Urteil des LG Duisburg vom 18.12.2008

LG Duisburg: mangel, minderung, schmerzensgeld, entschädigung, schadenersatz, erheblichkeit, restaurant, absicht, bezifferung, aufenthalt

Landgericht Duisburg, 12 S 35/08
Datum:
18.12.2008
Gericht:
Landgericht Duisburg
Spruchkörper:
12. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
12 S 35/08
Tenor:
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Amtsgerichts Duisburg
vom 14.02.2008 - 72 C 5645/06 - teilweise abgeändert und wie folgt neu
gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 3.318,96 € nebst Zinsen in
Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 31.07.2006 zu
zahlen.
Die Beklagte wird weiter verurteilt, an den Kläger 500,00 € nebst Zinsen
in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 04.06.2008
zu zahlen
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Von den Kosten des ersten Rechtszuges werden dem Kläger 18 % und
der Beklagten 82 % auferlegt. Die Kosten der zweiten Instanz haben der
Kläger zu 43 % und die Beklagte zu 57 % zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
G r ü n d e
1
I.
2
Hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen wird Bezug genommen auf das
angefochtene Urteil des Amtsgerichts Duisburg vom 14.02.2008 (Bl. 182 - 191 d. A.).
3
Das Amtsgericht hat der Klage teilweise, nämlich wegen einer weiteren Minderung von
605,68 € und eines Schadenersatzes wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit in
4
Höhe von 900,00 €, stattgegeben und die Klage im übrigen abgewiesen.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Klägers, der weiterhin Zahlung von
Minderung von insgesamt 1.958,30 €, immateriellen Schadenersatz von insgesamt
2.100,00 €, sowie klageerweiternd ein Schmerzensgeld von 1.500,00 € begehrt.
5
II.
6
Die insgesamt, also auch hinsichtlich der Klageerweiterung (BGH NJW 2004, 2152
ff)zulässige Berufung ist teilweise begründet. Unter Berücksichtigung der
vorgerichtlichen Zahlung von 289,00 € stehen dem Kläger insgesamt weitere 1.514,98 €
unter dem Gesichtspunkt der Minderung zu (1.). Darüber hinaus sind die Ansprüche auf
Schadenersatz auf insgesamt 1.803,98 € zu erhöhen (2.) und ein Schmerzensgeld in
Höhe von 500,00 € zuzusprechen (3.).
7
1.
8
Dem Kläger steht wegen der Mängel des (verschmutztes Meerwasser mit Quallen,
Vorhandensein von Sandflöhen am Strand und im Hotel, defektes Tretboot,
verunreinigter Hotelpool, Katzen an den Wasserspendern, nasse Polsterstühle im
Restaurant, nur eine Bar bis 24 Uhr geöffnet) ein Minderungsanspruch von insgesamt
1.803.98 € zu.
9
a.
10
Verschmutztes Meerwasser mit Quallen und Vorhandensein von Sandflöhen am Strand
11
Die Berufung hält bezüglich des Meerwassers die vom Amtsgericht erkannte Minderung
von 15 % für 20 Tage für zu gering und erstrebt eine Erhöhung auf 20 %. Dem kann
unter Berücksichtigung des Umstandes beigetreten werden, dass das Amtsgericht
diesen Mangel als einzigen aus der Gruppe der "sonstigen Leistungen" angesehen hat,
die neben den Leistungsgruppen Transport, Unterkunft und Verpflegung den Charakter
der Reise bestimmen und vorliegend insbesondere durch die in der Karibik erwarteten
Möglichkeiten des Aufenthaltes am und im Meer gekennzeichnet sind.
