Urteil des LG Duisburg vom 22.09.2008

LG Duisburg: konzern, liquidität, clearing, geschäftsjahr, zahlungsunfähigkeit, beginn der frist, anfang, aufsichtsrat, verfügung, gespräch

Landgericht Duisburg, 34 KLs 52/07
Datum:
22.09.2008
Gericht:
Landgericht Duisburg
Spruchkörper:
4. große Strafkammer als Wirtschaftsstrafkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
34 KLs 52/07
Rechtskraft:
22.09.2008
Tenor:
Der Angeklagte wird wegen vorsätzlicher Verletzung der In-
solvenzantragspflicht zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs
Monatenverurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wird.
Der Angeklagte trägt die Kosten des Verfahrens. §§ 401 Abs. 1 Nr. 2, 92
Abs. 2 Satz 1 Aktiengesetz; § 56 Abs. 1 und 2 StGB.
G r ü n d e :
1
(Abgekürzt gemäß § 267 Abs. 4 StPO)
2
I.
3
Der jetzt 60 Jahre alte Angeklagte lebt mit seiner Ehefrau in FF, in Amerika. Er hat drei
erwachsene Kinder, von denen sich zwei noch in Ausbildung und Studium befinden.
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Der Angeklagte studierte in Deutschland Maschinenbau und promovierte nach dem Studium.
Anschließend arbeitete er in unterschiedlichen Managementfunktionen in verschiedenen
deutschen und internationalen Unternehmen.
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1978 wechselte er vom AA, zu BB in die Zentrale nach G, wo er zwei Jahre für Rationalisierung
und Lohngestaltung einschließlich Tariffragen zuständig war, im Oktober 1981 zur C7 nach
München mit Stationen als Hauptabteilungsleiter für Arbeitsstrukturierung und Lohngestaltung,
Chef der Planung für das Werk in CC, Bereichsleiter für Koordination von Entwicklung und
Produktion wie für Planung von Montage, Lackiererei und Kunststofftechnik. Im April 1985 wurde
er Werkleiter bei der E und ab 1988 dort stellvertretender Vorstand mit der Aufgabe der Leitung
der neu erworbenen FF in USA. Nach der Rückkehr aus USA wurde der Angeklagte 1991
ordentliches Vorstandsmitglied für Produktions- und Informationstechnologie in GG. Im Juni 1992
nahm er ein Angebot der HH an und wurde Vorsitzender der Geschäftsführung der U GmbH, einer
Tochtergesellschaft der HH, und wurde für das Geschäft in Europa, Afrika und dem mittleren
Osten sowie für das weltweite Bremsengeschäft zuständig. Als HH 1996 plante, das
Automobilgeschäft zu verkaufen, zeigte er Interesse an der Position eines Vorstandsvorsitzenden
einer großen deutschen Aktiengesellschaft. Der inzwischen verstorbene Dr. O, damals
Vorstandsvorsitzender der M (später umfirmiert zur M AG) und Vorsitzender der Aufsichtsräte der
C4 AG und der Q2 AG , bot ihm den Vorstandsvorsitz bei der C4 AG an.
6
Im Februar 1997 wurde der Angeklagte zum Vorsitzenden des Vorstandes der C4 AG berufen, die
im Jahre 1999 umfimierte zur T AG. Darüber hinaus war er von Juni 1998 bis Februar 2001
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im Jahre 1999 umfimierte zur T AG. Darüber hinaus war er von Juni 1998 bis Februar 2001
Vorstandsvorsitzender bei der C2 AG in R und seit September 2000 Vorstandsvorsitzender der
Werke – X AG (I) in Kiel. C3 AG war Inhaber von Aktien der C2 AG bis zu ihrer Vermelzung mit
der T AG im Februar 2001 und der I AG bis zum Verkauf der an ihr gehaltenen Aktien ab März
2002. Im T-Konzern nahm der Angeklagte weitere Mandate in der Regel als Vorsitzender des
Aufsichtsrates bei folgenden Unternehmen wahr:
-I AG, Kiel (Oktober 1999 bis September 2000),
8
-F GmbH, Österreich (Oktober 1999 bis Juni 2002),
9
-T USA (Juli 2001 bis August 2002),
10
-T S.A. (Oktober 2001 bis Juni 2002),
11
-T Ltd., Indien (April 1997 bis Juni 2002),
12
-T Kraftwerkstechnik (Mai 1997 bis Mai 1999),
13
-DT USA (Juli 1999 bis September 2000),
14
-C2 AG, (Juni 1997 bis März 1998),
15
-G2 AG,(Februar 1997 bis Januar 2002),
16
-G2 C GmbH, (Oktober 2000 bis Januar 2002),
17
-U2 GmbH, (April 1998 bis Juni 2002),
18
-M Aktiengesellschaft, (Juli 1997 bis August 2000),
19
-N GmbH, (September 1999 bis November 2000) und
20
-TH Niederlande (Juni 1997 bis September 2001).
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Außerhalb des C8-Konzerns nahm der Angeklagte folgende Mandate wahr:
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-Beiratsmitglied bei der Gruppe, wobei er an der Übernahme der AAA durch die AA-Gruppe
mitwirkte,
23
-Aufsichtsratsvorsitzender bei AAA,
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-Aufsichtsrat bei der LL,
25
-Aufsichtsratmitglied bei der E6 AG,
26
-Aufsichtsrat bei den MM,
27
-Regionalbeirat bei der C3 .
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Der Angeklagte gab mit seinem Ausscheiden als Vorstandsvorsitzender bei der T AG mit Ablauf
des 14. Juni 2002 seine Mandate im T-Konzern ab bzw. wurde in ihnen nicht mehr tätig.
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Am 14. September 2002 trat der Angeklagte nach öffentlichem Druck auf Veranlassung von EP
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auch vom Vorstandsvorsitz der I zurück, wobei OEP seinen ab Mitte Juni 2002 geltenden Fünf-
Jahres-Vertrag mit der I GmbH mit einer Abfindung in Höhe des gesamten vereinbarten
Festgehaltes und 100 % der vereinbarten Tantiemen sowie den Pensionsverpflichtungen erfüllen
ließ.
Seit 1993 war der Angeklagte nach etwa fünfzehnjähriger Vorlesungstätigkeit - üblicherweise
eine Woche in einem Sommermonat - zu produktionstechnischen Fragen zum Honorarprofessor
an der Uni ernannt worden. Damals stellte er seine Vorlesungen darauf um, was junge Ingenieure
von Bilanzen und Gewinn- und Verlustrechnungen verstehen sollten. Diese Vorlesungen hielt er
bis zum Sommersemester 2002 einschließlich. Anschauungsmaterial verwendete er von ITT und
T.
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Im Jahr 2004 verlegte der Angeklagte seinen ersten Wohnsitz in die Vereinigten Staaten von
Amerika.
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Der Angeklagte erzielte nach der T-Insolvenz zwischen 2002 und 2007 insbesondere folgende
Netto-Einnahmen: durch Vertragsabgeltung bei I 3,21 Millionen Euro, Abgeltung der
Ruhestandsvereinbarung 3,44 Millionen Euro, Bezüge bei einem amerikanischen Investmenthaus
0,27 Millionen Euro und Verkauf von OEP eine Million Euro. Sein aktuelles Netto-Vermögen nach
Abzug der Belastungen beläuft sich auf zumindest 2,15 Millionen Euro unter Einschluss des
Wertes der mit seiner Ehefrau selbst bewohnten Immobilie in FF. Zudem ist er unternehmerisch
im Medizintechnikbereich und bei verschiedenen High-Tech-Projekten tätig. Seine
unternehmerischen Aktivitäten sind potentiell werthaltig, haben bisher aber Gewinne nicht
erwirtschaftet.
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Das aktuelle Netto-Ruhestandseinkommen des Angeklagten beläuft sich auf umgerechnet etwa
42.000,00 Euro pro Jahr, also etwa 3.500,00 Euro monatlich.
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Der Angeklagte war bisher nicht bestraft.
35
II.
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Vortatgeschehen
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Die C6 und C7 wurde 1898 gegründet und firmierte nach der Umgruppierung des Konzerns 1981
in eine Holding mit Tochter- und Enkelgesellschaften als C6 AG. Drei Großaufträge, die 1979 in
Nordafrika und im Nahen Osten akquiriert worden waren, hinterließen tiefe Verlustspuren in der T-
Bilanz. Allein vom Verlust von 550 Millionen Deutsche Mark aus dem Kuwait-Auftrag, der
praktisch das ganze Eigenkapital aufzehrte, erholte sich T nicht mehr. Hinzu kam, dass wegen der
zunehmenden Konzern-Komplexität bei zeitweise über 300 Tochtergesellschaften die
Führungsinstrumente nicht mehr ausreichend funktionierten und Risiken des Ostgeschäftes nicht
rechtzeitig erkannt wurden. All das führte in den 90er Jahren zu Verlusten in dreistelliger
Millionenhöhe und stellte die Liquidität des Konzerns in Frage. Der wirtschaftliche Hintergrund der
Insolvenz der T AG in der ersten Hälfte des Jahres 2002 ergibt sich aus dieser bereits in den
frühen 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts aufgetretenen Liquiditätskrise des T-
Konzerns. Mitte 1996 musste den führenden Kreditgebern, den sogenannten Kernbanken, ein
Sanierungskonzept erläutert werden. Zur Überwindung der Krise gaben diese Banken, darunter
die L5, die C5, die C3, die C und die B-C3, einen Restrukturierungskredit über 600 Millionen DM.
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Als Sanierer wurde der Angeklagte im Februar 1997 als Vorstandsvorsitzender berufen. Er
gewann in fünf Monaten die Einschätzung, dass bei T eigentlich der Insolvenzfall bereits
eingetreten war. Das Eigenkapital war fast aufgebraucht. Das Unternehmen war extrem
unübersichtlich und breit angelegt. Es hatte hohe Verluste, extrem hohe Buchwerte und damit
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Probleme bei den Wirtschaftsprüfern. Das Sanierungskonzept der Banken war nach seiner
Beurteilung vor allem im Finanzierungsbedarf zu kurz. Es gab von Anfang an keine Reserven.
Der Angeklagte analysierte im Juli 1997: "Wir sind eigentlich schon tot, und auch die Banken
wollen nicht mehr." Aus diesem Grund entschloss sich der Angeklagte, sein Vorstandsamt
niederzulegen. Dr. O, damals Aufsichtsratsvorsitzender der C4 AG und Vorstandsvorsitzender der
M, die Kredit gab und zugleich eine der großen Aktionäre der T AG war, überredete ihn indes, im
Amt zu bleiben, und sagte ihm wegen des enormen Risikos bei seiner weiteren Tätigkeit von der
C5 verbindlich zu, dass er gegen das sich aus einem Insolvenzfall typischerweise ergebende
persönliche Risiko abgesichert sei.
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Bei den beteiligten Unternehmen und Finanzinstituten, die über die Lage des T-Konzerns, deren
Holding 1999 in T AG umfimierte, unterrichtet waren, bestand die übereinstimmende
Einschätzung, dass bereits vor der Einbeziehung der I-Gelder in das Cash Clearing bei der T AG
in Höhe von mehr als einer Milliarde DM Anfang November 1999 bei dieser eine erhebliche
Liquiditätskrise bestand. Die mehr als eine Milliarde DM von der I AG wurde vor allem zur
Bedienung fälliger Verbindlichkeiten in wenigen Monaten durch C3 AG ausgegeben. Auch
danach ergaben sich aus Sicht des Angeklagten und der Kernbanken keine Möglichkeiten,
nachhaltig und dauerhaft die Liquiditätslage grundlegend zu bessern.
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Die erforderliche Liquidität wurde vor allem durch außerordentliche Erträge, durch Übernahme
von Unternehmensbeteiligungen und den damit verbundenen Zugriff auf liquide Mittel des
erworbenen Unternehmens und durch Veräußerung von Unternehmensbeteiligungen
erwirtschaftet.
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1998 begannen die Verkäufe von Randaktivitäten.
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Die E9-Transaktion war in 1999. Durch die Übernahme von E9 konnten die hohen Buchwerte in
der Energietechnik stehen bleiben.
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Der I-Deal mit dem Erwerb der I-Aktien von der Q2 AG im Umfang von 25 % der Aktien plus einer
Aktie sowie Stimmrechts für weitere 25 % und weiterer Unternehmen der Q2 AG gegen eine
Beteiligung der Q2 AG an Aktien der T AG war von den Unternehmen unter Einfluss der M und
ihres Vorsitzenden Dr. O gewollt, um T zu sanieren und mit Liquidität zu versorgen. Dies gelang
indes nicht. Die durch den beherrschenden Einfluss auf I mitgegebene Liquidität der I wurde für
Altverbindlichkeiten der T verwendet. Der zivile Schiffbau entwickelte sich nicht so erfolgreich.
Die eingebrachten Unternehmensbestandteile der Q2 aus dem Anlagenbau im Übrigen bedurften
ihrerseits der Sanierung.
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Der G2-Verkauf führte dann später im T-Konzern zu einer Entschuldung um 250 Millionen Euro
und einer erneuten kurzfristigen Cash-Zufuhr.
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Gleiches gelang durch den Verkauf weiterer Gesellschaften wie etwa der M9.
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Im Jahr 2000 übernahm C3 AG die AE & E mit einem außerordentlichen Ergebnis von 100
Millionen DM.
48
2001 ging die C2 AG durch Verschmelzung in der T AG auf, wodurch das Eigenkapital gestärkt
und Fremdanteile reduziert wurden.
49
Die Finanzierung des Anlagebaus wurde immer schwieriger, da die Banken nicht bereit waren,
notwendige Roll-Over- oder Kontokorrent-Kredite zu geben. Das Unternehmen musste mit
maximal 30 Millionen Euro auskommen.
50
In 2001 sorgte der Verkauf der O2-Unternehmensbeteiligung, die einen Buchgewinn von mehr als
200 Millionen € erbrachte, erneut für kurzfristige Liquidität und einen außerordentlichen Ertrag
zum Ende des Geschäftsjahres im September 2001.
