Urteil des LG Duisburg vom 02.07.2008

LG Duisburg: ablauf der frist, angemessene frist, anwaltskosten, bezahlung, auflage, anfang, anzeige, verzug, zustellung, baustelle

Landgericht Duisburg, 25 O 16/08
Datum:
02.07.2008
Gericht:
Landgericht Duisburg
Spruchkörper:
5. Kammer für Handelssachen
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
25 O 16/08
Tenor:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 24.946,35 EUR nebst
Zinsen in Höhe von 8 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem
7.2.2006 sowie 911,80 EUR vorgerichtlicher Anwaltskosten zu zahlen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils
zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
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Am 10./21.3.2003 schlossen die Parteien einen Werkvertrag, gemäß dem die Klägerin
der Beklagten für das Bauvorhaben , drei Aufzugsanlagen liefern sollte, und zwar einen
Aufzug für das Wohnhaus zum Preis von 37.120,- € und zwei Aufzüge für das
Fabrikgebäude zum Preis von 63.800,- €. Gegenstand des Vertrags wurden u.a. das
Verhandlungsprotokoll vom 29.1.2003 (Anlage K 2 a), das Angebot der Klägerin vom
12.11.2002 (Anlage K 1) und die VOB/B. Als Lieferzeit nennt der Vertrag "ca. Mitte
08.03" (Kopie des Vertrags Anlage K 2 b). Das Verhandlungsprotokoll nennt als
Ausführungszeitraum "8 Wochen". Das Bauende war vorgesehen für April 2004. Zwei
Abschlagsrechnungen der Klägerin vom 19.3.2003 über 11.136,- € und 19.140,- €
bezahlte die Beklagte.
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Im September 2003 lieferte die Klägerin das Material für die Aufzugsanlage zur
Baustelle und lagerte es dort ein. Dann stockte das Bauvorhaben. Mit Schreiben vom
15.7.2004 bat die Klägerin um Mitteilung, wie die Baustelle weiter abgewickelt werden
soll (Anlage K 3 c). Mit Schreiben vom 3.11.2004 forderte die Klägerin die Beklagte auf,
bis zum 12.11.2004 "ultimativ" den Montagebeginn mitzuteilen und wies darauf hin,
dass die Klägerin ansonsten gehalten sehe, den Vertrag zu kündigen und die
Leistungen nach ihrem Stand abzurechnen (Anlage K 3 c). Mit Schreiben vom
14.1.2005 setzte die Klägerin der Beklagten eine Frist zur Herstellung der Baufreiheit
bis zum 26.1.2005 und teilte mit, dass bei Unterbleiben der Anzeige die Klägerin das
Vertragsverhältnis nach Ablauf der Frist als gekündigt ansehe (Anlage K 3 f). Mit
Schreiben vom 26.2.2005 teilte die Firma aus als Vertreter der Beklagten der Klägerin
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mit, dass das Aufzugsmaterial für das Wohnhaus gestohlen sei (Anlage K 4 a). Unter
dem 17.9.2007 erteilte die Klägerin der Beklagten 2 Schlussrechnungen (Anlagen K 5 a
und b).
Die Klägerin verlangt von der Beklagten die Bezahlung der Schlussrechnungsbeträge
von insgesamt 24.946,35 €. Sie trägt vor, es sei keine Lieferung auf Abruf vereinbart
worden. Sie habe keine Lagermöglichkeit für vom Hersteller fertig gestelltes Material.
Jedenfalls Anfang 2004 sei das Material anzuliefern gewesen, weil eine Montagedauer
von 8 Wochen und das Bauende für April 2004 vorgesehen gewesen sei. Mit Ablauf der
zum 26.1.2005 gesetzten Frist gelte der Vertrag als aufgehoben, so dass sie nach dem
Leistungsstand abrechnen könne. Sie habe auch einen Anspruch auf Bezahlung des
gestohlenen Materials. Denn spätestens mit Ablauf der zum 12.11.2004 gesetzten Frist
habe sich die Beklagte in Annahmeverzug befunden, so dass die Gefahr für den Verlust
des Materials auf die Beklagte übergegangen sei. Ihre Schlussrechnungen entsprächen
den Anforderungen an die Abrechnung eines vorzeitig beendeten
Pauschalpreisvertrags.
