Urteil des LG Duisburg vom 10.10.2008

LG Duisburg: lebensversicherung, zustellung, aufwand, berechnungsgrundlage, sicherungsabtretung, mitwirkungspflicht, bruchteil, aufrechnung, erfüllung, sicherheit

Landgericht Duisburg, 7 T 175/08
Datum:
10.10.2008
Gericht:
Landgericht Duisburg
Spruchkörper:
7. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
7 T 175/08
Vorinstanz:
Amtsgericht Duisburg, 64 IN 65/06
Tenor:
Die sofortige Beschwerde des Schuldners vom 12.08.2008 gegen den
Beschluss des Amtsgerichts Duisburg vom 28. Juli 2008 wird
zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden dem Schuldner
auferlegt.
Streitwert für das Beschwerdeverfahren: 3.112,12 €
G r ü n d e :
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I.
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Mit Antrag vom 17.10.2006 beantragte das Finanzamt X die Eröffnung des
Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners. Grundlage des
Insolvenzantrags war eine festgesetzte Steuerforderung gegen den Schuldner in Höhe
von 38.068,41 €. Mit Beschluss vom 29.12.2006 beauftragte das Amtsgericht die
vorläufige Insolvenzverwalterin zunächst noch als Sachverständige mit der Aufklärung
des Sachverhaltes. Da der Schuldner an dieser Aufklärung nur teilweise mitwirkte und
zwischenzeitlich nicht erreichbar war bestellte das Amtsgericht mit Beschluss vom
3.7.2007 die Sachverständige zur vorläufigen Insolvenzverwalterin.
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Am 22.1.2008 nahm die Gläubigerin ihren Insolvenzantrag zurück, nachdem sich
aufgrund einer Aufteilung der Steuerschuld zwischen dem Schuldner und seiner
Ehefrau die gegen ihn bestehenden Steuerschulden auf "Null" reduziert hatten.
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Mit Antrag vom 1.2.2008 beantragte die Insolvenzverwalterin die Festsetzung ihrer
Vergütung auf einen Betrag von 3.112,34 €. Zur Begründung führte die
Insolvenzverwalterin aus, dass zur Masse auch ein vierprozentiger Massezufluss aus
der Verwertung einer Kapitallebensversicherung des Schuldners bei der M AG
zuzurechnen sei, weil sich ihre Tätigkeit auch in erheblichem Umfang mit diesem
Gegenstand befasst hätte. Zwar bestehe an der bei der M bestehenden
Lebensversicherung ein Absonderungsrecht der Banken. Ihre Tätigkeit habe sich
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jedoch im Wesentlichen auch darauf bezogen, zur Feststellbarkeit des
Absonderungsrechtes und zur Höhe der Rückvergütung Ermittlungen anzustellen, da
der Schuldner hierüber keine Auskunft erteilt habe, obwohl er hierzu aufgefordert
worden sei. In entsprechender Anwendung des § 171 Insolvenzordnung sei daher der 4-
%-Anteil des Rückkaufwertes in die Berechnung der Masse einzubeziehen. Unter
Berücksichtigung dieser erhöhten Masse ergebe sich die Regelvergütung in Höhe von
3.112,34 €. Dabei sei ein Zuschlag von 20 % des Regelsatzes ebenfalls zu
berücksichtigen, da erhebliche Aufklärungsmaßnahmen im Hinblick auf den nicht
mitwirkenden Schuldner erforderlich gewesen seien.
Mit dem angefochtenen Beschluss vom 28. Juli 2008 hat das Amtsgericht die Vergütung
entsprechend dem Antrag der vorläufigen Insolvenzverwalterin festgesetzt. Hiergegen
wendet sich der Schuldner mit seiner Beschwerde vom 12.8.2007 (GA 146 f.), mit der er
sich gegen die Höhe der festgesetzten Vergütung wendet. Zur Begründung führte der
Schuldner aus, dass bereits die Festsetzung der Vergütung der vorläufigen
Insolvenzverwalterin nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs unzulässig sei.
Dieser habe ausgeführt, dass allein ein materiell-rechtlicher Kostenerstattungsanspruch
des Insolvenzverwalters gegeben sei. Entsprechend sei eine Festsetzung der
Vergütung durch das Insolvenzgericht bereits zu unterlassen. Darüber hinaus sei die
Vergütung auch der Höhe nach nicht zutreffend festgesetzt. Insbesondere die
Lebensversicherung sei bei der Berechnung der Vergütung nicht zur Masse
einzubeziehen. Vielmehr habe der Schuldner auch hier über diesen
Vermögensgegenstand nicht zu verfügen, so dass die Berücksichtigung unangemessen
sei.
