Das neue Verfahren zur Knorpelregeneration bei Arthrosen und
Sportverletzungen";
3. "Die Firma M Medizintechnik GmbH in W hat mit ihrer M Therapie einen
wesentlichen Schritt hin zu einer schmerzlosen Bewegungsfreiheit für
Arthrosepatienten getan";
4. "... ist optimal ... in ihrer Wirkung";
5. "Mit der M Therapie ist ein Verfahren entwickelt worden, das den
Stoffwechsel des Knorpels stimuliert";
6. "Mit der M Therapie ist es möglich, die Magnetisierungsrichtung im Körper zu
ändern, ohne dass sich dabei der Körper in Bewegung befindet, da die indizierte
Kernspin-Resonanz-Spannung einen körpereigenen Bewegungsablauf vortäuscht";
7. "Eine Behandlung mit M Therapie bedeutet für den Patienten:
- Steigerung seiner Lebensqualität durch eine Schmerzlinderung bis hin zu
Beschwerdefreiheit
- Nachhaltige kausale Verbesserung seines Krankheitsbildes
- Aufhalten eines Zugrundegehens seines Knorpels
- Keinen oder zumindest reduzierten Medikamentenverbrauch mit den
bekannten und erheblichen Nebenwirkungen";
8. "Wie wirkt Kernspin-Resonanz
Jede Bewegung des Körpers führt zu einer kleinen Änderung der
Magnetisierungsrichtung. Durch Ändern der Magnetisierungsrichtung wird eine
1
2
3
4
5
Magnetisierungsrichtung. Durch Ändern der Magnetisierungsrichtung wird eine
Potentialdifferenz (Spannung) in das umliegende Gewebe induziert. Im
Knorpelgewebe registriert die Knorpelzelle die Spannung an ihrer Membran. Mit
Erkennen der Spannung wird sie zur Arbeit angeregt. Der Chrondrozyt beginnt
seine Synthese, der Stoffwechsel findet statt.
Bei einem arthrotischen Knorpel ist die Bewegung durch den Schmerz
stark eingeschränkt. Das Gelenk wird geschont, es wird ruhig gehalten. Während
der Behandlung mit der M Therapie werden die Protonen durch Wechseln der
Magnetisierungsrichtung aus ihrer Gleichgewichtslage gebracht. Es wird die nötige
Potentialdifferenz erzeugt, die für die Synthesearbeit der Knorpelzelle notwendig
ist.
Die Kernspin-Resonanz ist das einzige technische Verfahren, das in der
Materie eine Magnetisierungsrichtung bewirken kann. Die induzierte Spannung
wirkt für die Knorpelzelle so, als sei das Gelenk in Bewegung. Es dient der
Knorpelzelle als eine stimulierte Bewegungsmeldung";
9. "Mit der M Therapie wird gezielt der Stoffwechsel im Knorpelgewebe
angeregt und somit Knorpelregeneration ausgelöst";
10. "Die nachweisbaren Erfolge mit M Therapie können sie aus den beigefügten
klinischen Überprüfungen, Studien und großangelegte
Behandlungserfolgsauswertungen entnehmen";
11. mit nachstehend wiedergegebenen Studien zur M Therapie:
An dieser Stelle folgen im Original mehrere Abbildungen, die hier nicht
wiedergegeben werden können.
II. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich des Unterlassungsausspruchs gegen
Sicherheitsleistung in Höhe von 45.000 EUR und hinsichtlich der Kosten in Höhe
von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Der Kläger verlangt von der Beklagten die Unterlassung von Werbeaussagen.
Der Kläger ist ein eingetragener Verein, zu dessen satzungsmäßigen Aufgaben die
Wahrung der gewerblichen Interessen seiner Mitglieder, insbesondere die Achtung
darauf gehört, dass die Regeln des lauteren Wettbewerbs eingehalten werden.
