Urteil des LG Essen vom 09.06.2010

LG Essen (einziehung, treu und glauben, satzung, eintragung im handelsregister, essen, gesellschaft, gütliche einigung, angemessene frist, negative feststellungsklage, verfügung)

Landgericht Essen, 42 O 100/09
Datum:
09.06.2010
Gericht:
Landgericht Essen
Spruchkörper:
2. Kammer für Handelssachen
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
42 O 100/09
Normen:
§ 5 III 2 GmbHG
Sachgebiet:
Handelsrecht Zivilrecht
Leitsätze:
Einziehungsbeschluss
Tenor:
Der Verfügungsbeklagten wird im Wege der einstweiligen Verfügung bei
Vermeidung eines vom Gericht für den Fall der Zuwiderhandlung
festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,- €, ersatzweise
Ordnungshaft , oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten zu untersagt,
a)
den Beschluss vom 11.11.2009 über die Einziehung des
Geschäftsanteils des Antragstellers in Höhe von nominal 30.000,- €
weiter zu vollziehen, solange nicht rechtskräftige Entscheidungen in
dem Klageverfahren 42 O 36/09 des Landgerichts Essen sowie der
Anfechtungsklage gegen die Gesellschafterbeschlüsse vom 11.11.2009
vorliegen,
b)
die im Beschluss vom 11.11.2009 bestellten Geschäftsführer S. E. und
D. T. zum Handelsregister anzumelden, solange nicht der Beschluss
vom 11.11.2009 im Rahmen der Anfechtungsklage rechtskräftig als
wirksam anzusehen ist,
c)
weitere Gesellschafterversammlungen der E GmbH ohne
satzungsmäßige Einladung des Verfügungsklägers durchzuführen,
solange nicht der Einziehungsbeschluss vom 11.11.2009 im Rahmen
der Anfechtungsklage rechtskräftig als wirksam beurteilt wird.
Im Übrigen wird der Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung
zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Verfügungsbeklagte nach einem
hiermit festgesetzten Streitwert von 15.000,- €.
Tatbestand
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Die Verfügungsbeklagte ist ein Transport und Logistikunternehmen, an dem dem
Verfügungskläger ein Geschäftsanteil von 30 % zum Nennbetrag von 30.000,- € und
seiner Mutter, Frau S. E., ein Anteil von 70 % zum Nennbetrag von 70.000,- eingeräumt
worden waren. Das Stammkapital der Gesellschaft beträgt ausweislich des
Gesellschaftsvertrages 100.000,- €. Nach § 8 Absatz 1 der Satzung werden
Gesellschafterbeschlüsse mit einer Mehrheit von mindestens 75 % der abgegebenen
Stimmen gefasst, soweit nicht die Satzung oder das Gesetz zwingend eine andere
Mehrheit vorschreiben. Wegen ihres weiteren Inhaltes wird auf die Satzung Bezug
genommen. Am 7.9.2007 hatte die Gesellschafterversammlung der
Verfügungsbeklagten den Verfügungskläger zum weiteren Geschäftsführer neben
seiner Mutter bestellt. Mit dem Verfügungskläger schloss die Verfügungsbeklagte am
7.9.2007 einen "Anstellungsvertrag eines Gesellschafter-Geschäftsführers". Der Vater
des Verfügungsklägers, Ehemann von Frau E., Herr S. E., übt in der Gesellschaft
unternehmensleitende Tätigkeiten aus.
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Die Zusammenarbeit zwischen Vater und Sohn verlief nicht reibungslos. Am 4.12.2008
kam es zu einem Gespräch, dessen genauer Inhalt zwischen den Parteien streitig ist.
Die Verfügungsbeklagte hat die Rechtsposition bezogen, dass der Verfügungskläger in
diesem Gespräch sein Geschäftsführeramt gekündigt hat, was der Kläger bestreitet. In
dem Verfahren 42 O 11/09 Landgericht Essen stritten die Parteien u.a. konkret über die
Feststellung, dass das Dienstverhältnis des Verfügungsklägers nicht durch eigene
Kündigung bis zum 22.12.2008 beendet worden ist. Die Kammer hat die negative
Feststellungsklage des Klägers durch Urteil vom 19.8.2009 abgewiesen. Die Sache
liegt dem Oberlandesgericht Hamm zur Entscheidung über die Berufung vor.
