Urteil des LG Duisburg vom 14.10.2008

LG Duisburg: vermittler, wahrung der frist, örtliche zuständigkeit, vertragsabschluss, widerrufsrecht, wohnung, anfechtung, kündigung, beitrittserklärung, gesellschafter

Landgericht Duisburg, 8 O 51/07
Datum:
14.10.2008
Gericht:
Landgericht Duisburg
Spruchkörper:
8. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
8 O 51/07
Tenor:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 5.599,09 € nebst Zinsen in
Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem
23.08.2006 zu zahlen.Es wird festgestellt, dass der zwischen den
Parteien abgeschlossene Gesellschaftsvertrag vom 13.11.1998 über die
atypische stille Gesell-schaftsbeteiligung an der Beklagten,
Vertragsnummer , beendet ist und die Beklagte hieraus keine rechtlichen
Verpflichtungen mehr her-leiten kann.Im übrigen wird die Klage
abgewiesen.Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.Das Urteil
ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 %
des zu vollstreckenden Betrages.
T a t b e s t a n d :
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Der Kläger wurde im November 1998 von Herrn , einem Vermittler der , welche auch für
die Beklagte Anlageformen- bzw. Konzepte vermittelte, telefonisch kontaktiert.
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Der Kläger und Herr waren bereits seit dem Jahr 1997 geschäftlich miteinander bekannt.
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Herr und der Kläger vereinbarten einen Beratungstermin für den 13.11.1998 in der
Privatwohnung des Klägers.
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Der Kläger unterzeichnete am 13.11.1998 eine Beitrittserklärung, mit der er sich als
atypischer stiller Gesellschafter bei der Beklagten beteiligte.
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Der Kläger verpflichtet sich, ab dem 01.01.1999 über eine Laufzeit von 38 Monaten je
150 DM als Rateneinlage und über eine Laufzeit von 190 Monaten je 100 DM als
Rateneinlage zu leisten. Die komplette Zeichnungssumme sollte 22.800 DM zzgl. 8,5 %
agio (1938 DM) betragen.
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Ferner bestätigte der Kläger mit seiner Unterschrift den Erhalt eines Exemplars des
Emissionsprospektes der Beklagten und einer Kopie des Zeichnungsscheins sowie
seine Kenntnis hinsichtlich der im Prospekt angegebenen Angabenvorbehalte und
Risikohinweise, die Geschäftsgrundlage des Vertrages sind. Im Übrigen unterschrieb
der Kläger eine Widerrufsbelehrung. Auf die Vereinbarung hat der Kläger unstreitig
5599,09 € gezahlt.
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Seit dem Monat April 2006 kommt der Kläger seiner Rateneinlageverpflichtung nicht
mehr nach.
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Der Kläger meint, er sei zur Zahlung der ausstehenden Rateneinlagen nicht verpflichtet,
da er mit anwaltlichem Schreiben vom 08.08.2006 seine Willenserklärungen auf den
Beitritt zu der Beklagten wirksam widerrufen, hilfsweise angefochten oder gekündigt
habe.
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Bei dem Vertragsabschluss am 13.11.1998 habe es sich um ein Haustürgeschäft im
Sinne des § 1 I S. 1 HaustürWG gehandelt. Hierzu behauptet er, dass sämtliche
Vertragsgespräche in seiner Wohnung geführt worden seien und nicht etwa bereits am
Telefon über Einzelheiten der Anlagemöglichkeit gesprochen worden sei.
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Der Kläger in der Ansicht, dass er sein Widerrufsrecht mit anwaltlichem Schreiben vom
08.08.2006 wirksam ausgeübt habe und ihm daher ein Anspruch auf Rückabwicklung
des Vertrages zustehe. Die Widerrufsfrist sei zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgelaufen
gewesen, da ihm bei Vertragsabschluss keine den Anforderungen des
Haustürwiderrufsgesetzes genügende Widerrufsbelehrung ausgehändigt worden sei.
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Die Wiederrufsbelehrung sei sowohl formal als auch inhaltlich verwirrend, da die
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Belehrung nicht hervorgehoben sei und somit die Warnfunktion nicht erfülle. Zudem sei
nicht deutlich, wann die maßgebende Frist für den Widerruf zu laufen beginnen sollte.
