Urteil des LG Flensburg vom 14.03.2017

LG Flensburg: beginn der frist, fahrzeug, kaufvertrag, sachmangel, vertragsschluss, datum, vollstreckung, willenserklärung, rücktritt, eigenschaft

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Gericht:
LG Flensburg 3.
Zivilkammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
3 O 136/06
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 433 BGB, § 434 Abs 1 BGB
Eigenschaft "fabrikneu" beim Neuwagenkauf: Berechnung
der 12-Monats-Frist zwischen Herstellung des Fahrzeugs
und Kaufvertragsabschluss; Überschreitung der 12-Monats-
Frist
Leitsatz
1. Für die Berechnung der Standzeit zur Bestimmung der Eigenschaft "fabrikneu" eines
Kfz ist auf den Eingang der Bestellung beim Verkäufer abzustellen, sofern der Verkäufer
die Annahme konkludent durch Lieferung erklären darf.
2. Bei einem Kaufvertrag über ein fabrikneues Kfz führt ein Überschreiten der -
gesetzlich nicht normierten - 12-Monats-Frist bei der Standzeit noch nicht zu einem
Sachmangel im Sinne von § 434 Abs 1 BGB.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger bleibt nachgelassen, die
Vollstreckung abzuwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des
aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages, sofern nicht der Beklagte vor der
Vollstreckung Sicherheit leistet in Höhe von 120 % des jeweils durch ihn zu
vollstreckenden Betrages.
Der Streitwert wird für den Zeitraum bis einschließlich 29.06.2006 auf 25.400,12 €,
für den Zeitraum danach auf 24.913,00 € festgesetzt.
Tatbestand
Der Kläger begehrt von dem Beklagten die Rückabwicklung eines Kaufvertrages
über ein Neufahrzeug unter dem Gesichtspunkt der Sachmängelgewährleistung.
Einziger Streitpunkt dem Grunde nach ist das Herstellungsdatum des als
Neufahrzeug verkauften Pkw K. C., Fahrgestellnummer XXX.
Der Kläger erwarb den genannten Pkw von dem Beklagten als Neufahrzeug auf der
Grundlage einer durch ihn unterzeichneten schriftlichen „Bestellung“ vom
16.02.2006, deren Inhalt sich im Einzelnen der Anlage K 1 (Bl. 6 d. A.) entnehmen
lässt. In dem Formular heißt es u. a.:
Mit Rechnung zu dem
genannten Kaufvertrag vom 14.03.2006 (vgl. Anl. K 2, Bl. 7 d. A.) stellte der
Beklagte den vereinbarten Kaufpreis in Rechnung, dem Kläger wurde das Fahrzeug
noch im März 2006 übergeben. Mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten
vom 24.04.2006 (Anl. K 4, Bl. 9/10 d. A.) rügte der Kläger gegenüber dem
Beklagten, das Fahrzeug sei bereits am 19.01.2004 hergestellt worden und stelle
daher kein Neufahrzeug dar. Der Beklagte wurde zur Nacherfüllung innerhalb einer
gesetzten Frist aufgefordert. Der Beklagte lehnte über seine
Prozessbevollmächtigten eine Nacherfüllung ab. Daraufhin erklärte der Kläger mit
Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 04.05.2006 den Rücktritt vom
Kaufvertrag unter Hinweis auf die abgelehnte Nacherfüllung durch den Beklagten.
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Der Kläger hat zunächst behauptet, Herstellungsdatum des erworbenen Pkw sei
der 19.01.2004, was sich aus der Zulassungsbescheinigung Teil I für das Fahrzeug
ergebe. Nach allseitiger Inaugenscheinnahme der Zulassungsbescheinigung im
Termin am 07.09.2006 hat der Kläger unstreitig gestellt, dass es sich bei dem
19.01.2004 nicht um das Herstellungsdatum des Fahrzeugs, sondern um das
Datum der EG-Typgenehmigung der entsprechenden Baureihe handelt. Der Kläger
behauptet nunmehr, das streitgegenständliche Fahrzeug sei am 07.03.2005
hergestellt worden, und beruft sich zum Beweis auf eine Auskunft des Herstellers.
