Urteil des LG Duisburg vom 08.04.2009

LG Duisburg: verfahrenskosten, verfügung, stundung, verschwendung, zahlungsunfähigkeit, abfindung, nettolohn, verbindlichkeit, arbeitslosigkeit, einkünfte

Landgericht Duisburg, 7 T 39/09
Datum:
08.04.2009
Gericht:
Landgericht Duisburg
Spruchkörper:
7. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
7 T 39/09
Vorinstanz:
Amtsgericht Duisburg, 64 IK 35/08
Tenor:
Die sofortige Beschwerde des Schuldners gegen den Beschluss des
Amtsgerichts Duisburg vom 11.11.2008 wird kostenpflichtig
zurückgewiesen.
Gründe
1
I.
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Der 1967 geborene Schuldner ist ausgebildeter Verwaltungsfachangestellter. In der Zeit
von 1992 bis 2006 war er in verschiedenen Positionen, zuletzt als Personalreferent, bei
der abhängig beschäftigt. Im August 2006 wurde diese Beschäftigung durch einen
Aufhebungsvertrag beendet. Im Rahmen dieses Aufhebungsvertrages erhielt der
Schuldner im August 2006 eine Abfindungszahlung in Höhe von 56.000,- € netto.
Außerdem wurde dem Schuldner am 15.03.2007 von den Steuerbehörden ein
Steuerguthaben in Höhe von 9.500,- € ausgezahlt.
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Seit August 2006 war der Schuldner erwerbslos und bezog nach einer Sperrfrist von 6
Monaten in der Zeit vom 01.02.2007 bis einschließlich 30.11.2007 Arbeitslosengeld in
Höhe von 2.067,- € monatlich. Ab Dezember 2007 erhielt der Schuldner für sich und die
mit ihm in Bedarfsgemeinschaft lebende Ehefrau Leistungen zur Sicherung des
Lebensunterhaltes in Höhe von monatlich 1.304,04 €.
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Am 01.02.2008 beantragte der Schuldner wegen Zahlungsunfähigkeit die Eröffnung des
Insolvenzverfahrens über sein Vermögen, Restschuldbefreiung sowie Stundung der
Verfahrenskosten. In seinem Eigenantrag gab der Schuldner Verbindlichkeiten bei 11
Gläubigern in einer Gesamthöhe von ca. 81.000,- € an. Eine weitere Verbindlichkeit aus
einem Kreditvertrag mit der in Höhe von ca. 6.000,- € wurde hingegen im
Gläubigerverzeichnis vom 12.01.2008 nicht aufgelistet.
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Der mit der Aufklärung der Vermögensverhältnisse des Schuldners beauftragte
gerichtliche Sachverständige, kam in seinem schriftlichen Insolvenzgutachten vom
25.07.2008 zu dem Ergebnis, dass der Insolvenzgrund der Zahlungsunfähigkeit
vorliege, eine kostendeckende Masse nicht vorhanden sei und dass Anhaltspunkte
dafür vorlägen, die eine Versagung der Restschuldbefreiung gemäß § 290 Abs. 1 Nr. 4
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und Nr. 5 InsO rechtfertigten. Wegen der weiteren Einzelheiten der sachverständigen
Feststellungen wird auf das schriftliche Gutachten Bl. 82 ff. der GA verwiesen.
Mit dem angefochtenen Beschluss vom 11.11.2008 hat das Amtsgericht Duisburg den
Antrag des Schuldners auf Stundung der Verfahrenskosten abgelehnt, weil bereits jetzt
festgestellt werden könne, dass dem Schuldner die beantragte Restschuldbefreiung zu
versagen sei. Es liege der Versagungsgrund der Verschwendung nach § 290 Abs. 1 Nr.