51
Noch im September 2001 nach dem Attentat auf das World Trade Center in New York
verschlechterten sich die wirtschaftlichen Aussichten für C3 AG und den Konzernverbund weiter.
Der Markt für Gasturbinenkraftwerke in den USA brach nach der P9-Pleite ein. In Deutschland
verschoben die großen Energieversorger angesichts der Unsicherheiten in der Energiepolitik
hinsichtlich der Frage des Ausstiegs aus der Atomenergie und der Anforderungen für den
Klimaschutz den Neubau von konventionellen Kraftwerken. Der Markt für SS, ein
Kerngeschäftsfeld des von der T AG geführten Konzerns, war zusammengebrochen.
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Unter dem Vorsitz des Angeklagten wurde bei der T AG Ende 2001/Anfang 2002 über die weitere
Strategie des Konzerns unter anderem mit Beratern von N3 diskutiert und eine Fokussierung auf
Energietechnik und Schiffbau und der Verkauf aller anderen Aktivitäten ins Auge gefasst.
Umfassende Verkaufsaufträge an die Banken wurden erteilt.
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Ein Erwerb weiterer Aktien an der I zur Übernahme des gesamten Unternehmens scheiterte Ende
Januar/Anfang Februar 2002, weil weder Banken noch Finanzinvestoren bereit waren, dieses
Geschäft zu kreditieren.
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Daraufhin wechselte der Angeklagte mit Zustimmung seines Vorstandes und des Aufsichtsrates
der T AG spätestens im Februar 2002 das Unternehmenskonzept erneut. Die
Unternehmensbeteiligung im Schiffbau, die I-Aktien, sollten mit Schuldübernahme verkauft
werden. Der Angeklagte wusste damals, dass eine Rückzahlung der Verbindlichkeiten der T AG
gegenüber der I AG aus dem Cash Clearing von etwa 525 Millionen Euro auch bei Verkauf von se
nicht mehr realistisch war.
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Dem Angeklagten war damals auch klar, dass C3 AG ohne I nur durch einen Liquiditätszuschuss
von rund 400 Millionen Euro hätte gerettet werden können, wobei zumindest 100 Millionen Euro
Sofortbedarf bestand. Hierfür gab es trotz vieler Kontakte weder Zusagen noch
Absichtserklärungen von Banken, Anteilseignern, aus der Politik oder von sonstigen
Finanzinvestoren.
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Als der Angeklagte im Februar 1997 Vorstandsvorsitzender der C4 AG geworden war, hatte er
einen Konzern vorgefunden, der aus über 370 Einzelgesellschaften mit unterschiedlichen
Geschäftsfeldern im Maschinenbau, der Verfahrens- und Umwelttechnik und dem
energietechnischen Anlagenbau bestand und dessen finanzielle Lage desolat war. Bereits
damals hatte er das Sanierungskonzept, sich auf das Kerngeschäft in der Kraftwerkstechnik sowie
den Anlagenbau einschließlich des Kesselbaus zu konzentrieren und den Verkauf möglichst
vieler Gesellschaften außerhalb dieses Kernbereichs zu betreiben. Die Zahl der
Konzerngesellschaften verringerte sich während seiner Vorstandszeit um mehr als 200. Mit den
verbliebenen weit über 100 Gesellschaften sollte auch ein noch größerer Abbau von
Arbeitsplätzen möglichst weitgehend vermieden werden, was dem Angeklagten mit seinem Team
bis Juni 2002 und den nachfolgenden Managern dann mit neuen Anteilseignern und in neuen
Gesellschaftsverbünden überwiegend auch gelang.
57
Der Angeklagte wollte in seiner Vorstandszeit bei T die Liquiditätssituation durch ein möglichst
effektives Risikomanagement kontrollieren und verbessern, wobei im internationalen
Großanlagenbau mit einer Vielzahl langfristiger Projekte besondere Schwierigkeiten im
Gegensatz zur Serienfertigung zu meistern waren, bei der Fälligkeiten und Verbindlichkeiten sich
taggenau bestimmen lassen.
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Der Angeklagte schaffte es mit seinem Team nicht, den T-Konzern zu retten. Es gelang zwar, der
T AG und ihren jeweils verbleibenden Konzernunternehmen durch Abverkäufe und Übernahme
von Gesellschaften und durch Zahlungseingänge über Jahre hinweg "Luft" zu verschaffen und
noch mehr als 22.000 Arbeitsplätze weltweit zu erhalten. Die Finanzlage blieb jedoch stets
angespannt. Der Angeklagte meinte, der Einsatz für ausreichende Liquidität der T AG und im
Konzern habe etwas vom Kampf gegen Windmühlen gehabt.
59
C3 AG war die Muttergesellschaft eines Konzerns, der im Juni 2002 kurz vor der
Insolvenzantragstellung Anfang Juli 2002 weltweit noch ca. 22.000 Arbeitnehmer, davon ca.
13.000 im Inland beschäftigte. Die Bilanzsumme des Konzerns betrug 3,8 Milliarden Euro im
Geschäftsjahr 2000/2001. Wesentliche Geschäftsfelder des Konzerns waren vor der Insolvenz die
Energietechnik und der Schiffsbau. Das operative Geschäft wurde von zahlreichen
leistungswirtschaftlich miteinander verflochtenen nachgeordneten Gesellschaften betrieben. Zu
den Aufgaben der T AG als einer reinen Holding gehörten neben den Stabsfunktionen wie der
Konzernsteuerung, der Personalführung im Konzern und der Finanzplanung im Konzern unter
anderem auch die eigene Liquiditätsausstattung und die der Konzerngesellschaften
einschließlich der Kreditbeschaffung. Die liquiden Mittel des gesamten Konzerns wurden im
Rahmen eines Liquiditätsausgleichs sofort an C3 AG abgeführt, von ihr zentral verwaltet und im
sogenannten Cash-Clearing angewiesen.
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Tatgeschehen
61
Eine Kernaufgabe der T AG war, die Finanzierung der angeschlossenen Konzerngesellschaften
zentral zu steuern. Hierzu waren zuletzt die meisten inländischen Konzerngesellschaften (ca. 74)
und auch einige wesentliche Auslandsgesellschaften (ca. 11) in das Cash-Clearing eingebunden,
bei dem die angeschlossenen Konzerngesellschaften alle Zahlungseingänge an C3 AG
weiterleiten und im Gegenzug die finanziellen Mittel für geplante Zahlungsausgänge bei der T AG
abfordern mussten. C3 AG war laut der Clearing-Vereinbarung in der Regel verpflichtet, die
angeforderten Beträge nach Absprache innerhalb von zwei Bankarbeitstagen auf den Konten der
angeschlossenen Konzerngesellschaften bereitzustellen.
62
Die hierfür notwendige Liquidität stellte C3 AG in den letzten sieben Monaten vor der
Insolvenzantragstellung Anfang Juli 2002 nicht mehr in ausreichendem Umfang zur Verfügung.
Die täglichen Liquiditätsmeldungen an den Vorstand der T AG enthielten auch eine täglich
fortgeschriebene Übersicht über die Dispo-Planung hinsichtlich der Ein- und Ausgabenseiten bei
den Konzernunternehmen vor bzw. nach Maßnahmen. Danach beliefen sich die angemeldeten,
fälligen und geplanten Auszahlungen der T AG für Konzernunternehmen, die nicht erfüllt wurden,
jeweils an den letzten Kalendertagen der Monate Dezember 2001 bis Juni 2002 auf Beträge
zwischen 92,4 Millionen Euro und 268,8 Millionen Euro und bei Abzug eines möglicherweise zu
viel angemeldeten "Puffers" von den Konzerngesellschaften in Höhe von 75 Millionen Euro noch
auf Beträge zwischen jeweils zumindest 17,4 Millionen Euro und 193,8 Millionen Euro am Ende
jeden Monats.
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Unabhängig von den nicht erfüllten Verbindlichkeiten gegenüber den eigenen
Konzernunternehmen war C3 AG zwischen spätestens dem 28.3.2002 und dem Tag der
Insolvenzantragstellung am 4.7.2002 auch auf Grund ihrer eigenen Verbindlichkeiten gegenüber
Dritten, nämlich Kreditinstituten und Gläubigern sonstiger Lieferungen und Leistungen, die sie in
einem wesentlichen Umfang nicht bediente, zahlungsunfähig. Hierbei ging es insbesondere um
die nicht ausgeglichenen und nicht gestundeten fälligen Verbindlichkeiten der Stadtsparkasse ,
der C3 Ö und von Versicherern.
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Dem Angeklagten war spätestens im Januar 2002 bewusst, dass C3 AG trotz aller Anstrengungen
ihre Sanierung und die des von ihr geleiteten Konzerns, aber auch die geordnete Abwicklung
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insgesamt nicht mehr schaffen würde. Spätestens Ende März 2002 erkannte er, dass C3 AG
einen großen Teil ihrer fälligen Verbindlichkeiten nicht mehr bezahlen konnte und dies auch in
den kommenden Monaten nicht möglich sein würde. Ihm war auf Grund insolvenzrechtlicher
Beratung bekannt, dass der Vorstand der Aktiengesellschaft gemäß § 92 Abs. 2 Aktiengesetz
ohne schuldhaftes Zögern, spätestens aber drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit,
die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beantragen musste. Dennoch unterließ er den
Insolvenzantrag, der auf Grund der ihm bekannten Unfähigkeit der T AG, im Wesentlichen alle
fälligen Verbindlichkeiten begleichen zu können, spätestens ab Mitte April 2002, nach dem Ablauf
der Drei-Wochen-Frist, geboten war. Er wollte dadurch möglichst lange viele Arbeitsplätze
erhalten, die I AG aus der Insolvenz der T AG heraushalten, mit einem neuen
Unternehmenskonzept für den T-Konzern ohne I wenigstens für eine Übergangszeit neue
Geldmittel beschaffen, verbliebene Vermögenswerte möglichst vor einer Zerschlagung in der
Insolvenz noch für Aufgaben des T-Konzerns nutzen und ohne eigene finanzielle Verluste aus
dem Unternehmen ausscheiden.
Steuern, Sozialabgaben und Löhne wurden bis Mitte Juni 2002 in voller Höhe gezahlt.
Hinsichtlich der in den Vorstandsprotokollen als Kleinlieferanten bezeichneten Konzerngläubiger,
die eventuell von der Lage bei T keine Kenntnis hatten, war der Vorstand ausweislich der
monatlich vorgelegten Liquiditätsplanungsunterlagen stets darauf bedacht, deren Forderungen
vollständig zu bedienen. Die nicht bezahlten Verbindlichkeiten der T AG und ihrer mit ihr im Cash
Clearing-Verbund stehenden Konzernunternehmen betrafen vor allem die operativen
Geschäftspartner, etwa andere Konzernunternehmen, die Konsortialpartner, die Banken,
Sparkassen und Versicherungsunternehmen, die über die Krisenlage bei T informiert waren und
aus deren Kreis auch später Strafanzeigen wegen Insolvenzverschleppung nicht erstattet und der
Angeklagte auch zivilrechtlich nicht in Anspruch genommen wurde.
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Ende März 2002 wusste der Angeklagte, dass größere Zuflüsse an liquiden Mitteln weder durch
die Banken in Form von Kreditmitteln, noch durch Verkauf weiterer se oder in Form von
Unterstützungszahlungen der Aktionäre zu erwarten waren. Wegen der Berichterstattung aus dem
Vorstandsressort für Finanzen, wegen seiner eigenen Gespräche mit Aufsichtsratsmitgliedern als
Vertretern der Aktionäre und Mitarbeitern kreditgebender Institute wusste der Angeklagte um die
fehlende Zahlungsfähigkeit spätestens seit dem 28. März 2002 in einer Größenordnung bei der T
AG von zeitweise mehr als 31 Millionen Euro, zumindest aber etwa 12 Millionen Euro und ab
Mitte April 2002 mit durchschnittlich zumindest etwa 20 Millionen Euro täglich, wobei
Verbindlichkeiten der T AG gegenüber Tochtergesellschaften aus dem Cash Clearing-Verfahren
dabei noch nicht einmal berücksichtigt waren. Die Summe fälliger Schulden der T AG, die diese
nicht bezahlen konnte, umfasste seit dem 28. März 2002 jeweils über 30 % der Summe ihrer
fälligen Verbindlichkeiten gegenüber Konzern fremden Dritten.