Seinen ursprünglich mit 25.350,12 € bezifferten Klagantrag zu 1. hat der Kläger
mit Schriftsatz vom 29.06.2006 geringfügig zurückgenommen im Hinblick auf
weitere durch ihn zurückgelegte Kilometer.
Der Kläger beantragt nunmehr,
1. den Beklagten zu verurteilen, an ihn 24.863,00 € nebst Zinsen in Höhe von
5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 26.04.2006, Zug um Zug gegen
Rückübereignung des Pkw K. C., Fahrgestellnummer XXX, zu zahlen,
2. festzustellen, dass sich der Beklagte mit der Rücknahme des Pkw K. C.,
Fahrgestellnummer XXX, in Verzug befinde,
3. den Beklagten weiter zu verurteilen, an ihn 594,73 € nebst Zinsen in Höhe
von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er behauptet unter Bezugaufnahme auf den in Kopie als Anlage zum Schriftsatz
vom 21.06.2006 zu den Akten (Bl. 21) gereichten „EPC-Auszug“ für das
streitgegenständliche Fahrzeug, dieses sei am 03.07.2005 hergestellt worden.
Auch der Beklagte beruft sich zum Beweis seiner Behauptung, neben einem
Sachverständigengutachten, auf eine Auskunft des Herstellers.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
Der Kläger hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Rückzahlung des
geleisteten Kaufpreises, da der durch ihn erklärte Rücktritt mangels eines
Rücktrittsgrundes nicht zu einem Rückgewährschuldverhältnis im Sinne der §§ 346
ff. BGB führte. Der durch den Kläger erworbene Pkw wies im Zeitpunkt des
Gefahrüberganges keinen Sachmangel im Sinne von § 434 Abs. 1 BGB auf.
Entgegen der Auffassung des Klägers genügte der Pkw der zwischen den Parteien
getroffenen Beschaffenheitsvereinbarung „Neufahrzeug“; sonstige Mängel des
Fahrzeuges macht der Kläger nicht geltend.
Auch unter Zugrundelegung der klägerischen Behauptung, das Fahrzeug sei
bereits am 07.03.2005 hergestellt worden, genügte der streitgegenständliche Pkw
(noch) der vertraglichen Beschaffenheitsvereinbarung als Neufahrzeug. Als ein
solches ist im Falle des Verkaufes eines Neuwagens durch einen Kfz-Händler ein
Fahrzeug zu qualifizieren, wenn und solange das Modell dieses Fahrzeugs
unverändert weiter gebaut wird, wenn es keine durch längere Standzeit bedingten
Mängel aufweist und wenn zwischen Herstellung des Fahrzeugs und Abschluss des
Kaufvertrages nicht mehr als 12 Monate liegen (BGH NJW 2004, 160). Einen
zwischenzeitlichen Modellwechsel oder standzeitbedingte Mängel trägt der Kläger
nicht vor. Im Streit steht zwischen den Parteien allein die Einhaltung der 12-
Monats-Frist. Diese ist vorliegend auch gewahrt.
Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung (BGH a. a. O.) ist für den Beginn der Frist
auf den Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrages abzustellen. Durch
Unterzeichnung der „Bestellung“ (Anl. K 1) am 16.02.2006 gab der Kläger sein
Angebot zum Abschluss eines Kaufvertrages ab. In dem Bestellformular waren
zugleich eine Annahmefrist im Sinne von § 148 BGB von 4 Wochen sowie die
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zugleich eine Annahmefrist im Sinne von § 148 BGB von 4 Wochen sowie die
Modalitäten der Annahmeerklärung durch den Beklagten bestimmt. Demnach
konnte die Annahme entweder durch schriftliche Bestätigung oder durch
Ausführung der Lieferung erfolgen. Spätestens mit Erstellung der Rechnung vom
14.03.2006 (Anl. K 2) bestätigte der Beklagte schriftlich die Bestellung, nahm
somit das Vertragsangebot an. Der Vertragsschluss des hier
streitgegenständlichen Kaufvertrages erfolgte somit spätestens am 14.03.2006.
Ausgehend von diesem Datum lägen zwischen dem vom Kläger behaupteten
Herstellungsdatum des Pkw und dem Vertragsschluss 12 Monate und 7 Tage.