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U.a. mit Schreiben vom 17.3. und 16.4.2009 begehrte der Verfügungskläger mit Hinweis
auf § 51 a GmbHG Einsicht in die Geschäftsunterlagen, die die Verfügungsbeklagte mit
Schreiben vom 26.3. und 21.4.2009 versagte. Auf den Inhalt der Schreiben wird
verwiesen (K 7-K10 in dem Verfahren 42 O 36/09 LG Essen).
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Mit Einschreiben/Rückschein vom 12.5.2009 rief die Geschäftsführerin S. E. eine
Gesellschafterversammlung für den 28.5.2009 ein. Als Tagesordnungspunkt war
genannt:
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"Beschlussfassung über die Verpflichtung des Gesellschafters U. E. zur Abtretung
seines Geschäftsfanteils an Herrn S. E. gegen Zahlung des auf diesen Geschäftsanteil
entfallenden Buchwertes.
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Die Geschäftsführung schlägt vor, den Beschluss zu fassen, Herrn U. E. gem. § 16 IV
Satz 2 der Satzung verpflichtet wird, seinen Geschäftsanteil von 30.000,- € gegen
Zahlung des Buchwertes an Herrn S. E. bis zum 30.Juni 2009 abzutreten".
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Über die Gesellschafterversammlung vom 28.5.2009, an der u.a. sowohl der
Verfügungskläger wie auch seine Mutter teilgenommen haben, verhält sich ein
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Protokoll, auf das wegen seines näheren Inhaltes Bezug genommen wird. Frau S. E.
stimmte für den Beschluss, der Verfügungskläger dagegen. Der Vorsitzende stellt
sodann unter Bezugnahme auf § 16 IV der Satzung, wonach das Stimmrecht des
Verfügungsklägers ruhe, fest, dass damit der Beschluss gefasst sei.
Mit einer am 24.6.2009 eingegangenden Klage hat der Verfügungskläger
Anfechtungsklage gegen den Beschluss erhoben, die in dem Rechtsstreit 42 O 36/09
LG Essen verfolgt wird.
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Am 15.10.2009 erhielt der Verfügungskläger eine Einladung zur
Gesellschafterversammlung am 11.11.2009 mit folgenden Tagesordnungspunkten:
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"TOP 1
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Beschlussfassung über die Einziehung des Geschäftsanteils in Höhe von nominal
30.000,- € des Gesellschafters U. E. aus wichtigem Grund gemäß § 16 III der Satzung.
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Die Geschäftsführung schlägt vor, den Beschluss zu fassen, den Geschäftsanteil des
Gesellschafters U. E. gemäß § 16 III b) der Satzung aus wichtigem Grund einzuziehen.
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TOP 2
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Bestellung von Herrn S. E. zum einzelvertretungsberechtigten Geschäftsführer der E
GmbH…
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TOP 3
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Bestellung von D. T. zum gesamtvertretungsberechtigten Geschäftsführer der E
GmbH…"
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Auf den genauen Inhalt des Einladungsschreibens wird Bezug genommen.
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In der Gesellschafterversammlung vom 11.11.2009 wurde zu TOP 1 gegen die Stimme
des Verfügungsklägers beschlossen, dass sein Anteil eingezogen wird. Der Vorsitzende
der Versammlung vertrat im Folgenden die Rechtsansicht, dass ein Stimmrecht des
Verfügungsklägers wegen der Einziehung des Geschäftsanteils nicht mehr besteht.
Gegen die Stimmen des Verfügungsklägers wurden alsdann die Beschlüsse zu TOP 2)
und 3) gefasst. Über den Verlauf der Versammlung verhält sich eine Niederschrift vom
12.11.2009, auf die wegen ihres näheren Inhaltes Bezug genommen wird.
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Mit Schreiben vom 19.11.2009, auf den wegen seines näheren Inhaltes Bezug
genommen wird, erklärte die Verfügungsbeklagte gegenüber dem Verfügungskläger die
Einziehung des Geschäftsanteils.
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Der Verfügungskläger hat mit einem am 26.11.2009 eingegangenen Schriftsatz Antrag
auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen Frau S. E. gestellt. Das Verfahren lief
unter dem Aktenzeichen 42 O 87/09 LG Essen. Mit Schriftsatz vom 15.12.2009 hat der
Verfügungskläger den Antrag gegen die Verfügungsbeklagte erweitert. Diesen Antrag
hat das Gericht durch Beschluss vom 16.12.2009 abgetrennt und in das vorliegende
Verfahren überführt. Der Antrag gegen Frau S. E. ist zurückgenommen worden.