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Mit Schriftsatz vom 17.1.2008 hat die Klägerin die Beklagte aufgefordert, sie spätestens
bis zum 30.1.2008 von der Forderung ihrer Prozessbevollmächtigten auf Zahlung
vorgerichtlicher Anwaltskosten in Höhe von 911,80 € freizustellen.
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Die Klägerin beantragt,
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wie erkannt,
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hilfsweise hinsichtlich der vorgerichtlichen Anwaltskosten
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die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin von der Forderung ihrer
Prozessbevollmächtigten hinsichtlich vorgerichtlicher Anwaltskosten in Höhe von
911,80 € freizustellen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte trägt vor, die Klägerin habe sie nicht in Verzug setzen können, weil sich
beide Parteien darüber einig gewesen seien, dass eine Lieferung auf Abruf erfolgen
sollte. Deshalb habe die Klägerin auch kein Kündigungsrecht gehabt und sei die Gefahr
für das gestohlene Material auch nicht auf die Beklagte übergegangen. Schließlich
seien die Schlussrechnungen nicht prüfbar, die Klageforderung damit nicht fällig. Hinzu
komme, dass die Klägerin das Material nicht in den angebotenen abschließbaren
Räumen gelagert habe.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der
gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen ergänzend Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Die Klage ist begründet.
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1. Die Klägerin hat gegen die Beklagte gemäß §§ 631, 643 BGB, 9 Nr. 3 Satz 1 VOB/B
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einen Anspruch auf Vergütung der erbrachten Leistungen in Höhe von 24.946,35 € .
Gemäß §§ 643 BGB, 9 Nr. 1 a VOB/B kann der Auftragnehmer den Vertrag kündigen,
wenn der Auftraggeber eine ihm obliegende Handlung unterlässt und dadurch den
Auftragnehmer außer Stande setzt, die Leistung auszuführen. Nach der Kündigung kann
der Auftragnehmer die Vergütung der erbrachten Leistungen verlangen (vgl Palandt,
Kommentar zum BGB, 67. Auflage, § 643, Randnummer 1). Die Voraussetzungen der
§§ 643 Satz 1 BGB, 9 Nr. 2 VOB/B sind erfüllt. Denn mit Schreiben vom 3.11.2004 und
nochmals vom 14.1.2005 hat die Klägerin der Beklagten eine angemessene Frist zur
Herstellung der Baufreiheit gesetzt. Diese Fristsetzung blieb ohne Erfolg.
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2. Die Beklagte kann sich nicht darauf berufen, die Klägerin sei gar nicht berechtigt
gewesen, eine Frist zu setzen, weil die Anlieferung des Materials und die Montage auf
Abruf erfolgen sollten. Weder das Angebot der Klägerin, das Besprechungsprotokoll, der
Werkvertrag, noch die nachfolgende Auftragsbestätigung der Klägerin vom 27.2.2003
beinhalten eine Lieferung und Montage nach Abruf durch die Beklagte. In dem Vertrag
heißt es vielmehr, dass die Lieferung ca. Mitte August 2003 erfolgen solle. Ähnliche
Regelungen enthalten das Angebot und das Besprechungsprotokoll. Danach war zwar
nicht ein ganz bestimmter Leistungszeitpunkt bestimmt, aber ein Zeitfenster vorgegeben.
Weiter heißt es in dem Besprechungsprotokoll, dass der Ausführungszeitraum 8
Wochen betrage. In Verbindung mit dem Umstand, dass das Bauende spätestens im
April 2004 sein sollte, bedeutete dies für die Klägerin, dass sie jedenfalls spätestens
Anfang 2004 das Material anliefern musste, um im April fertig sein zu können.