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Daneben vertritt der Kläger die Auffassung, dass ihm ein Anspruch auf Schadensersatz
wegen eines Aufklärungsverschuldens des Vermittlers bei Vertragsabschluss zustehe,
welches sich die Beklagte zurechnen lassen müsse. Diesbezüglich behauptet er, dass
er nicht darüber aufgeklärt worden sei, sich als Gesellschafter an einem Unternehmen
zu beteiligen. Herr habe ihm mitgeteilt, dass nach Ablauf des Vertrages eine monatliche
Rentenzahlung sicher sei und dass es sich bei der Beteiligung um eine lukrative und
langfristige Anlage handele, mit der er sich im Alter eine zusätzliche Einnahmequelle
verschaffen und zudem Steuern sparen könne. Er sei daher davon ausgegangen, dass
es sich bei der Anlage um eine Art Lebensversicherung oder Bausparvertrag gehandelt
habe. Herr
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habe ihn nicht über die unklare Rechtslage, bedingt durch die Änderung des
Kreditwesengsetzes zum 01.01.1998, informiert, wonach eine ratierliche Auszahlung
überhaupt nicht mehr möglich gewesen sei. Auch sei er nicht über die Möglichkeit eines
Total- oder Teilverlustes aufgeklärt worden.
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Der Kläger behauptet weiter, dass ihm kein Emissionsprospekt ausgehändigt worden
sei und er auch nicht über das Vorhandensein eines solchen informiert worden sei. Er
habe daher seine Unterschriften geleistet, ohne dass der Vermittler irgendwelche
Erläuterungen dazu gemacht habe. Selbst für den Fall der Übergabe eines
Emissionsprospektes habe eine ordnungsgemäße Aufklärung durch den Vermittler nicht
stattgefunden.
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Nachdem der Kläger zunächst beantragt hat, die Beklagte zur Zahlung von 5.754,48 €
nebst Zinsen zu verurteilen, hat er die Klage in Höhe von 153,39 € zurückgenommen.
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Nunmehr beantragt er,
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die Beklagte zu verurteilen, an ihn 5.601,09 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-
Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.08.06 zu zahlen,
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festzustellen, dass der zwischen den Parteien abgeschlossene
Gesellschaftsvertrag vom 13.11.1998 über die atypische stille
Gesellschaftsbeteiligung an der Beklagten, Vertragsnr. , durch den Widerruf,
hilfsweise durch die Kündigung und Anfechtung, vom 08.08.2006, beendet worden
ist und die Beklagte hieraus keine rechtlichen Verpflichtungen mehr herleiten kann.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte trägt vor, dass der Vertragsabschluss zwischen dem Kläger und Herrn als
Vermittler kein Haustürgeschäft im Sinne des HaustürWG gewesen sei, da der Kläger
den Vermittler in dem zuvor geführten Telefonat zu sich bestellt habe.
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Er behauptet, bereits in dem Telefonat habe der Vermittler ausdrücklich auf eine im Jahr
1997 abgeschlossene Beteiligung hingewiesen, mit dem Hinweis, dass er eine neue
Anlagemöglichkeit für den Kläger habe. Der Kläger habe bereits zu diesem Zeitpunkt
gewusst, um welche Art von Anlage es sich handele. Bereits im Telefonat sei in Bezug
auf die wichtigsten Leistungen eine nähere Bestimmung der Anlage erfolgt.
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Der Kläger habe daraufhin ein konkretes Interessse an der Anlagemöglichkeit gezeigt
und sein Interesse an einem Vertragsabschluss geäußert. Deshalb sei ein
Beratungstermin vereinbart worden.
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Der Kläger sei zudem darauf hingewiesen worden, dass Beratungstermine außerhalb
der Geschäftsräume nur auf ausdrücklichen Wunsch des Kunden stattfänden.
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Die Beklagte ist deshalb der Ansicht, dass das Landgericht örtlich unzuständig sei.
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Sie ist zudem der Auffassung, dass die Voraussetzungen für ein Widerrufsrecht, eine
Anfechtung oder Kündigung weder damals noch heute vorgelegen haben.
