Urteil des LG Duisburg vom 20.11.2008

LG Duisburg: stadionverbot, gegen die guten sitten, treu und glauben, öffentliches interesse, berufungskläger, störer, verdacht, ermittlungsverfahren, behandlung, rechtswidrigkeit

Landgericht Duisburg, 12 S 42/08
Datum:
20.11.2008
Gericht:
Landgericht Duisburg
Spruchkörper:
12. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
12 S 42/08
Vorinstanz:
Amtsgericht Duisburg, 73 C 1565/07
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das am 13.03.2008 ver-kündete Urteil
des Amtsgerichts Duisburg - 73 C 1565/07 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung abwenden durch Si-cherheitsleistung
in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages, sofern nicht die
Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des
jeweils zu vollstre-ckenden Betrages leistet.
G r ü n d e :
1
I.
2
Wegen der tatsächlichen Feststellungen wird Bezug genommen auf das angefochtene
Urteil vom 13.03.2008 (Bl. 159 – 165 d. A.).
3
Das Amtsgericht hat die Klage auf Aufhebung des Stadionverbotes mit der Begründung
abgewiesen, als Anspruchsgrundlage kämen die §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB analog i. V.
m. Art. 2 Abs. 1 GG in Betracht, deren Voraussetzungen aber nicht vorlägen.
4
Mit der Berufung verfolgt der Kläger den erstinstanzlich geltend gemachten Anspruch
insoweit weiter, als er seinen Antrag auf Aufhebung des Stadionverbotes wegen
Zeitablaufes umgestellt hat in einen Antrag auf Feststellung, dass das ausgesprochene
bundesweite, hilfsweise ein örtlich begrenztes Stadionverbot rechtswidrig waren bzw.
dass diese Verbote hätten aufgehoben werden müssen.
5
Der Kläger beantragt,
6
festzustellen, dass das von der Beklagten und Berufungsbeklagten
gegen den Kläger und Berufungskläger mit Schreiben vom 18.04.2006
für alle nationalen und internationalen Fußballveranstaltungen von
Vereinen bzw. Tochtergesellschaften der Fußball-Bundesligen und der
Fußball-Regionalligen sowie des in sämtlichen anderen Stadien und
allen übrigen Fußballveranstaltungsstätten der Bundesrepublik
Deutschland ausgesprochene Betretungsverbot (bundesweites
Stadionverbot) rechtwidrig war,
7
hilfsweise, festzustellen, dass das von der Beklagten und
Berufungsbeklagten gegen den Kläger und Berufungskläger mit
Schreiben vom 18.04.2006 für alle nationalen und internationalen
Fußballveranstaltungen von Vereinen bzw. Tochtergesellschaften der
Fußball-Bundesligen und der Fußball-Regionalligen sowie des in
sämtlichen anderen Stadien und allen übrigen
Fußballveranstaltungsstätten der Bundesrepublik Deutschland
ausgesprochene Betretungsverbot (bundesweites Stadionverbot)
insoweit rechtwidrig war, wie alle anderen Platzanlagen als der Bereich
der (örtliches Stadionverbot), erfasst wurden,
8
hilfsweise, festzustellen, dass das von der Beklagten und
Berufungsbeklagten gegen den Kläger und Berufungskläger mit
Schreiben vom 18.04.2006 für alle nationalen und internationalen
Fußballveranstaltungen von Vereinen bzw. Tochtergesellschaften der
Fußball-Bundesligen und der Fußball-Regionalligen sowie des in
sämtlichen anderen Stadien und allen übrigen
Fußballveranstaltungsstätten der Bundesrepublik Deutschland
ausgesprochene Betretungsverbot (bundesweites Stadionverbot) nach
der offiziellen Kenntnis der Beklagten von der Einstellung des
zugrundeliegenden Strafverfahrens gegen den Kläger gem. § 153 Abs.
2 StPO, also am 04.12.2007, von der Beklagten hätte aufgehoben
werden müssen,
9
hilfsweise, festzustellen, dass das von der Beklagten und
Berufungsbeklagten gegen den Kläger und Berufungskläger mit
Schreiben vom 18.04.2006 für alle nationalen und internationalen
Fußballveranstaltungen von Vereinen bzw. Tochtergesellschaften der
Fußball-Bundesligen und der Fußball-Regionalligen sowie des in
sämtlichen anderen Stadien und allen übrigen
Fußballveranstaltungsstätten der Bundesrepublik Deutschland
ausgesprochene Betretungsverbot (bundesweites Stadionverbot)
insoweit nach der offiziellen Kenntnis der Beklagten von der Einstellung
des zugrundeliegenden Strafverfahrens gegen den Kläger gem. § 153
Abs. 2 StPO, also am 04.12.2007, von der Beklagten hätte aufgehoben
werden müssen, wie alle anderen Platzanlagen als der Bereich der
(örtliches Stadionverbot), erfasst wurden.