4 InsO vor. Der Schuldner habe im letzten Jahr vor der Stellung seines
Insolvenzantrages aus der gezahlten Abfindung von 56.000,- € nur noch vereinzelte
Gläubiger befriedigt, obwohl sich ihm bereits früher hätte aufdrängen können, dass das
gezahlte Geld angesichts seiner Erwerbslosigkeit zur vollständigen Befriedigung seiner
Gläubiger nicht ausreichen würde. Grob fahrlässig habe der Schuldner so lange bis zur
Einreichung des Insolvenzantrages zugewartet, bis aus den ihm zunächst noch zur
Verfügung stehenden finanziellen Mitteln nichts mehr vorhanden gewesen sei, um
wenigstens die Kosten des Insolvenzverfahrens zu tragen. Darüber hinaus sei der
Versagungsgrund des § 290 Abs. 1 Nr. 6 InsO verwirkt, weil der Schuldner in das
Gläubiger- und Forderungsverzeichnis vom 12.01.2008 nicht die Verbindlichkeit bei der
in Höhe von 6.000,- € aufgenommen habe, um sich einen Vorteil zu verschaffen.
Gegenüber dem Gutachter habe der Schuldner nämlich hierzu erklärt, er habe diese
Schuld nicht angegeben, um den finanzierten PKW weiter nutzen zu können. Die
monatlichen Raten habe er aus seinem unpfändbaren Vermögen bestritten.
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Gegen diesen Beschluss hat der Schuldner fristgerecht sofortige Beschwerde eingelegt.
Er macht geltend, dass ihm eine Verschwendung seines Vermögens nicht vorgeworfen
werden könne. Er habe zuletzt 3.300,- € netto monatlich verdient und sei davon
ausgegangen, dass er alsbald wieder eine neue Arbeit finden werde. Der Schuldner
behauptet, er habe nach seiner Arbeitslosigkeit noch Verbindlichkeiten in Höhe von
81.000,- € bedient, davon rund 30.000,- € zur Schuldentilgung. Es könne ihm nicht als
Verschwendung ausgelegt werden, dass er in der Hoffnung darauf, bald eine neue
Arbeitsstelle zu finden, weiterhin seine Schulden aus der Abfindung getilgt habe. Zur
Bildung von Rücklagen für die Durchführung eines möglichen Insolvenzverfahrens sei
er nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes nicht verpflichtet gewesen. Auch
der Versagungsgrund des § 290 Abs. 1 Nr. 6 InsO sei nicht gegeben. Er habe in seinem
Insolvenzantrag in dem Ergänzungsblatt 5 j die monatliche Darlehensrate für den PKW
mit 128,38 € angegeben. Vorsorglich melde er die als Gläubigerin mit einer Forderung
von 6.000,- € nach.
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Das Amtsgericht hat der Beschwerde des Schuldners nicht abgeholfen und das
Verfahren der Kammer zur Entscheidung vorgelegt.
9
II.
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Die gemäß § 4 d Abs. 1 InsO statthafte und auch im übrigen zulässige sofortige
Beschwerde des Schuldners hat in der Sache keinen Erfolg.
11
Zutreffend hat das Amtsgericht die vom Schuldner nach § 4 a InsO beantragte Stundung
der Verfahrenskosten abgelehnt, weil ein Grund vorliegt, der die Versagung der
Restschuldbefreiung rechtfertigt.
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Wie bereits in der Verfügung der Kammer vom 05.02.2009 ausgeführt, liegt der
Tatbestand der Vermögensverschwendung im Sinne von § 290 Abs. 1 Nr. 4 InsO vor.
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Eine Vermögensverschwendung ist danach zu bejahen, wenn Werte außerhalb einer
sinnvollen und nachvollziehbaren Verhaltensweise verzehrt werden. Etwa getätigte
Ausgaben müssen im Verhältnis zum Gesamtvermögen und dem Einkommen des
Schuldners als grob unangemessen und wirtschaftlich nicht nachvollziehbar erscheinen
(vgl. BGH, Beschluss vom 21.09.2006, IX ZB 24/06). Diese Voraussetzungen sind hier
zum Nachteil des Schuldners auch unter Berücksichtigung seines ergänzenden
Vorbringens im Schriftsatz vom 24.02.2009 erfüllt.
Legt man seine Einkünfte in der Zeit von August 2006 bis einschließlich November
2007 zugrunde, so ergeben sich nachfolgende Beträge:
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Abfindungszahlung 56.000,- €
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Steuererstattung 9.500,- €
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10 x Arbeitslosengeld 20.670,- €
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Insgesamt: 86.170,- €.
