Urteil des LG Duisburg vom 05.03.2008

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Landgericht Duisburg, 3 O 233/07
Datum:
05.03.2008
Gericht:
Landgericht Duisburg
Spruchkörper:
3. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
3 O 233/07
Tenor:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des
jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
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Der Kläger erwarb aufgrund notariellen Kaufvertrages (Angebot vom 4.5.2005,
Urkundenrolle-Nr. , sowie Annahme vom 22.6.2004, Urkundenrolle-Nr. , beide: Notar
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die im Klageantrag bezeichnete Eigentumswohnung (Altbau) von der Beklagten zum
Preis von 108.200,00 €. Die Wohnung war zur Zeit des Kaufvertragsschlusses
vermietet.
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In § 4 des Angebotes, auf das wegen näherer Einzelheiten Bezug genommen wird, ist
Folgendes geregelt:
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"(1) Der Käufer hat das Kaufobjekt besichtigt; er kauft es im gegenwärtigen
gebrauchten Zustand, unabhängig von der im Grundbuch angegebenen
Grundstücksgröße.
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Die Rechte des Käufers wegen eines Sachmangels des Grundstücks und des
Gebäudes sind ausgeschlossen.
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Hiervon ausgeschlossen sind Ansprüche auf Schadensersatz aus der Verletzung
des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit, wenn der Verkäufer die
Pflichtverletzung zu vertreten hat, und auf Ersatz sonstiger Schäden, die auf einer
vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Pflichtverletzung des Verkäufers beruhen.
Einer Pflichtverletzung des Verkäufers steht die eines gesetzlichen Vertreters oder
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Erfüllungsgehilfen gleich.
Verkäufer sichert zu, den Zustand des Kaufobjektes selbst oder durch von ihm
beauftragte Dritte bis zum Besitzübergang nicht zu verschlechtern."
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Am 2.5.2006 kam es in dem Haus zu einem Brand. Zwei Wohnungen und ein Teil des
Daches und des Dachstuhles wurden nach dem Klagevortrag "schwer in Mitleidenschaft
gezogen".
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Mit Anwaltsschreiben vom 12.10.2006 (Bl. 6 d. GA.) begehrte der Kläger
Rückgängigmachung des Kaufvertrages und führte dazu aus:
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"Die Wohnungen weisen erhebliche Mängel auf, angebliche Vermietungen der
Wohnungen entpuppen sich als falsche Angaben.
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Mein Mandant hat Anspruch auf Rückgängigmachung des mit Ihnen
geschlossenen Kaufvertrages. Namens meines Mandanten erkläre ich die
Anfechtung des Kaufvertrages wegen arglistiger Täuschung und fordere Sie auf,
die Kaufpreissumme in Höhe von 131.000,00 € an meinen Mandanten
zurückzuerstatten unter Verwendung meiner im Briefkopf genannten
Bankverbindung."
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Mit Antrag vom 15.12.2006 begehrte der Kläger die Durchführung des selbständigen
Beweisverfahrens (13 OH 122/06 Landgericht Duisburg), in dem der
Bausachverständige aufgrund eines am 28.2.2007 durchgeführten Ortstermins unter
dem 20.3.2007 ein Gutachten erstattete, auf das wegen näherer Einzelheiten Bezug
genommen wird.
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Der Kläger behauptet:
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Das Gebäude sei bereits zum Zeitpunkt des Kaufvertragsschlusses mit erheblichen
Mängeln behaftet gewesen, die der Beklagten bzw. ihren Erfüllungsgehilfen, dem
Zeugen bekannt gewesen seien und die diese ihm arglistig verschwiegen hätten. Die
Wände seien zu schlank, erreichten nicht die notwendigen DIN-Werte und die
notwendige Feuerwiderstandsklasse. Im ganzen Objekt befinde sich echter
Hausschwamm. In den Wänden seien Risse, sowohl in den tragenden als auch in den
nicht tragenden Wänden. Um darüber hinwegzutäuschen, seien vor den eigentlichen
Wänden Gipsplatten und eine Paneelwand angebracht worden. Die Paneelwand sei
permanent durchlässt. Die Decken seien herabgehängt worden, unter der eigentlichen
Decke befänden sich weitere Deckenschichten, um Schäden zu verbergen. Die Statik
des Gebäudes sei fraglich, es bestehe Einsturzgefahr. In der Wohnung des Klägers
seien deutliche Zeichen von Bauteildurchfeuchtung erkennbar. Vor allem in Raum 1 an
der Außenwand sei ein deutlicher Schimmelbefall sichtbar. Der Schimmelrasen breite
sich flächig über den Wandbereich aus. Das gesamte Dach wäre in etwa zwei bis fünf
Jahren einfach heruntergefallen, bedingt durch die verfaulten Balken und Pfetten.