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Im Einzelnen ergibt sich der Stand der Zahlungsfähigkeit der T AG vom 16.3.2002 bis zum
5.7.2002 aus der nachfolgenden Tabelle, in der zur Ermittlung der Zahlungsfähigkeit von der
Summe der Verbindlichkeiten der AG gegenüber nicht konzernverbundenen Dritten die liquiden
Mittel einschließlich der Summe der zur Verfügung stehenden Kreditlinien abgezogen worden
sind:
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Stichtag
Summe
Liquide
Mittel/
Summe
Summe
Stand
Verbindlichkeiten Forderungen Liquidität
Kreditlinien
Zahlungsfähigkeit
16.03.2002 -21.677.110,37
971.517,33
-
20.705.593,04 25.588.269,20 4.882.676,16
-
69
17.03.2002 -21.677.406,93
971.517,33
20.705.889,60 25.588.269,20 4.882.379,60
18.03.2002 -20.500.341,13
1.396.419,36
-
19.103.921,77 25.588.269,20 6.484.347,43
19.03.2002 -20.092.667,95
1.547.461,74
-
18.545.206,21 25.588.269,20 7.043.062,99
20.03.2002 -11.468.541,88
1.358.149,50
-
10.110.392,38 17.388.269,20 7.277.876,82
21.03.2002 -11.813.492,64
1.683.696,58
-
10.129.796,06 17.388.269,20 7.258.473,14
22.03.2002 -12.503.022,44
1.367.149,22
-
11.135.873,22 12.754.994,16 1.619.120,94
24.03.2002 -12.510.359,47
1.367.019,04
-
11.143.340,43 12.754.994,16 1.611.653,73
25.03.2002 -10.654.280,36
3.528.197,85 -7.126.082,51 12.754.994,16 5.628.911,65
26.03.2002 -10.723.900,49
5.548.508,30 -5.175.392,19 12.754.994,16 7.579.601,97
27.03.2002 -10.138.235,74
2.521.224,10 -7.617.011,64 5.404.994,16 -2.212.017,48
28.03.2002 -40.517.462,21
3.276.188,25
-
37.241.273,96 5.404.994,16 -31.836.279,80
29.03.2002 -40.400.589,89
3.276.188,25
-
37.124.401,64 5.404.994,16 -31.719.407,48
30.03.2002 -40.472.346,59
3.276.168,62
-
37.196.177,97 5.404.994,16 -31.791.183,81
31.03.2002 -41.170.863,48
3.137.976,56
-
38.032.886,92 25.254.994,16 -12.777.892,76
01.04.2002 -41.314.892,86
3.137.967,91
-
38.176.924,95 25.254.994,16 -12.921.930,79
02.04.2002 -41.756.198,76
1.701.070,71
-
40.055.128,05 25.254.994,16 -14.800.133,89
03.04.2002 -41.324.390,04
3.993.364,83
-
37.331.025,21 25.254.994,16 -12.076.031,05
04.04.2002 -41.536.289,82
2.765.192,94
-
38.771.096,88 25.254.994,16 -13.516.102,72
05.04.2002 -41.848.343,48
1.344.523,15
-
40.503.820,33 25.254.994,16 -15.248.826,17
06.04.2002 -41.854.291,97
1.344.523,15
-
40.509.768,82 25.254.994,16 -15.254.774,66
07.04.2002 -41.855.147,97
1.344.523,15
-
40.510.624,82 25.254.994,16 -15.255.630,66
08.04.2002 -41.538.792,50
1.532.388,25
-
40.006.404,25 25.254.994,16 -14.751.410,09
09.04.2002 -41.674.687,40
3.806.592,91
-
37.868.094,49 25.254.994,16 -12.613.100,33
10.04.2002 -43.161.012,29
1.277.657,53
-
41.883.354,76 25.254.994,16 -16.628.360,60
11.04.2002 -42.770.877,11
3.434.844,64
-
39.336.032,47 25.254.994,16 -14.081.038,31
12.04.2002 -42.796.791,05
1.083.095,69
-
41.713.695,36 25.254.994,16 -16.458.701,20
13.04.2002 -42.799.947,45
1.083.095,69
-
41.716.851,76 25.254.994,16 -16.461.857,60
14.04.2002 -42.805.772,12
1.083.095,69
-
41.722.676,43 25.254.994,16 -16.467.682,27
15.04.2002 -44.044.595,00
2.993.548,79
-
41.051.046,21 25.254.994,16 -15.796.052,05
16.04.2002 -45.097.399,17
3.047.962,00
-
42.049.437,17 25.254.994,16 -16.794.443,01
17.04.2002 -46.277.584,85
1.510.080,56
-
44.767.504,29 25.254.994,16 -19.512.510,13
18.04.2002 -47.048.862,83
1.117.245,49
-
45.931.617,34 21.254.994,16 -24.676.623,18
19.04.2002 -47.166.274,85
1.138.844,52
-
46.027.430,33 21.254.994,16 -24.772.436,17
20.04.2002 -47.166.440,03
1.138.844,52
-
46.027.595,51 21.254.994,16 -24.772.601,35
21.04.2002 -47.166.272,35
1.138.844,52
-
46.027.427,83 21.254.994,16 -24.772.433,67
22.04.2002 -47.753.074,10
3.592.383,62
-
44.160.690,48 21.254.994,16 -22.905.696,32
23.04.2002 -46.593.075,25
1.223.794,46
-
45.369.280,79 21.254.994,16 -24.114.286,63
24.04.2002 -47.022.942,83
3.692.673,14
-
43.330.269,69 21.254.994,16 -22.075.275,53
25.04.2002 -47.795.346,40
2.309.568,56
-
45.485.777,84 17.954.994,16 -27.530.783,68
26.04.2002 -47.078.732,92
1.538.290,42
-
45.540.442,50 17.954.994,16 -27.585.448,34
27.04.2002 -47.078.456,87
1.538.290,42
-
45.540.166,45 17.954.994,16 -27.585.172,29
28.04.2002 -47.086.841,06
1.538.290,42
-
45.548.550,64 17.954.994,16 -27.593.556,48
29.04.2002 -54.244.430,31
2.943.779,30
-
51.300.651,01 20.966.994,16 -30.333.656,85
30.04.2002 -44.696.431,89
4.864.397,20
-
39.832.034,69 21.866.994,16 -17.965.040,53
01.05.2002 -44.755.310,88
4.855.236,60
-
39.900.074,28 18.854.994,16 -21.045.080,12
02.05.2002 -43.808.336,82
1.076.915,58
-
42.731.421,24 18.854.994,16 -23.876.427,08
03.05.2002 -44.922.480,56
1.680.561,68
-
43.241.918,88 18.854.994,16 -24.386.924,72
04.05.2002 -44.921.174,65
1.680.561,68
-
43.240.612,97 18.854.994,16 -24.385.618,81
05.05.2002 -44.916.276,45
1.680.561,68
-
43.235.714,77 18.854.994,16 -24.380.720,61
06.05.2002 -43.742.720,90
1.899.287,98
-
41.843.432,92 18.854.994,16 -22.988.438,76
07.05.2002 -42.449.610,37
1.149.086,31
-
41.300.524,06 18.854.994,16 -22.445.529,90
08.05.2002 -41.988.148,91
1.799.395,51
-
40.188.753,40 18.888.269,18 -21.300.484,22
09.05.2002 -41.988.889,65
2.178.110,44
-
39.810.779,21 18.888.269,18 -20.922.510,03
10.05.2002 -43.495.734,73
2.501.712,60
-
40.994.022,13 18.888.269,18 -22.105.752,95
11.05.2002 -43.496.515,93
2.502.905,01
-
40.993.610,92 18.888.269,18 -22.105.341,74
12.05.2002 -43.497.900,56
2.502.905,01
-
40.994.995,55 18.888.269,18 -22.106.726,37
13.05.2002 -44.607.769,36
603.883,43
-
44.003.885,93 18.888.269,18 -25.115.616,75
14.05.2002 -43.971.590,05
6.055.513,65
-
37.916.076,40 13.554.994,16 -24.361.082,24
15.05.2002 -44.783.012,80
958.005,94
-
43.825.006,86 11.154.994,16 -32.670.012,70
16.05.2002 -45.396.843,39
759.508,86
-
44.637.334,53 16.054.994,16 -28.582.340,37
17.05.2002 -50.900.365,52
5.385.398,89
-
45.514.966,63 16.654.994,16 -28.859.972,47
18.05.2002 -50.899.867,49
5.385.398,89
-
45.514.468,60 16.654.994,16 -28.859.474,44
19.05.2002 -50.900.633,03
5.385.398,89
-
45.515.234,14 16.654.994,16 -28.860.239,98
20.05.2002 -51.383.393,17
5.390.453,29
-
45.992.939,88 16.654.994,16 -29.337.945,72
21.05.2002 -46.416.848,51
12.399.278,14
-
34.017.570,37 13.654.994,16 -20.362.576,21
22.05.2002 -46.554.717,32
1.505.739,73
-
45.048.977,59 21.454.994,16 -23.593.983,43
23.05.2002 -44.941.101,68
1.488.503,96
-
43.452.597,72 17.554.994,16 -25.897.603,56
24.05.2002 -46.569.464,05
5.927.055,42
-
40.642.408,63 17.554.994,16 -23.087.414,47
25.05.2002 -46.578.090,96
5.927.055,42
-
40.651.035,54 17.554.994,16 -23.096.041,38
26.05.2002 -46.605.040,96
5.927.055,42
-
40.677.985,54 17.554.994,16 -23.122.991,38
27.05.2002 -44.617.842,80
4.173.091,77
-
40.444.751,03 17.554.994,16 -22.889.756,87
28.05.2002 -44.329.987,10
6.651.073,47
-
37.678.913,63 9.757.994,16 -27.920.919,47
29.05.2002 -40.720.444,05
5.626.692,46
-
35.093.751,59 17.257.994,16 -17.835.757,43
30.05.2002 -40.821.799,11
6.648.523,68
-
34.173.275,43 17.257.994,16 -16.915.281,27
31.05.2002 -42.138.785,65
736.207,91
-
41.402.577,74 14.554.994,16 -26.847.583,58
01.06.2002 -42.179.605,61
736.207,91
-
41.443.397,70 14.554.994,16 -26.888.403,54
03.06.2002 -42.128.464,94
1.932.950,50
-
40.195.514,44 14.554.994,16 -25.640.520,28
04.06.2002 -42.197.521,98
1.404.631,67
-
40.792.890,31 14.554.994,16 -26.237.896,15
05.06.2002 -42.389.376,10
1.510.334,12
-
40.879.041,98 14.554.994,16 -26.324.047,82
06.06.2002 -42.112.236,45
1.725.148,41
-
40.387.088,04 14.554.994,16 -25.832.093,88
07.06.2002 -42.931.091,68
2.013.606,19
-
40.917.485,49 14.554.994,16 -26.362.491,33
08.06.2002 -42.931.091,68
2.015.050,67
-
40.916.041,01 14.554.994,16 -26.361.046,85
09.06.2002 -42.935.308,96
2.015.050,67
-
40.920.258,29 14.554.994,16 -26.365.264,13
10.06.2002 -42.035.774,03
1.767.899,73
-
40.267.874,30 14.554.994,16 -25.712.880,14
11.06.2002 -39.405.749,07
1.700.245,13
-
37.705.503,94 14.554.994,16 -23.150.509,78
12.06.2002 -39.771.806,78
594.347,56
-
39.177.459,22 14.554.994,16 -24.622.465,06
13.06.2002 -40.749.148,62
1.197.180,59
-
39.551.968,03 14.554.994,16 -24.996.973,87
14.06.2002 -39.189.867,96
476.736,76
-
38.713.131,20 14.554.994,16 -24.158.137,04
15.06.2002 -39.868.721,91
476.736,76
-
39.391.985,15 14.554.994,16 -24.836.990,99
16.06.2002 -39.868.831,11
476.736,76
-
39.392.094,35 14.554.994,16 -24.837.100,19
17.06.2002 -39.225.275,08
3.361.883,88
-
35.863.391,20 14.554.994,16 -21.308.397,04
18.06.2002 -38.058.899,56
1.119.611,40
-
36.939.288,16 14.554.994,16 -22.384.294,00
19.06.2002 -39.279.936,36
1.867.651,13
-
37.412.285,23 14.554.994,16 -22.857.291,07
20.06.2002 -43.507.217,43
4.068.602,28
-
39.438.615,15 14.554.994,16 -24.883.620,99
21.06.2002 -39.153.134,58
488.384,63
-
38.664.749,95 14.554.994,16 -24.109.755,79
22.06.2002 -39.153.604,18
488.384,63
-
38.665.219,55 14.554.994,16 -24.110.225,39
23.06.2002 -39.154.160,26
488.384,63
-
38.665.775,63 14.554.994,16 -24.110.781,47
24.06.2002 -38.108.693,16
1.499.467,76
-
36.609.225,40 14.554.994,16 -22.054.231,24
25.06.2002 -40.856.353,33
835.025,57
-
40.021.327,76 14.554.994,16 -25.466.333,60
26.06.2002 -38.457.763,35
1.254.560,27
-
37.203.203,08 14.554.994,16 -22.648.208,92
27.06.2002 -43.868.949,45
1.621.181,97
-
42.247.767,48 14.554.994,16 -27.692.773,32
28.06.2002 -51.584.696,24
19.008.968,02
-
32.575.728,22 14.554.994,16 -18.020.734,06
29.06.2002 -51.782.561,28
19.011.958,06
-
32.770.603,22 14.554.994,16 -18.215.609,06
30.06.2002 -51.800.223,63
18.576.077,74
-
33.224.145,89 22.754.994,16 -10.469.151,73
01.07.2002 -51.172.903,08
18.577.119,51
-
32.595.783,57
-
66.717.247,36 -99.313.030,93
02.07.2002 -50.400.925,30
18.799.666,55
-
31.601.258,75
-
66.717.247,36 -98.318.506,11
03.07.2002 -50.035.481,44
18.438.880,10
-
31.596.601,34
-
66.717.247,36 -98.313.848,70
04.07.2002 -49.961.976,79
18.398.709,00
-
31.563.267,79
-
66.717.247,36 -98.280.515,15
05.07.2002 -49.967.663,10
18.526.099,79
-
31.441.563,31
-
66.717.247,36 -98.158.810,67
Die tiefgreifende, dauerhafte und nicht mehr zu bewältigende Liquiditätskrise der T AG
entwickelte sich zwischen Dezember 2001 bis zu dem Ausscheiden des Angeklagten aus der T
AG am 14. Juni 2002 und dem verspäteten Insolvenzantrag des verbliebenen Vorstandes am 4.
Juli 2002 wie folgt:
70
Im Dezember 2001 wurde von verschiedenen Kreditinstituten eine Kürzung der Kreditlinien für C3
AG erwogen. Früher bewilligte Linien wurden in der Folgezeit nicht mehr in vollem Umfang zur
Verfügung gestellt. C3 AG erhielt seit Dezember 2001 keinen zusätzlichen neuen gewichtigen
Bankkredit mehr außerhalb früher bewilligter Linien.