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3. Eine Beweisaufnahme durch Vernehmung des Zeugen über die Behauptung der
Beklagten, es sei Vertragsgrundlage gewesen, dass die Aufzüge nach Anzeige durch
die Beklagten eingebaut werden sollten, hatte nicht zu erfolgen. Denn dieser Vortrag ist
gemäß §§ 296 Abs. 1, 276 Abs. 1 ZPO als verspätet zurückzuweisen. Mit
prozessleitender Verfügung vom 27.12.2007 war der Beklagten aufgegeben worden,
binnen 6 Wochen ab Zustellung der Klageschrift auf diese zu erwidern. Die Zustellung
erfolgte am 7.1.2008. die Klageerwiderung ging bei Gericht erst am 21.4.2008 ein, also
deutlich verspätet.
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Die Berücksichtigung des verspäteten Vorbringens würde die Erledigung des ansonsten
entscheidungsreifen Rechtsstreits verzögern. Dem konnte auch nicht durch eine Ladung
des Zeugen zum Kammertermin am 28.5.2008 begegnet werden. Denn der Vortrag der
Beklagten zu der angeblichen Vertragsgrundlage ist vollkommen unsubstanziiert. Er
wird durch die schriftlichen Vertragsgrundlagen nicht gedeckt und ein nachvollziehbarer,
für die Klägerin erwiderungsfähiger Vortrag, dass die Parteien mündlich ergänzende
oder abweichende Vereinbarungen getroffen hätten, liegt nicht vor. Es wäre somit
zunächst der Beklagten ein Hinweis auf die fehlende Substanz ihres Vorbringens und
bei etwaiger Substanziierung der Klägerin Gelegenheit zur Erwiderung zu geben.
Gegebenenfalls schlösse sich eine Beweisaufnahme an. Hinzu kommt , dass bei der
Terminierung am 19.3.2008 mangels Klageerwiderung lediglich für die übliche Dauer
eines bloßen Verhandlungstermins terminiert wurde, Zeit für eine Beweisaufnahme
nicht eingeplant, sondern weitere Sachen zeitgleich um 9.45 Uhr und im Anschluss ab
10.00 Uhr terminiert wurden.
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Die Beklagte hat die Verspätung auch nicht hinreichend entschuldigt, wobei sich die
Beklagte ein Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten zurechnen lassen müssen.
Die eidesstattliche Versicherung der Bürovorsteherin der Prozessbevollmächtigen vom
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7.4.2008 legt nahe, dass die notwendige Schulung dieser Mitarbeiterin versäumt wurde
(vgl Zöller, Kommentar zur ZPO, 26. Auflage, § 233, Randnummer 23 "Büropersonal
und –organisation"). Die Bürovorsteherin scheint nicht hinreichend darüber informiert
gewesen zu sein, dass Anträge auf Verlängerung der Klageerwiderungsfrist oder gar
das Streichen einer solchen Frist von der Kammer oder dem Vorsitzenden beschieden
werden, nicht von sonstigen Mitarbeitern des Gerichts (vgl Zöller, § 233 ZPO,
Randnummer 23 "Fristverlängerung", § 225 ZPO, Randnummer 3).
Hinzu kommt, dass selbst eine genügende Entschuldigung erfordert, dass der
verspätete Vortrag unverzüglich, d.h. ohne schuldhaftes Zögern nachgeholt wird (vgl
Zöller, § 296 ZPO, Randnummer 24). Mit Zustellung der Terminsladung nebst Hinweis
auf die fehlende Klageerwiderung am 27.3.2008 war die Beklagte informiert.
Entsprechend teilt sie auch mit Schriftsatz vom 28.3.2008 mit, dass die Klageerwiderung
nunmehr umgehend nachgereicht werde. Tatsächlich geschah dies aber erst mit Fax
vom 21.4.2008, damit nicht mehr unverzüglich. Denn bei der Bemessung dieser Frist
wird unter Beachtung der Interessen der Gegenpartei in der Regel eine Obergrenze von
2 Wochen als angemessen bewertet, die hier deutlich überschritten wurde. Diese 2-
Wochen-Frist entspricht auch der in § 276 Abs. 1 ZPO vorgesehenen Mindestfrist zur
Klageerwiderung nach Ablauf der Notfrist zur Verteidigungsanzeige. Auch dies kann als
Anhaltspunkt dafür herangezogen werden, in welcher Frist spätestens die versäumte
Klageerwiderung nachzureichen war; zumal die Klage bereits am 7.1.2008 zugestellt
worden war und die Klage weder besonders umfangreich, noch besonders schwierig zu
beantworten war.