Bereits im Jahre 1999 habe es große Probleme am Mauerwerk des Objektes gegeben,
da Rissbildungen zu sehen gewesen seien und Brocken auf den Gehweg gefallen
seien. So sei der Eigentümer vom Oberbürgermeister der Stadt am 7.6.1999 darauf
hingewiesen worden, dass starke Rissbildungen in der Fassade bemerkt worden seien.
Darüber hinaus seien die Stahlträger stark korrodiert und durch Rostbildung erheblich
geschwächt. Dem Eigentümer sei klar aufgezeigt worden, dass eine Sanierung
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erforderlich sei. Der Schimmel im ganzen Haus, die verfaulten Balken, das marode
Dach, die Rostabsprengungen an den Trägern des Hauses und die Risse im
Mauerwerk seien vor dem Verkauf im Mai 2004 unübersehbar gewesen.
Eine Besichtigung der Wohnung vor dem Kauf habe aus fadenscheinigen Gründen
(Mieter habe Nachtschicht und würde gerade schlafen) nicht stattfinden können.
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Mit der Klage begehrt der Kläger Zug um Zug gegen Rückübereignung der
Eigentumswohnung Rückzahlung des Kaufpreises sowie weiterer im Zusammenhang
mit dem Erwerb aufgewandter Nebenkosten in Höhe von insgesamt 6.500,00 €.
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Der Kläger beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an ihn 114.700,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %
über dem Basiszinssatz Zug um Zug gegen Rückgabe und Rückübereignung der
Eigentumswohnung Nr. 10 in der straße , eingetragen im Grundbuch des
Amtsgerichts , Blatt , Gemarkung , Flur , Flurstück , zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie bestreitet, dass zum Zeitpunkt des Erwerbs der Eigentumswohnung durch den
Kläger die von dem gerügten Mängel vorhanden waren bzw. ihr bekannt gewesen
seien.
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Die Akten 13 OH 122/06 Landgericht Duisburg waren Gegenstand der mündlichen
Verhandlung.
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Die Kammer hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 16.11.2007 (Bl. 83 ff. d.
GA.) und 8.2.2008 (Bl. 142 d. GA.)
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Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschriften vom
16.1.2008 (Bl. 112 ff. d. GA.) und 5.3.2008 Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Die Klage ist nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme nicht begründet.
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Der Kläger hat gegenüber der Beklagten weder einen vertraglichen, noch
bereicherungsrechtlichen Rückabwicklungsanspruch bzw. Schadensersatzanspruch im
Hinblick auf die mit der Klage geltend gemachte Forderung (Kaufpreis zuzüglich
verschiedener mit dem Kauf zusammenhängender Nebenkosten).
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Im Hinblick auf den vertraglich vereinbarten Gewährleistungsausschluss (§ 4 Abs. 1 des
Vertrages) hätte der Kläger nur dann die mit der Klage geltend gemachten Rechte bzw.
einer aufgrund der erklärten Anfechtung sich ergebendes Rückabwicklungsrecht, wenn
der Beklagten als Verkäuferin oder in zurechenbarer Weise einem ihrer
Erfüllungsgehilfen, die in den Vertragsschluss bzw. die Vertragsverhandlung
eingebunden waren, das Vorhandensein der vom Kläger zum Zeitpunkt des
Vertragsschlusses als vorhanden behaupteten Mängel bekannt gewesen wäre und sie
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diese arglistig verschwiegen hätten (§§ 444, 123 BGB). Weitere Voraussetzung wäre
selbstverständlich, dass zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses die betreffenden Mängel
vorhanden gewesen wären.
Den ihm insoweit obliegenden Beweis hat der Kläger hingegen nicht geführt.
