Urteil des LG Duisburg vom 02.10.2008

LG Duisburg: klinik, treu und glauben, behandlung, kur, avb, versicherungsschutz, zusage, gehalt, abgrenzung, obliegenheit

Landgericht Duisburg, 12 S 51/08
Datum:
02.10.2008
Gericht:
Landgericht Duisburg
Spruchkörper:
12. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
12 S 51/08
Vorinstanz:
Amtsgericht Duisburg, 74 C 2888/07
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das am 14.03.2008 verkündete Urteil
des Amtsgerichts Duisburg – Az.: 74 C 2888/07 – wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
G r ü n d e :
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I.
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Wegen der tatsächlichen Feststellungen wird Bezug genommen auf das angefochtene
Urteil (Bl. 99 d. A.). Im übrigen wird von einer Darstellung des Sach- und Streitstandes
gemäß §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 ZPO abgesehen.
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II.
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Die Berufung ist zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.
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Das angefochtene Urteil beruht weder auf einer Rechtsverletzung gemäß § 546 ZPO
noch rechtfertigen die gemäß § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere
Entscheidung, § 513 Abs. 1 ZPO.
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Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung von
Krankenhaustagegeld.
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1.
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Zu Recht und mit zutreffender Begründung führt das erstinstanzliche Urteil aus, dass die
Beklagte gemäß § 4 Abs. 5 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) von der
Leistung frei ist, da sie mangels Mitteilung der Klägerin vor Beginn der Behandlung
keine schriftliche Leistungszusage erteilt hat. Eine solche wäre jedoch nach § 4 Abs. 5
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AVB, der gleichlautend ist mit § 4 Abs. 5 MB/KK, erforderlich gewesen, da aufgrund des
Vortrages der Parteien davon auszugehen ist, dass es sich bei der Klinik in um eine
gemischte Anstalt im Sinne der vorgenannten Versicherungsbedingungen handelt, die
neben stationären Heilbehandlungen auch Kuren bzw. Sanatoriumsbehandlungen
durchführen oder Rekonvaleszente aufnehmen.
Nach der Rechtsprechung des BGH zu der Abgrenzung zwischen
Krankenhausbehandlung von Kur- und Sanatoriumsaufenthalten (NJW 1995, 3057 ff.),
schließen beide einander nicht aus, so dass es maßgeblich auf die Ausgestaltung der
Behandlung einschließlich des äußeren Rahmens ankommt, in der diese stattfindet.
Eine Krankenhausbehandlung ist danach dadurch gekennzeichnet, dass sie unter
behandlungsbedingtem besonders intensiven Einsatz des medizinischen Personals
stattfindet. Der Behandlungsverlauf unterliegt ständiger ärztlicher Überwachung,
insbesondere durch tägliche Visiten. Der Patient wird regelmäßig durch die Behandlung
in Anspruch genommen, sein Tagesablauf wird durch die Notwendigkeit der ständigen
medizinischen und ärztlichen Betreuung und Behandlung bestimmt. Dem gegenüber
stellt eine Kur- und Sanatoriumsbehandlung hinsichtlich der Intensität des Einsatzes
von medizinischem Personal und besonderer medizinisch-technischer Geräte geringere
Anforderungen. Die Patienten haben sich vielfach bereits zuvor einer
Krankenhausbehandlung unterzogen. Kur- und Sanatoriumsbehandlungen sind
vielmehr zumeist auf spezielle Heilanwendungen unter heilklimatisch günstigen
Vorbedingungen ausgerichtet, deren Anforderungen auch die weitere Ausstattung und
Ausgestaltung der Einrichtung bestimmen. Der Heilerfolg einer Kur wird schließlich
auch von einer geregelten Lebensweise, dem Herauslösen aus der gewohnten
Umgebung und dem Fernhalten von schädlichen Umwelteinflüssen erwartet.
Regelmäßig ist es dem Patienten auch gestattet, die Einrichtung zu Spaziergängen zu
verlassen.
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Unter Beachtung der vorgenannten Abgrenzung hat die Beklagte substantiiert dargelegt,
dass es sich bei der Klinik um eine gemischte Anstalt im Sinne des § 4 Abs. 5 AVB bzw.