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Die Parteien haben sich im Rahmen eines Mediationsverfahrens vergebens um eine
gütliche Einigung bemüht, weshalb das vorliegende Verfahren zeitweise zum Ruhen
gebracht worden ist.
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Der Verfügungskläger hat mit einem am 3.12.2009 bei Gericht eingegangenen
Schriftsatz Anfechtungsklage gegen die am 11.11.2009 gefassten
Gesellschafterbeschlüsse eingelegt; das Verfahren wird unter dem Aktenzeichen 42 O
92/09 LG Essen geführt.
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Der Verfügungskläger trägt vor:
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Der Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 11.11.2009 zu TOP 1 sei deshalb
unwirksam, weil noch gar nicht feststünde, ob der Beschluss vom 28.5.2009 endgültig
als wirksam anzusehen sei. Auch gebe es keinen Grund für die Einziehung des Anteils
des Verfügungsklägers. Zudem sei das satzungsmäßige und gesetzmäßige Verfahren
der Einziehung nicht eingehalten worden.
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Der Beschluss zu TOP 2 und 3 sei schon deshalb unwirksam, weil das Stimmrecht
keineswegs mit der Beschlussfassung über die Einziehung entzogen sei, sondern erst
mit der Beendigung des Einziehungsverfahrens, wozu jedenfalls auch die Zahlung des
Einziehungsentgeltes gehöre.
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Der Verfügungskläger beantragt,
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der Verfügungsbeklagten im Wege der einstweiligen Verfügung bei
Vermeidung eines vom Gericht für den Fall der Zuwiderhandlung
festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,- €, ersatzweise
Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten zu untersagen
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den Beschluss über die Einziehung des Geschäftsanteils des
Antragstellers in Höhe von nominal 30.000,- € weiter zu vollziehen,
solange nicht rechtskräftige Entscheidungen in dem Klageverfahren 42 O
36/09 des Landgerichts Essen sowie der Anfechtungsklage gegen die
Gesellschafterbeschlüsse vom 11.11.2009 vorliegen,
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b)
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Die im Beschluss vom 11.11.2009 bestellten Geschäftsführer S. E. und
D. T. zum Handelsregister anzumelden, solange nicht der Beschluss
vom 11.11.2009 im Rahmen der Anfechtungsklage rechtskräftig als
wirksam anzusehen ist,
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c)
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weitere Gesellschafterversammlungen der E GmbH nicht ohne
satzungsmäßige Einladung des Verfügungsklägers durchzuführen,
solange nicht der Beschluss vom 11.11.2009 im Rahmen der
Anfechtungsklage rechtskräftig als wirksam beurteilt wird und das
Einziehungsentgelt vollständig gezahlt ist.
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Die Verfügungsbeklagte beantragt,
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den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.
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Die Verfügungsbeklagte trägt vor:
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Es bestehe schon kein Verfügungsgrund. So habe der Verfügungskläger keine
Tatsachen glaubhaft gemacht, die die besondere Dringlichkeit des Antrags auf Erlass
der einstweiligen Verfügung rechtfertigen könnte. Die Geschäftsführerbestellung sei zur
operativen Funktionsfähigkeit der Gesellschaft erforderlich. Im übrigen habe der
Verfügungskläger durch Eingaben zum Handelsregistergericht seine "summarisch zu
prüfenden Rechte" bereits ausgeübt.
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Ein Verfügungsanspruch bestehe nicht, da die Einziehung des Geschäftsanteils formal
und materiellrechtlich ordnungsgemäß erfolgt sei.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des beiderseitigen Parteivorbringens wird auf die
wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
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Die Akten 42 O 87/09, 42 O 36/09 und 42 O 92/09 jeweils Landgericht Essen sind zu
Informationszwecken beigezogen worden und lagen vor.
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Entscheidungsgründe
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Der Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung ist zulässig und ganz überwiegend
begründet.
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Ein Verfügungsanspruch liegt vor. Dem Verfügungskläger steht gegen die
Verfügungsbeklagte ein Anspruch auf Beachtung seiner Rechte als Gesellschafter zu.