Die Beklagte stellt M-Behandlungsgeräte her und wirbt für eine sogenannte "M
Therapie" mit Behauptungen über deren angebliche therapeutische Wirksamkeit,
insbesondere gegen Arthrose, Sportverletzungen, Schmerzen etc. Diese bewirbt
sie mit einer Broschüre: "Krankenkassenunterlagen zur M Therapie". Wegen der
Einzelheiten dieser Broschüre, der sich die streitgegenständlichen Angaben
entnehmen lassen, wird auf die der Klageschrift beigefügte Anlage K 2 (Bl. 30 – 39
R) Bezug genommen.
Der Kläger mahnte die Beklagte mit Schreiben vom 5.10.2005 ab und forderte sie
zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf. Die Beklagte kam
dem nicht nach. Daraufhin beantragte der Kläger bei der erkennenden Kammer
zum Az.: 2-03 O 608/05 mit Schriftsatz vom 14.10.2005 den Erlass einer
einstweiligen Verfügung. Nach mündlicher Verhandlung vom 24.11.2005 erließ die
Kammer die beantragte einstweilige Verfügung durch Urteil vom 15.12.2005.
Wegen der Einzelheiten dieses Urteils wird auf Bl. 119 ff. der beigezogenen Akte
Bezug genommen. Die Berufung der Beklagten wurde durch Urteil des 6.
Zivilsenates des OLG Frankfurt am Main vom 22.06.2006 – 6 U 4/06 – mit der
Maßgabe zurückgewiesen, dass es im Unterlassungsausspruch nach den Worten
"im geschäftlichen Verkehr für die M Therapie" heißt "wie in der Anlage 4
Krankenkassenunterlagen zur M-Therapie". Wegen weiterer Einzelheiten dieses
Urteils wird auf die Anlage K 3 (= Bl. 40 – 47 d. A.) Bezug genommen.
Der Kläger forderte die Beklagte mit Schreiben vom 19.01.2006 (Bl. 48 d. A.) zur
Abgabe einer Abschlusserklärung auf und wiederholte dies – nach Abschluss des
einstweiligen Verfügungsverfahrens – mit Schreiben vom 02.08.2006 (Bl. 49 – 54 R
d. A.). Nachdem die Beklagte darauf nicht reagierte, reichte der Kläger die
vorliegende Hauptsacheklage ein.
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
vorliegende Hauptsacheklage ein.
Der Kläger behauptet, die von der Beklagten behaupteten Wirkungen seien
wissenschaftlich ungesichert und nicht belegt. Er nimmt insoweit insbesondere
Bezug auf die Veröffentlichung "Stiftung Warentest D", Stichwort "Magnetfeld-
Therapie" gemäß Anlage K 6 (= Bl. 55 – 59 d. A.) und Gutachten bzw.
Veröffentlichungen insbesondere der Professoren K aus dem Jahr 1996, K aus dem
Jahr 2000 (Anlage K 7 = Bl. 60 ff d. A.), Glaser aus dem Jahr 2004 (Anlage K 9 = Bl.
123 – 131 d. A.) und Senn aus dem Jahr 2005 gemäß Anlage K 10 (= Bl. 130 – 137
d. A.). Ferner nimmt der Kläger auf zu Methoden der Magnetfeldtherapie
ergangene Urteile gemäß den Ausführungen auf S. 23 der Klageschrift Bezug. Der
Kläger ist der Ansicht, die Angaben seien deswegen irreführend gemäß §§ 3 HWG,
3 UWG. Der – bestrittene – Aufklärungshinweis der Beklagten sei nicht geeignet,
eine Irreführung der angesprochenen Verkehrskreise auszuräumen. Zum
Adressatenkreis der "Krankenkassenunterlagen" gehörten nicht nur
Krankenkassen und Ärzte, sondern auch und gerade Patienten.