71
Ausweislich eines Vermerks vom 21.12.2001 der Abschlussprüfer Revision zur Finanzlage der T
AG zum Ende des letzten Geschäftsjahres 2000/2001 am 30.9.2001 auf Grund der damaligen
Angaben ihres Finanzvorstandes L4 und des Leiters ihrer Finanzplanung E5 enthielt der
Auftragsbestand des Konzerns ein Ertragspotential von 696 Millionen Euro, davon 175 Millionen
Euro im Energie- und 520 Millionen Euro im Schiffbaubereich. Im Konzern wurden zwar flüssige
Mittel von 506 Millionen Euro ausgewiesen. Hiervon war jedoch ein großer Teil nicht frei
72
verfügbar. Der große Rückgang der Umsatzerlöse von 6,1 auf 4,3 Milliarden Euro war darauf
zurückzuführen, dass im vorigen Geschäftsjahr drei große Projekte abgerechnet worden waren.
Negativ bemerkenswert war das Ergebnis gewöhnlicher Geschäftstätigkeit mit minus 78 Millionen
Euro (Vorjahr: plus 102 Millionen Euro). Der Konzern hatte nach dem Vermerk vom 21.12.2001
keine wesentlichen stillen Reserven mehr. Gegebenenfalls hätten einige Gesellschaften aus dem
Energiebereich verkauft werden können. Damals im Dezember 2001 gab es ausweislich des
Vermerks vom 21.12.2001 jedoch keine akuten Pläne bzw. Interessenten. Der per Saldo positive
Effekt der außerordentlichen Erträge bzw. Aufwendungen stammte in erster Linie aus dem
Verkauf der O2 AG mit 203 Millionen Euro Buchgewinn. Ein erster Finanzstatus für das laufende
Geschäftsjahr der T AG (Oktober 2001 bis September 2002) zeigte in fast allen Monaten einen
sehr hohen Kreditbedarf. Auf Hinweis der PWC wurde dieser Status überarbeitet und durch
verschiedene konkrete Maßnahmen aufgebessert. Ob diese Maßnahmen einzeln oder insgesamt
eintreten würden, war damals im Dezember 2001 nicht bekannt. T hatte, wie es in dem Vermerk
weiter hieß, keine freien Sicherheiten. T hatte insgesamt Bankavale von 1,9 Milliarden Euro in
Anspruch genommen, von denen nur geringe Teile gesichert waren, und 223 Millionen Euro
Bankkredite. Intern wurde angekündigt, dass PWC berichten werde, die Liquiditätslage sei im
laufenden Geschäftsjahr angespannt. Es seien verschiedene Maßnahmen ergriffen, die
erfolgreich sein müssten, damit T seinen Verpflichtungen nachkommen könne. Bei I in Kiel, die
ebenfalls von PWC geprüft wurde, sollte ähnlich berichtet werden. PWC zog in dem internen
Vermerk im Dezember 2001 folgendes Resümee für die Lagebeurteilung für das laufende
Geschäftsjahr bei der T AG: "Nur bei großen Anstrengungen positiv zu gestalten. Wegen
fehlender Abrechnungen im Geschäftsjahr 2001/2002 wird das operative Ergebnis nur schwerlich
positiv zu gestalten sein." Die Verantwortlichen der T AG im Finanzbereich, L4 und E5, erklärten
zur mittelfristigen Liquiditätsplanung, so weit sei man noch nicht.
Nicht die Bewilligung neuer Kredite, die Verlängerung der Altkredite und -avale war Gegenstand
der Gespräche mit Gläubigerbanken der T AG.
73
Am 4.1.2002 berichtete E5 an den Angeklagten und seinen Finanzvorstand über ein Gespräch mit
einem Vertreter der C3. Das Resultat des Termins vom 20.12.2001 war, dass die C3 vor
Weihnachten keine Linienkürzung vornehmen wollte. E5 empfahl, ein "Kamingespräch" im Kreise
der Kernbankenvorstände von Dr. S3, Vorstand bei der M, durchzuführen, um Linienkürzungen im
Kernbankenbereich zu vermeiden. Zu diesem, auch von dem Angeklagten für notwendig
erachteten Gespräch der Bankvorstände kam es allerdings nicht mehr. Der Angeklagte erhielt
trotz mehrfacher Nachfragen auch keinen Termin bei dem Vorstandsvorsitzenden der M, nachdem
dieser bei der C5 Nachfolger des Ende September 2001 ausgeschiedenen Dr. O geworden war.
74
Der Angeklagte entwickelte im Dezember 2001 und Januar 2002 ein neues Strategiekonzept, in
dem er Probleme und Aussichten des T Konzerns für Vertreter des Aufsichtsrates und andere
potentielle Geldgeber umriss. Dabei formulierte er in seinem schriftlichen Konzept unter dem
14.1.2002 u.a. wie folgt: "Wir sind seit vielen Jahren in einer totalen Abhängigkeit von den
Banken, die uns sowohl auf der Avalseite mit rund 2 Milliarden Euro, als auch auf der Kreditseite
mit 70 Millionen Euro äußerst restriktiv behandeln. Interessant ist das Servicegeschäft, hier sind
wir in Deutschland Marktführer und in Europa ein ganz großer Spieler. Dieses Geschäft ist von
der Marge her profitabel, beansprucht keine Avale und hat ein relativ geringes working capital.
Zielsetzung muss es sein, unser Energiegeschäft unter den Gesichtspunkten Marge,
Risikopönale, Verbesserung des Marktanteils und Sicherung der Beschäftigung zu stabilisieren.
Dies geht nur durch Verabschiedung aus dem Anlagengeschäft und Aufgabe der
Gesamtverantwortung für Projekte mit der Folge, dass wir uns auf das Komponentengeschäft und
den Service konzentrieren. Diese Umwidmung kostet weitere Restrukturierungsaufwendungen,
die durch den temporär nicht vorhandenen Markt ‚Kohle’ sich aus jetziger Sicht auf eine
Größenordnung von ca. 750 Mitarbeitern bei BBP belaufen werden. Unwägbarkeiten kommen
aus dem USA-Geschäft, wo wir nicht sicher sind, ob der prognostizierte kurzfristige Kohle-Boom
75
einsetzt, der für die Auslastung im Engineering und in der Projektabwicklung in NNN sorgen
kann. Falls Alternativen nicht gelingen, müssten wir uns auf Großdampferzeuger, Umwelttechnik
und Service konzentrieren. Alle anderen Geschäfte müssten entweder verkauft oder geschlossen
werden. Der Verkauf der weiteren Beteiligungen wie M und NEM-Gruppe sind für unseren
Konzern ein Cash-out, der unsere finanzielle Situation nicht verbessert. Wir schlagen vor, darüber
nachzudenken, ob wir nicht einen Verlust in der Größenordnung von 200 Millionen Euro mit allen
dafür notwendigen Beteiligten vereinbaren können, damit wir dann in der Lage wären, in den
nächsten Jahren ein Ergebnis in der Größenordnung von etwa 3 % vom Umsatz zu generieren.
Wir sehen bei allen bekannten Randbedingungen und Einflussgrößen sowie bei der Struktur
unseres Geschäftes nicht die Möglichkeit, kurzfristig die Situation zu verbessern. Aus diesem
Grund ist als Alternative zum Weitermachen in der jetzigen Form eine Aufspaltung des Konzerns
zu diskutieren. Hierzu gibt es verschiedene Wege, die wir hier nur grob anreißen wollen mit der
Bitte an den Aufsichtsrat, uns den Auftrag zu erteilen, diese Alternativen weiter auszuarbeiten und
sie entscheidungsreif zu machen. Bei allen Alternativen liegt zugrunde, dass wir die sonstigen
Beteiligungen weiter verkaufen, um die Liquiditätssituation des Konzerns zu stabilisieren, da wir
nicht davon ausgehen können, von den Banken weitere Kredite zu bekommen."
Wie knapp die Liquiditätssituation bereits geworden war, deuten die Schreiben aus der Abteilung
Finanzplanung der T AG vom 16.1.2002 an die Konzerntöchter hin, die von E5 und E11
unterzeichnet waren. Sie ordneten für das Cash Clearing, das C3 AG für ihre Konzerntöchter zur
Steuerung der Liquidität vornahm, eine Abweichung zum Optimierungsprozedere der
vergangenen Monate/Jahre an. Ausgehend von den (realistischen) Tagesplänen werde C3 AG
die Quotierung des Ausgabevolumens der Einzelgesellschaft – basierend auf der verfügbaren
Liquidität – vorgeben. Basierend auf den Erfahrungen der jüngsten Vergangenheit werde die
Abteilung Finanzplanung stichprobenartig die vorgelegten Pläne auf Plausibilität prüfen. Der
Einbau von Puffern sei zu unterlassen. Zum Monatsultimo seien eventuelle Ausgabenüberhänge
dem Treasury-Bereich (Finanzplanung) zu melden, der dann die von den Einzelgesellschaften
eingereichten Finanzpläne entsprechend modifizieren werde.
76
Der Leiter der Finanzplanung E5, der unmittelbar auch dem Angeklagten berichtete, erkannte die
sich zuspitzende Finanzlage der T AG. Mit Schreiben vom 24.1.2002 bat er FFF, Finanzvorstand
der Q2 AG und eines ihrer Aufsichtsratsmitglieder bei der T AG, um ein Gespräch, um neue,
außerhalb von T liegende berufliche Alternativen zu erörtern. C2 AG habe sich die wirtschaftliche
Lage seit seinem – DDD – Arbeitsantritt Mitte Juni 2000 ständig massiv verschlechtert. Bei dem
Unternehmen sei die Strategie unklar und seien die Perspektiven extrem unsicher.
77
Am 4.2.2002 bat die DZ-C3 in einem Schreiben an den Finanzvorstand L4 unter Bezugnahme auf
ein Gespräch vom 23.1.2002 mit ihm und E5 und Unsicherheiten in der wirtschaftlichen
Entwicklung für C3 AG um Ablösung des ausgegebenen Avalvolumens von 17,42 Millionen Euro.
78
Am 11.2.2002 berichtete der Angeklagte mit seinem Vorstand anhand von Schaubildern auf der
Sitzung des Aufsichtsrates der T AG konkret über die sich weiter verschlechterte wirtschaftliche
Lage:
79
"Energietechnik und Schiffbau sind beides Anlagenbaugeschäfte, die nur dann betrieben werden
können, wenn ausreichend Avalvolumen für Anzahlungen und Gewährleistungen zur Verfügung
stehen. Bei dem jetzigen Auftragsbestand von 11 Milliarden Euro, der sich fast zu gleichen Teilen
auf Schiffbau und Energietechnik verteilt, handelt es sich dabei um eine Größenordnung von 3,5
bis 4 Milliarden Euro. In der Schiffstechnik stehen weitere große Avale von ca. einer Milliarde
Euro an. Die Energietechnik kann ihr Geschäft in der bisherigen Form nur dann fortsetzen, wenn
auch hier das Avalvolumen – zumindest auf der jetzigen Höhe – fortgeschrieben wird. Die Banken
sind nicht bereit, weiteres Avalvolumen zur Verfügung zu stellen. Die Liquiditätssituation bleibt
angespannt, zumal sowohl im Schiffbau als auch in der Energietechnik im laufenden
80
Geschäftsjahr (bis 30.9.2002) keine größeren Abrechnungen zu erwarten sind. Darüber hinaus
fällt in beiden Geschäftsfeldern ein Restrukturierungsaufwand in insgesamt dreistelliger
Millionenhöhe an. Gute Ansätze zum Verkauf entsprechend werthaltiger Beteiligungen mit einem
signifikanten Cash-Anteil sind durch die Entwicklung auf dem amerikanischen Kraftwerksmarkt
nach dem 11. September 2001 zunichte gemacht worden. Die Bilanz ist belastet durch die Anlage
von 500 Millionen Euro durch I bei BBX (T AG). Eine Entlastung ist nur möglich durch den Kauf
der von Q2 gehaltenen 50 % an I. Insbesondere wegen der herausgelegten Avale sind Banken
nicht bereit gewesen, den Kauf der Anteile zu finanzieren. Eine Eigenfinanzierung scheiterte an
den abgebrochenen Verhandlungen zum Verkauf von Unternehmensteilen. Diese Verkäufe
waren wegen ihrer Zugehörigkeit zum Geschäftsfeld Energietechnik auch nicht unumstritten. In
dieser Situation musste der Verkauf von I-Anteilen als alternative Handlungsoption geprüft
werden."
Zwischenzeitlich waren die Bemühungen um den Verkauf von Aktivitäten bei der Energietechnik
nach Verhandlungen mit Beteiligungsunternehmen der AAA und der C3 dort jeweils gescheitert.
81
Am 28.2.2002 beauftragte die Q2 AG, nachdem sie bereits im Januar 2001 360.000 Aktien der T
AG verkauft hatte, die Deutsche C3, weitere 3.220.200 Aktien der T AG mit Valuta 4.3.2002 zu
verkaufen. Damit reduzierte die Q2 AG ihre Beteiligung an der T AG nach dem 4.3.2002 auf 9,029
% des Grundkapitals der T AG, das nach der Verschmelzung mit der C2 AG aus 37.089.724
Aktien bestand.
82
Anfang März 2002 entschied der Vorstand der T AG unter dem Vorsitz des Angeklagten, die
Beteiligung an der I AG zur Abwendung des Insolvenzrisikos bei der I AG und der T AG
unverzüglich zu veräußern.
83
In dem Protokoll der Vorstandssitzung der T AG vom 5.3.2002, dessen Text am 15.3.2002
genehmigt und erst am 12.4.2002 verteilt wurde, heißt es dazu unter anderem wie folgt:
84
"Unter Abwägung aller wesentlichen Transaktionsfaktoren gebietet die Fürsorgepflicht des
Vorstandes gegenüber der I, den Vertrag mit OEP zu schließen. Die zur Verfügung stehenden
Kreditlinien sind weitgehend ausgeschöpft. C3 und S haben signalisiert, im April Barlinien nicht
mehr prolongieren zu wollen. Zahlungsfähigkeit wird ausschließlich durch Einzahlungen
sichergestellt. Keine weitere Aufstockung der Forderungsverkäufe möglich.