Von einer rechtmäßigen Einziehung seines Geschäftsanteils kann nicht ausgegangen
werden. Das Einziehungsverfahren leidet nach Auffassung der Kammer jedenfalls unter
zwei Mängeln:
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Zum einen ist das satzungsmäßig vorgesehene Vorverfahren zur Einziehung nach der
bisherigen Aktenlage nicht ordnungsgemäß verlaufen. Nach § 16 IV der Satzung hat die
Gesellschaft vor Durchführung des Einziehungsverfahrens dem betroffenen
Gesellschafter eine angemessene Frist zu setzen, binnen derer die Geschäftsanteile
des betroffenen Gesellschafters entweder an die Gesellschaft und/oder an von der
Gesellschaft zu benennende Dritte abzutreten sind. Diesen Anforderungen entspricht
der Beschluss vom 28.5.2009 bereits deshalb nicht, weil die gesetzte Frist angesichts
der verweigerten Akteneinsicht nicht angemessen war. Nach § 9 I der Satzung und § 51
a GmbHG stand dem Verfügungskläger ein Einsichtsrecht in die Bücher zu. Zwar ist es
anerkannt, dass jedenfalls das gesetzlich unbeschränkt formulierte Einsichtsrecht eines
GmbH-Gesellschafters seine Grenze in zweckentsprechender Wahrnehmung findet,
wozu gehört, dass es nur bei Vorliegen eines Informationsbedürfnisses ausgeübt wird
und nur so weit, wie dieses Bedürfnis reicht. An dem Vorliegen dieser Voraussetzungen
konnten aber keine Zweifel bestehen, da innerhalb der Familiengesellschaft ein
unüberbrückbarer Streit entstanden war, der auch den Verfügungskläger dazu
veranlassen musste, nach einer Lösung zu suchen, die naheliegender Weise in der
Trennung der Gesellschafter mit Abfindungsregelungen besteht. Dass für die
Beurteilung einer angemessenen Lösung die genaue Kenntnis der wirtschaftlichen
Situation der Gesellschaft erforderlich ist, liegt auf der Hand und wird schließlich durch
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den Beschluss vom 28.5.2009, der eine Abtretung des Geschäftsanteils zu Buchwerten
vorsah, noch unterstrichen. Jedenfalls mit Schreiben vom 21.4.2009 hatte die
Verfügungsbeklagten dem Verfügungskläger die Bucheinsicht mit der unzutreffenden
Ansicht versagt, der Verfügungskläger, der sich im übrigen nach unstreitigem Vortrag
beider Parteien in der mündlichen Verhandlung vom 2.6.2010 auch persönlich für ein
Existenzgründungsdarlehen verbürgt hat, müsse vor Einsichtnahme zunächst seine
konkreten Fragen mitteilen, damit die Gesellschaft über das Ob und Wie der
Bucheinsicht entscheiden könne. Damit hat die Verfügungsbeklagte allerdings dem
Verfügungskläger zugleich die Grundlage zur Prüfung des Buchwertes entzogen und so
die satzungsmäßig vorgeschriebene Fristsetzung, die erkennbar auch dem Interesse
des Gesellschafters dient, sich über die gesamte rechtliche und wirtschaftliche
Rahmengebung seines Ausscheidens im Klaren zu werden, unterlaufen.
Zum anderen leidet aber auch der Einziehungsbeschluss selbst an einem Mangel, der
nach Auffassung der Kammer sogar zu Nichtigkeit des Gesellschafterbeschlusses führt.
Nach § 16 II der Satzung hat die Einziehung mit der Maßgabe zu erfolgen, dass anstelle
der eingezogenen Geschäftsanteile zugunsten der übernehmenden verbleibenden
Gesellschafter und/oder zugunsten der von der Gesellschaft benannten Dritten ein
neuer Geschäftsanteil bzw. neue Geschäftsanteile zu bilden sind. Der angefochtene
Einziehungsbeschluss beschränkt sich insoweit allerdings auf die Einziehung des
Anteils, ohne einen neuen Anteil zu bilden. Dies widerspricht nicht nur dem Wortlaut der
satzungsmäßigen Regelung, sondern verstößt auch gegen § 5 III 2 GmbHG. Danach
muss die Summe der Nennbeträge der Geschäftsanteile mit dem Stammkapital
übereinstimmen. Nach bisheriger herrschender Meinung führt die Einziehung eines
Geschäftsanteils nun dazu, dass dieser untergeht, womit im vorliegenden Fall mit dem
Einziehungsbeschluss gegen § 5 III 2 GmbHG verstoßen wird .Von dem Untergang des
Geschäftsanteils bei Einziehung geht auch die vorliegende Satzung aus, die gerade die
Notwendigkeit der Neuschaffung eines Geschäftsanteils im Falle der Einziehung
vorsieht. Soweit nunmehr andere Stimmen laut werden, die mit Rücksicht auf die daraus
folgende Rechtsfolge der Nichtigkeit vieler Einziehungsbeschlüsse seit Inkrafttreten des
MoMIG andere Denkmodelle favorisieren, wie etwa das Fortbestehen des Anteils bis zur
weiteren Entscheidung der Gesellschafterversammlung oder die automatische
Erhöhung der Nennbeträge der verbleibenden Geschäftsanteile bei Einziehung (vgl.