§ 4 Abs. 5 MB/KK handelt. Insbesondere ergibt sich aus dem Internetauftritt, dass die
Klinik auch Behandlungen für "Schmerzsyndrome nach Wirbelsäulenoperationen und
Halswirbelsäulenverletzungen" anbietet, woran sich zeigt, dass auch Rekonvaleszente
in der Klinik behandelt werden. In der Zusammenschau mit den weiteren
Therapieangeboten und dem gesamten, aus dem Interntauftritt ersichtlichen
Therapiekonzept sowie dem äußeren Rahmen der Behandlungen, hat das Amtsgericht
zutreffend darauf geschlossen, dass es sich um eine gemischte Anstalt im Sinne der
AVB handelt. Die entsprechende Darlegung durch Zugrundelegung von
Internetauftritten ist zulässig und geeignet und bedarf insoweit keines
Sachverständigenbeweises (OLG Koblenz, VersR 2008, 108 ff.; OLG Karlsruhe, VersR
2006, 1203 ff.) Zwar ist letztlich maßgeblich, welche Leistungen tatsächlich ausgeführt
werden. Der Präsentation der Klinik nach außen kommt insoweit aber Beweiswert zu
(so die vorgenannten Entscheidungen).
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Dem durch die Beklagte mit den vorgelegten Unterlagen geführten Beweis ist die
Klägerin nicht durch substantiiertes Bestreiten entgegentreten, so dass dem
Beweisantritt durch den Zeugen, Geschäftsführer der Klinik, nicht nachzugehen war.
Zwar benennt die KIägerin in der Berufungsschrift vom 06.05.2008 den Zeugen auch für
die behauptete Tatsache, dass in der Klinik keine Kur- und Rehabilitationsmaßnahmen
durchgeführt werden. Dieses wäre an sich einem Zeugenbeweis zugänglich. Jedoch ist
die diesbezügliche Behauptung der Klägerin im Hinblick auf den detaillierten und durch
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Vorlage des Internetauftritts und eines Sachverständigengutachtens belegten Vortrages
der Beklagten unsubstantiiert. Es hätte hier einer näheren Darlegung bedurft, warum
und inwieweit die in dem Internetauftritt genannten Leistungen, die den äußeren
Anschein einer Durchführung von Kur- und Rehabilitationsmaßnahmen begründen,
gerade nicht diesem Zweck dienen. Auch wenn sicherlich hier keine übersteigerten
Anforderungen an die Darlegungslast des medizinisch unkundigen Patienten gestellt
werden dürfen, so wäre doch zumindest zu erwarten gewesen, dass die Klägerin den
Klinikbetrieb, wie sie ihn selbst erlebt hat, darstellt und damit oder durch anderweitige
Darlegungen den Behauptungen der Beklagten entgegentritt. Sie beschränkt sich aber
darauf, den Inhalt der vorgelegten Patientenmitteilung der Klinik zu wiederholen, der
aber nicht ausreichend ist, dem Vorbringen der Beklagten entgegenzutreten. Die
Vorlage des Gutachtens des Dr. aus einem anderen Verfahren ist ebenfalls nicht
geeignet, den Vortrag der Klägerin zu substantiieren, da sich dieses im Ergebnis auf die
Zugrundelegung der Angaben der Klinik beschränkt, obwohl zugleich die Möglichkeit
der Durchführung von Kur-, Sanatoriums- und Rehabilitationsbehandlungen für möglich
erachtet werden, und daher nicht nachvollziehbar ist.
Ein entsprechender Hinweis des Amtsgerichts bezüglich der erforderlichen
Substantiierung war nicht erforderlich, da die Klägerin erkannt hat, dass es auf die Frage
der Ausgestaltung der Klinik entscheidend ankommt, sich aber dennoch auf allgemeine
Behauptungen beschränkt hat.
