Urteil des LG Duisburg vom 05.09.2008

LG Duisburg: ohne aussicht auf erfolg, versicherungsvertrag, kündigung, widerruf, rückvergütung, auszahlung, verrechnung, bezugsrecht, zuwendung, auflage

Landgericht Duisburg, 7 T 133/08
Datum:
05.09.2008
Gericht:
Landgericht Duisburg
Spruchkörper:
7. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
7 T 133/08
Vorinstanz:
Amtsgericht Duisburg, 52 C 4691/07
Tenor:
Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des
Amtsgerichts Duisburg vom 27.05.2008 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden der Antragstellerin
auferlegt.
G r ü n d e :
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I.
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Die Antragstellerin begehrt als Treuhänderin über das Vermögen des Herrn die
Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine auf Auszahlung rückvergüteter
Versicherungsprämien gerichtete Klage gegen die Antragsgegnerin.
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Die Antragstellerin ist durch Beschluss des Amtsgerichts Halle-Saalkreis vom
25.10.2006 (59 IK1299/06) als Treuhänderin über das Vermögen des Schuldners
eingesetzt.
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Der Schuldner nahm Anfang 2005 bei der Antragsgegnerin einen Ratenkredit über eine
Darlehnssumme von 55.000,- € auf. Zugleich schloss der Schuldner am 21.01.2005 bei
der AG, einem Partnerunternehmen der Antragsgegnerin, einen
Restschuldversicherungsvertrag gegen die Risiken der Arbeitsunfähigkeit und
Arbeitslosigkeit ab. Von dem auszuzahlenden Darlehensbetrag der Antragsgegnerin
wurden Einmalbeiträge für die Versicherungen in Höhe von 3.298,00 € und 3.144,30 €
einbehalten und an die AG weitergeleitet. In § 5 der Versicherungsbedingungen wurde
für den Fall des Widerrufs und der Kündigung vereinbart, dass bei Widerruf die
Einmalbeiträge und bei Kündigung die sich zu diesem Zeitpunkt ergebende
Rückvergütung dem versicherten Kreditkonto gutgeschrieben werden sollten. Nach § 10
der Versicherungsbedingungen sollte die Versicherungsleistung zugunsten des
versicherten Kreditkontos bei der Antragsgegnerin erbracht werden.
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Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erklärte die Antragstellerin in ihrer Eigenschaft
als Treuhänderin gemäß § 103 InsO den Nichteintritt in den Versicherungsvertrag und
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begehrte die Rückzahlung der nicht verbrauchten Versicherungsprämien. Mit Schreiben
vom 17.07.2007 teilte die Antragsgegnerin mit, dass eine Rückvergütung in Höhe von
3.225,93 € erfolgt sei, die sie auf dem versicherten Konto gutgeschrieben habe, wodurch
sich ihre Forderung entsprechend reduziere.
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Die Antragstellerin ist der Auffassung, die Antragsgegnerin sei zur Auskehrung der
Versicherungsleistungen verpflichtet. Da die Forderung auf Rückvergütung erst nach
Insolvenzeröffnung entstanden sei, könne die Antragsgegnerin nach § 96 InsO eine
Verrechnung des Zahlungseingangs mit der offenen Forderung aus dem Kreditkonto
nicht mehr vornehmen. § 5 der Versicherungsbedingungen sei auch nicht anwendbar,
weil gerade keine Kündigung des Versicherungsvertrages erfolgt sei. Im Übrigen sei die
von der Antragsgegnerin durch die Verrechnung erlangte Befriedigung ihrer Forderung
jedenfalls nach § 130 InsO anfechtbar.
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Die Beklagte hat demgegenüber geltend gemacht, dass im Hinblick auf § 5 der
Versicherungsbedingungen der Schuldner nicht das Recht erlangt habe, über die
Versicherungsleistungen zu verfügen. Hieran müsse sich auch der Insolvenzverwalter
halten, der keine weitergehende Rechtsstellung erlangen könne.
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Mit dem angefochtenen Beschluss vom 27.05.2008 hat das Amtsgericht den Antrag auf
Bewilligung von Prozesskostenhilfe zurückgewiesen. Zur Begründung hat es
ausgeführt, dass ein Anspruch auf Auszahlung der Rückvergütung aus § 812 Abs. 1
BGB nicht gegeben sei. Die Antragsgegnerin habe die Zahlung im Hinblick auf §§ 5, 10
der Versicherungsbedingungen nicht ohne Rechtsgrund vereinnahmt. Vielmehr ergebe
sich das Bezugsrecht gerade aus diesen Bestimmungen. Folglich liege auch keine
Verrechnung im Sinne des § 96 InsO vor, weil diese Vorschrift nicht dazu führen solle,
dass der Insolvenzverwalter weitergehende Ansprüche erhalte als der Schuldner selbst.