12
Zwar hat das Amtsgericht auch festgestellt, dass der Strand mit Sandflöhen befallen
war. Es hat diesen Mangel aber ausweislich der Gründe nur insoweit für schwerwiegend
gehalten, als auch die Unterkunft des Klägers und seiner Ehefrau betroffen war. Wertet
man die durch den Befall mit Sandflöhen eingeschränkte Nutzungsmöglichkeit des
Strandes auch bei den sogenannten "sonstigen Leistungen", so rechtfertigt dies eine
Erhöhung auf insgesamt 20 %, denn der Kläger verweist zu Recht darauf, dass gerade
die Nichtnutzbarkeit des karibischen Meeres und des Strandes den Erfolg des
gebuchten Badeurlaubes ernsthaft in Frage stellte.
13
b.
14
Vorhandensein von Sandflöhen in der Unterkunft
15
Die Berufung rügt zu Recht, dass das Amtsgericht in diesem Punkt zwischen dem
Kläger und seiner Ehefrau differenziert hat. Es entspricht der Rechtsprechung der
Kammer, dass - von seltenen Ausnahmen abgesehen - dann, wenn bei einer Reise von
16
Ehegatten ein Mangel nur einen der Ehegatten betrifft, sich dies auch auf den anderen
auswirkt und damit die Reise als solche nicht so erbracht ist, wie sie gemäß § 651 c
geschuldet ist.
Die vom Amtsgericht (nur für die Ehefrau) festgesetzte Minderungsquote von 20 % für 17
Tage hält die Kammer insgesamt für angemessen. Es wird dabei ausreichend
berücksichtigt, dass der Befall nicht nur optisch störend war, sondern auch zu
körperlichen Beschwerden führte.
17
c.
18
Tretboot
19
Die vom Amtsgericht festgestellte Minderungsquote von 1 % für 13 Tage/Nächte ist
unangefochten geblieben.
20
d.
21
Verunreinigter Pool
22
Die Berufung rügt zu Recht, dass das Amtsgericht die für die Nachmittagsstunden
festgestellte vereinzelte Verunreinigung mit Strohhalmen und Plastikbechern als bloße
Unannehmlichkeit bewertet hat. Die Beklagte beschreibt in dem Katalog eine
"beeindruckende Swimmingpool-Landschaft". In einer solchen ist das nachmittägliche
Belassen von Strohhalmen und Plastikbechern im Pool als Mangel anzusehen, der zu
einer Minderung von 3 % führt. Eine höhere Minderungsquote lässt sich nicht
rechtfertigen. Soweit der Kläger auf eine Entscheidung der Kammer verweist, in der auf
eine Quote von 10 % erkannt wurde, lag dem ein schwerer wiegender Mangel (Öllachen
auf dem Wasser, abgebrochene Fliesen) zugrunde, der einer Benutzung des Pools
entgegenstand.
23
Sicher feststellen lässt sich eine Mängelanzeige hinsichtlich des Pools auf Grund der
Aussage der Zeugin erst für den 17.06.2006. Daher sind nur 13 Tage zu
berücksichtigen.
24
e.
25
Katzen an den Wasserspendern, nasse Polsterstühle im Restaurant
26
Die vom Amtsgericht festgestellten Minderungsquoten von 1 % bzw. 3 % jeweils für 13
Tage/Nächte sind unangefochten geblieben.
27
f.
28
nur eine Bar bis 24 Uhr geöffnet
29
Die Kammer sieht es mit der Berufung als Mangel an, wenn im Katalog angegeben ist
"von 10 bis 24 Uhr an den Bars" (Plural!) und tatsächlich nur eine Bar, nämlich die
Lobbybar, bis 24 Uhr geöffnet ist, während die übrigen Bars (am Pool) spätestens um 18
Uhr geschlossen wurden. Mit 3 % für 13 Tage/Nächte ist dieser Mangel angemessen
bewertet.
30
Sicher feststellen lässt sich eine Mängelanzeige hinsichtlich der Bars auf Grund der
Aussage der Zeugin erst für den 17.06.2006. Daher sind nur 13 Tage zu
berücksichtigen.
31
g.