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Unterstellt, der Schuldner habe diesen Betrag – wie er vorgibt – vollends zur
Befriedigung seiner Gläubiger und zur Lebensführung verauslagt, hätte er monatlich
einen Betrag von 5.385,63 € ausgegeben, womit er mehr als 2.000,- € über seinem
letzten Nettoverdienst von 3.300,- € gelegen hätte. Diese exzessive Ausgabenpolitik
stellt aber nach Ansicht der Kammer eine Verhaltensweise dar, die angesichts der
seinerzeitigen Arbeitslosigkeit des Schuldners als im Verhältnis zu seiner
Einkommenssituation grob unangemessen und nicht mehr nachvollziehbar erscheint.
Den Schuldner entlastet auch nicht, dass er – wie er in seinem Schriftsatz vom
24.02.2009 behauptet – im Umfang von 30.000,- € in jener Zeit Schulden getilgt habe.
Ausweislich des gerichtlichen Gutachtens vom 25.07.2008 hat der Schuldner
nachweisbar belegt lediglich Tilgungsleistungen in der Zeit von August 2006 bis
einschließlich Juni 2007 in Höhe von insgesamt rund 15.164,- €, und zwar 10.450,- € an
die , 3.300,- € an die sowie 1.413,50 € an die . Die weiteren von ihm angeblich
getätigten Tilgungsleistungen sind dagegen nicht belegt. Soweit er hingegen Belege
vorgelegt hat, z. B. für Wartungsarbeiten am PKW, Stromrechnungen und sonstige
Anschaffungen, handelt es sich um Ausgaben, die der Schuldner zu Zeiten, da er noch
Einkommen erzielte, auch aus seinem monatlichen Einkommen bestreiten musste. Dies
dürfte im übrigen auch für den monatlichen Tilgungsdienst bei den Kreditinstituten
gegolten haben. Es ist daher kein Grund dafür ersichtlich, wie es dazu kommen konnte,
dass der Schuldner, obwohl er über kein Einkommen verfügte und auch nicht wusste,
wann er wieder geregeltes Einkommen erzielen werde, derart über seine Verhältnisse
lebte, dass er ab August 2006 durchschnittlich über 2.000,- € monatlich mehr ausgab,
als er zu Zeiten der Erwerbstätigkeit als Nettolohn zur Verfügung hatte. Selbst wenn
man die Tilgungsleistungen in Höhe von 15.164,- € vom Gesamtvolumen (86.170,- €)
abzieht (= 71.006,- €), verbleibt monatlich immer noch ein durchschnittlicher
Ausgabebetrag von 4.438,- €, der den vormaligen Nettolohn erheblich übersteigt. Aus
diesem Grund ist auch die Kammer überzeugt, dass der Schuldner grob fahrlässig im
letzten Jahr vor der Stellung seines Insolvenzantrages Vermögenswerte zum Nachteil
der Insolvenzgläubiger verschwendet hat.
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Zutreffend ist das Amtsgericht auch davon ausgegangen, dass der Schuldner grob
fahrlässig im Sinne von § 290 Abs. 1 Nr. 4 InsO ohne Aussicht auf eine Besserung
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seiner wirtschaftlichen Lage die Eröffnung des Insolvenzverfahrens verzögert hat. Der
Schuldner hat ausweislich des gerichtlichen Gutachtens seine Tilgungsleistungen an
die Banken bereits im Juni 2007 eingestellt und damit seine Zahlungsunfähigkeit
dokumentiert. Einen Insolvenzantrag hat der Schuldner aber erst im Februar 2008
gestellt, als er lediglich (unpfändbare) Hilfe zum Lebensunterhalt bezog und alle
sonstigen Vermögenswerte bereits aufgebraucht waren, aus denen die Gläubiger
anderenfalls zumindest quotal noch hätten befriedigt werden können (vgl. Münchener
Kommentar – Stephan, § 290 InsO, Rdn. 63).
Ob daneben auch noch ein Versagungsgrund gemäß § 290 Abs. 1 Nr. 5 oder Nr. 6 InsO
erfüllt ist, bedarf hier keiner abschließenden Entscheidung. Denn allein der Umstand,
dass ein Versagungsgrund nach § 290 Abs. 1 Nr. 4 InsO gegeben ist, recht- fertigt die
Zurückweisung des Stundungsantrages.
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Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 4 InsO, 97 Abs. 1 ZPO.
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Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500,- € festgesetzt (§ 28 Abs. 3
RVG).
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