Urteil des LG Duisburg vom 15.10.2009

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Landgericht Duisburg, 6 O 377/08
Datum:
15.10.2009
Gericht:
Landgericht Duisburg
Spruchkörper:
6. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
6 O 377/08
Tenor:
Das Versäumnisurteil vom 20.02.2009 wird aufgehoben. Die Klage wird
abgewiesen.
Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen. Davon
ausgenommen sind die Kosten der Säumnis, die die Beklagte zu tragen
hat.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Beklagte jedoch nur gegen
Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden
Betrages. Die Beklagte darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung
in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages
abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in
Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
T a t b e s t a n d
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Der Kläger, der durch Beschluss des Amtsgerichts Mosbach vom 04.09.2007
(Aktenzeichen 1 IN 117/07) zum Insolvenzverwalter über das Vermögen der (im
Folgenden: Insolvenzschuldnerin) bestellt ist, macht als solcher einen Anspruch der
Insolvenzschuldnerin auf Einzahlung einer Stammeinlage geltend.
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Am 29.09.2006 beschloss die Gesellschafterversammlung der Insolvenzschuldnerin
eine Erhöhung des Stammkapitals um 30.000,- EUR auf 55.000,- EUR, wobei sie allein
die Beklagte zur Übernahme der neuen Stammeinlage zuließ. Am gleichen Tag
überwies die Beklagte den Betrag unter dem Verwendungszweck "Stammkapital" auf
das Konto der Gesellschaft bei der Sparkasse , Kontonummer , an die
Insolvenzschuldnerin. Dass Konto befand sich zum Zeitpunkt der Einzahlung mit etwa
80.000,00 EUR im Soll und wies am 29.09.2006 unter Berücksichtigung der
Überweisung ein Sollsaldo von 60.062,79 EUR auf.
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In der Folgezeit gewährte die Beklagte der Insolvenzschuldnerin zwei Darlehen in Höhe
von jeweils 30.000,00 EUR, die sie am 02.10.2006 und 17.10.2006 auf das genannte
Konto einzahlte.
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Mit Schreiben vom 02.07.2008 forderte der Kläger die Beklagte unter Fristsetzung bis
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zum 17.07.2008 zur Zahlung des Stammkapitals in Höhe von 30.000,00 EUR auf das
Insolvenzkonto auf. Zahlungen leistete die Beklagte nicht.
Der Kläger behauptet, die Bank habe der Insolvenzschuldnerin eine Kreditlinie von
40.000,00 EUR für das Konto eingeräumt und weitere Überziehungen des
Kontokorrents nur kurzfristig und in Ansehung der angekündigten Darlehenszahlungen
von insgesamt 60.000,- EUR zugelassen. Er ist der Ansicht, das Stammkapital habe der
Gesellschaft nicht zur freien Verfügung gestanden, da sich das Konto nach der
Einzahlung der Stammeinlage - von vier Tagen im Oktober 2006 abgesehen - nie mit
mehr als 80.000,- EUR im Soll befunden und die Sparkasse in diesem Zeitraum
lediglich Verfügungen über 12.247,80 EUR zugelassen habe.
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Mit Versäumnisurteil vom 20.02.2009 ist die Beklagte verurteilt worden, an den Kläger
30.000,- EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit
dem 18.07.2008, 10,00 EUR an vorgerichtlichen Mahnauslagen sowie 1.196,43 EUR
vorprozessualer, nicht anrechnungsfähiger Anwaltskosten zu zahlen. Gegen dieses
Versäumnisurteil, der Beklagten zugestellt am 26.02.2009, hat sie mit anwaltlichem
Schriftsatz vom 02.03.2009, der am 03.03.2009 bei Gericht eingegangen ist, Einspruch
eingelegt.
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Der Kläger beantragt nunmehr,
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das Versäumnisurteil aufrechtzuerhalten.
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Die Beklagte beantragt,
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das Versäumnisurteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte behauptet, der Insolvenzschuldnerin sei für ihr Konto bei der Sparkasse
ein Überziehungsrahmen von mehr als 80.000,- EUR eingeräumt worden. Auch nach
Einzahlung der Stammeinlage der Beklagten habe das kontoführende Kreditinstitut
Verfügungen zu Lasten des Kontos ohne weiteres zugelassen. Sie ist der Ansicht, sie
habe ihre Pflicht zur Leistung des Stammkapitals erfüllt, weil die Insolvenzschuldnerin
zumindest faktisch in die Lage versetzt worden, Kredit in Höhe des eingezahlten
Betrages in Anspruch zu nehmen.
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Es ist Beweis erhoben worden aufgrund des Beweisbeschlusses vom 29.05.2009 (Bl.
98 f. GA) durch die Vernehmung des Zeugen . Wegen des Ergebnisses der
Beweisaufnahme wird auf die schriftliche Zeugenaussage (Bl. 106 f. GA) verwiesen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze
der Parteien nebst Anlagen sowie die Protokolle der mündlichen Verhandlungen vom
13.02.2009 (Bl. 48 f. GA ) und 17.04.2009 (Bl. 86 f. GA) verwiesen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
15
I.
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Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
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Aufgrund des form- und fristgerecht eingelegten Einspruchs der Beklagten gegen das
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Versäumnisurteil vom 20.02.2009 ist der Prozess in die Lage vor der Säumnis
zurückversetzt worden (§ 342 ZPO).
Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung von 30.000,- EUR aus
§§ 5, 14 GmbHG. Der Anspruch der Insolvenzschuldnerin gegen die Beklagte auf
Leistung ihrer Bareinlage ist gemäß § 362 Abs. 1 BGB durch Erfüllung erloschen.