zum Meinungsstand: Baumbach/Hueck-Fastrich, § 34 GmbHG Rdnr. 17 a ) vermag die
Kammer dem nicht zu folgen, weil dies dem klar geäußerten gesetzgeberischen Willen
widersprechen dürfte. In der RegBegr MoMIG (vgl. Bt-Drucksache 354/07 S. 69) ist
ausgeführt:
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"… Vielmehr muss die Summe der Nennbeträge der Geschäftsanteile mit dem
Stammkapital übereinstimmen. Dies bezieht sich nicht nur auf das Gründungsstadium,
sondern auch auf den weiteren Verlauf der Gesellschaft. Bei der Einziehung des
Geschäftsanteils eines anderen Gesellschafters gemäß § 34 bleibt daher das
Stammkapital gleich, obwohl sich die Summe der Nennbeträge der Geschäftsanteile
aufgrund der Einziehung des Geschäftsanteils verringert. Ein solches Auseinanderfallen
der Summen der Nennbeträge der Geschäftsanteile und des Nennbetrages ist künftig im
Gegensatz zum geltenden Recht unzulässig. Die Zulässigkeit einer Abweichung der
Summe der Nennbeträge der Geschäftsanteile vom Nennbetrag des Stammkapitals im
geltenden Recht ist im Schrifttum zu Recht kritisiert worden. Um eine solche, nach neu
gefassten § 5 II 2 unzulässige Abweichung zu vermeiden, bleibt den Gesellschaftern die
Möglichkeit, die Einziehung mit einer Kapitalherabsetzung zu verbinden, die Summe der
Nennbeträge der Geschäftsanteile durch eine nominelle Aufstockung an das
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Stammkapital anzupassen oder einen neuen Geschäftsanteil zu bilden."
Aus diesen Ausführungen folgt nach Auffassung der Kammer unmissverständlich, dass
ein Beschluss über die Einziehung eines Geschäftsanteils zugleich mit einer
gesellschaftsrechtlichen Lösung zur Wahrung der Voraussetzungen des § 5 III 2
GmbHG zu verbinden ist. Dieser gesetzgeberische Wille ist auch im Wortlaut des § 5 III
2 GmbHG zum Ausdruck gekommen, der eine Sonderregelung oder Schonfrist für den
Fall der Einziehung nicht vorsieht, im übrigen auch bezüglich der bislang nach
allgemeiner Ansicht vertretenen Rechtsfolge der Einziehung (Untergang des
Geschäftsanteils) keine anderweitige Regelung vorsieht. Die konsequente Rechtsfolge
eines Verstoßes gegen 5 III 2 GmbHG ist nicht nur die Anfechtbarkeit des
Einziehungsbeschlusses, sondern auch dessen Nichtigkeit nach § 134 BGB, weil es
sich bei § 5 III 2 GmbHG nicht um eine Vorschrift handelt, die ausschließlich als
Schutzbestimmung zugunsten eines Mitgesellschafters angesehen werden kann.
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Damit läuft das Begehren des Verfügungsklägers nicht allein darauf hinaus, ihm
aufgrund eines bloß anfechtbaren Einziehungsbeschlusses verloren gegangene
Gesellschafterrecht wieder einzuräumen, was die Annahme des Vorliegens einer an
besondere Bedingungen zu knüpfende Leistungsverfügung rechtfertigen könnte (vgl.
z.B. OLG Düsseldorf vom 16.1.2008 – VI-U (Kart) 25/07), sondern das Begehren des
Verfügungsklägers ist hier darauf gerichtet, bereits erfolgte und weiter drohende
Beeinträchtigungen seiner bestehenden Gesellschafterstellung abzuwehren. Damit ist
der Verfügungsgrund bereits dann zu bejahen, wenn zu besorgen ist, dass durch die
Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung des Rechts des
Gläubigers vereitelt oder wesentlich erschwert wird, § 935 ZPO. Das ist vorliegend der
Fall, da die Verfügungsbeklagte durch ihr bisheriges Verhalten zu erkennen gegeben
hat, die Gesellschafterrechte des Verfügungsklägers dauerhaft negieren zu wollen.