Der Kläger beantragt,
wie erkannt.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte behauptet, die streitgegenständliche Therapie sei wirksam. Insoweit
wird insbesondere auf die Ausführungen der Beklagten in ihren Schriftsätzen vom
25.01.2007 (Bl. 169 ff d. A.) unter Bezugnahme auf die bereits in dem
einstweiligen Verfügungsverfahren vor der Kammer zum Az.: 2-03 O 608/05
vorgelegten Unterlagen, der Schriftsätze vom 24.04.2007 nebst Anlagen (Bl. 213 ff
d. A.) und vom 27.04.2007 (Bl. 263 – 265 d. A.) sowie die beklagtenseits in der
mündlichen Verhandlung vorgelegten Unterlagen gemäß Bl. 279 – 320 d. A. Bezug
genommen. Die angegriffene Informationsbroschüre werde an Ärzte in
verschlossenen Umschlägen und mit einem "Aufklärungshinweis" gemäß S. 6 der
Klageerwiderung (Bl. 171 d. A.) ausgegeben. Die Broschüre sei nicht dazu
bestimmt, im Bereich der Krankenkassen Werbung zu betreiben. Der Beklagten
seien auch keine Fälle bekannt, dass diese Unterlagen als "Werbematerial"
gegenüber Patienten oder anderen Personen eingesetzt worden seien. Die
Beklagte ist der Ansicht, die streitgegenständlichen Angaben seien nicht
irreführend.
Die Akte des Landgerichts Frankfurt am Main 2-03 O 608/05 war Gegenstand der
mündlichen Verhandlung.
Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien
gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet.
Der Kläger ist klagebefugt gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG, §§ 2, 3 Abs. 1 Ziff. 2
UKlaG.
Dem Kläger steht der Unterlassungsanspruch gemäß den Ziff. 1. - 11. der
Klageschrift gemäß §§ 8, 3, 4 Nr. 11 UWG und § 3 HWG zu, da die
streitgegenständlichen Äußerungen in der Broschüre: "Krankenkassenunterlagen
zur M Therapie" irreführend sind. Diese Unterlage ist seitens der Beklagten nicht
nur an Krankenkassen bzw. an Ärzte gerichtet. Die Aushändigung an Patienten ist
nicht ausgeschlossen. Jedenfalls im Fall privat versicherter Patienten ist eine
bestimmungsgemäße Verwendung der Broschüre nur dadurch möglich, dass sie
diesem zum Zwecke der Korrespondenz mit der Krankenversicherung
ausgehändigt wird, sofern er nicht bereits von einem Arzt darüber Informationen
erhalten hat. Damit richtet sich die Bewerbung auch an Patienten.
Gemäß § 3 Nr. 1 HWG liegt eine irreführende Werbung dann vor, wenn
Behandlungen eine therapeutische Wirkung beigelegt wird, die sie nicht hat. Des
Weiteren liegt eine Irreführung auch dann vor, wenn diese therapeutische Wirkung
wissenschaftlich nicht hinreichend gesichert ist (Bülow/Ring, HWG, 3. Aufl., § 3 Rdnr.
37).
18
19
20
21
22
23
24
25
26
27
28
Für die unter Ziff. 1 - 11 beanstandeten Aussagen sind, bezogen auf die
streitgegenständliche "Krankenkassenunterlagen" gemäß Anlage K 2, die
Voraussetzungen der Irreführung erfüllt. Die Aussagen sind geeignet, die
Erwartung zu erwecken, es handele sich um therapeutisch mit Sicherheit wirksame
Mittel, die eine heilende Wirkung entfalteten. Insoweit nimmt die Kammer Bezug
auf die Ausführungen des 6. Zivilsenates des OLG Frankfurt a. M. auf S. 6/7 seines
im einstweiligen Verfügungsverfahren vorliegend ergangenen Urteils vom
22.06.2006 - 6 U 4/06.