Optimierungsmaßnahmen laufen auf Rekordniveau, zur Stabilisierung müssen die
Desinvestments weiter forciert werden. Schiebemaßnahmen derzeit 140 Millionen Euro.
Kreditversicherer sind besorgt über offensichtliche Zahlungsstockungen."
85
Der Vorstand führte mit Vertretern der kreditgebenden Kernbanken der T AG - der BHF, CCC, C3,
C3 und C5 - Informationsgespräche über die Prolongation der bestehenden Kreditlinien, ohne
dass eine der Banken eine Stützung der Liquidität ankündigte. In dem Ergebnisprotokoll über das
Gespräch vom 15.3.2002 heißt es nur, dass Einigung darüber erzielt worden sei, dass die
Kernbanken über die Modalitäten einer längerfristigen Prolongation der Linien erst nach Vorlage
einer Strategie für den T Konzern ohne I Ende Mai/Anfang Juni 2002 würden entscheiden wollen.
Nach Einholung der Gremienbeschlüsse sollten die Linien zunächst bis Ende Juni 2002
prolongiert werden.
86
Am gleichen Tag fand eine Vorstandssitzung der T AG statt. Zur Frage des Verhaltens der
Kernbanken heißt es in dem Protokoll der Vorstandssitzung vom 15.3.2002, das erst mehr als
einen Monat später am 17.4.2002 genehmigt und am 23.4.2002 verteilt wurde:
87
"Am Vormittag des 15. März 2002 hat die Kernbankensitzung stattgefunden. Hierin wurde die I-
Transaktion im Detail den Kernbanken erläutert. Der Vorstand hat darum gebeten, dass die
88
Kreditvereinbarungen für weitere drei Monate prolongiert werden, um in dieser Zeit ein Konzept
für C3 AG ohne I zu entwickeln und dieses Konzept mit den Banken als Voraussetzung für deren
weiteres Engagement abzustimmen. Die Banken haben diesem Vorhaben zugestimmt. Die
Bankenvertreter legten Wert darauf, dass - V - (Vorstandsvorsitzender, der Angeklagte) den
Prozess begleitet, bis die endgültige Bankenvereinbarung steht. Dies wurde den Banken
zugesagt."
Der Angeklagte erarbeitete indes keine Vereinbarung mehr mit den Banken zur Restrukturierung.
Der Angeklagte wusste längst, dass der T Konzern und seine Holding, C3 AG, faktisch in der
Abwicklung begriffen waren.
89
Er nutzte die Gelegenheit auch nicht, um wegen der sich abzeichnenden Unfähigkeit, die
Verbindlichkeiten der T AG im Wesentlichen zu bezahlen, den Insolvenzantrag für das
Unternehmen im Vorstand abzustimmen, nachdem die Banken erneut keine konkrete
Unterstützung in Aussicht gestellt hatten und er selbst mit seinen beiden Vorstandskollegen den
Sofortbedarf von etwa 100 Millionen Euro und den mittelfristig Restrukturierungsbedarf von etwa
400 Millionen Euro kannte.
90
Ausweislich des Protokolls der Aufsichtsratssitzung der T AG vom 19.3.2002 unterrichtete der
Vorstand den Aufsichtsrat nicht in der gebotenen Deutlichkeit von der eingetretenen prekären
Situation. Noch mit seiner Unterstützung beschloss der Aufsichtsrat, die Unternehmensberatung
N3 und die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft BDO mit der Prüfung eines Zukunftskonzeptes
einschließlich alternativer Szenarien zu prüfen. Nachrichtlich wurde in dem Protokoll noch
vermerkt, dass in Abstimmung mit dem Aufsichtsratsvorsitzenden Dr. O und den Kernbanken die
Unternehmensberatung C beauftragt sei.
91
Die Auswahl der Unternehmensberatung C entsprach nicht dem Vorschlag des Angeklagten und
seines Vorstandes. Der Angeklagte, der im März 2002 alle Kernbankenvertreter angerufen und
mit ihnen die Prolongation der Kredite und Avale bis zum 30.6.2002 abgestimmt hatte und dabei
ein zwischenzeitliches Gutachten über die Sanierungsfähigkeit der T AG ohne I angekündigt
hatte, hatte die mit dem Konzern bereits vertraute Unternehmung N3 für das Gutachten bevorzugt.
Ein Gutachten von der Unternehmensberatung C wollte er nicht einholen lassen, da er vermutete,
dass C nach der inhaltlich im Ergebnis unzutreffenden Erklärung der Sanierungsfähigkeit des HM
Konzerns kurz vor seiner Pleite etwas Entsprechendes nicht wiederholen würde. Der Angeklagte
dachte, C werde nur einmal zu kurz springen. Gerade die C3, aber auch andere Banken hatten
indes C für ein Restrukturierungskonzept für T verlangt.
92
Der Angeklagten und sein Vorstand hatten damals vor Eintritt von C erwartet, dass etwa 400
Millionen Euro gebraucht würden, um T vernünftig weiterführen zu können. Erwartungsgemäß
setzte die Unternehmensberatung C den Finanzbedarf zur Sanierung im April/Mai 2002 zunächst
allerdings erheblich höher an, und zwar mit mehr als 800 Millionen Euro. Das Team von C
reduzierte den Finanzbedarf nach Gesprächen mit dem Team des Angeklagten aber noch um
einige hundert Millionen Euro um nahezu die Hälfte, bemaß ihn dann aber im Mai/Juni 2002 noch
einmal etwas höher mit über 500 Millionen €.
93
Dem Angeklagten waren die ungünstigen Geschäftsaussichten der T im Frühjahr 2002 bekannt.
Er hielt den Kraftwerksmarkt in Deutschland für "tot". Die großen Energieversorger verschoben in
Deutschland auch wegen der unsicheren Energiepolitik zur Kernenergie ihre
Kraftwerksneubauten in die Zukunft und entschieden, bis auf weiteres keine neuen zu bauen. Es
war auch die Zeit nach der E-Pleite in den Vereinigten Staaten. E hatte in den Staaten einen
höheren Bedarf an Gaskraftwerken errechnet, als er tatsächlich bestand. Als dies bekannt wurde,
brach von einem auf den anderen Tag der Markt für den Bau von Gaskraftwerken auch in den
Staaten zusammen. Das betraf, wie der Angeklagte wusste, die US-amerikanischen
94
Kraftwerksaktivitäten der T und die Aktivitäten der NEM, ebenfalls eines Tochterunternehmens
der T AG.
Im März 2002 wurde der Verkauf der I-Aktien durch C3 AG an OEP perfekt gemacht, wobei
Verkauf und Übertragung der Aktien in zwei Tranchen erfolgen sollte. Cashrelevant wurden noch
im März 2002 von OEP ein Darlehen von 50 Millionen Euro an C3 AG ausgezahlt, das diese für
fällige Verbindlichkeiten dringend benötigte, obwohl die 50 Millionen die fälligen
Verbindlichkeiten Ende März 2002 im Wesentlichen nicht mehr insgesamt begleichen konnten.
95
Mit Schreiben vom 21.3.2002 bat die S den Vorstand der T AG, wie vom Angeklagten erwartet,
um die vereinbarungsgemäße Rückführung der Tagesgeldkreditinanspruchnahme bis zum
31.3.2002. In dem Schreiben der S nahmen deren Verantwortliche Bezug auf ihren Besuch im
Hause der T AG bereits am 5.12.2001, bei dem sie dargelegt hatten, dass eine Verlängerung der
Kreditlinien über den 31.3.2002 nicht möglich sei. Mit Schreiben vom 5.3.2002 hatte die S erneut
darauf hingewiesen, dass die Kreditlinie ab 1.4.2002 nicht mehr zur Verfügung stehen werde.
96
Die großen Zahlungsprobleme bei der T AG waren dem Angeklagten ausweislich seines eigenen
Schreibens ebenfalls vom 21.3.2002 an seinen Finanzvorstand und den Leiter der Finanzplanung
bekannt geworden. Er drückte ihnen nochmals seine Verärgerung darüber aus, dass die 50
Millionen Euro von OEP ohne sein Einverständnis eingesetzt worden waren.
97
Am nächsten Tag, dem 22.3.2002, schilderten E5 und B6 aus dem Finanzressort dem
Angeklagten als Vorstandsvorsitzenden die eingetretene Zahlungsunfähigkeit der T AG
hinsichtlich eines großen Teils ihrer Verbindlichkeiten per Mails zur "fragilen Situation im
Nichtkernbankenbereich". In diesen Mails von 11.42 Uhr und 17.38 Uhr stand unter anderem
folgendes:
98
"Wir lassen derzeit nichts unversucht, um Forderungen zu verkaufen, Kernbanken und C3 wollen
nichts ankaufen. Devisenterminlinie von 3 Millionen Euro der NN gekündigt. C3 verlangt ultimativ
Rückzahlung der Barkreditinanspruchnahme der BBX (T AG) am 28.3.2002 in Höhe von 20,45
Millionen Euro und darüber hinaus die Anpassung der BBX-Avalkreditlinien, die Kreditlinie der
AEE wird eingefroren. BBX kann Rückzahlung nicht vornehmen. Entsprechendes gilt für die
Besicherung der AEE-Kreditlinie. S verlangt ultimativ die Rückzahlung der
Barkreditinanspruchnahme der BBX von 10,2 Millionen Euro am 28.3.2002. Auch hier scheidet
eine Rückzahlung zum genannten Termin aus. I5 Kreditversicherungs-AG hat uns – nicht zuletzt
im letzten Vorstandsgespräch am 14. Februar 2002 – wissen lassen, dass sie der weiteren
Entwicklung kritisch gegenüber steht. Das T-Engagement wurde erstmalig dem Bereich ‚kritische
Risiken’ zugeordnet. Schon in den vergangenen Jahren haben wir wiederholt festgestellt, dass
das Verhalten von I5 unmittelbar auf die anderen Kreditversicherer ausstrahlt. Folglich haben
sowohl AKV als auch PP mitgeteilt, dass sie sich nicht mehr in der Lage sehen, das Risiko aus
der Fortführung der Avalkreditlinie zu tragen. PP bittet darüber hinaus um Rückführung des
derzeitigen Obligos. Unser größter Partner bei den Forderungsverkäufen, die C3 AG, verweigert
mündlich getroffene Absprachen und hat ultimativ die Rückzahlung fälliger Forderungsverkäufe
eingefordert, so dass heute ein Transfer von 11 Millionen Euro erfolgen musste. Die NN teilte mit,
dass sie keine neuen Geschäfte mehr abschließen wird, und hat darüber hinaus die Kreditlinie für
Devisentermingeschäfte (3 Millionen Euro) mit sofortiger Wirkung gestrichen. Die NC3 hat auf
Grund der jüngsten Entwicklungen den vorgelegten Antrag auf Erhöhung der Linie für
Forderungsverkäufe von 3 auf 6 Millionen Euro abgelehnt. Das bisher praktizierte Geschäft der
Forderungsverkäufe ist weitgehend zum Erliegen gekommen."
99
Die Zahlungsunfähigkeit der T AG hinsichtlich eines wesentlichen Teils ihrer Verbindlichkeiten
entwickelte sich unvermindert weiter.
100
Auf telefonische Anordnung des Angeklagten schrieb am 26.3.2002 sein Büro an die beiden
weiteren Vorstandsmitglieder der T AG, L4 und L5, er – der Angeklagte – habe soeben auf
persönliche Anfrage von Herrn E5 erfahren, dass die 50 Millionen Euro von OEP in diesem Monat
wieder eingesetzt worden seien, um das Unternehmen liquide zu halten. Er hoffe, dass dies in
Absprache mit dem Finanzvorstand geschehen sei.
101
Der Leiter der Finanzplanung, E5, antwortete am gleichen Tag, dem 26.3.2002, dem Angeklagten
und bestätigte die schlechte Liquiditätssituation, in der alle Möglichkeiten zur Streckung von
fälligen Zahlungen bereits ausgenutzt seien und der Rückgriff auf jede Liquidität erforderlich sei.
Die Kreditlinien seien durch C3 und S weiterhin gekündigt. Kreditversicherer würden keine
Warenkredite mehr versichern. Es sei dem Vorstand bekannt, dass das Treasury seit Wochen nur
aufschiebbare Posten zahle, z.B. Löhne und Gehälter, Steuern und Krankenkassenbeiträge, und
ansonsten seit Wochen nur noch in absolut begründeten Ausnahmefällen zahle, z.B. bei dritter
Mahnung oder Baustellenräumungsandrohung. In dieser Situation habe in Absprache mit Herrn
L4 die bei der EP angelegte Darlehenssumme in Höhe von 50 Millionen Euro verwendet werden
müssen, um die Liquidität sicherzustellen. Der erforderliche Abzug der Liquidität vom Konto der
EP sei auf der täglichen Dispomeldung an den Gesamtvorstand gemeldet worden. Die Tilgung
der Kredite bei der S und der C3 über 30,6 Millionen Euro könne nicht durchgeführt werden.
102
Das Memo vom 26.3.2002 von E5 zur Liquiditätssituation T ging am 27. März 2002 im
Vorstandsbüro des Angeklagten ein.
103
An diesem Tag, dem 27.3.2002, unterrichtete E5 den Angeklagten ergänzend auch darüber, dass
die S ultimativ die Rückzahlung der Barkreditinanspruchnahme von 10,2 Millionen Euro verlange.
Ihr sei mitgeteilt worden, dass eine Rückführung in der derzeitigen Situation nicht in Frage
komme. Sie sei um ein Stand-still bis Ende Juni gebeten worden.