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Bereits das im Beweisverfahren 13 OH 122/06 Landgericht Duisburg eingeholte
Gutachten des Sachverständigen , der das Objekt am 28.2.2007, mithin zehn Monate
nach dem Brand besichtigt hat, trifft keine eindeutigen Aussagen darüber, dass die vom
Kläger gerügten Schimmel- und Feuchteschäden zum Zeitpunkt des Erwerbs der
Wohnung durch den Kläger bereits vorhanden bzw. erkennbar waren. Wie sich im
Rahmen der mündlichen Anhörung des Sachverständigen durch die Kammer ergeben
hat, war diesem auch bei der Begutachtung das nach Auffassung der Kammer nicht
unwesentliche Detail des Brandschadens vom 5.2.2006 in Verbindung mit den dortigen
Löscharbeiten vorenthalten worden, so dass der Sachverständige eine zum Teil
unfertige Baustelle besichtigt hat, dazu noch die leerstehende Wohnung des Klägers,
die vor der Besichtigung mindestens zehn Monate unbewohnt war, und daraus dann
Rückschlüsse auf den Zustand im Mai 2004 ziehen sollte, die sich dann – wie die
mündliche Anhörung ergeben hat – im Wesentlichen nur im spekulativen Bereich
bewegen konnten.
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Mit der konkreten Fragestellung, ob nämlich zur Zeit des Erwerbs der Wohnung durch
den Kläger im Jahre 2004 Feuchte-/Schimmelschäden sowie Hausschwamm
vorhanden waren und dies erkennbar für die Verkäuferin oder die sie vertretenden
Personen, hat der Sachverständige entgegen der diesbezüglichen Auffassung des
Klägers, die auf aus dem Zusammenhang herausgelösten Zitaten fußt, schlüssig und
nachvollziehbar folgende wesentlichen Feststellungen getroffen, die das Gericht sich
aufgrund eigener Überzeugungsbildung zu eigen macht:
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1)
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Die in der Wohnung des Klägers festgestellte Feuchtigkeit und zum Teil vorhandene
Schimmelpilzbildung mag bereits zum Zeitpunkt der Besichtigung durch den
Sachverständigen einige Wochen oder sogar Monate vorhanden gewesen sein,
vielleicht sogar maximal zwei Jahre, eine Ursache dafür (Löschwasser, monatelanges
Leerstehen der unbeheizten und unbelüfteten Wohnung, Eindringen von Feuchtigkeit
durch die Außenwände des Gebäudes) ist aber nicht eindeutig festzumachen.
Demzufolge steht nicht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass entsprechende
Feuchteschäden bzw. Schimmelpilzbildungen bereits zum Zeitpunkt des Erwerbs der
Wohnung durch den Kläger vorhanden waren.
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2)
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Soweit Schimmelpilz in Einzelfällen hinter der Rigipskonstruktion festzustellen war, ist
dies nicht unbedingt darauf zurückzuführen, dass man dort versucht hat, mittels Rigips
Mängel zu verstecken. Es kann auch durchaus sein, dass nach Aufbringen der
Lattenkonstruktion von innen auf der Außenwand und anschließendem Verschließen
des Hohlraums mit Rigipsplatten es in dem Hohlraum bzw. auf der Innenseite der
Außenwand zu Schimmelpilzbildung kommt, weil durch den veränderten Wandaufbau
der Taupunkt verlagert und Feuchtigkeit nach innen gezogen wird.
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3)
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Soweit der Kläger offensichtlich ins Blaue hinein bereits in der Klageschrift von einer
permanent durchnässten Paneelwand gesprochen hat, hat der Sachverständige dies im
Rahmen seiner mündlichen Anhörung (Seite 3 des Protokolls) nicht bestätigt. Er hat
ausdrücklich ausgeführt, dass auf dem Lichtbild Nr. 10, auf dem man einen Teil der
weggerissenen Holzwand sieht, Dämmstoffmaterial zu sehen ist, jedoch kein Schimmel,
und dass auch die Messwerte von dieser Stelle nicht für Feuchtigkeit gesprochen
hätten.
38
4)
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Festgestellte Risse in dem Gebäude sind eher als Schwund- oder Setzrisse
einzustufen, die durch thermische Einwirkung (Brand/Löscharbeiten) verstärkt worden
sein mögen, die aber keinesfalls Auswirkungen auf die Statik des Gebäudes gehabt
haben können.