Wenngleich grundsätzlich der die Unterlassung begehrende Kläger beweisbelastet
ist für die Unrichtigkeit der Werbebehauptung, ist der Werbende jedoch
ausnahmsweise dann beweisbelastet, wenn er eine bestimmte Aussage über die
Wirksamkeit einer in der Wissenschaft umstrittenen Therapie trifft, ohne die
Gegenmeinung zumindest zu erwähnen. Der Werbende übernimmt in einem
derartigen Fall die Verantwortung für die uneingeschränkte Richtigkeit der
getroffenen Aussage, die er im Streitfall dann auch beweisen muss (vgl. BGH vom
7.3.1991, GRUR 1991, 848/849 - Rheumalind II.; OLG Frankfurt a. M. GRUR-RR
2003, 295 - Roter Ginseng und dessen bereits zitiertes Urteil vom 22.06.2006 - 6 U
4/06 - im vorausgegangenen einstweiligen Verfügungsverfahren)
Die wissenschaftlichen Erkenntnisse müssen nicht absolut gewiss sein. Strittig ist
jedoch, welcher Grad an Gewissheit erforderlich ist. Die Erkenntnisse einzelner
Wissenschaftler genügen nicht, es sei denn, es handelt sich um nicht bestrittene
Einzelmeinungen. Soweit fachlich umstrittene Meinungen in der Werbung verwandt
werden, besteht gegenüber einem nicht unbeachtlichen Teil der angesprochenen
Verkehrskreise die Gefahr der Irreführung, es sei denn, es wird auf den
Meinungsstreit deutlich hingewiesen, oder aber die erkennbare Zugehörigkeit des
Heilmittels zu einer besonderen Therapierichtung (z. B. anthroposophische
Medizin) relativiert die Erwartungshaltung des Publikums (Doepner, HWG, 2. Aufl., §
3 Rn. 72).
Vorliegend hat der Kläger - in Übereinstimmung mit den Ausführungen des 6.
Zivilsenates in seinem, im einstweiligen Verfügungsverfahren ergangenen Urteil
vom 22.06.2006 - 6 U 4/06, dort Seite 4 - anhand der von ihm vorgelegten
Unterlagen, insbesondere den in früheren Gerichtsverfahren eingeholten
Sachverständigengutachten von Prof. Dr. K, K, vom 19.11.1996, von Prof. Dr. med.
K aus M vom 17.08.2000 (Anlage K 7) und dem vorgelegten Gutachten von Prof.
Dr. med. S vom 18.04.2005 (Anlage K 10), das in einem Verfahren bei dem
Landgericht Stuttgart - 42 O 62/02 KfH - eingeholt wurde, substantiiert
vorgetragen und glaubhaft gemacht, dass es nicht gesicherter Erkenntnis der
medizinischen Wissenschaft entspricht, dass die Anwendung der
Magnetfeldtherapie zu den von der Beklagten in den beanstandeten
Werbeaussagen beschriebenen Erfolgen führt.
Die von der Beklagten vorgelegten Studien und Untersuchungen haben nicht in
der den oben genannten Anforderungen entsprechenden Weise darlegen können,
dass die beworbenen Wirkungen den wissenschaftlichen Erkenntnissen
entsprechen. Ein Teil der von der Beklagten vorgelegten Studien konnten aufgrund
mangelnder Veröffentlichung schon nicht zur Darlegung herangezogen werden, die
anderen enthalten als Ergebnis nicht die beworbene Wirkung bzw. beziehen sich
nur auf ein spezifisches Krankheitsbild.
Soweit sich die Beklagte auf einen angeblich vorliegenden "Aufklärungshinweis"
bezogen hat, kann dahingestellt bleiben, ob ein solcher tatsächlich den
streitgegenständlichen Broschüren der Beklagten, wie von dieser in der
Klageerwiderung behauptet, beigefügt war.
Denn der "Aufklärungshinweis!
Wir sind verpflichtet, darauf hinzuweisen, dass die Wirksamkeit von
Magnetfeldtherapien in der Wissenschaft umstritten ist.