32
Ausgangspunkt für die Berechnung der Minderung ist grundsätzlich der Reisepreis, der
vorliegend 4.086,00 € betrug. Das Amtsgericht hat einen um einen Teil der Flugkosten
(1.200,00 € Zuschlag Comfort Class) verminderten Preis zugrundegelegt. Dem kann die
Kammer nicht folgen. Ein Abzug der Transportkosten vom Reisepreis wird
ausnahmsweise dann als zulässig erachtet, wenn durch die Mängel der
Gesamtzuschnitt der Reise nicht wesentlich verändert wird (Tempel, Erläuterungen zur
Frankfurter Tabelle, NJW 1985, 115).Dem liegt die Erwägung zugrunde, dass bei einem
relativ geringfügigen Mangel nicht davon ausgegangen werden kann, dass dieser derart
auf die Gesamtreise ausstrahlt, dass wegen des Mangels auch die hohen Flugkosten in
höherem Maße als verlorene Investition zu bewerten sind (so Führich,Reiserecht, 5.
Aufl., Rdnr. 299). Hier liegt kein relativ geringfügiger Mangel vor, denn - wie ausgeführt -
war ein Großteil dessen, was von dem gebuchten Karibikurlaub erwartet werden durfte,
durch die Mängel in Frage gestellt. Gerade bei einem Karibikurlaub fallen hohe
Flugkosten an, die sich dann als verlorene Investitionen erweisen, wenn der Aufenthalt
als solcher mehrfach beeinträchtigt ist (so auch Führich aaO). Dies gilt auch und
insbesondere, wenn der Reisende im Hinblick auf die mit einem Karibikurlaub
verbundene große Flugdauer die Comfortklasse wählt.
33
h.
34
Damit berechnet sich die Minderung wie folgt:
35
Tagespreis (4.086,00 : 20 =) 204,30 €
36
Strand 20 Tage 20% 817,20 €
37
Unterkunft 17 Tage 20 % 694,62 €
38
Tretboot 13 Tage 1 % 26,56 €
39
Pool 13 Tage 3 % 79,68 €
40
Katzen 13 Tage 1% 26,56 €
41
Polster 13 Tage 3 % 79,68 €
42
Bar 13 Tage 3 % 79,68 €
43
Gesamtminderung 1.803,98 €
44
abzüglich gezahlter 289,00 €
45
verbleiben 1.514,98 €
46
2.
47
Des weiteren hat der Kläger einen Anspruch auf Entschädigung wegen nutzlos
aufgewendeter Urlaubszeit aus § 651 f Abs. 2 BGB in Höhe von insgesamt 1.803,98 €.
48
a.
49
Ein solcher Anspruch besteht, wenn die Reise vereitelt oder erheblich beeinträchtigt
wurde. Die Reise war i. S. dieser Vorschrift erheblich beeinträchtigt.
50
Bezüglich der Frage der Erheblichkeit kann hier dahinstehen, ob deren Vorliegen
ausschließlich vom Erreichen eines festen Minderungssatzes von 25 % abhängig zu
machen ist oder ob neben der bloßen Höhe des Minderungssatzes vielmehr auch die
Art des zugrunde liegenden Mangels einzubeziehen ist, um die Erheblichkeit der
Gesamtbeeinträchtigung zu beurteilen. Denn nach beiden Kriterien liegt das Merkmal
der Erheblichkeit vor.
51
Sofern die Kammer früher die Auffassung vertreten hat, eine Bemessung habe nach
festen Tagessätzen zu erfolgen, hält sie seit der Entscheidung vom 18.09.2008 (12 S
53/08) hieran nicht mehr fest. Denn die Festlegung auf feste Beträge ist schwer
begründbar und begegnet dem Vorwurf, willkürlich zu sein. Auch die teilweise
vorgeschlagene Einbeziehung des Nettoeinkommens des Reisenden kann kein
Maßstab für die Bemessung der Entschädigung sein (vgl. Führich, Reiserecht, 5. A., Rn.
422, 423). Vielmehr ist auf den Reisezweck und die Schwere des Mangels abzustellen.