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Mit Beschluss vom 18.8.2007 (GA 151 f.) hat das Amtsgericht die Akten dem
Landgericht Duisburg zur Entscheidung über die Beschwerde vorgelegt.
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II.
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Die zulässige Beschwerde des Schuldners hat in der Sache keinen Erfolg und ist
deshalb zurückzuweisen.
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Die sofortige Beschwerde ist statthaft gemäß § 6 Insolvenzordnung, § 64 Abs. 3
Insolvenzordnung und auch im übrigen zulässig. Sie ist insbesondere rechtzeitig
eingelegt, da die Zustellung zunächst fehlerhaft an den Schuldner persönlich und nicht
an seinen Verfahrensbevollmächtigten erfolgte. Dieser hat nach Kenntniserlangung
jedoch fristgemäß Beschwerde gegen den angefochtenen Beschluss eingelegt, so dass
eine Unwirksamkeit der an den Schuldner persönlich erfolgten Zustellung gemäß §§
189, 172 ZPO, § 4 Insolvenzordnung als geheilt anzusehen ist.
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Die Beschwerde ist jedoch unbegründet. Das Amtsgericht war befugt, die Vergütung der
vorläufigen Insolvenzverwalterin auf deren Antrag festzusetzen. Darüber hinaus ist die
Festsetzung der Vergütung auch in der Höhe nicht zu beanstanden.
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Das Insolvenzgericht ist zur Festsetzung der Vergütung der vorläufigen
Insolvenzverwalterin gegenüber dem Schuldner befugt. Dies ergibt sich unmittelbar
aus § 21 Abs. 2 Nr. 1, § 64 Abs. 1 Insolvenzordnung. Danach setzt das
Insolvenzgericht die Vergütung und die zu erstattenden Auslagen des vorläufigen
Insolvenzverwalters durch Beschluss fest. (vgl. BGH NJW 2004, 1957/1959; BGH
NJW RR 2006, 1204; BGH NJW 2008, 583).
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Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der letztgenannten Entscheidung des BGH
vom 13.12.2007 (IX ZR 196/06 = NJW 2008, 583). Diese Entscheidung befasst sich
allein mit der Befugnis des Insolvenzgerichts, im Rahmen der Kostenentscheidung
oder eines gesonderten Beschlusses zum Abschluss des Eröffnungsverfahrens die
Vergütung und Auslagen des vorläufigen Insolvenzverwalters einem anderen als
dem Schuldner, also insbesondere dem antragstellenden Gläubiger, aufzuerlegen.
Die Zuständigkeit des Insolvenzgerichts zur Festsetzung dieser Vergütung und
Auslagen wird hierin jedoch nicht in Zweifel gezogen. Entsprechendes lässt sich
weder dem Sinn noch dem Wortlaut dieser Entscheidung entnehmen. Vielmehr ist
der BGH-Entscheidung zu entnehmen, dass durch das Insolvenzgericht keine
Auferlegung von Kosten in dem Sinne erfolgen kann, dass kostenrechtlich darüber
entschieden wird, dass der Schuldner die entsprechenden Auslagen zu tragen hat.
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1. Die Vergütung ist auch zur Höhe ordnungsgemäß festgesetzt. Insbesondere ist
entgegen der vom Schuldner vertretenen Auffassung bei der Berechnung der
Insolvenzmasse der Wert der Lebensversicherung zumindest anteilig zu
berücksichtigen.
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Die Vergütung der vorläufigen Insolvenzverwalterin ist auf der Grundlage eines
Regelsatzes zu ermitteln, der vom Wert der tatsächlich gesicherten Masse bei
Beendigung der vorläufigen Verwaltung abhängt (vgl. § 11 Abs. 1 InsolvenzVV).
Vermögensgegenstände, an denen bei Verfahrenseröffnung Aus- oder
Absonderungsrechte bestehen, werden der freien Masse hinzugerechnet, sofern der
vorläufige Insolvenzverwalter sich in erheblichem Umfang mit ihnen befasst hat (§ 11
Abs. 1 Satz 4 InsolvenzVV).
