Urteil des LG Essen vom 18.03.2010

LG Essen (treu und glauben, mieter, vermieter, zahlung, brand, inhalt, schaden, vvg, verschulden, begründung)

Landgericht Essen, 10 S 227/09
Datum:
18.03.2010
Gericht:
Landgericht Essen
Spruchkörper:
10. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
10 S 227/09
Normen:
§ 535 (2), § 549 BGV, § 86 VVG
Sachgebiet:
Bürgerliches Recht Mietrecht, Versicherungsrecht
Leitsätze:
Mietleistungspflicht nach Brand unmöglich, Brandursache,
Beweislastumkehr
Tenor:
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 16.04.2009 verkündete Urteil
des Amtsgerichts N abgeändert.
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin
1.770,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5% Punkten über dem
Basiszins-satz aus jeweils 590,00 Euro seit dem 05.12.2007, 04.01.2008
und 05.02.2008 zu zahlen.
Die Beklagten tragen die Kosten des Rechtsstreits als Gesamtschuldner.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
G r ü n d e
A.
Die Klägerin begehrt aus abgetretenem Recht die Zahlung von drei
Monatsmieten für das Wohnhaus S in I.
Bei der Klägerin handelt es sich um ein Versicherungsunternehmen, das
mit den Ehe-leuten S zur Versicherungsnummer ............... eine
Wohnge¬bäudever¬sicherung abgeschlossen hatte. Zwischen den
Eheleuten S als Vermietern und den Beklagten bestand ein
Wohnraummietvertrag über das o. g. Wohnhaus, wobei mo¬natliche
Mietzinszahlungen von 590,00 Euro zu entrichten wa¬ren.
Das Wohnhaus wurde am 10.11.2007 infolge eines Brandes vollständig
zerstört. Die Klägerin ersetzte den Eheleuten S den entstandenen
Schaden einschlie߬lich des Mietverlustes. Mit schriftlicher
Vereinbarung vom 04.11.2008 traten die Ehe¬leute S etwaige
Ansprüche auf Zahlung von Mietzins und auf Ersatz von Mietausfall an
die Klägerin ab. Diese verlangte in der Folgezeit von den Beklagten –
wenngleich vergeblich – die Entrichtung des monatlichen Mietzinses
von Dezember 2007 bis ein-schließlich Februar 2008.
Die Klägerin hat behauptet, dass der Brand durch unsachgemäße
Schweißarbeiten des Beklagten zu 2) entstanden sei. Er habe einen
sog. Katalytofen ausgeschaltet und an¬schließend am Ventil einer
Gasflasche gedreht. Er habe die Verschraubung des Druck¬minderers
an der Flasche gelöst und sie aus dem o. g. Ofen entfernt. Im weiteren
Ver¬lauf habe sich (unstreitig) ein Knall – gefolgt von einer Stichflamme
– ereignet. Der Brand lasse sich nur dadurch erklären, dass das Ventil
der Gasflasche nicht ausrei-chend zugedreht gewesen sei, bevor der
Beklagte zu 2) die Verschrau¬bung des Druck-minderers gelöst habe.
Die Beklagten haben die Auffassung vertreten, sie hätten den Ausbruch
des Brandes nicht zu verschulden. Sie haben behauptet, der Beklagte
zu 2) habe lediglich eine leere gegen eine volle Gasflasche
fachmännisch ausgetauscht. Er habe den Katalytofen ab¬geschaltet und
das Ventil der Gasflasche zugedreht, bevor er die Ver-schraubung des
Druckminderers gelöst habe. Das Feuer habe demzufolge aus-
schließlich aufgrund ei¬nes technischen Defekts ausbrechen können.