104
In einem ausführlicheren Memo vom gleichen Tag, dem 27.3.2002, informierte E5 den
Angeklagten und die beiden weiteren Vorstandsmitglieder der T AG über die nunmehr
eingetretene Zahlungsunfähigkeit der T AG hinsichtlich wesentlicher Verbindlichkeiten mit
folgenden Worten, wobei dieses Schreiben noch am gleichen Tag im Büro des Angeklagten
einging:
105
"Wie im Vorfeld kommuniziert, war die Ausgangslage Anfang März mit 379 Millionen Euro
geplanter Auszahlungen, davon 85 Millionen Euro Personalkosten, 207 Millionen Euro geplanter
Einzahlungen und nur 8 Millionen Euro Finanzierungsfazilitäten denkbar ungünstig. Da 49
Millionen Euro geplanter Einzahlungen nicht eingingen, konnte die Zahlungsfähigkeit des
Konzerns nur unter teilweisem Einbezug des 50 Millionen Euro Darlehens der OEP sowie
kreativstem Einsatz des Treasury-Teams sichergestellt werden. Die Optimierungsmaßnahmen zu
Beginn April erreichen nunmehr ein neues All-Time-High mit rund 180 Millionen Euro. Bezüglich
der Liquiditätsentwicklung der nächsten Wochen halten wir Sie ständig informiert."
106
Am 5.4.2002 forderte die S den Finanzvorstand der T AG auf, die Inanspruchnahme des Kontos
145003 der T AG bis zum 3.5.2002 auszugleichen. Die Inanspruchnahme der
Tagesgeldkreditlinie auf dem Konto 11117 sei gemäß dem Schreiben der S vom 4.3.2002 am
28.3.2002 zu Lasten des Kontos der T AG 145003 ausgebucht worden.
107
Im Protokoll der Vorstandssitzung der T AG vom 8.4.2002, die – wie sonst auch – vom
Angeklagten geleitet wurde, wurde die eingetretene Unfähigkeit der T AG, ihre fälligen
Verbindlichkeiten im Wesentlichen zu begleichen, zwar wiederum ausdrücklich nicht mitgeteilt. In
der Folie "Vorstandssitzung 8.4.2002, Liquiditätsstatus BBX" wurden aber die dies bestätigenden
Fakten zusammengestellt:
108
"C3 und S haben Barlinien per 31.3. fällig gestellt (31 Millionen Euro). Sämtliche Nicht-
Kernbanken haben Aval-Linien blockiert. Avale können nur noch aus Kernbankenlinien
bereitgestellt werden. Noch 70 Millionen freie Aval-Linien bereits reserviert für Vorhaben.
Ausschließlich Einzahlungen stellen die Zahlungsfähigkeit sicher. Derzeit keine weitere
Aufstockung der Forderungsverkäufe mehr möglich. Optimierungsmaßnahmen auf Rekordniveau
(185 Millionen Euro). Kreditversicherer sind besorgt über offensichtliche Zahlungsstockungen. I5
führt keine Deckungen mehr durch – daher jetzt auch Avale für Zulieferer." Im laufenden Text des
Protokolls heißt es dann auch ausdrücklich, die von der C3 und der S fällig gestellten Barlinien
per 31.3.2002 über zusammen 31 Millionen Euro seien nicht zurückgezahlt worden.
109
In einem Memo zur Liquiditätssituation vom 17.4.2002 hielt der Angeklagte fest, dass ohne die
Einzahlung von 50 Millionen Euro aus dem I-Deal vom vorangegangenen Monat die Gesellschaft
bereits insolvent geworden wäre und mit ihnen noch jedenfalls die wichtigen Zahlungen, wie etwa
Krankenkassenbeiträge für die Mitarbeiter und sonstige Sozialversicherungsabgaben, hätten
geleistet werden können. Die bekannte Problematik der Nichtbedienung der Forderung der S und
der C3 erwähnt er nicht. So machte er noch einmal deutlich, dass nur noch drängendste, aber
nicht mehr alle wesentlichen Verpflichtungen von der T AG ausgeglichen wurden.
110
Am gleichen Tag, dem 17.4.2002, führten der Angeklagte und das Vorstandsmitglied K5 mit dem
Aufsichtsratsmitglied K6 als Vertreter der Q2 AG ein Gespräch über eine finanzielle Unterstützung
durch die Q2 AG. Nach der diesbezüglichen nachträglichen Notiz von K5 wurde K6 zwar gebeten,
die Q2 möge gegebenenfalls in Zusammenarbeit mit der C5, Avale über 40 Millionen Euro zum
Zwecke des Zugriffs der T AG auf bare Mittel bei holländischen Banken übernehmen. Auch ein
Kapitalschnitt und eine Kapitalerhöhung der T AG zur strategischen Gestaltung einer
Restrukturierung wurden erörtert. Eine entsprechende Absichtserklärung vom Vertreter der Q2
AG, die bereits den größeren Teil ihrer Aktien an der T AG verkauft hatte, gab es indes nicht.
111
Auch an diesem 17.4.2002 war im Vorstandsbüro des Angeklagten bei der T AG aus dem Bereich
Finanzen die rollierende 12-Monats-Planung April 2002 bis März 2003 eingegangen. Der hohe
Finanzbedarf des operativen Geschäftes, der aus eigener Kraft der T AG nicht zu bewältigen war,
wurde aus ihm deutlich. Nur unter Voraussetzung einer erneuten Prolongation der bestehenden
Kreditlinien und unter der Voraussetzung von Sondereinflüssen in Höhe von 355 Millionen Euro
sei die Finanzierung des operativen Geschäfts gesichert.
112
Der zuständige Abschlussprüfer KB von der PWC telefonierte am 23.4.2002 mit Dr. O als dem
Aufsichtsratsvorsitzenden der T AG und wies ihn anhand der genannten rollierenden 12-Monats-
Planung April 2002 bis März 2003 auf die prekäre Situation hin. Auch danach wurde weder vom
Aufsichtsrat noch vom Vorstand der T AG zeitnah eine geeignete Maßnahme zur Einleitung des
Insolvenzverfahrens getroffen.
113
Am 29.4.2002 überzog C3 AG kurzfristig ohne Absprache mit der C5 ihren Kredit um 3.012.000,00
Euro.
114
Am Tag danach, dem 30.4.2002, schrieb der Angeklagte mit dem weiteren Vorstandsmitglied L4
an den Vorstand SGN der C5 zur Liquiditätsentwicklung der T AG mit der Bitte um Unterstützung
zur Deckung des unaufschiebbaren Liquiditätsbedarfs. Eine erstrangige Sicherheit dafür
vermochte der Vorstand der T AG indes nicht anzubieten. So hieß es in dem Schreiben, denkbar
wäre hier eine Vorfinanzierung des geplanten Verkaufs der NEM/W2-NEM, wobei hier zunächst
eine nachrangige Sicherheit eingeräumt werden könnte. Nach Rückzahlung des von der BBCC-
Gruppe (incl. NEM) bei der SF aufgenommenen Darlehens (zur Zeit 20 Millionen US-Dollar)
könnte bis zur vollständigen Veräußerung eine erstrangige Verpfändung von NEM-Anteilen
durchgeführt werden.
115
Die C5 gab diese oder eine andere Unterstützung für die Liquidität der T AG im zumindest
zweistelligen Millionenbereich nicht mehr.
116
Bei einem Gespräch in der C5 am 8.5.2002, an dem der Angeklagte mit seinen beiden weiteren
Vorstandsmitgliedern L4 und K5 und von der C5 unter anderem ihr Vorstand SGN teilnahmen,
drückte dieser seine Besorgnis über die Liquiditätslage der T AG aus und berichtete von einem
Anruf der Firma I4, der T Vorstand habe entschieden, keine Rechnungen mehr zu bezahlen. Der
Angeklagte erklärte wahrheitswidrig, T habe die Liquidationssituation weiter im Griff. L4 erläuterte,
der Betrag von ca. 200.000,00 Euro sei inzwischen angewiesen. Der Vorstand SGN von der C5
machte, nachdem der Angeklagte Angaben zur Liquiditätslage und dem Stand der
Untersuchungen durch die Firma C gemacht hatte, keine konkrete Zusage für eine neue
Finanzierung. Soweit eine Übernahme der US-amerikanischen Aktivitäten der T AG als Pfand
oder als Anteilseigner in Betracht kommen sollte, sollten aus Sicht der C5 alle Kernbanken
beteiligt werden. Das machte eine entsprechende Lösung schon wegen dieses Verbundes nicht
wahrscheinlich.
117
Aber auch die C5 machte sich letztlich nicht für eine entsprechende Lösung stark. Bereits am
12.5.2002 berichtete die Abteilung der C5 für Unternehmensbeteiligungen dem Vorstand der C5,
unabhängig von der Höhe des Abschlags auf den Unternehmenswert sei eine Übernahme der
US-amerikanischen Kraftwerksaktivitäten der T AG nicht vertretbar. Hierfür nannte die Abteilung
insolvenzrechtliche Risiken bei der T AG, geringe Aussagekraft ihres Infomemorandums,
Auflösungserscheinungen bei der T AG, Gewährleistungsrisiken aus Altgeschäft, Forderung
gegen C3 AG aus dem Cash-Clearing über rund 90 Millionen US-Dollar, weiterer
Finanzierungsbedarf von mindestens 90 Millionen US-Dollar für die Fortführung des operativen
Geschäfts der US-amerikanischen Kraftwerksaktivitäten, Avalbedarf ungeklärt, nicht ausreichend
finanzierte Pensionsfonds und trotz angeblich wirtschaftlich erfolgreicher Tätigkeit steuerliche
Verlustvorträge in Höhe von 63 Millionen US-Dollar.
118
Für die Aufsichtsratssitzung der T AG am 22.5.2002 war ursprünglich die Bestellung eines
Nachfolgers für den Angeklagten als Vorstandsvorsitzenden der T AG geplant. Dies scheiterte,
weil der verbliebene Kandidat seine Bereitschaft zum Eintritt in den Vorstand der T AG zurückzog.
119
In der ursprünglich für die Bestellung eines Nachfolgers für den Angeklagten anberaumten
Aufsichtsratssitzung vom 22.5.2002 berichtete der Angeklagte erstmals konkreter über die
einschneidend schlechte Liquiditätssituation des T-Konzerns. Zur vollständigen Bereinigung sei
ein Gesamtvolumen von rund 350 bis 400 Millionen Euro nötig. In den nächsten Wochen würden
80 bis 100 Millionen Euro gebraucht. Durch Gestellung von Avalen über 60 Millionen Euro wäre
es möglich, ca. 80 Millionen Cash der NEM bei der ro-C3 freizubekommen. Er berichtete indes
von niemandem, der zu der Avalgestellung, einem weiteren Kredit oder einer Aufstockung des
Kapitals bereit gewesen wäre. Das tat auch kein anderer Teilnehmer der Gremiumssitzung.
120
Auch danach verschlechterte sich die Finanzlage der T AG weiter. Gegenüber Versicherern war
das Unternehmen mit Prämienzahlungen Ende Mai 2002 in Höhe von ca. 9,7 Millionen Euro in
Rückstand geraten, wobei die Versicherer immer nachdrücklicher die Überweisung der teilweise
mehr als 12 Monate fälligen offenen Versicherungsprämien anmahnten. Die von den
Außenständen überwiegend betroffenen Versicherer z, A, g, I und a machten ausweislich des
Schreibens der T Versicherungs-Vermittlung an den Finanzvorstand L4 der T AG vom 28.5.2002
in den davor liegenden letzten zwei Wochen unmissverständlich klar, dass sie einen weiteren
Zahlungsverzug nicht mehr hinnehmen würden. Sollten bei den Versicherern nicht bis spätestens
Mitte Juni wesentliche Zahlungseingänge zu verzeichnen sein, wurde angedroht, sämtliche
Schadenszahlungen zu stoppen und die Prämienaußenstände mit vierzehntägiger Fristsetzung
anzumahnen. C3 Versicherungs-Vermittlung hielt es für unumgänglich, in den nächsten Tagen
etwa 5 Millionen Euro an die Versicherer zu überweisen, da anderenfalls der bestehende
121
Versicherungsschutz im höchsten Maße gefährdet sei, worauf bereits mit Schreiben vom
23.5.2002 und im Gespräch vom 11.4.2002 hingewiesen worden sei.
Über Gespräche mit den Kernbanken in der letzten Mai-Woche über die schlechte wirtschaftliche
Situation bei T und die grundsätzlich ablehnende Haltung für weitere Finanzhilfen berichtete E5
am 31. Mai 2002 dem Angeklagten und dem Finanzvorstand der T AG in einem Protokoll.
Stichwortartig teilte E5 Reaktionen und Ergebnisse u.a. wie folgt mit:
122
"DC3: Desolates Ergebnis, an Liquiditätshilfen nur beteiligt, wenn C5 Konsortialführer wird und
C5 und Q2 deutliche Signale setzen;
123
C5: Ergebnis erneut negative Überraschung, Prolongation und Neueinräumung von Linien
ungewiss;
124
BHV: Erneut negative Überraschung, Liquiditätshilfen nur denkbar, wenn schlüssiges Konzept
von C, C5 und Q2 starkes Engagement und alle Kernbanken mitziehen;
125
DC3: Desaströses Ergebnis, überhaupt nicht vorstellbar, dass DC3 sich an Liquiditätshilfen
beteiligt, Gespräche auf Vorstandsebene unnötig;
126
BHF-C3: Prolongation unter Konsortialvorbehalt, Liquiditätshilfe nur, wenn sich alle beteiligen,
Neuordnung der Linien erforderlich, BHF sieht sich in sehr passiver Rolle;
127
k: Gesprächstermin erst am 3.6.02."