Unsere Therapie, die M therapie , ist eine neuartige, innovative
Behandlungsmethode, deren Wirkungsweise auf Kernspinfeldern aufbaut.
Wegen dieser Besonderheit sind unsere M-Behandlungsgeräte zum Patent
angemeldet!",
ist für die angesprochenen Patienten irreführend. Dies ergibt sich aus dem Kontext
28
29
30
31
32
33
34
35
36
ist für die angesprochenen Patienten irreführend. Dies ergibt sich aus dem Kontext
des Aufklärungshinweises, welcher die M-Kernspinresonanztherapie von den
herkömmlichen Magnetfeldtherapien abgrenzt und sie als neuartige, innovative
Behandlungsmethode bezeichnet. Die Erklärung, dass die Wirkungsweise auf
Kernspinfeldern aufbaue, verbunden mit der Aussage, die M-Behandlungsgeräte
seien zum Patent angemeldet, wecken bei den angesprochenen Arthrose-
Patienten und Sportverletzten den Eindruck, dass es sich bei der M-Kernspin-
ResonanzTherapie im Gegensatz zu herkömmlichen Magnetfeldtherapien um eine
Behandlungsmethode handelt, deren therapeutische Wirksamkeit zur Behandlung
der Arthrose und Sportverletzungen erwiesen sei. Eine solche Wirkung ist
wissenschaftlich jedoch nicht hinreichend gesichert und die Werbung hiermit aus
diesem Grund irreführend im Sinne von § 3 Nr. 1 HWG (vgl. Doepner, HWG, 2. Aufl.,
§ 3 Rn. 71).
Im Einzelnen ist zu den von der Beklagten - auch unter Bezugnahme auf die im
einstweiligen Verfügungsverfahren vorgelegten - Studien festzustellen:
1. Die Studie der Deutschen Sporthochschule K unter Beteiligung von Prof. Dr. F,
Anlage B 4 in dem Parallelverfahren 2-3 O 219/05, das in dem einstweiligen
Verfügungsverfahren 2-03 O 608/05 beigezogen war, beschäftigt sich mit 14
Patientinnen, die unter Gonarthrose leiden und die sich einer PEMF-Behandlung
(Gerät: MBST 1 der Beklagten) unterzogen haben. Als Ergebnis wird dort
festgestellt, dass es zu deutlichen positiven Anpassungen der Knorpelstrukturen
gekommen sei. Das bisher aufgestellte Axiom, "Knorpel kann nicht regenerieren"
gilt es mit diesen neuen Methoden zu hinterfragen und eventuell soll sich in naher
Zukunft daraus eine neue wissenschaftliche Sichtweise zu dieser Fragestellung
ergeben.
Abgesehen davon, dass die Studie die Begriffe PEMF (übliche Magnetfeldtherapie)
und M vermischt, ist sie zur Darlegung nicht geeignet, da sich das Ergebnis, das
auch nur das bisher aufgestellte Axiom hinterfragen will, lediglich auf eine
Probandenzahl von 14 stützen kann, denen keine Kontrollgruppe gegenüber
gestellt wurde. Des Weiteren beschäftigt sich die Studie nur mit einem
Krankheitsbild, nämlich der Gonarthrose, so dass sie zu anderen Krankheitsbildern
nicht aussagekräftig ist und deswegen nicht, wie von der Beklagten vorgenommen,
generell auf das Gewebe oder Knorpelzellen übertragen werden kann.