Mit am 16.04.2009 verkündetem Urteil hat das Amtsgericht N die Klage
abgewie¬sen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, etwaige
Mietzinsforderungen bestün¬den bereits deswegen nicht mehr, weil sie
infolge der Zahlung durch die Klä-gerin erlo¬schen seien. Zudem lasse
sich nicht feststellen, dass die Beklagten für den Ausbruch des Brandes
verantwortlich seien. Letztlich liege ein konkludenter Re-gressverzicht
der Klägerin vor, weil sich die Beklagten über die Zahlung von Be-
triebskosten an der Ent¬richtung der Versicherungsbeiträge beteiligt
hätten. Wegen der weite¬ren Ein¬zelheiten zu den tatsächli¬chen
Feststel¬lungen und zur Begründung des amtsge¬rich¬tlichen Urteils
wird auf den Inhalt der an¬gefochtenen Entscheidung ver-wiesen (Bl. 36
ff. GA).
Das Urteil ist der Klägerin am 28.04.2009 zugestellt worden. Sie hat
dagegen am 15.05.2009 Berufung eingelegt und das Rechtsmittel
zugleich begründet. Im Rahmen der Berufung verfolgt sie ihren
erstinstanzlichen Zahlungsantrag weiter und nimmt im Wesentlichen auf
ihren bisherigen Vortrag Bezug, den sie vertieft und ergänzt. Sie ver-tritt
die Auffassung, die Gegenleistungspflicht der Beklagten be¬stehe trotz
der Zer-störung des Mietobjekts fort, da das Leistungshindernis von
ihnen zu vertreten sei. Ein konklu¬denter Regressverzicht liege bereits
deswegen nicht vor, weil sich dieser allenfalls auf
Schadensersatzansprüche beziehe, nicht hin¬gegen auf Ansprüche auf
Mietzinszahlung.
Die Beklagten verteidigen das angefochtene Urteil und verweisen
ebenfalls in weiten Teilen auf ihr erstinstanzliches Vorbringen. Sie
meinen, es bestehe ein stillschwei¬gen-der Haftungsausschluss;
zumindest sei die Klägerin nach den Grundsätzen von Treu und
Glauben daran gehindert, sie aus abgetretenem Recht auf
Mietzinszahlun¬gen in Anspruch zu nehmen. Sie hafteten allenfalls aus
Vorsatz und grober Fahrläs¬sigkeit, die im konkreten Fall allerdings
nicht vorliege.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt ihrer
Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Die Kammer hat Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen
Sachverständi-gengutachtens. Wegen des Ergebnisses der
Beweisaufnahme wird auf den Inhalt des Gutachtens des Dipl. – Ing. T
vom 24.01.2010 verwiesen (Bl. 103 ff. GA).
B.
Die Berufung ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg, da das
Amtsgericht die Klage zu Unrecht abgewiesen hat. Im Einzelnen:
I. §§ 535 II, 549 I, 398 ff. BGB, 86 VVG
Die Klägerin hat gegen die Beklagten Anspruch auf Zahlung von
1.770,00 Euro (= 3 * 590,00 Euro) aus §§ 535 II, 549 I, 398 ff. BGB, 86
VVG.
1.
Zwischen den Eheleuten S und den Beklagten bestand ein
Wohnraummiet¬vertrag, wonach die Beklagten verpflichtet waren, an
ihre Vermieter einen Mietzins in Höhe von monatlich 590,00 Euro zu
zahlen. Von Dezember 2007 bis einschließlich Feb¬ruar 2008 haben sie
keine Zahlungen geleistet. Die Mietzinsforderun¬gen sind auf die
Klägerin übergegangen, wobei es die Kammer dahinstehen lassen
kann, ob die Zession gem. §§ 398 ff. BGB erfolgt ist oder ob die
Voraussetzungen der in § 86 VVG statuierten cessio legis vorlagen.
2.
Die genannten Forderungen sind nicht durch Erfüllung gem. § 362 I BGB
erloschen. Dem lässt sich nicht entgegenhalten, dass die Klägerin die
streitgegenständlichen Mie¬ten an die Vermieter – ihre
Versicherungsnehmer – gezahlt hat. Im Gegenzug hat sie sich nämlich
die Forderung der Eheleute S gegen die Beklagten abtre¬ten las¬sen.
Ein Fremdtilgungswillen lag auf Seiten der Klägerin somit nicht vor. Das
war für die Vermieter auch erkennbar, da die Klägerin die Abtretung der
Forde¬rungen ausdrücklich verlangt hat.
3.