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Sofern die Berufung rügt, dass das Amtsgericht den Vortrag der Klägerin, dass "mit
Nichtwissen bestritten (wird), dass die Klinik (...) zum Zeitpunkt der stationären
Behandlung der KIägerin ebenfalls die Kriterien einer "gemischten Anstalt" im Sinne
von § 4 Abs. 5 AVB erfüllte", missachtet habe, hat sie hiermit keinen Erfolg. Dieses
Bestreiten ist im Hinblick auf den beklagtenseits zur Akte gereichten Ausdruck der
Internetseite der Klinik, aus dem sich eindeutig ergibt, dass Kurleistungen angeboten
werden, zu pauschal. Um substantiiert vorzutragen hätte es zumindest der Darlegung
bedurft, welche Leistungen entgegen der Internet-Darstellung gerade nicht angeboten
wurden.
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Auch eine Notfallbehandlung, die das Erfordernis einer vorherigen Leistungszusage
entfallen lassen könnte, lag nicht vor. Hiergegen spricht bereits der Zeitablauf von etwa
zwei Monaten zwischen der im März 2006 aufgetretenen akuten Schmerzsymptomatik
und der Behandlung in der Klinik vom 11.05.2006 bis zum 03.06.2006. Dass im Mai
2006 eine erneute akute Erkrankung aufgetreten wäre, die die Einweisung in eine
andere als die Klinik unmöglich gemacht hätte, hat die Klägerin nicht vorgetragen. Allein
der Umstand, dass die ursprünglich vorgesehene Klinik "kurzfristig" keine Kapazitäten
frei hatte, lässt das Aufsuchen einer anderen Klinik, die zweifelsfrei die
Voraussetzungen für eine Leistungspflicht der Beklagten erfüllt, nicht unmöglich
erscheinen.
15
2.
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Des weiteren hat die Berufung keinen Erfolg mit ihrer Einwendung, es handele sich bei
der Regelung des § 4 Abs. 5 AVB um eine "verhüllte Obliegenheit" (mit
Verschuldenserfordernis) und nicht um einen Risikoausschluss. Die Kammer schließt
sich insoweit der in der obergerichtlichen Rechtsprechung vorherrschenden Meinung
an, dass ein Risikoausschluss vorliegt, da § 4 Abs. 5 AVB gerade der Begrenzung des
Risikos des Versicherers gilt (vgl. OLG Saarbrücken, Urt. v. 19.07.1006, Az. 5 U 53/06;
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OLG Köln, Urt. v. 26.11.1992, Az. 5 U 131/92).
Bei der Unterscheidung zwischen einer Obliegenheit und einer Risikobegrenzung
kommt es nicht auf Wortlaut und Stellung einer Versicherungsklausel an. Entscheidend
ist vielmehr der materielle Gehalt der einzelnen Klauseln (OLG Saarbrücken, a. a. O). Es
kommt darauf an, ob die Klausel eine individualisierende Beschreibung eines
bestimmten Wagnisses enthält, für das der Versicherer Versicherungsschutz gewähren
will, oder ob sie in erster Linie ein bestimmtes Verhalten des Versicherungsnehmers
fordert, von dem es abhängt, ob er einen bereits zugesagten Versicherungsschutz
behält oder ob er ihn verliert (OLG Saarbrücken, a. a. O.). Wird von vornherein nur
ausschnittsweise Deckung gewährt und nicht ein gegebener Versicherungsschutz
wegen nachlässigen Verhaltens wieder entzogen, so handelt es sich um eine
Risikobegrenzung (BGH, Urteil v. 24.05.2000 – IV ZR 186/99 – VersR 2000, 96; BGH,
Urteil vom 14. Dezember 1994 - IV ZR 3/94 - VersR 1995, 328 unter II 2 a; vgl. auch
BGHZ 51, 356, 360; BGH, Urteile vom 17. September 1986 - IVa ZR 232/84 - VersR
1986, 1097 unter II 2 a; vom 9. Dezember 1987 - IVa ZR 155/86 - VersR 1988, 267 unter
II).