Der Reisezweck kann wiederum am besten daran gemessen werden, wie viel dem
Reisenden die Reise wert ist und wie viel er mit dem Reisepreis und der Reisedauer
investiert hat (Führich, a. a. O.). Dies ist praxisgerecht, da die Enttäuschung eines
Reisenden über eine teure vertane Urlaubsreise z. B. in die Karibik größer ist, als bei
einer billigen Kurzreise (Führich, a. a. O).
52
Darüber hinaus entspricht eine derartige Bemessung der Entschädigung der
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes und der Absicht des Gesetzgebers, der
keinen starren Maßstab festlegen wollte, aber dem Reisepreis und dem Ausmaß der
Beeinträchtigung Bedeutung beimaß (BGH, Urteil vom 11.01.2005, Az. X ZR 118/03).
53
Der Frustrationsschaden des Reisenden bestimmt sich also wie folgt:
54
Reisepreis : Reisedauer (=Tagesreisepreis) x beeinträchtigte Tage x Minderungsquote.
55
Im Ergebnis entspricht die Entschädigung somit dem Minderungsbetrag, hier also
1.803,98 €.
56
b.
57
Ohne Erfolg verweist die Beklagte auf die Ausschlussnorm des § 651 g Abs. 1 BGB.
58
Zwar hat der Kläger mit dem Anwaltsschreiben vom 07.12.2006 lediglich
Minderungsansprüche in Höhe von 2.043,00 € verlangt und weder auf Schadenersatz-
noch Schmerzensgeldansprüche Bezug genommen. Dies ist jedoch unschädlich, weil
in diesem Schreiben alle Mängel, auf die der Kläger in vorliegendem Verfahren seine
Ansprüche stützt, konkret nach Ort, Zeit, Umfang und Schadensfolgen beschrieben
59
worden sind. Nicht erforderlich ist eine rechtliche Einordnung oder eine Bezifferung der
erhobenen Ansprüche (BGH NJW 2005, 1420 ff).
3.
60
Schließlich rechtfertigt der unstreitige Umstand, dass die Ehefrau des Klägers auch
nach Ende des Urlaubs unter den Folgen der Sandflohbisse gesundheitlich
beeinträchtigt war und ärztlich behandelt werden musste gemäß §§ 651 f, 253 Abs. 2
BGB die Zuerkennung eines Schmerzensgeldes von 500,00 €.
61
Der Grund der Haftung ergibt sich aus vermutetem Verschulden der Beklagten gemäß
den §§ 651 f, 253 Abs. 2, 280 Abs. 1 S. 2 BGB.
62
Der Höhe nach muss der Betrag jedoch deutlich unter den von der Kläger verlangten
1.500,00 € liegen. Soweit der Kläger auf nach seiner Ansicht vergleichbare
Schmerzensgeldentscheidungen verweist, verkennt er, dass nach der
Schuldrechtsreform Schmerzensgeld - wie hier - auf vertraglicher Grundlage auch im
Falle vermuteten Verschuldens zugesprochen werden kann. In einem solchen Fall darf
bei der Bestimmung der Höhe die sogenannte Genugtuungsfunktion nicht erhöhend
berücksichtigt werden. Abzustellen ist allein darauf, inwieweit eine immaterielle
Beeinträchtigung feststeht. Auch mit Rücksicht darauf, dass die Ehefrau des Klägers
wegen der Hautreizung noch nach dem Ende des Urlaubs ärztlich behandelt wurde, ist
ein Schmerzensgeld von 500,00 € ausreichend.
63
4.
64
Die Verzinsung erfolgt gemäß §§ 286 I; 288; 291 BGB hinsichtlich der Ansprüche auf
Minderung und Schadenersatz aus Verzug, im übrigen seit Rechtshängigkeit.
65
5.
66
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung über
die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 708 Nr. 10 ZPO.
67
Berufungsstreitwert: 4.052,62 €
68