Urteil des LG Flensburg vom 14.03.2017

LG Flensburg: aufhebung der sperre, sperrfrist, bak, gewohnheitstrinker, strafbefehl, beratungsstelle, geldstrafe, quelle, wiedererteilung, trunkenheit

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Gericht:
LG Flensburg 2.
Große
Strafkammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
II Qs 36/05
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 69a Abs 7 StGB, § 316 Abs 1
StGB
Entzug der Fahrerlaubnis: Voraussetzungen der
Wiedererlangung der Eignung zum Führen von
Kraftfahrzeugen bei einem Gewohnheitstrinker
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft wird der Beschluss des
Amtsgerichts Niebüll vom 07.03.2005 - Az. 16 Cs 241/04 - aufgehoben und der
Antrag des Verurteilten in der Fassung vom 21.02.2005, die durch Strafbefehl vom
31.08.2004 angeordnete Sperrfrist auf den 15. März 2005 abzukürzen,
zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich seiner notwendigen Auslagen
trägt der Verurteilte.
Gründe
Der Verurteilte ist durch Strafbefehl des Amtsgerichts Niebüll vom 31.08.2004
wegen vorsätzlicher Trunkenheit im Straßenverkehr zu einer Geldstrafe verurteilt
worden. Ihm ist die Fahrerlaubnis entzogen, der Führerschein eingezogen und es
ist eine Sperrfrist für die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis von noch acht Monaten
verhängt worden. Die Entscheidung ist seit dem 16.09.2004 rechtskräftig.
Auf Antrag des Verurteilten hat das Amtsgericht durch Beschluss vom 07.03.2005
die Sperrfrist gem. § 69a Abs. 7 StGB aufgehoben.
Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft ist zulässig
und begründet.
Die Staatsanwaltschaft hat zur Begründung ihres Rechtsmittels Folgendes
ausgeführt:
"Im Strafbefehl wurde festgestellt, dass der Verurteilte 26 Minuten nach der
Trunkenheitsfahrt eine Blutalkoholkonzentration von 1,76 o/oo aufwies. Weiter ist
festgestellt worden, dass es sich um eine vorsätzliche Tat handelte. Nach § 69 a
Abs. 7 StGB kann die Sperre zwar vorzeitig aufgehoben werden. Dies setzt indes
u.a. voraus, dass sich Grund zu der Annahme ergibt, dass eine Ungeeignetheit
des Verurteilten zum Führen von Kraftfahrzeugen nicht mehr besteht. Erforderlich
ist, dass erhebliche neue Tatsachen zu einer Gesamtwürdigung führen, die den
Täter nicht mehr als ungeeignet erscheinen lassen. Grundsätzlich kann dabei
Berücksichtigung finden, dass der Verurteilte durch eine Nachschulung eine
risikobewusstere Einstellung im Straßenverkehr entwickelt hat. Eine derartige
Nachschulung hat der Verurteilte nachgewiesen. Sie reicht jedoch bei diesem
Verurteilten nicht aus. Insoweit verweise ich auf das "Informationsblatt zur
Aufhebung der Führerscheinsperre in Schleswig-Holstein", Bl. 70 a d. A..
Die dem Verurteilten am Tattage 26 Minuten nach der Tat entnommene Blutprobe
enthielt noch 1,76 o/oo Alkohol, Bl. 13 d. A.. Ein Kraftfahrer, der mit einer BAK von
1,6 o/oo und mehr ein Kraftfahrzeug im öffentlichen Verkehr führt, ist nach
gesicherten verkehrsmedizinischen- und psychologischen Erkenntnissen ein
Gewohnheitstrinker. Seine individuelle Rückfallwahrscheinlichkeit liegt deutlich über
der noch nicht oder jedenfalls noch mit solch hohen Werten aufgefallenen
Kraftfahrern, zumal wenn bei ihm - wie im vorliegenden Falle - vorsätzliches
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Kraftfahrern, zumal wenn bei ihm - wie im vorliegenden Falle - vorsätzliches
Verhalten festgestellt worden ist.
Ein derart zu charakterisierender Gewohnheitstrinker ist nur dann - wieder -
geeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen, wenn er zu einem glaubhaften
Entschluss zu dauerhafter, vollständiger Alkoholabstinenz gekommen ist und in
der Lage ist, diesen auch zu realisieren. Dazu gehört eine glaubhafte wenigstens 6
Monate lange Abstinenz sowie zur Stabilisierung des Abstinenzentschlusses die
Bereitschaft, eine psychosoziale Beratungsstelle bzw. Suchberatungsstelle
aufzusuchen und /oder regelmäßig an Sitzungen einer Selbsthilfegruppe
teilzunehmen zitiert nach Ostendorf, Schleswig-Holsteiner Anzeigen 1996 S. 5. Für
diesen Personenkreis (BAK-Wert über 1,6 o/oo) ist u. a. also ein entsprechender
Nachschulungskurs von mindestens sechsmonatiger Dauer u. a. Voraussetzung,
um überhaupt nach Ablauf der Sperrfrist den Führerschein zu erlangen, vgl.