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Die Beklagte behauptet, dass eine umfassende Aufklärung durch den Vermittler Herrn
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auch hinsichtlich der Gesellschafterstellung, der Widerrufsmöglichkeit und der
Anlagerisiken stattgefunden habe. Nach ihrem Kenntnisstand sei der Vermittler im
Hinblick auf die Anlagemöglichkeiten durch die Firma qualifiziert und geschult worden.
Der Vermittler sei daher aufgrund der Qualifizierung und Schulung in der Lage
gewesen, dem Kläger die Anlagemöglichkeit vollständig und ausgewogen zu erklären
bzw. Fragen des Klägers zutreffend und ausführlich zu beantworten. Auf eine Änderung
der Rechtslage durch das Kreditwesengesetzes zum 01.01.1998 habe der Vermittler
nicht hinweisen müssen, da bei der abgeschlossenen Anlageform grundsätzlich
vorgesehen gewesen sei, das Abfindungsguthaben in einem Mal auszubezahlen.
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Vorsorglich behauptet der Beklagte, dass eine Aufklärung über die Änderung der
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Rechtslage durch den Vermittler erfolgt sei.
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Selbst wenn die Voraussetzungen für einen Widerruf, eine Anfechtung oder eine
Kündigung zu irgendeinem Zeitpunkt vorgelegen hätten, seien diese mittlerweile
verjährt bzw. verwirkt.
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Auch nach den geltenden Verjährungsfristen bestehe – entgegen der Behauptung des
Klägers, erst im Jahr 2006 Kenntnis über seine Anlage erlangt zu haben – eine Kenntnis
bzw. grob fahrlässige Unkenntnis des Klägers seit November 1998, weshalb ein
mögliches Anfechtungsrecht mit Ablauf des 31.12.1999 verjährt sei. Sonstige etwaige
Ansprüche des Klägers seien spätestens zum 31.12.2004 verjährt.
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Für den Fall, dass eine Verjährung erst aufgrund einer später erlangten Kenntnis des
Klägers eingetreten sei, sei Verwirkung eingetreten.
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Hierzu behauptet die Beklagte, dass der Kläger mehr als sieben Jahre lang regelmäßig
vertragskonform die fälligen Rateneinlagen geleistet habe und keinerlei
Beanstandungen oder Nachfragen geäußert habe.
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Der Einwand des Klägers, dass eine Verwirkung mangels einer ordnungsgemäßen
Widerrufsbelehrung bzw. aufgrund einer Falschberatung durch den Vermittler nicht
gegeben sei, sei unzutreffend.
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Die Beklagte meint daher, dass dem Kläger weder ein Zahlungsanspruch noch ein
Feststellungsanspruch zustehe.
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Zur Höhe des Anspruchs behauptet die Beklagte, es seien ihr 30,-- €
Rückbelastungskosten entstanden.
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errn Perzl als Vermittler kein Haustürgschäft imH
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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Die Klage ist im wesentlichen begründet.
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1. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Rückzahlung von 5.599,09
€ gemäß § 3 Haustürwiderrufsgesetz, nach dem er den mit der Beklagten
abgeschlossenen Vertrag wirksam widerrufen hat.
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Für Verträge, die vor dem 1.10.2000 abgeschlossen worden sind, gelten die
Vorschriften des Haustürwiderrufsgesetzes in der bis dahin geltenden Fassung,
was hier der Fall ist, weil der Vertrag im Jahre 1998 geschlossen wurde. Der
sachliche Anwendungsbereich des Haustürwiderrufsgesetzes ist eröffnet, weil es
sich bei einem Beitritt zu einer stillen Gesellschaft, wenn die Beträge zum Zweck
der Ge-winnerzielung geleistet werden, um eine entgeltliche Leistung handelt. Der
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Vertrag ist auch in der Privatwohnung des Klägers abgeschlossen worden, wobei
unerheblich ist, dass bereits vorher Geschäftsbeziehungen bestanden. Denn im
vorliegenden Fall bildete die Unterschrift des Klägers auf den Vertrag in seiner
Wohnung nicht lediglich den formellen Abschluss eines Vertragsschlusses,
sondern es waren zuvor noch wesentliche Einzelheiten zu klären, was sich bereits
daraus ergibt, dass der Vertrag auszufüllen und zu erörtern war, den der Kläger am
13.11.1998 unterzeichnet hatte. Damit liegt eine Haustürsituation vor, womit auch
die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts gegeben ist.