2. Die Studien der Dres. A und S, Waldkrankenhaus Bad D, beschäftigen sich mit
arthrosebedingten Beschwerden des Kniegelenks. Sie umfassen 60 Patienten,
beinhalten jedoch keine Kontrollgruppe. M wird als eine neue
Behandlungsmethode, die nicht mit der üblichen PEMF verglichen bzw. verwechselt
werden darf, eingestuft. Die Autoren verstehen ihre Arbeit als prospektive
"Anwendungsbeobachtung". M wird als sehr sinnvolles, ergänzendes
Therapieverfahren angesehen. Die Schmerzreduktion, Verbesserung der
Gelenkfunktion sowie die Reduktion der Gelenksteifheit bei Gonarthrose konnte
prospektiv für die Dauer von 6 Monaten nachgewiesen werden. Inwieweit neben der
symptommodifizierenden Wirkung eine Strukturmodifikation besteht, sollte durch
weitere Studien belegt werden.
Die Studie ist nicht geeignet, der Darlegungslast zu genügen. Sie ist nicht
veröffentlicht, so dass eine Diskussion in der Fachwelt nicht stattfinden konnte.
Außerdem fehlt auch hier eine Kontrollgruppe. Auch nimmt die Studie nicht für sich
in Anspruch, bereits ein abschließendes Ergebnis zu enthalten, vielmehr werden
weitere Studien empfohlen. Des Weiteren beschäftigt sie sich auch nur mit
arthrosebedingten Schmerzen im Kniegelenk.
3. Auch die Studie des L B Institut für Rehabilitation interner Erkrankungen, S, v K
et al. gemäß der im Termin zur mündlichen Verhandlung vorgelegten Unterlagen
gemäß Bl. 299 - 318 d. A. bezeichnet die M Therapie als ein ergänzendes
Therapieverfahren, und zwar für die Rehabilitation von Patienten mit chronischen
Kreuzschmerzen (Low Back Pain). Auch diese Studie ist nicht geeignet,
wissenschaftlich zu belegen, dass es sich bei der beworbenen Therapie um eine
wirksame Alternative in der Arthrose-Behandlung und der Behandlung von
Sportverletzungen schlechthin handelt.
4. Die ärztliche Stellungnahme des Orthopäden Dr. K gem. Anlage B 7 der Akte 2-
03 O 219/05 schlussfolgert, dass die Ergebnisse derzeit sicher nur als Trend
angesehen werden.
Die Stellungnahme ist nicht geeignet, die Wirkungen darzulegen. Es handelt sich
36
37
38
39
40
41
42
43
44
45
46
47
Die Stellungnahme ist nicht geeignet, die Wirkungen darzulegen. Es handelt sich
bei ihr um ein undatiertes, unveröffentlichtes Schriftstück, das selbst darauf
hinweist, dass es sich lediglich um einen Trend handelt. Gesicherte Erkenntnisse
werden nicht mitgeteilt.
5. Die wissenschaftliche Untersuchung der Dres. O, U und G befasst sich mit der
Wirksamkeit der M bei der Behandlung von Ganzkörperosteoporoseerkrankungen.
Die Untersuchungen wurden in 3 Facharztpraxen und einem Behandlungszentrum
mit 27 Patienten durchgeführt, wobei lediglich die Daten von 21 Patienten über
einen Zeitraum von 6 Monaten ermittelt wurden. Als Ergebnis wird eine deutlich
positive Veränderung der Knochendichte festgestellt.
Die Stellungnahme ist nicht geeignet, die beworbenen Wirkungen darzulegen. Es
handelt sich um ein undatiertes, unveröffentlichtes Schriftstück, so dass es
deswegen schon nicht verwendet werden kann. Außerdem handelt es sich nur um
wenige Patienten, Ergebnisse konnten nur bei 21 erzielt werden. Auch betrifft die
Studie nur Knochendichtemessungen.
6. Die erneute wissenschaftliche Untersuchung von Dr. K gem. Anlage B 9 des
Parallelverfahrens 2-03 O 219/05 stellt zusammenfassend dar, dass MBST einen
positiven Effekt auf den Mineralisationsgrad menschlicher Knochen zu haben
scheint. Bei über 60 % der untersuchten Patienten habe ein Anstieg der
Knochendichte um durchschnittlich 28 % erreicht werden können. Kontrollierte
Studien sollten initiiert werden, um an einem größeren Kollektiv unter
wissenschaftlichen Bedingungen den Therapieerfolg bei Osteoporose überprüfen
zu können.