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Die von dem Verfügungskläger gestellten Anträge dienen sämtlichst dazu, seine
Gesellschafterrechte zu wahren und zu schützen. Das gilt auch bezüglich des Antrags
zu 2); der Beschluss ist gegen den Willen des Verfügungsklägers und ohne notwendige
Mehrheit gefasst worden; die Verletzung seines Rechtes könnte durch die Vollziehung
des Beschlusses durch Eintragung im Handelsregister vertieft werden. Auch wenn es
derzeit noch nicht zur Eintragung gekommen ist, hat der Verfügungskläger ein
schützenswertes Recht daran, durch bindenden richterlichen Beschluss die derzeitige
Rechtslage klar festzuschreiben. Die Kammer hat auch erwogen, ob der
Verfügungskläger nach Treu und Glauben gemäß § 242 BGB der Stimmbindung im
Sinne einer Zustimmung zur Geschäftsführerbestellung unterlag; sein vorheriges
Verhalten – plötzliche Kündigung seiner Geschäftsführerstellung- könnte Ansatz hierfür
geben. Andererseits war zum Zeitpunkt der Beschlussfassung die Bestellung neuer
Geschäftsführer nicht dringend erforderlich, weil mit der Mutter des Verfügungsklägers
eine Geschäftsführerin bestellt war. Ob nach der Erkrankung von Frau E. eine andere
Situation eingetreten ist, hat die Kammer nicht zu entscheiden.
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Beim Klageantrag zu c) ist eine Einschränkung insoweit anzunehmen, als die
kumulative Bedingung- Zahlung des Einziehungsgeldes- vorliegend nicht zum Tragen
kommt. In der Tat dürfte in der Satzung durch die Fälligkeitsklausel beim
Einziehungsentgelt eine Ausnahme von dem Grundsatz getroffen worden sein, dass die
Einziehung im Zweifel erst mit Zahlung des Entgeltes wirksam werden sollte.
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Eine unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache liegt bei allen Anträgen nicht vor, weil
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diese unter die zeitliche Beschränkung der Entscheidung in der Hauptsache gestellt
worden sind.
Abschließend sei noch angemerkt: Die Kammer verkennt nicht, dass die Beantwortung
der Frage, ob die Einziehung des Geschäftsanteils wirksam ist oder nicht, womöglich
auch anders beurteilt werden könnte, weil sich seit der Neufassung des § 5
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III 2 GmbHG noch keine allgemeine Meinung zur Rechtsfolge etabliert hat. Allerdings
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ist der Erlass der einstweiligen Verfügung die rechtliche Konsequenz der von der
Kammer eingenommenen Rechtsmeinung. Die Kammer sieht keine Veranlassung, hier
im Hinblick auf die Vorläufigkeit des Rechtsschutzbegehrens unter dem Gesichtspunkt
drohender Schadensabläufe etwas anderes zu entscheiden. Zwar liegt nach den
Vielzahl der Erörterungen vor der Kammer und den vergeblichen Einigungsansätzen auf
der Hand, dass die jetzige Personalstruktur der Beklagten nicht bestehen bleiben kann,
weil zwischen Sohn und Vater ein offensichtlich nachhaltig zerrüttetes Verhältnis
besteht. Die Kammer kann aber zum einen nicht entscheiden, wie sich das Verbleiben
des einen oder anderen auf das Wohl der Gesellschaft auswirkt- dies wäre nicht nur
eine Frage der Tragfähigkeit der unterschiedlichen Geschäftskonzepte von Vater und
Sohn, sondern u.U. auch eine Beurteilung, wie sich die Bankenunterstützung für den
einen oder anderen Fall vollzieht-, zum anderen sind die Parteien in einer Phase, in der
sie ohnehin noch wenigstens ein Minimum an Konsensbereitschaft aufbringen müssen,
ihre geschäftliche Verbindung abzuwickeln, wie etwa die Frage der Mithaftung des
Verfügungsklägers aus Bürgschaften im Außenverhältnis zu den Banken mit Klarheit zu
regeln ist.
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Die Kostenentscheidung beruht auf den § 91, 92 II ZPO.
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