Urteil des LG Essen vom 15.03.2017

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Landgericht Essen, 6 O 383/78
Datum:
26.10.1978
Gericht:
Landgericht Essen
Spruchkörper:
6. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
6 O 383/78
Normen:
§ 249 ff BGB
Sachgebiet:
Bürgerliches Recht
Tenor:
hat die 6. Zivilkammer des Landgerichts Essen
auf die mündliche Verhandlung vom 26. Oktober 1978
durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht E.,
den Richter am Landgericht B.
und den Richter L.
für R e c h t erkannt:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klage wird abgewiesen.
1
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
2
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
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Der Kläger kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung von 1.550,-- DM
abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit
leistet.
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Tatbestand
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Mit der Klage vom 10. August 1978 nimmt der Kläger die Beklaqte aufgrund einer
Reisegepäckversicherung in Anspruch, die er mit der Beklagten im Jahre 1977
abgeschlossen hat.
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In der Klageschrift hat der Kläger seinen Anspruch wie folgt begründet:
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Am 16. 4. 1977 sei ihm sein gesamtes Reisegepäck aus einem Schließfach im Bahnhof
München gestohlen worden. Auf die von ihm erstellte Strafanzeige habe die
Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren wegen Diebstahls gegen Unbekannt
eingestellt (200 U Js 15/78 StA beim Landgericht München I). Die Unterlagen und
Quittungen über die Höhe des Schadens bzw die Einstellung des Ermittlungsverfahrens
seien der Beklagten übersandt worden. Mit Schreiben vorn 18. 5. 1978 habe die
Beklagte die Regulierung zu Unrecht abgelehnt.
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Dem Anspruch des Klägers ist die Beklagte mit Schriftsatz vom 11. 9. 1978
entgegengetreten, der dem Prozeßbevollmächtigten des Klägers im Termin vom 14. 9.
1978 ausgehändigt worden ist. In der Verhandlung vom 14. 9. 1978 ist der Kläger-
Vertreter u.a. noch darauf hingewiesen worden, daß der Kläger bei der polizeilichen
Anzeige angegeben haben soll, er habe das Schließfach abgeschlossen, während der
aufnehmende Beamte vermerkt habe, das Schloß sei wegen Verschmutzung nicht
abschließbar gewesen.
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Mit Schriftsatz vom 23.10.1978, einqegangen bei Gericht am 24.10.1978, hat der Kläger
den behaupteten Versicherungsfall unter Beweisantritt im einzelnen dargelegt. Zur
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Begründung dafür, daß auf den Schriftsatz vom 11. 9. 1978 erst kurz vor dem
Kammertermin erwidert worden ist, hat der Prozeßbevollmächtigte des Klägers
vorgetragen, der Kläger sei erst am 20.10. 1978 aus Süddeutschland zurückgekehrt, wo
er sich14 Tage aus Geschäftsgründen aufgehalten gehabt habe. Zum Beweis für diese
Geschäftsrejse konnte der Prozeßbevollmächtigte des Klägers nur auf dessen Angaben
ihm gegenüber verweisen.
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Der Kläger beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 17.000,-- DM nebst 7,5 § Zinsen seit
Rechtshängigkeit (28. 8. 1978) zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte bestreitet, daß ein Versicherungsfall vorliege. Es gebe, so behauptet sie,
nicht: einmal Anhaltspunkte dafür, daß ein den Versicherungsfall auslösendes Ereignis
vorgelegen habe. So sei das Zylinderschloß verschmutzt gewesen und habe sich nicht
drehen lassen. Möglicherweise habe sich der Schlüssel abziehen lassen, ohne daß das
Fach verschlossen gewesen sei. In diesem Fall habe der Kläger grob fahrlässig
gehandelt, so daß für sie, die Beklagte, keine Eintrittspflicht bestehe. Außerdem seien
an dem Schloß keinerlei Beschädigungen festgestellt worden. Ein solches Schloß lasse
sich aber nicht ohne Gewaltanwendung öffnen (Beweis: Einholung eines
Sachverständigengutachtens).
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Außerdem ist die Beklagte der Auffassung, daß der Kläger seinen Schaden nicht
substantiiert habe. Der Kläger habe zwar eine Schadensanzeige übersandt, diese
schließe aber mit einem Betrag von 19.599,-- DM ab, während mit der Klage nur
17.ooo,-- DM geltend gemacht würden.
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Wegen des übrigen Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der gewechselte~
Schriftsätze Bezug qenommen,
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Entscheidungsgründe
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Die Klage war abzuweisen.