Nach Auffassung des erkennenden Gerichts ist jedoch für die Ermittlung der
„Standzeit“ des zu liefernden Fahrzeuges bei der hier vorliegenden
Vertragsgestaltung nicht auf den Zeitpunkt des rechtsverbindlichen
Zustandekommens des Vertrages im Sinne der §§ 145 ff. BGB, sondern auf den
Zeitpunkt der entsprechenden Willenserklärung des Käufers abzustellen. Denn mit
der Festlegung einer Höchstfrist für die Standzeiten von als „fabrikneu“ verkauften
Fahrzeuge soll einerseits die berechtigte Erwartung des Käufers geschützt werden,
er werde ein Neufahrzeug erhalten, andererseits dem Verkäufer eine Richtschnur
für die Auswahl eines erfüllungstauglichen Fahrzeuges in die Hand gegeben
werden. Sofern der Verkäufer den Vertragsschluss nicht durch ausdrückliche
Erklärung, sondern schlüssig durch Auslieferung des Fahrzeuges binnen einer
vereinbarten Frist herbeiführen kann, ist es sach- und interessengerecht, auf den
Zeitpunkt der Bestellung durch den Käufer abzustellen. Denn ab Eingang der
„Bestellung“ des Käufers wird sich in dieser Konstellation (Bindung des Käufers an
sein Angebot binnen 4 Wochen) der Verkäufer umgehend um eine
vertragsgerechte Erfüllung bemühen. Hierbei darf sich der Verkäufer an dem
Datum der Willenserklärung des Käufers orientieren und darauf vertrauen, mit
einem Fahrzeug, welches im Zeitpunkt der Bestellung nicht älter als 12 Monate ist,
den Vertrag erfüllen zu können.
Selbst wenn man mit dem Kläger die Auffassung verträte, dass für die Berechnung
der „Standzeit“ auf den Zugang der Annahmeerklärung des Verkäufers
abzustellen sei, handelte es sich bei dem hier streitgegenständlichen Pkw noch um
ein Neufahrzeug im Sinne der Rechtsprechung. Dem Kläger ist einzuräumen, dass
nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zwischen Herstellung des
Fahrzeugs und Kaufvertragsschluss „nicht mehr als 12 Monate“ liegen dürfen.
Wollte man diese - gesetzlich nicht normierte - Frist taggenau im Sinne der §§ 187
ff. BGB berechnen, so wäre das dem Kläger gelieferte Fahrzeug auf der Grundlage
der Behauptungen des Klägers exakt 7 Tage zu alt. Eine taggenaue
Fristberechnung hält das erkennende Gericht in diesem Zusammenhang jedoch
nicht für sachgerecht. In den obergerichtlich und höchstrichterlich entschiedenen
Fällen ging es, soweit ersichtlich, stets um Standzeiten, die jedenfalls mehrere
Monate über den vom Bundesgerichtshof postulierten 12 Monaten lagen. In
welchem Rahmen eine geringfügige Überschreitung der taggenau berechneten 12
Monats-Frist noch hinnehmbar ist, braucht an dieser Stelle nicht abschließend
entschieden zu werden. Eine Überschreitung der Frist um nur 7 Tage hielte das
erkennende Gericht jedenfalls für so unwesentlich, dass der Kläger gehindert wäre,
hieraus einen Sachmangel des Fahrzeuges abzuleiten.
Mangels Rückgewährschuldverhältnisses befindet sich der Beklagte weder im
Annahmeverzug, noch schuldet er Zinsen und den Ersatz außergerichtlicher
Rechtsanwaltskosten.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711
ZPO.
Für die Bemessung des Streitwertes waren die jeweils aktuellen Werte der
Klaganträge zu 1. und 2. zu addieren, § 39 Abs. 1 GKG. Der mit dem Klagantrag zu
3. verfolgte Anspruch auf Ersatz außergerichtliche Rechtsanwaltskosten ist als
Nebenforderung im Sinne von § 43 GKG streitwertneutral. Den Wert des
Feststellungsantrags (Klageantrag zu 2.) beziffert das Gericht mit 50,00 €. Dies ist
nach Schätzung des Gerichts der durch den Kläger ersparte Aufwand zum
Angebot seiner Leistung, § 3 ZPO i. V. m. § 48 Abs. 1 GKG.