40
5)
41
Der auf Bild 24 des Gutachtens abgebildete Balken muss nach den Ausführungen des
Sachverständigen schon seit Jahren mit Hausschwamm befallen gewesen sein. Bei
dem Balken handelt es sich – so der Sachverständige – um eine Fußpfette, die in einem
unausgebauten Dachstuhl normalerweise frei liegt, so dass man den Befall mit
Hausschwamm dann sehen können muss. Danach hätte zwar der Zustand des Balkens
im Jahre 2004 erkennbar gewesen sein müssen, wenn er nicht verdeckt gewesen war.
Nach der glaubhaften Aussage des Zeugen war das Dachgeschoss aber bereits vor
dem Brand ausgebaut und vermietet und die Fußpfetten dementsprechend durch
Drempel – bereits im Jahre 1985 – verkleidet. Von daher vermag die Kammer nicht zu
der Überzeugung zu gelangen, dass dem Zeugen bzw. der Geschäftsführerin der
Beklagten zum Zeit des Erwerbs der Wohnung Nr. 10 durch den Kläger der Befall des
betreffenden Balkens (Bild 24) mit Hausschwamm bekannt war. Auch die als Partei
vernommene Geschäftsführerin der Beklagten hat den diesbezüglichen Vortrag des
Klägers nicht bestätigt.
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6)
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Das Gebäude (Baujahr 1906) entsprach zum Zeitpunkt seiner Errichtung dem
damaligen Stand der Technik und hätte – so der Sachverständige – auch in den 60er-
Jahren noch so gebaut werden dürfen, so dass das denkbare Eindringen von
Feuchtigkeit durch die verklinkerte Außenfassade nicht auf einen zum Zeitpunkt des
Erwerbs durch den Kläger maßgeblichen Baumangel zurückzuführen ist, denn
hinsichtlich der Frage der Mangelhaftigkeit eines Bauwerkes ist auf den Stand der
Technik zum Zeitpunkt der Errichtung abzustellen, und kein Käufer eines Altbaus kann
eine Bauausführung nach dem Stand der Technik zur Zeit des Erwerbs (ca. 100 Jahre
später) erwarten, geschweige denn beanspruchen. Dass insoweit seitens der Beklagten
entsprechende Zusicherungen gemacht worden sind, macht der Kläger selbst nicht
geltend.
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6)
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Soweit der Sachverständige den Zustand des Gebäudes zum Zeitpunkt der
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Besichtigung (28.2.2007) als renovierungs- bzw. sanierungsbedürftig bezeichnet, kann
daraus schließlich auch nicht auf ein arglistiges Verschweigen von Mängeln bei Erwerb
der Wohnung durch den Kläger geschlossen werden, zumal der Sachverständige (vgl.
die Lichtbilder zu seinem Gutachten) eine nicht fertiggestellte Baustelle besichtigt hat,
ohne zu wissen, dass eine Sanierung im Hinblick auf einen Brandschaden im
Dachstuhl/Dachgeschoss im Gange war.
7)
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Soweit der Kläger schließlich darauf abstellt, dass die Stadt im Jahre 1999 auf starke
Rissbildungen in der Fassade hingewiesen habe sowie auf stark korrodierte und durch
Rostbildung erheblich geschwächte Stahlträger (vgl. auch das Schreiben des
Oberbürgermeisters vom 7.6.1999 (Bl. 78 f. d. GA.), die (Schriftsatz des Klägers vom
6.12.2007, Seite 2, Bl. 99 d. GA.) vor dem Verkauf im Mai 2004 "unübersehbar"
gewesen seien, steht dem einerseits die Aussage des Zeugen entgegen, wonach dieser
Bereich nach entsprechender Rüge seitens der Stadt saniert worden sei. Andererseits
muss der Kläger sich fragen lassen, wenn diese von außen (!) erkennbaren Mängel im
Mai 2004 "unübersehbar" waren, inwieweit er dann über deren Nichtvorhandensein
arglistig getäuscht werden konnte.
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Der Klagevortrag hinsichtlich des Vorhandenseins von Mängeln und diesbezüglichem
arglistigen Verschweigen auf der Beklagtenseite wird schließlich auch nicht durch die
Aussagen der Zeugen sowie die Angaben der Geschäftsführerin der Beklagten
bestätigt.
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Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge des § 91 ZPO durch vorläufig
vollstreckbares Urteil (§ 709 ZPO) abzuweisen.
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Streitwert: 114.700,00 €.
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