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Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrer sofortigen Beschwerde, mit der sie
die Bewilligung von Prozesskostenhilfe weiter verfolgt. Sie wiederholt und vertieft ihr
erstinstanzliches Vorbringen. Ergänzend verweist sie darauf, dass sie – insoweit
unstreitig- gegenüber der Antragsgegnerin den Widerruf des Ratenkreditvertrages
erklärt habe. Die Widerrufserklärung sei auch fristgerecht erfolgt, weil in dem Vertrag
entgegen § 358 BGB nicht hinreichend darüber belehrt worden sei, dass es sich bei
dem Kreditvertrag und dem Versicherungsvertrag um verbundene Verträge handele, so
dass der Widerruf des einen Vertrages auch zur Unwirksamkeit des verbundenen
Vertrages führe.
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Mit Beschluss vom 01.07.2008 hat das Amtsgericht die Akten dem Landgericht Duisburg
zur Entscheidung vorgelegt.
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II.
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Die gemäß § 127 ZPO statthafte und im Übrigen zulässige Beschwerde der
Antragstellerin hat in der Sache keinen Erfolg und ist deshalb zurückzuweisen. Die
Antragstellerin hat gegen die Antragsgegnerin keinen Anspruch auf Zahlung von
3.225,93 €, so dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung in der Sache ohne Aussicht auf
Erfolg ist, § 114 ZPO.
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Die Antragstellerin kann gegen die Antragsgegnerin keine Ansprüche aus §§ 355, 358,
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346 f. BGB wegen Widerrufs auf Auszahlung der Versicherungsbeiträge geltend
machen.
Dabei kann im Ergebnis offen bleiben, ob die Widerrufserklärung der Antragstellerin
wirksam erfolgte und auch den Versicherungsvertrag als verbundenes Geschäft
erfasste. Auf die in Literatur und Rechtsprechung umstrittene Frage, ob
Verbraucherdarlehensvertrag und Restschuldversicherung wegen der Finanzierung der
Versicherungsbeiträge aus dem Darlehensbetrag als verbundenes Geschäft anzusehen
sind (zustimmend OLG Rostock NJW-RR 2005, 1416; OLG Schleswig, Urteil vom
26.04.07, 5 U 162/06 = NJW-RR 2007,1347 f.; LG Hamburg, Urteil vom 11.07.2007, 322
O 43/07, a.A. Lange, Schmidt: BKR 2007, 493 f. mit weiteren Nachweisen), kommt es
deshalb nicht an, weil auch im Falle eines wirksamen Widerrufs gemäß Ziffer 5 der
Versicherungsbedingungen eine wirksame Übertragung des Bezugsrechts für die
Versicherungsleistungen auf die Antragsgegnerin erfolgt ist, wie noch auszuführen ist.
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Die Antragstellerin kann gegen die Antragsgegnerin keinen Anspruch des Schuldners
auf Auszahlung der Rückvergütung der Prämien gemäß § 812 Abs. 1 S. 1 1. Alt BGB
geltend machen.
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Die Antragsgegnerin hat die Leistung der AG nicht ohne Rechtsgrund erlangt. Ein
Rechtsgrund für die Vereinnahmung der Leistung ergibt sich aus § 5 der
Versicherungsbedingungen i.V.m. §§ 328, 329 BGB.
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Diese Bestimmung ist im Zusammenhang mit § 10 der Versicherungsbedingungen
gemäß §§ 133, 157 BGB dahingehend auszulegen, dass der Antragsgegnerin
unwiderruflich das Bezugsrecht aus dem Versicherungsvertrag sowohl hinsichtlich der
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Versicherungsleistung als auch hinsichtlich eventueller Prämienrückzahlungen
übertragen werden sollte. Aus dem Umstand, dass der Versicherungsvertrag allein der
Sicherung des Kreditkontos dienen sollte, ergibt sich, dass die Bestimmungen allein
dahin verstanden werden können, dass die Bezugsrechte aus der Versicherung für den
Leistungsfall, den Kündigungsfall und den Fall des Widerrufs gemäß §§ 328, 329 BGB
auf die Antragsgegnerin übertragen werden sollten. Diese Übertragung sollte auch für
jede der Situationen unwiderruflich geschehen, da im Hinblick auf den
Sicherungszweck eine Auszahlung an den Schuldner zu keinem Zeitpunkt in Betracht
kommen sollte.