128
In einem internen Ausdruck der C S C von Ende Mai 2002 hieß es zur schlechten wirtschaftlichen
Lage des T-Konzerns und zu seinem Liquiditätsbedarf unter anderem wie folgt:
129
"Konzern-Jahresfehlbetrag für laufendes Geschäftsjahr 2001/2002 ca. 500 Millionen Euro
erwartet, bereinigtes EGT bei minus 195 Millionen Euro, das im Wesentlichen auf die Holding und
Energietechnik entfällt, Konzernergebnisse der drei Vorjahre durch zahlreiche Sondereffekte
beeinflusst – bereinigtes EGT 1998/99 plus 4,1 Millionen Euro, 1999/2000 minus 2,7 Millionen
Euro, 2000/2001 minus 139,9 Millionen Euro, Eigenkapital im Konzern aufgezehrt, zunehmende
operative Verluste in Höhe von minus 114 Millionen Euro in 2000/2001 auf erwartetes Minus 195
Millionen Euro in 2001/2002, weitgehender Verzehr von positiv wirkenden Desinvestitionen, freie
Kreditlinien stehen in Deutschland nicht mehr zur Verfügung, zusätzlicher Liquiditätsbedarf im
laufenden Geschäftsjahr von ca. 270 Millionen Euro in der Spitze im August 2002 einschließlich
Gehaltszahlungen für Juni 2002 – kurzfristig 200 Millionen Euro Liquidität nötig -, weiterer
Finanzbedarf von 215 Millionen Euro für das am 1.10.2002 beginnende nächste Geschäftsjahr."
130
Diese vorläufigen Ergebnisse der C-Studie waren dem Angeklagten bekannt.
131
Er zog dennoch wieder nicht die Konsequenz, den Insolvenzantrag für das Unternehmen zu
stellen. Das tat er auch nicht, als am 6.6.2002 E5 ihm mailte, der Vorstand I5 habe mitgeteilt, ab
sofort würden keine Warenkredite mehr an Unternehmen des T Konzerns mit Ausnahme der drei
Unternehmen der Gruppe versichert. Da I5 der größte Kreditversicherer der T-Gruppe mit einem
geschätzten Volumen von 150 Millionen Euro sei, sei ein großer negativer Liquiditätseffekt durch
Vorkasse-Anforderungen der Lieferanten zu erwarten.
132
Statt spätestens jetzt, nachdem Gelder wiederum erkennbar konkret von niemandem mehr zu
erwarten waren und weitere nicht zu deckende Zahlungsverpflichtungen drohten, pflichtgemäß
den Insolvenzantrag für C3 AG wegen Zahlungsunfähigkeit zu stellen, entschied der Angeklagte,
aus dem Amt als Vorstandsvorsitzender der T AG auszuscheiden.
133
Unter dem 10.6.2002 schrieb der Angeklagte an Dr. O als den Vorsitzenden des Aufsichtsrates,
dass er - der Angeklagte - es für geboten halte, sein Amt als Vorstandsvorsitzender der T AG
niederzulegen und bis zur Aufsichtsratssitzung am 14.6.2002 seine Ämter bei der T AG und ihren
Konzerngesellschaften – mit Ausnahme der F GmbH, ruhen zu lassen und mit Abschluss der
Aufsichtsratssitzung alle Ämter im T-Konzern mit sofortiger Wirkung niederzulegen. Als Grund gab
der Angeklagte an, dass er bereits bei Abschluss des Kaufvertrages über die I-Aktien der T AG
und in der letzten Hauptversammlung der T AG darauf hingewiesen habe, dass er mit Vollzug der
Veräußerung der Aktien der I AG bei T ausscheiden werde. Die Übertragung der Aktien der I AG
durch C3 AG war hinsichtlich der zweiten Tranche im Juni 2002 indes nicht abgeschlossen.
134
Gleichwohl stimmte der Aufsichtsrat der T AG unter dem Vorsitz von Dr. O am 14.6.2002 dem
Ausscheiden des Angeklagten als Vorstand an diesem Tag und zugleich der Beendigung des
Anstellungsvertrages zum gleichen Zeitpunkt und unter anderem der schuldbefreienden
Übertragung der Pensionsvereinbarung auf I GmbH einschließlich Rückdeckungsversicherung
zu.
135
Der Angeklagte hatte bereits spätestens Ende Mai 2002 von den vorläufigen Ergebnissen der C
Studie erfahren, die ohne weitere Liquiditäts- und Kapitalzufuhr Zahlungsunfähigkeit und
Überschuldung als Insolvenzgründe bezeichnete. Trotzdem beendete er seine Tätigkeit für C3
AG Mitte Juni 2002, ohne den nach § 92 Abs. 2 Aktiengesetz vorgeschriebenen Insolvenzantrag
wenigstens jetzt unverzüglich zu stellen. Er überließ es dem verbleibenden Vorstand, die
notwendigen Konsequenzen zu ziehen.
136
Der Aufsichtsrat der T AG bestimmte am 14.6.2002 ER, der zugleich einer der Geschäftsführer der
für die Energietechnik zuständigen T GmbH war, zum neuen Vorstandsmitglied. Die Position des
Vorsitzenden des Vorstandes blieb vakant.
137
In der Aufsichtsratssitzung vom 14.6.2002, in der der Angeklagte sich entschuldigen ließ,
berichtete Herr C über:
138
-operative Verluste der T AG von minus 140 Millionen Euro im letzten Geschäftsjahr 2000/2001,
139
-einen erwarteten Anstieg der operativen Verluste im laufenden Geschäftsjahr 2001/2002 auf
minus 195 Millionen Euro,
140
-eine Ende Mai 2002 angeblich freie Kreditlinie von 2 Millionen Euro (ein Betrag in Höhe der
zunächst ungenehmigten Überziehung bei der C5),
141
-eine sogenannte Lieferantenoptimierung in Höhe von 140 Millionen Euro,
142
-eine Liquiditätslücke bis Ende August des Jahres in Höhe von 270 Millionen Euro und
143
-einen Finanzbedarf für das kommende Geschäftsjahr 2002/2003 in Höhe weiterer 250 Millionen
Euro.
144
Auf Nachfrage des Aufsichtsratsmitgliedes Dr. S3, der als Vorstand der C5 einen der
Hauptaktionäre und Hauptkreditgeber vertrat, ob die Drei-Wochen-Frist gemäß § 92 Aktiengesetz
bereits begonnen habe, antwortete der Vorstand K5 - unzutreffenderweise -, dass diese Frist (erst)
seit dem 13. Juni 2002 laufe. Einen berechtigten Grund für den Beginn der Frist für die
notwendige Stellung des Insolvenzantrages erst zu diesem Termin nannte er ausweislich des
Aufsichtsratsprotokolles nicht. Er war auch sonst nicht ersichtlich.
145
Der Vorsitzende des Aufsichtsrates der T AG kündigte ausweislich des Aufsichtsratsprotokolls
146
vom 14.6.2002 Gespräche mit den Banken und Gespräche mit den Warenkreditversicherern erst
für die zweite Hälfte des Monats an. Eine Liquiditätshilfe war weder zuvor der T AG mitgeteilt
worden, noch war sie auf der Aufsichtsratssitzung der T AG von einem der Teilnehmer
angekündigt worden.
Auch in den Wochen danach entschied sich kein Aktionär und kein Kreditinstitut allein oder mit
einem Partner, eine erhebliche Liquiditätshilfe ohne die Beteiligung der anderen Großaktionäre
oder Kernbanken zur Verfügung zu stellen.
147
Am 3.7.2002 setzten sich noch einmal Vertreter aller Kernbanken nach einem Treffen zu einem
Gespräch zusammen, in dem unter Federführung der Vertreter der C5 ein Finanzierungsplan zur
Rettung der T AG aufbauend auf dem von der C-Studie ermittelten Finanzbedarf aufgestellt
wurde. Dieser Plan machte den sehr hohen Geldbedarf von mehr als 500 Millionen € deutlich,
den C3 AG zuvor nicht aufbringen konnte und auch in den nächsten Monaten nicht mehr hätte
decken können:
148
1. 230 Millionen Euro Bridge-Finanzierungen durch Kernbankenkreis und andere (150
Millionen Euro Kernbanken, 30 Millionen Euro Q2, 10 Millionen Euro LP und 40 Millionen
Euro LEG),
2. 100 Millionen Euro Kontokorrentkredit,
3. 50 Millionen Euro Kapitalerhöhung (Q2 30 Millionen Euro, C5 20 Millionen Euro),
4. 100 Millionen Euro Nachrangdarlehen (Q2 20 Millionen, Kernbanken ohne C5 40 Millionen
Euro, OEP 40 Millionen Euro),
5. 120 Millionen Euro durch zu plausibilisierende St-Verkäufe,
6. Prolongation der alten Kreditlinien auf Basis der Inanspruchnahme gemäß C-Gutachten
zum 30.6.2004.
149
150
Als zusätzliche Bedingungen wurden weiterhin ein strenger Konsortialvorbehalt bezogen auf
die Kernbanken, die Einbindung des Landes für neue Avalkredite von mindestens 100
Millionen Euro und ein dauerhafter Arbeitnehmerbeitrag von 50 Millionen Euro pro Jahr in
Aussicht genommen. Den Quoten für Bridge-Finanzierung und Kontokorrentkredit lagen die im
C-Gutachten aufgeführten Inanspruchnahmen der Bar- und Avalkredite per 30.4.2002
zugrunde: C5 13,6 %, DC3 17,6 %, C3 10,1 %, k 21,6 %, HVB 25,1 % und BHF 12,0 %.
151
Auch dieser unter Gremienvorbehalt erstellte letzte Finanzierungsplan scheiterte. Am 4.7.2002
wollten die Vorstände der k und der BHF-C3 die vorgesehenen Anteile ihrer Institute an der
Finanzierung nicht übernehmen. Die anderen Beteiligten des Finanzierungsplanes waren nicht
bereit, diese Anteile zusätzlich zu ihren geplanten Anteilen an der Finanzierung zu übernehmen.
152
Noch am Abend des 4.7.2002 stellte der Vorstand der C8 AG beim zuständigen Amtsgericht
Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens.
153
Nachtatgeschehen
154
Am 1.9.2002 eröffnete das Amtsgericht über das Vermögen der T AG wegen Zahlungsunfähigkeit
und Überschuldung das Insolvenzverfahren. Eigenverwaltung wurde angeordnet, wobei die
Schuldnerin berechtigt war, unter Aufsicht des Sachwalters die Insolvenzmasse zu verwalten und
über sie zu verfügen. Zum Sachwalter wurde Rechtsanwalt Dr. T2 ernannt.
155
Am 9.7.2002 bestellte der Aufsichtsrat der T AG auf Vorschlag seines Vorsitzenden unter
Zustimmung der Arbeitnehmervertreter Rechtsanwalt Q zum neuen Vorstandsvorsitzenden.
Rechtsanwalt Dr. C4 aus der Anwaltskanzlei Dr. H2 wurde anstelle des kurz zuvor
zurückgetretenen Amtsinhabers L4 zum Vorstandsmitglied für Finanzen bestellt.
156
In ihrem gemeinsamen Bericht vom 18.11.2002 bezeichneten Rechtsanwalt Q als
Vorstandsvorsitzender der T AG und Rechtsanwalt Dr. T2 als Sachwalter der Gläubiger
Zahlungsunfähigkeit als Insolvenzursache bezogen auf die Unternehmensgruppe und die
Insolvenzschuldnerin T AG selbst. Die Zahlungsunfähigkeit sei bereits Ende 2001/Anfang 2002
eingetreten. Die Befriedigungsquote für die (nicht bevorrechtigten) Insolvenzgläubiger nach § 38
Insolvenzordnung prognostizierten sie mit einer rechnerischen Quote von 10,8 %.
157
Am 28.5.2003 berichtete Rechtsanwalt Q als Vorstandsvorsitzender der T AG auf der letzten
Hauptversammlung des Unternehmens, dass das Eigenkapital verbraucht sei und eine geringe
Befriedigungserwartung der Gläubiger im niedrigen zweistelligen Prozentbereich liege. Zum
1.10.2002 sei die T GmbH als Auffanggesellschaft gegründet worden, die später durch T i
übernommen worden sei. Die Umwelttechnik sei an das italienische Unternehmen J gegangen.
Nach dem Bericht war nach der Insolvenzantragstellung allein eigenständig überlebensfähig die
Sparte Service. C7 GmbH schloss das Insolvenzverfahren mit Entschuldung ab und ihr
Weiterverkauf wurde geplant. Dieser erfolgte zwischenzeitlich und gelangte schließlich zur
YGruppe, wo der Kraftwerksservice einen großen Teil des positiven Ergebnis jenes Konzerns
nunmehr sicherstellt. Der Verkauf der US-amerikanischen Aktivitäten der T AG an HG erfolgte nur
zu einem Bruchteil des in der Öffentlichkeit diskutierten Kaufpreises von früher 225 Millionen
Euro, nämlich nur in Höhe von rund 19 Millionen Euro. Die zweite Tranche der I-Aktien (25 %
Unternehmensanteile) wurde an den neuen wirtschaftlichen Eigentümer mit 60 Millionen Euro
Cashzufluss und Entlastung von Verbindlichkeiten in Höhe von insgesamt 524 Millionen Euro aus
dem Cash-Clearing und 50 Millionen Euro aus einer Darlehensverbindlichkeit gegenüber OEP
übertragen. Von ursprünglich noch etwa 21.000 Arbeitsplätzen im Konzern im In- und Ausland
gingen lediglich etwa 20 % verloren, wobei allerdings die Inhaber der
Unternehmensbeteiligungen wechselten.
158
Etwa ein Jahr nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens hob das Amtsgericht die Anordnung
über die Eigenverwaltung auf und bestellte Rechtsanwalt Dr. T2 zum Insolvenzverwalter über das
Vermögen der T AG. Nachdem die Vorstandsmitglieder K5 und K7 aus dem Vorstand der T AG
ausgeschieden waren und der Aufsichtsrat zusätzlich zu den seit Juli 2002 amtierenden
Vorstandsmitgliedern Q und Dr. C4 mit Wirkung zum 1.2.2003 Dr. L zum weiteren
Vorstandsmitglied bestellt hatten, verblieb dieser nach dem Ausscheiden von Q im Juli 2003 und
Dr. C4 im März 2004 als alleiniger Vorstand der T AG. Mit Beschluss des Insolvenzgerichts vom
10.7.2008, rechtskräftig seit 6.8.2008, ist Dr. L zum Verfahrenspfleger der T AG bestellt worden.