10
Die Beklagte beantragt,
11
die Berufung zurückzuweisen.
12
II.
13
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
14
1. Der Antrag des Klägers, festzustellen, dass das von der Beklagten ausgesprochene
bundesweite Stadionverbot rechtswidrig war, ist zulässig. Gleiches gilt für die
Hilfsanträge auf Feststellung der Rechtswidrigkeit eines alle Stadien mit Ausnahme der
umfassenden Stadionverbotes und auf Feststellung, dass das bundesweite oder
jedenfalls ein örtlich begrenztes Stadionverbot nach der Kenntnis der Beklagten von der
Einstellung des zugrundeliegenden Ermittlungsverfahrens gegen den Kläger hätten
aufgehoben werden müssen.
15
Die Klageänderung ist gem. § 263 ZPO zulässig, weil sie sachdienlich ist. Wegen des
Ablaufes des zeitlich befristeten Stadionverbotes besteht für den ursprünglichen Antrag
auf Aufhebung des Stadionverbotes kein Rechtsschutzbedürfnis mehr. Die Umstellung
des Klageantrages auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des Betretungsverbotes ist
aber zur Erledigung des zwischen den Parteien bestehenden Streites und Vermeidung
eines neuen Prozesses sachgerecht.
16
Des weiteren besteht das besondere Feststellungsinteresse gem. § 256 Abs. 1 ZPO, da
der Kläger einer Klärung des ausgesprochenen Stadionverbotes bedarf, um seine
Mitgliedschaft beim und seine Dauerkarten zurückerwerben zu können.
17
2. Die Klage ist jedoch auch mit den geänderten Anträgen unbegründet.
18
Das angefochtene Urteil beruht weder auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO) noch
rechtfertigen die gem. § 529 ZPO zugrundezulegenden Tatsachen eine andere
Entscheidung (§ 513 Abs. 1 ZPO).
19
Das Amtsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, da der Kläger gegen die Beklagte
keinen Anspruch auf Aufhebung des Stadionverbotes hatte.
20
Aus diesem Grund steht ihm auch jetzt kein Anspruch auf Feststellung der
Rechtswidrigkeit des Betretungsverbotes bzw. auf Feststellung des Bestehens einer
Aufhebungsverpflichtung zu.
21
Zutreffend geht das Amtsgericht davon aus, dass als Anspruchsgrundlage lediglich die
§§ 823 Abs. 1, 1004 BGB analog i. V. m. Art. 2 Abs. 1 GG in Betracht kommen, deren
Voraussetzungen aber nicht vorliegen.
22
a. Vertragliche Anspruchsgrundlagen sind nicht ersichtlich, da der Kläger keinen Vertrag
mit der Beklagten geschlossen hat. Vertragliche Beziehungen bestanden lediglich
zwischen dem Kläger und dem , bei dem er die Heim- und Auswärtsdauerkarte sowie
die Vereinsmitgliedschaft erworben hat.
23
Soweit der die Mitgliedschaft und das Dauerkarten-Abonnement unter Berufung auf das
Stadionverbot gekündigt hat und dem Kläger aus diesem Grunde der Zutritt zur in der
abgelaufenen Saison verwehrt war, mag der Kläger gegen den vorgehen. Zwar hat die
Beklagte das sich auch auf die beziehende Stadionverbot ausgesprochen, sie hat
ausweislich der Richtlinien zur einheitlichen Behandlung von Stadionverboten des und
des Schreibens vom 18.04.2006 jedoch lediglich in Vertretung für den gehandelt, §§
24
des Schreibens vom 18.04.2006 jedoch lediglich in Vertretung für den gehandelt, §§
164 ff. BGB. Dass alle den Richtlinien unterworfenen Vereine des sich insoweit
gegenseitig bevollmächtigt haben, ist in der Rechtsprechung anerkannt (vgl. LG
Duisburg, Urt. v. 22.07.2005, Az. 7 S 63/05) und auch zwischen den Parteien nicht
streitig.
Ob dem Kläger Ansprüche gegen den auf Rückgabe der Mitglieds- und Dauerkarten mit
der Begründung zustehen, das durch den in Vertretung für den ausgesprochene
Stadionverbot verletze den Kläger in seinen vertraglichen Rechten, bedarf vorliegend
keiner Entscheidung.
25
Gegen die Beklagte jedenfalls kommt ausschließlich die o. g. Anspruchsgrundlage in
Betracht.
26
b. Der Ausspruch des Stadionverbotes verletzt nicht die Rechte des Klägers aus § 823
Abs. 1 BGB, Art. 2 Abs. 1 GG. Ein Beseitigungsanspruch gegen die Beklagte aus §
1004 BGB analog bestand zu keinem Zeitpunkt.
27
Das Stadionverbot ist ein Unterfall des Hausverbotes. Demgemäß kann der Inhaber des
Hausrechts, also die Beklagte (soweit es andere Vereine betrifft, als deren Vertreterin),
gem. §§ 903, 1004 BGB grundsätzlich frei darüber entscheiden, wen sie das Stadion
betreten lässt. Denn bei den Vereinen der 1. Bundesliga handelt es sich um
eingetragene Vereine, Aktiengesellschaften, Kommanditgesellschaften o. ä. juristische
Personen des Privatrechts, die ihr Hausrecht frei ausüben können. Eine andere
Beurteilung würde zu einem hier nicht anzuerkennenden Kontrahierungszwang führen.