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§ 5 des Versicherungsvertrages findet auf die vorliegende Fallgestaltung auch
Anwendung. Insbesondere ist sie nicht wegen § 103 InsO unanwendbar.
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Sofern entsprechend dem Vorbringen der Antragstellerin in der Beschwerde von einem
wirksamen Widerruf auszugehen sein sollte, ergibt sich das Bezugsrecht der
Antragsgegnerin aus § 5 Ziffer 1. der Versicherungsbedingungen. Die Klausel bleibt
auch trotz der Wandlung des Vertrages in ein Rückabwicklungsverhältnis wirksam,
denn sie trifft gerade eine dem Sicherungszweck entsprechende Regelung für den
Widerrufsfall.
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§ 5 Ziffer 2 der Versicherungsbedingungen ist aber auch anzuwenden, wenn ein
wirksamer Widerruf nicht vorliegen sollte. Die Erklärung der Antragstellerin, den
Versicherungsvertrag nach § 103 InsO nicht durchführen zu wollen, ist als Kündigung
des Vertrages auszulegen.
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Will der Insolvenzverwalter einen Versicherungsvertrag beenden, muss er diesen
kündigen. Die frühere gegenteilige Rechtsprechung, die eine Kündigung nicht für
erforderlich hielt, ist im Hinblick auf die aktuelle Rechtsprechung des BGH überholt, weil
danach der Versicherungsvertrag durch die Insolvenzeröffnung nicht erlischt, sondern
die Vertragsansprüche nicht durchsetzbar werden. Eine Erfüllungsablehnung durch den
Insolvenzverwalter ist daher als Kündigung des Vertrages auszulegen (vgl. Huber in
Münchener Kommentar, 2. Auflage, 2008 § 103 InsO Rn. 118 mit weiteren Nachweisen;
Elfring NJW 2005, 2192).
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Folge der Kündigung ist, dass aufgrund des der Antragsgegnerin unwiderruflich erteilten
Bezugrechts dieser gemäß §§ 328, 329 BGB der Anspruch auf Rückgewähr der
Versicherungsprämien zustand (vgl. Huber in MüKo a.a.O.; Elfring NJW 2005,
2192/2194; Palandt/Gründeberg § 330 Rn. 6 a.E.).
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Ein Rückforderungsanspruch ergibt sich deshalb auch nicht im Hinblick auf § 96 InsO.
Denn die Antragsgegnerin hat durch die Verrechnung der Zahlung der Versicherung auf
dem Kreditkonto nicht mit ihrer Forderung gegenüber einem Rückforderungsanspruch
des Schuldners aufgerechnet, sondern hat eine in ihr Vermögen übergegangene
Zahlung infolge der eingetretenen Erfüllungswirkung von dem Kreditkonto in Abzug
gebracht.
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Die Vereinnahmung der Summe durch die Antragsgegnerin ist auch nicht nach § 130
InsO anfechtbar, so dass sich aus diesem Grund ein Rückforderungsanspruch ergeben
könnte. Denn die Einräumung des Bezugsrechts erfolgte nicht in dem
Anfechtungszeitraum des § 130 InsO und auf den Zufluss der Zahlung ist als Erfüllung
des eingeräumten Bezugsrechts nicht abzustellen.
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Grundsätzlich scheidet allein die Deckung unanfechtbarer Absonderungsrechte bei der
Berücksichtigung einer anfechtbaren Handlung aus, weil der nach § 47 InsO
absonderungsberechtigte Gläubiger nicht als Insolvenzgläubiger im Sinne des § 130
InsO anzusehen ist. Danach ist für die Frage der Anfechtbarkeit der Zuwendung auf den
Zeitpunkt der Erlangung des Absonderungsrechtes, nicht auf den Zeitpunkt der
Deckung abzustellen (vgl. Uhlenbruck/Hirte 12. Auflage § 130 Rn. 28;
Palandt/Grüneberg § 330 Rn. 6).
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Die Zuwendung des unwiderruflichen Bezugsrechts, das das Absonderungsrecht der
Antragstellerin begründete, erfolgte aber außerhalb des Anfechtungszeitraums; auf den
tatsächlichen Zufluss der Zahlung nach Insolvenzeröffnung kommt es nicht an.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.
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