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Gem. § 4 Abs. 5 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die
Krankenhaustagegeldversicherung wird in gemischten Anstalten von vornherein
lediglich Versicherungsschutz gewährt, wenn vor Beginn der Behandlung eine
schriftliche Zusage erteilt worden ist. Nach dem materiellen Gehalt der Klausel wird also
kein Verhalten des Versicherungsnehmers verlangt, von dem es abhängt, ob ihm ein
schon gegebener Versicherungsschutz wieder entzogen wird; statt dessen wird schon
der Beginn des Versicherungsschutzes davon abhängig gemacht, dass eine schriftliche
Zusage erfolgt ist. Andernfalls wird ausschnittsweise von vornherein kein
Versicherungsschutz versprochen.
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3.
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Des weiteren hat die Klägerin keinen Erfolg mit ihrem Einwand, die Kur- und Reha-
Einrichtungen stünden in keinem Zusammenhang mit ihrer Behandlung.
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Insoweit kann dahin stehen, ob in einem solchen Fall die Berufung des Versicherers auf
das Fehlen einer Leistungszusage ausgeschlossen ist. Denn der Vortrag der Klägerin
ist unsubstantiiert und nicht geeignet, die Behauptung nachvollziehbar zu begründen.
Dazu hätte es der konkreten Darlegung bedurft, welche Behandlung durchgeführt
worden ist und inwiefern der Zusammenhang zu den Kureinrichtungen fehlt. Die
pauschale Behauptung, ein Zusammenhang bestehe nicht, ist nicht ausreichend für
einen schlüssigen Vortrag.
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4.
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Schließlich folgt eine Zahlungsverpflichtung der Beklagten auch nicht aus den
Grundsätzen von Treu und Glauben, § 242 BGB, insbesondere unter den
Gesichtspunkten des widersprüchlichen Verhaltens oder einer fehlerhaften
Ermessensausübung der Beklagten.
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Das Amtsgericht hat zu Recht erkannt, dass es an einem treuwidrigen Verhalten der
Beklagten fehlt, da diese zu jeder Zeit auf ihre Leistungsfreiheit hingewiesen und
lediglich eine Prüfung auf freiwilliger Basis angekündigt hat.
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Dem steht die Rechtsprechung anderer Gerichte nicht entgegen. Denn anders als hier
gab es z. B. in dem dem Urteil des OLG Köln v. 09.03.1989, Az. 5 U 138/88,
zugrundeliegenden Fall eine ausdrückliche Erklärung der Versicherung, auf das formale
Erfordernis der vorherigen Leistungszusage zu verzichten, wenn sie nach erneuter
Prüfung zu dem Ergebnis komme, dass eine medizinische Notwendigkeit der
Behandlung zu bejahen ist. Auch nach Auffassung der Kammer handelt eine
Versicherung widersprüchlich, wenn sie zunächst erklärt, sich auf die fehlende Zusage
nicht berufen zu wollen, dann aber doch im Hinblick auf das Fehlen der Zusage die
Leistung verweigert. Diese Voraussetzungen waren jedoch vorliegend nicht gegeben.
Wie das Amtsgericht zutreffend ausführt, hat die Beklagte jederzeit darauf hingewiesen,
wegen der fehlenden Leistungszusage nicht verpflichtet zu sein. Allein aus Kulanz wolle
man prüfen, ob eine freiwillige Zahlung in Betracht komme. Sie hat also gerade nicht
erklärt, sich auf das Fehlen der Zusage nicht berufen zu wollen, sondern wiederholt
darauf hingewiesen, dass ein Anspruch nicht bestehe, sondern lediglich eine
Kulanzregelung in Betracht komme.
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Darüber hinaus kann die Klägerin der Beklagten nicht vorwerfen, die Prüfung einer
Kulanzregelung treuwidrig abgebrochen zu haben, da sie selbst mit Schreiben vom
30.09.2006 mitgeteilt hat, die gestellten Fragen nicht beantworten zu wollen. Sie hat
sich damit durch eigenes Verhalten der Chance auf eine Zahlung aus Kulanz begeben.
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5.
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Da der Klägerin kein Anspruch auf Zahlung des Krankentagegeldes gegen die Beklagte
zusteht, hat sie auch keinen Anspruch auf Erstattung außergerichtlicher
Rechtsanwaltskosten oder Kosten für ärztliche Berichte.
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III.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
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IV.
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Der Streitwert für die Berufung wird auf 1.227,12 EUR festgesetzt.
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