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4. Die Beklagte kann sich schon deshalb nicht auf eine fehlende Fälligkeit der
Klageforderung mangels Prüffähigkeit der Schlussrechnungen vom 17.9.2007 berufen,
weil dies gemäß § 16 Nr. 3 Satz 2 VOB/B innerhalb von 2 Monaten nach Zugang der
Schlussrechnungen hätte geschehen müssen. Es ist nicht ersichtlich, dass die Beklagte
diese Frist eingehalten hat. Mit Schreiben vom 12.10.2007 (Anlage K 5 c) hat sie zwar
den Schlussrechnungen widersprochen, dies aber nicht mit einer fehlenden
Prüffähigkeit begründet. Die Rüge in der Klagerwiderung erfolgte nach Fristablauf.
Dahinstehen kann deshalb, ob der Vorwurf der fehlenden Prüffähigkeit überhaupt
berechtigt ist.
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5. Die Beklagte schuldet damit die Positionen der Schlussrechnungen vom 17.9.2007,
d.h. die Klageforderung einschließlich des gestohlenen Materials.
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a. Wie ausgeführt, musste die Klägerin spätestens Anfang 2004 das Material zur
Baustelle liefern. Mit fruchtlosem Ablauf der mit Schreiben vom 3.11.2004 und nochmals
mit Schreiben vom 14.1.2005 gesetzten Fristen zur Anzeige der Baufreiheit und des
Montagebeginns kam die Beklagte mit der Annahme der Werkleistung in Verzug (§ 293
ff BGB) mit der Folge, dass gemäß § 644 Abs. 1 Satz 2 BGB die Vergütungsgefahr auf
die Beklagte überging (vgl Palandt, Kommentar zum BGB, 67. Auflage, §§ 644, 645,
Randnummern 5 und 6).
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b. Der Anspruch der Kläger auf die Bezahlung auch des gestohlenen Materials entfällt
nicht aufgrund des Vortrags der Beklagten, die Klägerin habe das Material nicht in den
angebotenen abschließbaren Räume gelagert. Auch dieser Vortrag war aus genannten
Gründen als verspätet zurückzuweisen und auch insofern war eine Ladung des von der
Beklagten benannten Zeugen zum Termin am 28.5.2008 nicht geboten (s.o.). Zutreffend
hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 6.5.2008 darauf hingewiesen, dass der Vortrag der
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Beklagten zu den angeblichen abschließbaren Räumen unsubstanziiert sei, weil nicht
mitgeteilt sei, wer wem gegenüber einen Hinweis auf abschließbare Räume gegeben
haben soll. Weiter fehlt ein Vortrag dazu, wo diese Räume denn gewesen seien. Es
wäre der Beklagten also auch in diesem Zusammenhang ein Hinweis zu erteilen. Bei
Substanziierung ihres Vortrags wäre der Klägerin zunächst Gelegenheit zur
Stellungnahme zu geben. Gegebenenfalls schlösse sich dann eine Beweisaufnahme
an. Die Berücksichtigung dieses verspäteten Vortrags würde also ebenfalls die
Erledigung des ansonsten entscheidungsreifen Rechtsstreits verzögern. Eine
hinreichende Entschuldigung der Verspätung ist nicht gegeben (s.o.).
6. Der Zinsanspruch und der Anspruch auf Bezahlung der vorgerichtlichen
Anwaltskosten folgen aus Verzug gemäß §§ 286, 288 Abs. 2 BGB. Weil die Beklagte
die Klägerin von der Honorarforderung trotz Fristsetzung nicht freigestellt hat, kann die
Klägerin gemäß § 250 Satz 2 BGB Bezahlung der Anwaltskosten verlangen, auch wenn
sie ihrerseits die Anwaltskosten noch nicht bezahlt haben sollte. Die Entscheidung über
die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.
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Veranlassung zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung aufgrund des nicht
nachgelassenen Schriftsatzes der Beklagten vom 28.5.2008, bei Gericht eingegangen
nach der mündlichen Verhandlung, bestand nicht.
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