Die Stellungnahme ist nicht geeignet, die Wirkungen darzulegen. Es handelt sich
um ein undatiertes, unveröffentlichtes Schriftstück, so dass es schon deswegen
nicht verwendet werden kann. Des Weiteren führt die geringe Probandenzahl von
15 Patienten nicht zu einem aussagekräftigen Ergebnis. Der Verfasser selbst ist
der Ansicht, dass kontrollierte Studien erst noch initiiert werden sollten, um zu
einem überprüfbaren Ergebnis zu gelangen.
7. Die doppelblind ausgeführte Zellstudie des Labors für medizinische Biologie und
Molekularbiologie der Technischen Universität A vom 22.03.2005, die
zwischenzeitlich in der Zeitschrift "M" veröffentlicht worden ist, enthält Resultate in
Bezug auf die Zellteilung, Zellapoptose und Lebensdauer von menschlichen
Knorpelzellen und menschlichen Knochenzellen in "in vitro" Kulturen vor und nach
der Behandlung mit speziellen Kernspinresonanzsequenzen.
Die Studie kann nicht die angepriesenen Wirkungen darlegen, da sie nicht
verwendet werden kann, da es sich nur um Versuche "in vitro" handelt.
8. Prof. Dr. G trägt in einem Artikel in der Zeitschrift "S" 4/04, S. 136 gemäß
Anlage K 9 der vorliegenden Akte (Bl. 123- 131 d. A.) vor, dass ein spezieller Teil
der PEMF-Therapie sich auf die Heilung von Knochen und Gelenken konzentriert.
Für ein solches Verfahren gebe es tatsächlich eine gewisse, wenn auch noch sehr
hypothetische wissenschaftliche Basis. Es gebe viele Möglichkeiten
therapeutischer Nutzung elektrischer oder elektromagnetischer Felder. Man
könnte sogar kühn formulieren: Die Zukunft der Elektromagneta-Therapie liege
noch vor uns. Dies erfordere jedoch eine intensive und sorgfältige
Grundlagenforschung, die sicherlich weltweit auch betrieben wird.
Der Artikel bestätigt nur, dass Therapien von Nutzen sein könnten, eine
wissenschaftlich gesicherte Erkenntnis für das M im Hinblick auf die aufgeführten
Beschwerden wird dort jedoch nicht bestätigt.
9. Das Gutachten des Physikers Prof. Dr. P. J von der Universität W vom
04.05.2005 gemäß Anlage B 3 der vorliegenden Akte (Bl. 266 ff d. A.) stellt fest,
dass die erfassten Messwerte sich im Rahmen der Messgenauigkeit mit den
technischen Unterlagen der Beklagten decken. Die Geräte weisen alle
notwendigen technischen Gerätekomponenten auf, um bei niedrigen
magnetischen Feldern den physikalischen Effekt der Kernspinresonanz
anzuwenden.
Das Gutachten beschäftigt sich nur mit der Funktion des Geräts, nicht mit
erzielten Wirkungen beim Patienten.
10. Die Dissertation der Diplom-Biophysikerin B H "Elektrische Stimulation von
47
48
49
50
51
52
53
54
10. Die Dissertation der Diplom-Biophysikerin B H "Elektrische Stimulation von
Zellen und Geweben am besonderen Beispiel von Knochenzellen", eingereicht bei
der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät I der Humboldt-Universität in
B im Jahre 2004, die die Beklagte in der mündlichen Verhandlung des einstweiligen
Verfügungsverfahrens zu den Akten gereicht hat, ist für die Werbebehauptungen
der Beklagten über deren Gerätschaften nicht maßgeblich. Es wurden lediglich
Reagenzglasversuche unter Verwendung von Elektroden ausgewertet.