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Der Kläger als Versicherungsnehmer hat den Nachweis zu führen, daß der
Versicherungsfall eingetreten ist (Verlust des Reisegepäcks während der Dauer einer
Reise, einschließlich Lagerung bei öffentlichen Transportanstalten). Dieser Nachweis
kann dem Versicherungsnehmer durch den sogenannten Beweis des ersten Anscheins
erleichtert werden. Das bedeutet: Steht ein Sachverhalt fest, der nach der
Lebenserfahrung auf einen bestimmten Geschehensablauf hinweist, so ist dieser
regelmäßige Verlauf als im Wege des Anscheinsbeweises als bewiesen anzusehen,
wenn der Fall das Gepräge des Üblichen und Tvpischen trägt (vgl. Palandt § 249
Vorbemerkung 8 a und Prölls-Martin, § 49 VVG Bemerkung 3).
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In der Klageschrift vom 10. 8. 1978 hat der Kläger lediglich behauptet, das Reisegepäck
sei ihm am 16. 4. 1977 aus einem Schließfach im Bahnhof München gestohlen worden.
Unter Bezugnahme auf das Aktenzeichen des Ermittlungsverfahrens hat er weiter
dargelegt, daß er Strafanzeige erstattet und daß das Ermittlungsverfahren gegen
Unbekannt eingestellt worden sei. Einen Beweis für den Eintritt des Versicherungsfalles
hat er nicht angeboten.
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Ein direktes Beweismittel für den behaupteten Diebstahl steht .ihm - wie der Schriftsatz
vom 23. 10. 1978 zeigt - auch nicht zur Verfüqung. Dem Kläger mußte also von Anfang
an klar sein, daß er den ihm obliegenden Beweis nur durch den sogenannten Beweis
des ersten Anscheins werde führen können, wenn die Beklagte das Vorliegen eines
Versicherungsfalles bestreiten würde. Damit war zu rechnen, nachdem die Beklagte mit
Schreiben vom 18. 5. 1978 die Regulierung. abgelehnt hatte. Daher konnte es für den
Kläger keine Überraschunq bedeuten, als im Termin vom 14. 9. 1978 der Schriftsatz der
Gegenseite vom 11. 9. 1278 ausgehändigt wurde.
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Der Kläger hat darauf erst mit Schriftsatz vom 23.10.1978 erwidert und hierin ein
typisches Geschehen im Sinne eines Anscheinsbeweises dargelegt. Dieser Schriftsatz
muß jedoch von der Kammer als verspätet zurückgewiesen werden. Unter
Zugrundelegung der in § 282 Abs. 1 ZPO niedergelegten Prozeßförderungspflicht hätte
der Kläger den jetzigen Vortrag so rechtzeitig vorbrinqen müssen, daß
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a) der Gegner hierauf hatte erwidern können (§ 282 Abs. 2 ZPO)
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b) das Gericht die vom Kläger benannten Zeugen zum Termin hätte laden können.
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Das wäre auch geschehen, und zwar unabhängig von einer möglichen Erwiderung des
Beklagten. Die Zulassung des jetzigen klägerischen Vorbringens würde den Prozeß
verzögern, zumindestens der Termin vom 26.10.1978 wäre dann völlig überflüssig
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gewesen.
Das verspätete Vorbringen des Klägers beruht auch nach Auffassung der Kammer auf
grober Nachlässigkeit. Wie bereits dargelegt, mußte dem Kläger von vornherein klar
sein, daß er weiteren erheblichen Sachvortrag werde vorbringen müssen, sobald die
Beklagte das Vorliegen eines Versicherungsfalles bestreiten würde, Es kann hier
dahinstehen, ob der Kläger nicht bereits in seiner Klageschrift gegen das Gebot,
vollständig und umfassend vorzutragen, verstoßen hat, jedenfalls hätte er dies
umgehend nach Aushändigung des Schriftsatzes vom 11. 9. 1978 nachholen müssen.
Die von seinem Prozeßbevollmächtigten abgegebene Erklärung, der Kläger habe sich
etwa ab 6. Oktober 1978 in Süddeutschland befunden, vermag ihn nicht zu entlasten,
denn nach dem Termin vom 14.9.1978 blieben bis zur Reise nach Süddeutschland
noch 3 Wochen Zeit, in denen der Kläger sein Vorbringen hätte ergänzen können. Hätte
der Kläger in dieser Zeit seinen Klagevortrag ergänzt, dann hätten die Zeugen noch zum
Termin vom 26. 10. 1978 geladen werden können.
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Das verspätete Vorbringen des Klägers beruht nach Auffassung des Gerichtes auf
einem Verstoß gegen die einfachsten prozessualen Regeln, deren rechtzeitige Erfüllung
sich geradezu aufdrängen mußte. Aus diesem Grunde hat die Kammer das Vorbringen
des Klägers aus dem Schriftsatz vom 23.10.1978 gemäß §§ 296 Abs. 2, 282 Abs. 1 und
2 ZPO als verspätet zurückgewiesen.
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Dann aber war die Klage abzuweisen, weil der Kläger in seiner Klageschrift keinen
Beweis für den von ihm behaupteten Versicherungsfall angetreten hat.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung
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über die vorläufige Vollstreckbarkejt aus § 7o8, 711 ZPO.
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