Die Beklagten sind ferner nicht gem. § 326 I Satz 1 BGB von ihrer
Leistungspflicht frei ge¬worden. Im Einzelnen:
a) Den Eheleuten S als Vermietern ist ihre Leistungspflicht aus dem
Miet¬ver¬trag i. S. d. § 275 BGB unmöglich geworden, da das Haus
durch den Brand un¬bewohn¬bar geworden ist. Grundsätzlich ist in
einem derartigen Fall der Mieter von seiner Leis-tungspflicht i. S. d. §
535 BGB befreit (§ 326 I Satz 1 BGB).
b) Das gilt jedoch nach § 326 II Satz 1 BGB nicht, wenn die Beklagten
(Gläubiger) für den Umstand, auf Grund dessen der Vermieter
(Schuldner) nicht zu leisten braucht, allein oder überwiegend
verantwortlich sind. Im vorliegenden Fall reicht es zudem aus, dass der
Schuldner (= Vermieter bzw. Klägerin) darlegt und beweist, dass die
Ursache auf einem Ereignis beruht, das aus dem Organisations- oder
Herrschaftsbe¬reich des Gläubigers (= der Beklagten) stammt (vgl. BGH
NJW – RR 2005, 235; Pa-landt/Grüneberg, 69. Auflage, § 326 BGB,
Rdnr. 14). Gelingt dem Schuldner die ent-sprechende Beweisführung,
muss der Gläubiger seinerseits beweisen, dass ihm kein Verschulden
vorzuwerfen ist.
c) Unter Berücksichtigung der o. g. Grundsätze gilt für den vorliegenden
Fall: Un¬streitig ist der Brand dadurch verursacht worden, dass der
Beklagte zu 2) am Ventil einer von ihm benutzten Gasflasche drehte, die
er aus dem im Wintergarten des Hauses befindli¬chen Katalytofens
entnahm. Als er die Verschraubung des Druckmin¬derers der Flasche
löste und die Flasche aus dem Ofen entfernte, kam es zum Brand. Die
Klä-gerin hat da¬mit ausreichend dargelegt, dass die Brandursache aus
dem Or¬ganisati¬ons- und Herr¬schaftsbereich der Beklagten stammt.
Dies führt demnach zu einer Beweislastumkehr, so dass die Beklagten
sich entlasten müssen.
d) Sie haben den ihnen obliegenden Entlastungsbeweis nicht geführt.
Der Sachver-stän¬dige Dipl. – Ing. T hat in seinem Gutachten vom
24.01.2010 ausgeführt, dass er zum genauen Schadenshergang keine
eindeutigen Feststellungen treffen könne. Hie-raus ergibt sich, dass er
einen technischen Defekt des Ofens oder der Gasflasche nicht
anneh¬men konnte. Die Feststellungen des Gutachters sind in sich
schlüssig, plausibel und sind demzufolge bei der Urteilsfindung in
vollem Umfang zu berück-sichtigen. Die Kammer hat zudem keine
Zweifel an der Sachkunde des Gutachters, zumal diese auch von den
Parteien nicht in Zweifel gezogen wird.
e) Auch wenn die Beklagte zu 1) mit den Schweißarbeiten nicht befasst
war, haftet sie neben dem Beklagten zu 2) als Gesamtschuldnerin. Gem.
Ziffern 11.2 in Verbin¬dung mit 13.2 des Mietvertrages muss sie sich ein
Verschulden ihres Ehemanns zu¬rechnen las¬sen.
4.
Der Anspruch ist ferner nicht infolge eines Regressverzichts der Klägerin
ausge¬schlos-sen. Insofern hat das Amtsgericht ausgeführt, dass nicht
zwischen Schadens¬ersatzan-sprüchen, für die ein entsprechender
Regressverzicht anzunehmen sei, und vertragli-chen Ansprüchen
unterschieden werden dürfe. Das gelte um so mehr, als die Klägerin den
Schaden hier in vollem Umfang ausgeglichen habe.
a) Dieser Begründung folgt die Kammer nicht. Zutreffend führt das
Amtsgericht zwar aus, dass nach der Rechtsprechung des BGH im
Wege der ergänzenden Vertrags¬aus-legung des
Versicherungsvertrages von einem konkludenten Regressverzicht des
Ver-sicherers für die Fälle, in denen der Mieter einen Brandschaden
durch einfache Fahr-lässigkeit verursacht habe, anzunehmen sei.