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Dementsprechend ist hier, in Übereinstimmung mit dem Vergütungsantrag der
vorläufigen Insolvenzverwalterin vom 1.2.2008 und dem Beschluss des Amtsgerichts,
auch die Lebensversicherung des Schuldners in die Berechnungsgrundlage der
Vergütung einzubeziehen. Dass die Rechte des Schuldners aus dieser
Lebensversicherung als Sicherheit für die Darlehensverbindlichkeiten Dritter an die
Volksbank T abgetreten sind und der Bank im Falle der Eröffnung des
Insolvenzverfahrens deshalb insoweit ein Absenderungsrecht zustünde (§ 51
Insolvenzordnung), hindert die Einbeziehung nicht. Die vorläufige
Insolvenzverwalterin hat sich während ihrer Tätigkeit in erheblichem Umfang mit der
Sicherung der Rechte aus der Lebensversicherung befasst. Sie hatte zwar bereits vor
ihrer Bestellung zur vorläufigen Insolvenzverwalterin durch das Schreiben der M AG
zum 20.4.2007 von der Existenz der Versicherung Kenntnis. Es waren jedoch
eingehende weitere Ermittlungen der Verwalterin erforderlich, um die Wirksamkeit
der Sicherungsabtretung und den Umfang der gesicherten Forderung festzustellen.
Dabei konnte die Verwalterin in keiner Weise auf die Auskünfte und die sonstige
Unterstützung des Schuldners zurückgreifen. Wie die Verwalterin im
Vergütungsantrag glaubhaft ausgeführt hat und vom Schuldner im
Beschwerdeverfahren nicht angegriffen wird, musste sie vielmehr ständig gegen die
Versuche des Schuldners angehen, sich seiner gesetzlichen Auskunfts- und
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Mitwirkungspflicht gemäß § 22 Abs. 3, § 97 Insolvenzordnung zu entziehen. Wegen
der Einzelheiten wird im Übrigen auf die umfassenden Ausführungen des
Amtsgerichts in der Nichtabhilfeentscheidung vom 18.8.2006 verwiesen.
Soweit das Amtsgericht ausführt, dass es unter diesen Umständen sogar vertretbar
gewesen wäre, den gesamten Wert der Lebensversicherung in die
Berechnungsgrundlage einzubeziehen kann dies dahinstehen. Jedenfalls ist es nicht
zu beanstanden, dass die Verwalterin sich darauf beschränkt hat, nur denjenigen
Bruchteil von 4 % anzusetzen, der im Falle einer Verfahrenseröffnung tatsächlich zur
Masse hätte gezogen werden können. Denn zumindest mit diesem
Massegegenstand hat sich die Insolvenzverwalterin umfassend befasst (vgl. §§ 166
Abs. 2, 171 Abs. 1 Insolvenzordnung).
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Der Berücksichtigung dieses Vermögensgegenstandes stehen auch die weiteren
Ausführungen des Schuldners zur Verhältnismäßigkeit der Vergütungsfestsetzung
nicht entgegen. Insbesondere hätte es in der Hand des Schuldners gelegen, durch
Erfüllung seiner Mitwirkungspflichten der Insolvenzverwalterin erhebliche Tätigkeiten
und Aufklärungsarbeiten zu ersparen, die dann dazu geführt hätten, dass der
entsprechende Vermögensgegenstand nicht als Masse hätte berücksichtigt werden
können. Allein durch das Verhalten des Schuldners wurde ein entsprechender
Aufwand der Insolvenzverwalterin veranlasst, so dass von einer
Unverhältnismäßigkeit der Festsetzung jedenfalls nicht ausgegangen werden kann.
Darin liegt auch kein Sanktionscharakter der entsprechenden Festsetzung. Vielmehr
wird hierbei alleinder tatsächlich vom Schuldner verursachte Aufwand berücksichtigt.
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Eine Erhöhung des Regelsatzes auf 45 % ist im Hinblick auf die erheblichen
Aufwendungen der Insolvenzverwalterin auch nicht zu beanstanden. Zur Vermeidung
von Wiederholungen wird im Übrigen auf die zutreffenden Ausführungen der
amtsgerichtlichen Entscheidung Bezug genommen.
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Eine Aufrechnung des Schuldners mit behaupteten Schadensersatzansprüchen
gegen die vorläufige Insolvenzverwalterin ist im vorliegenden Verfahren über die
Festsetzung der Vergütung zur Höhe grundsätzlich nicht zu berücksichtigten.
insoweit ist der Schuldner, anders als bei der behaupteten unberechtigten
Geltendmachung von Vergütungen für Sonderfachleute (vgl. BGH, NJW 2005, 903 f)
auf die Geltendmachung im ordentlichen Rechtsweg zu verweisen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich
aus §§ 4 Insolvenzordnung, 3 ZPO.
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