Ostendorf aaO.
Die Grenze von 1,6 o/oo im Zusammenhang mit einer vorzeitigen Abkürzung
gemäß § 69 a Abs. 7 StGB ist mithin auch nicht willkürlich. Sie wird von allen
anderen Amtsgerichten im Landgerichtsbezirk Flensburg zur Grundlage ihrer
Entscheidungen in diesem Zusammenhang gemacht. Es ist daher auch aus dem
Gesichtspunkt einer einheitlichen Rechtsprechung geboten, die Entscheidung des
Landgerichts anzurufen."
Dem folgt die Kammer grundsätzlich und weist unter Bezugnahme auf die
Rechtsprechung des Landgerichts Hildesheim (NStZ-RR 2003, 312 ff.) und des
Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts (NZV 1992, 379) ergänzend auf
folgende Überlegungen hin:
Bei Verkehrsteilnehmern, die mit einer BAK von bis zu 1,6 %o Alkohol erstmals
einschlägig auffällig geworden sind, kann die erfolgreiche Teilnahme an einem
geeigneten Nachschulungskurs, wie ihn der Verurteilte absolviert hat (sog. Modell
"Leer-E" bzw. "TÜV Nord"), zu einer Verkürzung der Sperrfrist führen, soweit nicht
im Einzelfall besondere Umstände gegen eine solche Entscheidung sprechen.
Anders verhält es sich nach Auffassung der Kammer jedoch dann, wenn - wie hier -
der Verurteilte mit einer BAK von mehr als 1,6 %o Alkohol - nämlich mit 1,73 %o -
im Straßenverkehr auffällig geworden ist. In diesen Fällen ist nach der
Rechtsprechung des OVG Schleswig (aaO.) ein Kraftfahrer, der mit einer solchen
BAK ein Kfz führt, "nach gesicherten verkehrsmedizinischen und -psychologischen
Erkenntnissen ein Gewohnheitstrinker. Seine individuelle Rückfallwahrscheinlichkeit
liegt deutlich über der der noch nicht oder jedenfalls nicht mit so hohen Werten
aufgefallenen Kraftfahrer. Ein in der Art zu charakterisierender Gewohnheitstrinker
ist nur dann - wieder - geeignet zum Führen von Kfz, wenn er zu einem
glaubhaften Entschluss zu dauerhafter, vollständiger Alkoholabstinenz gekommen
und in der Lage ist, diesen auch zu realisieren. Dazu gehört eine glaubhafte
wenigstens 6-monatige Abstinenz sowie zur Stabilisierung des
Abstinenzentschlusses die Bereitschaft, eine psychosoziale Beratungsstelle bzw.
Suchtberatungsstelle aufzusuchen und/oder regelmäßig an Sitzungen einer
Selbsthilfegruppe teilzunehmen."
Diese Auffassung wird auch von der Generalstaatsanwaltschaft am OLG Schleswig
geteilt (vgl. Ostendorf, SchlHA 1996, 5 f.) und entspricht dem von der Verteidigung
zitierten und vorgelegten Informationsblatt, in dem ausdrücklich auf Kurse "für
Ersttäter mit einem nachgewiesenen Trunkenheitsgrad bis zu 1,6 Promille"
hingewiesen wird. Für eine vorzeitige Abkürzung der Sperrfrist wird in dem zitierten
Aufsatz von Ostendorf eine BAK von unter 1,6 %o als Voraussetzung genannt.
Im vorliegenden Fall kommt eine Abkürzung der Sperrfrist nach dem Modell "Leer-
E" deshalb nicht in Betracht, weil der Verurteilte zur Tatzeit eine BAK von deutlich
über 1,6 %o aufgewiesen hat und sich - wie der gutachterlichen Stellungnahme
des Verkehrspsychologischen Beratungs- und Schulungszentrums Hamburg vom
07.12.2004 zu entnehmen ist - gerade nicht zur vollständigen Abstinenz
entschlossen, geschweige denn diese auch glaubhaft realisiert hat. Die als
erfolgreich attestierte Nachschulung des Verurteilten entsprechend dem Modell
"Leer-E" und das im Gutachten dargestellte, in Zukunft beabsichtigte Verhalten
des Verurteilten im Umgang mit Alkohol ergibt nach Auffassung der Kammer noch
keinen Grund für die Annahme, dass er nunmehr deshalb schon zum Führen von
Kraftfahrzeugen nicht mehr ungeeignet ist. Eine vorzeitige Aufhebung der Sperre
kommt deshalb nicht in Betracht.
14 Die Kostenentscheidung beruht auf § 465 StPO.