Dieses Ergebnis lässt sich unter Berück-sichtigung der Interessen von
Mieter und Vermieter begründen (vgl. BGH NJW 2001, 1353; BGH NJW
2006, 3707).
b) Die o. g. Grundsätze können allerdings nur für solche Positionen
gelten, die auch versichert sind. Denn sonst würde der Mieter besser
gestellt werden als der Vermie¬ter, der einen Schaden verursacht.
Deshalb liegt im vorliegenden Fall ein Regress¬verzicht gerade nicht
vor. Denn nach dem unbestrittenen Beklagtenvortrag handelt es sich bei
der Versicherung um eine Gebäude-Feuer-Versicherung, über die der
Mietausfall mit-versichert ist. Insoweit gelten die allgemeinen
Versicherungs¬bedingungen. Nach § 3 Nr. 1 lit. a) VGB88 ist der
Mietausfall aber nur dann versi¬chert, wenn der Mieter von
Wohn¬räumen infolge eines Versicherungsfalls berechtigt ist, die
Zahlung der Miete zu verwei¬gern. Die Vertragsparteien haben also
ausdrück¬lich eine Regelung getroffen, die gerade keine
uneingeschränkte Haftung für Miet¬ausfälle begründet. Dies lässt sich
auch mit dem Inhalt des von den Beklagten zi¬tierten Urteils des
Oberlandesgericht Dresden (Az.: 5 U 451/02, Urteil vom 15.10.2002;
VersR 2003, 497 ff.) ohne Weiteres in Einklang bringen. Hier war die
Sachlage zwar nicht vollkommen mit dem hiesigen Fall vergleich¬bar,
da dort eine separate Mietausfallversicherung geschlossen wurde,
jedoch hat das OLG Dresden – als vom Regressverzicht umfasst –
lediglich diejenigen Mietausfall¬schäden heran¬gezogen, die aufgrund
weiterer Mietverhältnisse bestanden. Hinsichtlich der Mietan¬sprüche
gegenüber dem „verursachenden“ Mieter ist das OLG von einer
Zahlungs¬pflicht dieses Mieters ausgegangen, ohne einen
Regressverzicht überhaupt zu erör¬tern (vgl. OLG Dresden VersR 2003,
497 ff.).
c) Auch die Abwägung der beteiligten Parteiinteressen führt zu keinem
anderen Er-geb¬nis. Insbesondere rechtfertigt der Einwand der
Beklagten, aufgrund der Tatsache, dass der Mieter die Kosten der
Feuerversicherung trage, könne er damit rechnen, dass ihm im
Versicherungsfall keine Kosten entstünden, keine andere rechtliche Be-
wertung. Denn hiervon kann der Mieter nur ausgehen, wenn der
Versicherungsfall eingetreten ist und der Schaden mitversichert ist. Dies
ist vorliegend aber ge¬rade nicht der Fall, wie sich aus § 3 VGB88
ergibt. Der Mieter kann nicht davon aus¬gehen, dass er im Ergebnis
größeren „Versicherungsschutz“ genießt als sein Vermieter, bei dem es
sich um den ei¬gentlichen Versicherungsnehmer handelt.
II. Nebenkosten
Da die Klägerin mit der Hauptforderung obsiegt, hat sie gegen die
Beklagten ferner ei-nen Anspruch auf Zahlung von Verzugszinsen aus
§§ 280 ff., 286, 288 BGB.
C.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 I Satz 1, 100 IV Satz 1 ZPO.
Die Entschei-dung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708
Nr. 10, 711, 713 ZPO i. V. m. § 26 Nr. 8 EGZPO.
Die Voraussetzungen der Zulassung der Revision gem. § 543 II ZPO
liegen nicht vor. Die Rechtssache besitzt weder grundsätzliche
Bedeutung noch ist eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs zur
Fortbildung des Rechts oder Sicherung einer einheitlichen
Rechtsprechung erforderlich.