Das Widerrufsrecht des Klägers ist nicht ausgeschlossen gemäß § 1 II Ziffer 1
Haustürwiderrufsgesetz. Soweit die Beklagte darauf abstellt, es hätte bereits vor
dem Hausbesuch ein Telefongespräch stattgefunden, bei dem dem Kläger von
dem Vermittler die Art der Anlage dargestellt worden sei, worauf dieser Interesse
gezeigt und den Vermittler in die Wohnung bestellt habe, ist dies unerheblich.
Denn angesichts dessen, dass es sich bei diesem Telefongespräch um ein von
dem Vermittler ausgehendes, unerbetenes Gespräch handelte, lag eine
sogenannte "provozierte Bestellung" vor, die das Widerrufsrecht nicht ausschließt.
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Der Widerruf ist wirksam durch Schreiben vom 8.8.2006 erklärt worden. Bis zu
diesem Zeitpunkt war der Vertrag schwebend unwirksam, weil der Kläger nicht
wirksam über sein Widerrufsrecht belehrt wurde.
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Die Widerrufsbelehrung des vom Kläger am 13.11.1998 unterzeichneten
Vertragsformulars lautet auszugsweise:
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"Meine Beitrittserklärung ... kann ich innerhalb einer Frist von 1 Woche nach
Unterzeichnung schriftlich widerrufen. Die Frist beginnt mit Aushändigung
eines Exemplars dieser Beitrittserklärung. Zur Wahrung der Frist genügt die
rechtzeitige Absendung."
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Darunter befindet sich die Unterschriftszeile. Unter dieser umrandeten
Widerrufsbelehrung befinden zwei weitere Unterschriftenzeilen. Mit der ersten
Unterschriftenzeile bestätigt der Vermittler, den Kunden über Vertragsbedingungen,
Angabenvorbehalte und Risiken unterrichtet zu haben und dem Kunden einen
Emissionsprospekt ausgehändigt zu haben. Mit der zweiten Unterschriftszeile
erklärt der Geschäftsführer der Beklagten, dass der Antritt auf Beitritt in die
Gesellschaft der Beklagten als atypisch stiller Gesellschafter angenommen wird.
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Damit ist für den rechtsunkundigen Kunden nicht offensichtlich, ab wann die Frist
für den Widerruf zu laufen beginnt: Nämlich mit seiner Unterschrift, der Unterschrift
des Vermittlers oder der des Geschäftsführers der Gesellschaft. Die Frist kann zwar
mit Aushändigung der Belehrung an den Kunden beginnen, aber nicht vor
Wirksamwerden seiner auf den Vertragsabschluss gerichteten Willenserklärung.
Der zwischen den Parteien abgeschlossene Vertrag konnte daher frühestens mit
der Annahmeerklärung des Geschäftsführers vom 17.11.1998 oder spätestens mit
dem Bestätigungsschreiben vom 24.11.1998 wirksam werden. Somit war für den
Kläger der Fristbeginn seines Widerrufsrechts nicht erkennbar, zumal dieser
abhängig beschäftigter Elektriker ist. Wie unklar die Belehrung insoweit ist, zeigt
die Rechtsansicht des Beklagtenvertreters im Schriftsatz vom 5.4.2007, wonach die
Frist entgegen dem Vorstehenden bereits mit Unterzeichnung durch den Kläger
beginnen soll.
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Aufgrund des wirksamen Widerrufes sind die empfangenen Leistungen gemäß § 3
Haustürwiderrufsgesetz zurück zu gewähren.
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Nach der Aufstellung des Klägers in der Klageschrift hat er 5.752,48 € an die
Beklagte gezahlt, wovon er sich auf Bestreiten der Beklagten 2 Raten in Höhe von
102,26 € und 51,13 € abziehen lässt. Danach verbleibt der zugesprochene Betrag
von 5.599,09 €.
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Soweit die Beklagte Rückbelastungskosten von 30,-- € verlangt, hat sie diese trotz
Bestreitens des Klägers nicht näher dargelegt oder belegt, so dass dieser Betrag
nicht in Abzug zu bringen war.
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2. Der Feststellungsantrag zur Beendigung des Vertragsverhältnisses ist hiernach
ebenfalls begründet.
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3. Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 288, 286 BGB, 92, 709 ZPO.
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