11. Auch die eidesstattliche Versicherung des Professors der Biologie an der
Universität von M, University College Europe, Prof. Dr. G J. B, vom 15.11.2005, die
in dem einstweiligen Verfügungsverfahren von der Beklagten zur Akte gereicht
wurde und die sich auf eine Sichtung von 50 Publikationen bezieht, vermag nicht
den wissenschaftlichen Nachweis einer Wirksamkeit der Magnetfeldtherapie zu
führen. Hierbei handelt es sich um eine persönliche Wertung von Prof. B aufgrund
des ihm vorgelegten Materials, die ihrerseits einen Wirksamkeitsnachweis nicht zu
erbringen vermag.
12. Auch das in der Berufungsinstanz des einstweiligen Verfügungsverfahrens
vorgelegte Gutachten des Pharmakologen Prof. D beruht nicht auf eigenen
Untersuchungen, sondern stellt lediglich eine Bewertung der anderen, von der
Beklagten vorgelegten Gutachten dar. Soweit diese nach Auffassung von Prof. D
ein "durchweg positives Bild" ergeben, handelt es sich nur um eine
Meinungsäußerung, nicht um einen wissenschaftlichen Beleg.
13. Schließlich kann die Beklagte ihre Werbung nicht mit dem in der mündlichen
Verhandlung vorgelegten Studienvorbericht von Prof. M, Dr. A (L-Institut; Bl. 279 ff
d. A., siehe auch Anlage B 2 = Bl. 227 ff d. A.) rechtfertigen. Denn zum einen
bezog sich der Untersuchungsgegenstand allein auf die Wirksamkeit der M-
KernspinResonanzTherapie bei Fingergelenksarthrosen, also nur einer speziellen
Fallgruppe der Arthroseerkrankungen. Zum anderen wurden wiederum keine
Untersuchungen durchgeführt, die die Wirkungsweise der ... Therapie erforschen
könnten, sondern die Patienten wurden nach ihrer Befindlichkeit befragt, das heißt,
sie sollten im Rahmen eines "QUABA-Gesamtscore" bewerten, wie schmerzhaft für
sie Tätigkeiten wie Strümpfeanziehen oder Hemd zuknöpfen empfunden werden.
Diese subjektive Beurteilung (Einzelheiten zur Durchführung der Befragung
offenbart der Studienvorbericht nicht) erlaubt aber ebenfalls nicht den Schluss auf
die objektive Wirksamkeit der M Therapie.
Die Beklagte hat mehrfach die Einholung eines Sachverständigengutachtens
beantragt. Dessen bedurfte es jedoch schon deshalb nicht, weil die vorgelegten
Unterlagen bereits aufgrund ihrer Zielsetzung und Aufgabenstellung und aufgrund
der selbst gezogenen Folgerungen nicht als wissenschaftliche Bestätigung der
streitigen Werbeaussagen herangezogen werden können. Auf eine
sachverständige Bewertung wissenschaftlicher Erkenntnisse kommt es daher nicht
mehr an. Im übrigen genügt der bloße Antrag auf Einholung eines
Sachverständigengutachtens nicht, um die Richtigkeit gesundheitsbezogener
Werbeangaben ordnungsgemäß darzutun und nachzuweisen. Vielmehr ist es
zunächst die Sache des Werbenden, die wissenschaftlichen Erkenntnisse
substantiiert vorzutragen, auf die er seine Behauptung stützt (OLG Frankfurt, 6.
Zivilsenat, GRUR-RR 2003, 295, 296 - Roter Ginseng).
Nachdem sich die Beklagte weigert, eine strafbewehrte Unterlassungserklärung
abzugeben, ist auch die für das Unterlassungsbegehren erforderliche
Wiederholungsgefahr zu bejahen.
Die Entscheidung über die Androhung eines Ordnungsmittels beruht auf § 890
ZPO.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige
Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in § 709 ZPO.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.