159
Die Aktionäre der T AG erlitten einen Totalverlust. Das im Handelsregister zum Zeitpunkt der
Insolvenzantragstellung eingetragene Grundkapital von 111.520.254,00 € war vollständig
vernichtet.
160
Das Insolvenzverfahren wird voraussichtlich noch bis etwa 2015 dauern. Nach derzeitigem Stand
bestehen nicht bevorrechtigte Gläubigerforderungen nach § 38 Insolvenzordnung in Höhe von
etwa 2 Milliarden Euro und die Erwartung einer rechnerischen Befriedigung mit einer Quote von
etwa 5 %.
161
III.
162
Die Feststellungen zur Person und Sache beruhen auf den Angaben des Angeklagten. Sie
werden bestätigt durch verlesene Urkunden und die Angaben des Zeugen Rechtsanwalt N aus
163
dem Büro des früheren Vorstandsvorsitzenden Rechtsanwalt Q, des Zeugen und
Insolvenzverwalters Dr. T2 sowie der ermittelnden Zeugen L2 und D vom Landeskriminalamt.
Aus den Angaben des Zeugen D über die täglichen Liquiditätsmeldungen an den Vorstand der T
AG ergab sich, dass C3 AG die dem Cash-Clearing angeschlossenen Konzernunternehmen in
den letzten sieben Monaten vor der Stellung des Insolvenzantrages Anfang Juli 2002 nicht mehr
mit ausreichender Liquidität versorgte. Die täglichen Liquiditätsmeldungen an den Vorstand der T
AG enthielten auch eine täglich fortgeschriebene Übersicht über die Dispo-Planung hinsichtlich
der Ein- und Ausgabenseiten bei den Konzernunternehmen vor bzw. nach Maßnahmen. In den
Übersichten zeigte sich auf der Grundlage des jeweils letzten vorgefundenen Kalendertages
eines Monats, welches Ausgabevolumen an fälligen Verbindlichkeiten der Konzerngesellschaften
nach Abzug eines von ihnen möglicherweise zu viel angemeldeten "Puffers" von höchsten 75
Millionen Euro in den nächsten Monat "geschoben" wurde:
164
-Am 28.12.2001 beliefen sich nach Abzug eines "Puffers" von 75 Millionen Euro die geplanten
Auszahlungen auf 460.040.000 € und die tatsächlichen Auszahlungen auf nur 266.216.000 Euro
(Differenz: 193.824.000 Euro = 42,1 %).
165
-Am 31.1.2002 waren es unter Abzug eines Puffers von 75 Millionen Euro insgesamt 420.595.000
Euro geplante Auszahlungen und tatsächliche Auszahlungen von nur 403.156.000 Euro
(Differenz 17.439.000,00 Euro = 4,1 %).
166
-Am 28.2.2002 beliefen sich nach Abzug eines Puffers von 75 Millionen Euro die geplanten
Auszahlungen auf 311.615.000,00 Euro und die tatsächlichen Auszahlungen auf nur
222.476.000,00 Euro (Differenz 89.139.000,00 Euro = 28,6 %).
167
-Am 28.3.2002 beliefen sich die geplanten Auszahlungen abzüglich eines Puffers von 75
Millionen Euro auf 302.946.000,00 € und die tatsächlichen Auszahlungen auf nur 228.509.000,00
Euro (Differenz 74.437.000,00 Euro = 24,6 %).
168
-Am 30.4.2002 umfasste die geplante Auszahlung abzüglich eines Puffers von 75 Millionen Euro
323.496.000,00 Euro und die tatsächliche Auszahlung nur 268.294.000,00 Euro (Differenz
54.702.000,00 Euro = 16,9 %).
169
-Am 31.5.2002 erstreckte sich die geplante Auszahlung abzüglich eines Puffers von 75 Millionen
Euro auf 281.307.000,00 Euro und die tatsächliche Auszahlung auf nur 214.526.000,00 Euro
(Differenz 66.781.000,00 Euro = 23,7 %).
170
-Am 28.6.2002 belief sich die geplante Auszahlung abzüglich eines Puffers von 75 Millionen Euro
auf 270.616.000,00 Euro und die tatsächliche Auszahlung auf nur 158.445.000,00 Euro (Differenz
112.171.000,00 Euro = 41,5 %).
171
Die vom Zeugen L2 bekundete, vom Angeklagten als plausibel bezeichnete und oben unter II. im
Einzelnen in Tabellenform dargestellte Berechnung der Zahlungsunfähigkeit der T AG ab 28.
März 2002 wegen ihrer Verbindlichkeiten gegenüber Konzern fremden Dritten beruht auf einer
Auswertung der cashrelevanten Einzelkonten der T AG durch den Wirtschaftsreferenten von der
Staatsanwaltschaft. Die aus der Holdingfunktion der T AG resultierenden Verrechnungskonten
bezüglich verbundener Unternehmen, verbundener, aber nicht konsolidierter Unternehmen,
Unternehmen, mit denen ein Beteiligungsverhältnis bestand, und ehemals am Clearing beteiligter
Gesellschaften wurden trotz teilweisem Liquiditätsbezug durch das Cash Clearing zu Gunsten
des Angeklagten nicht in die Untersuchung einbezogen. Forderungen und Verbindlichkeiten
wurden vom Fälligkeitszeitpunkt her betrachtet. Guthaben/Verbindlichkeiten bei Geldinstituten
wurden im Rahmen der Valutenstellung auf den Bankkonten berücksichtigt. Grundlegend für eine
172
Beurteilung der Zahlungsfähigkeit waren auch die Möglichkeiten der Gesellschaft, sich bei
Banken und Sparkassen über sogenannte gelebte - tatsächlich verfügbare - Kreditlinien Liquidität
zu beschaffen. Tatsächlich verfügbare Barkreditlinien wurden wie verfügbare Liquidität
berücksichtigt.
Soweit in der Schlussphase der T AG im Rahmen der sogenannten Liquiditätsoptimierung durch
Nichtbezahlung von Verbindlichkeiten gegenüber den Konzernunternehmen Liquiditätsprobleme
auf diese verlagert wurden, wurde dies bei der Berechnung der oben in Tabellenform
wiedergegebenen Zahlungsunfähigkeit der T AG ab dem 28.3.2002 auf Grund ihrer unbeglichen
gebliebenen fälligen Verbindlichkeiten gegenüber Konzern fremden Dritten nicht zum Nachteil
des Angeklagten berücksichtigt. Nach der Aussage des Zeugen L2 wurden die
Liquiditätsmeldungen in der T AG an den Vorstand insofern lediglich stichprobenartig durch
Untersuchungen bei neun großen Konzerngesellschaften durch das Team X beim
Insolvenzverwalter überprüft, die dabei zwar bis zum 31.01.2002 hohe unbeglichene
Verbindlichkeiten der T AG gegenüber diesen Unternehmen aus dem Cash-Clearing belegten,
aber für die hier relevante Zeit danach mangels Prüfung keine Ergebnisse lieferten.
173
IV.
174
Indem der Angeklagte als Vorstandsvorsitzender trotz Zahlungsunfähigkeit der T AG spätestens
seit dem 28.3.2002 es wissentlich und willentlich unterließ, den nach § 92 Abs. 2 Satz 1
Aktiengesetz erforderlichen Insolvenzantrag ohne schuldhaftes Zögern, spätestens aber nach drei
Wochen, beim Amtsgericht als Insolvenzgericht zu stellen, machte er sich der vorsätzlichen
Verletzung der Insolvenzantragspflicht als Mitglied des Vorstandes einer Aktiengesellschaft nach
§ 401 Abs. 1 Nr. 2 Aktiengesetz schuldig.
175
Bei der Unfähigkeit der T AG, ihre Verbindlichkeiten im Wesentlichen zu begleichen, handelte es
sich spätestens seit dem 28.3.2002, wie der Angeklagte wusste, nicht mehr um eine
vorübergehende Zahlungsstockung, sondern um ein dauerhaftes Unvermögen, einen
wesentlichen Teil fälliger Verbindlichkeiten des Unternehmens zu begleichen, ohne konkrete
Aussicht auf grundlegende Besserung der Liquiditätslage.
176
V.
177
Bei der Strafzumessung hat die Kammer den Strafrahmen des § 401 Abs. 1 Aktiengesetz von
Geldstrafe von 5 Tagessätzen bis zu 360 Tagessätzen oder Freiheitsstrafe von einem Monat bis
zu drei Jahren zugrunde gelegt.
178
Bei der Strafzumessung hat die Kammer zu Gunsten des Angeklagten insbesondere folgende
Umstände berücksichtigt:
179
Der Angeklagte legte durch Angaben im Ermittlungs- und Zwischenverfahren ein Teilgeständnis
und in der Hauptverhandlung ein umfassendes Geständnis ab, das verfahrensabkürzend wirkte.
180
Er erhielt im T-Konzern unter schwierigsten wirtschaftlichen Bedingungen über einen langen
Zeitraum mit etwa 22.000 eine sehr große Zahl von Arbeitsplätzen im In- und Ausland. Bereits seit
seinem Eintritt in das damals noch als C6 AG firmierende Unternehmen als
Vorstandsvorsitzender im Februar 1997 bemühte er sich mit seinem Führungsteam um die
Sanierung des Konzerns, wobei ihm die schwache Eigenkapitalausstattung und dünne
Liquiditätsdecke von Anfang an besondere Schwierigkeiten bereitet hatten, die insbesondere im
letzten Geschäftsjahr durch den Einbruch der Nachfrage für Großdampferzeuger, Gaskraftwerke
und sonstige konventionelle Kraftwerke verschärft wurden.
181
Es wurden keine zusätzlichen Schäden ermittelt, die allein durch die Verschleppung der
Insolvenz entstanden und wirtschaftlich gesehen nicht auch ohne die Verschleppung der
Insolvenz entstanden wären.
182
Die Tat liegt mehr als sechs Jahre zurück. Sie führte dazu, dass der Angeklagte im Jahr 2002
bereits mit 54 Jahren als Organ einer Kapitalgesellschaft in seinem Heimatland aus allen seinen
diesbezüglichen Ämtern ausscheiden musste und hier für eine solche Position eine Verwendung
nicht mehr finden konnte.
183
Das umfangreiche Ermittlungs- und Strafverfahren belastete den Angeklagten auch ansonsten
nicht zuletzt wegen seiner langen Dauer und Öffentlichkeitswirkung empfindlich.
184
Der Angeklagte war bisher nicht bestraft, und er erklärte seine Bereitschaft zu den verhängten
Bewährungsauflagen einer Geldzahlung an die Staatskasse in Höhe von 250.000 € unter
Darlegung seiner Leistungsfähigkeit für diesbezügliche Ratenzahlungen und der Leistung von
1000 Stunden gemeinnützige Arbeit bei einer bekannten humanitären Organisation. Die
Anordnung dieser gewichtigen Bewährungsauflagen hat erheblichen sanktionsausgleichenden
Charakter.
185
Zu Lasten des Angeklagten hat die Kammer bei der Strafzumessung insbesondere Folgendes
berücksichtigt:
186
Die Verzögerung des erforderlichen Insolvenzantrages erstreckte sich zumindest über einen
Zeitraum von etwa zweieinhalb Monaten. Die von der Insolvenz betroffenen Forderungen der
nicht bevorrechtigten Gläubiger belaufen sich auf die sehr große Summe von etwa 2 Milliarden
Euro. Das Liquiditätsdefizit der T AG umfasste im Zeitraum der Zahlungsunfähigkeit einen hohen
Anteil von 31 bis 78 % der Verbindlichkeiten des Unternehmens gegenüber Konzern fremden
Dritten, wobei die nicht bedienten Verbindlichkeiten aus dem Cash Clearing mit einigen Dutzend
Konzerngesellschaften hierbei nicht einmal berücksichtigt waren. Im Zeitraum der festgestellten
Zahlungsunfähigkeit fehlten täglich hohe Geldbeträge zwischen zumindest 12 und 32 Millionen
Euro. Der Verantwortung zur Stellung des Insolvenzantrages versuchte der Angeklagte sich durch
Ausscheiden aus dem T Konzern zu entziehen, wobei er auf Grund der neuen Verträge mit der I
GmbH bei einem neuen 5-Jahres-Vertrag für die Zukunft keine Einbußen bei Festgehalt,
Tantieme und Altersversorgung hinnehmen musste und für den Fall eines vorzeitigen
Ausscheidens sich mit einer gleich hohen Abfindung absichern konnte.
187
Nach Abwägung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände hat die Kammer
gegen ihn eine tat- und schuldangemessene Freiheitsstrafe von
188
einem Jahr und sechs Monaten verhängt.
189
Die Vollstreckung der Freiheitsstrafe hat die Kammer gemäß § 56 Abs. 1 und Abs. 2 StGB zur
Bewährung ausgesetzt. Die Kammer erwartet, dass der Angeklagte sich schon die Verurteilung
zur Warnung dienen lassen und künftig auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine
Straftaten mehr begehen wird. Nach der Gesamtwürdigung von Tat und Persönlichkeit des
Angeklagten liegen zudem besondere Umstände für die Strafaussetzung zur Bewährung vor. Sie
ergeben sich durch eine Gesamtschau der positiven Strafzumessungsgesichtspunkte. Dabei fiel
auch ins Gewicht, dass der Angeklagte vor und nach seiner Tat nicht mehr straffällig geworden ist,
er sich ernsthaft für die Sanierung des in der Krise befindlichen Dax-Unternehmens und den
Erhalt einer sehr großen Zahl von Arbeitsplätzen eingesetzt hat und er durch Geständnis und
Bereitschaft zur Erfüllung gewichtiger Geld- und Arbeitsauflagen im Rahmen der Bewährung sich
seiner Verantwortung gestellt hat.
190
VI.
191
Die Kostenentscheidung folgt aus § 465 Abs. 1 Satz 1 StPO.
192