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Der Gesellschafter einer GmbH erfüllt seine Einlagepflicht, indem er den Einlagebetrag
nach einem Kapitalerhöhungsbeschluss zur freien Verfügung der Geschäftsführung an
die Gesellschaft zahlt (§ 8 Abs. 2 GmbHG). Vorliegend ist unstreitig, dass die Beklagte
ihre Einlage in Höhe von 30.000,00 EUR am 29.09.2006 auf das Konto der
Insolvenzschuldnerin eingezahlt hat.
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Der Erfüllung der Einlageverpflichtung steht vorliegend nicht der Umstand entgegen,
dass es sich bei dem in Rede stehenden Konto um ein debitorisch geführtes Konto
handelt, welches zum Zeitpunkt der Einzahlung mit etwa 80.000,00 EUR im Soll befand.
Ausreichend ist auch eine Zahlung auf ein im Debet geführtes laufendes Konto der
Gesellschaft, sofern die Geschäftsführung die Möglichkeit hat, über den eingezahlten
Betrag frei zu verfügen. Dabei ist nicht entscheidend, ob der Gesellschaft ein
entsprechender Kreditrahmen förmlich eingeräumt worden ist. Es reicht vielmehr aus,
dass die Geschäftsführung infolge der Einzahlung in die Lage versetzt wird, erneut
Kredit in Höhe des eingezahlten Betrages in Anspruch zu nehmen, mag das auch auf
einer nur stillschweigenden Gestattung der Bank beruhen (BGH NJW-RR 2005, 338 ff.;
BGH 1991, 1294 ff.).
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Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht fest, dass der von der
Insolvenzschuldnerin tatsächlich in Anspruch genommene Kredit den der Gesellschaft
förmlich eingeräumten Kreditrahmen in Höhe von 40.000,- EUR zwar deutlich überstieg,
die kontoführende Bank jedoch Überziehungen bis etwa 80.000,00 EUR ohne weiteres
gestattete. Der Zeuge hat glaubhaft bekundet, dass Überziehungen des Kontos der
Gesellschaft - unabhängig von der förmlichen Kreditlinie - auch nach der Einzahlung der
Stammeinlage zugelassen wurden und nichts dafür ersichtlich sei, dass dies mit
erwarteten oder angekündigten Zahlungseingängen auf dem Konto in Zusammenhang
stand. Der Zeuge hat dies überzeugend und nachvollziehbar damit begründet, dass der
Bank mit einer Grundschuld in Höhe von 55.000,00 EUR, Bürgschaften in Höhe von
20.000,00 EUR und der Sicherungsübereignung von Maschinen im Wert von 40.000,00
EUR ausreichende Sicherheiten zur Verfügung standen.
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Anhaltspunkte, die an der Richtigkeit der Aussage des Zeugen zweifeln lassen,
bestehen nicht. Der Zeuge, der bereits im Jahre 2006 Mitarbeiter des kontoführenden
Kreditinstituts war und als solcher über interne Kenntnisse verfügt, konnte die
Entscheidung der Bank zur Überziehungsgenehmigung anhand der Kundenakten
nachvollziehen. Dass der Zeuge - wie er offen einräumt - keine konkrete Erinnerung an
die Einzelheiten der Entscheidung für die Überziehungsgenehmigung hat, erscheint
aufgrund des Zeitablaufs nur verständlich.
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Der Inhalt seiner Aussage wird überdies durch die äußeren Umstände gestützt: Die
Bereitschaft der Bank zur großzügigen Gestattung von Überziehungen kommt darin zum
Ausdruck, dass das Konto der Insolvenzschuldnerin auch über den genannten Termin
hinaus dauerhaft im Debet geführt wurde und den vereinbarten Kreditrahmen deutlich
überschritt, die Bank gleichwohl weiterhin Verfügungen zuließ, ohne auf Rückführung
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des verbliebenen Saldos zu drängen, der im Gegenteil nach der Zahlung der Beklagten
wieder von 60.062,79 EUR bis auf 85.778,52 EUR angestiegen ist und sich auch in der
Folgezeit dauerhaft über der ursprünglich eingeräumten Kreditlinie bewegte (vgl. zu
einer ähnlichen Konstellation BGH NJW 1991, 1294, 1295). Auf die Frage, ob die
Insolvenzschuldnerin über die Geldmittel aus der Stammeinlage auch tatsächlich verfügt
hat, kommt es bei dieser Sachlage nicht an.
Mangels Bestehens einer Hauptforderung kann der Kläger auch weder Zinsen noch
Ersatz der ihm entstandenen Rechtsanwaltskosten verlangen.
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II.
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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1 S.1, 344 ZPO. Dem Beklagten sind die
Kosten seiner Säumnis deshalb aufzuerlegen, weil das Versäumnisurteil entgegen
seiner Auffassung in gesetzlicher Weise ergangen ist. Der Beklagten ist die Klageschrift
gemeinsam mit dem Beschluss über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe am
20.11.2009 zugestellt worden, wobei anhand der Klagebegründung offensichtlich war,
dass die Zahlenangabe im Klageantrag fehlerhaft war. Der klägerische Vortrag, wonach
die Stammeinlage der Insolvenzschuldnerin nicht zur freien Verfügung stand, war bei
Erlass des Versäumnisurteil als zugestanden anzunehmen (§ 331 Abs. 1 S. 1 ZPO).
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 709 S. 1 und 2, 708
Nr. 11, 711 ZPO.
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Streitwert: 30.000,00 EUR
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