Ein solcher kann bei privatrechtlichen Unternehmen nur dann anzunehmen sein, wenn
deren Leistungen der Deckung essentieller Lebensbedürfnisse dienen, z. B. bei
Energieversorgern. Der Besuch eines Fußballsspiels im Rahmen der Deutschen
Meisterschaft oder eines internationalen Wettbewerbs hat zwar subjektiv für den
einzelnen Fan regelmäßig eine besondere Bedeutung, ist aber bei objektiver
Betrachtungsweise nicht mit der Deckung essentieller Lebensbedürfnisse vergleichbar
(LG Duisburg, a. a. O.; AG Frankfurt/M., Urt. v. 08.10.2004, Az. 30 C 1600/04).
28
Der Grundsatz der freien Ausübung des Hausrechts durch den Hausrechtsinhaber
unterliegt, wie das Amtsgericht zutreffend ausführt, den allgemeinen gesetzlichen
Grenzen und ist somit an die Schranken der §§ 826, 242 BGB gebunden (LG Duisburg,
a. a. O.). Die Ausübung des Hausrechts darf danach nicht in einer Treu und Glauben
widersprechenden oder gegen die guten Sitten verstoßenden Art und Weise erfolgen.
Des weiteren findet die freie Ausübung des Hausrechts ihre Grenze dort, wo der
Besucher durch die Verweigerung des Zutritts in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1
GG verletzt wird und hieraus ein Abwehrrecht aus § 1004 BGB analog resultiert (LG
Duisburg, a. a. O.).
29
Das durch die Beklagte ausgesprochene Hausverbot ist, wie das erstinstanzliche Urteil
zu Recht feststellt, weder treu-, noch sittenwidrig, noch wird der Kläger hierdurch
unverhältnismäßig in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht eingeschränkt. Es ist zu
beachten, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht seine Grenzen gem. Art. 2 Abs. 1
GG in den Rechten anderer findet. Insoweit ist als einschränkendes Recht das nach Art.
14 Abs. 1 GG geschützte Eigentumsrecht, das eine Konkretisierung in § 903 BGB
erfährt, zu berücksichtigen. Hiernach kann der Eigentümer einer Sache, soweit nicht das
Gesetz oder Rechte Dritter entgegen stehen, mit der Sache nach Belieben verfahren
und andere von jeder Einwirkung ausschließen.
30
Ein Hausrechtsinhaber darf insoweit, sofern kein Kontrahierungszwang anzunehmen ist,
grundsätzlich jeden anderen von der Einwirkung auf sein Eigentum durch Betreten
ausschließen.
31
Vorliegend hat die Beklagte sich auch nicht auf unsachliche, willkürliche Begründungen
gestützt, sondern die Richtlinien zur einheitlichen Behandlung von Stadionverboten des
zugrunde gelegt. Diese sehen in § 4 Abs. 3 vor, dass ein überörtliches Stadionverbot
ausgesprochen werden soll bei eingeleiteten Ermittlungsverfahren, insbesondere
wegen Hausfriedensbruchs. Diese Voraussetzungen lagen hinsichtlich des Klägers vor.
32
Des weiteren ist das Stadionverbot u. a. dann aufzuheben, wenn der Betroffene
nachweist, dass das zugrunde liegende Ermittlungsverfahren nach § 170 Abs. 2 StPO
eingestellt worden ist. Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt, da das gegen den Kläger
eingeleitete Ermittlungsverfahren gem. § 153 StPO eingestellt worden ist.
33
Die Richtlinien des unterscheiden also hinsichtlich der Einstellungsgründe. Sie sehen
eine Aufhebung eines Stadionsverbotes dann vor, wenn ein Beschuldigter einer Tat
nicht hinreichend verdächtig
erforderlichen Beweisen für seine Täterschaft oder für Tatumstände, die ein
gesetzliches Tatbestandsmerkmal ausfüllen, fehlt (§ 170 Abs. 2 StPO). Eine Einstellung
gem. § 153 StPO kann hingegen dann erfolgen, wenn die Schuld des Täters als gering
anzusehen wäre und kein öffentliches Interesse an der Verfolgung besteht. § 4 Abs. 3
der Richtlinien zur einheitlichen Behandlung von Stadionverboten beinhaltet nach
alledem ein ausdifferenziertes System, das auf sachliche Gesichtspunkte abstellt und
damit nicht willkürlich ist.
34
Der Kläger verkennt auch, dass es nicht darauf ankommt, ob ihm eine Straftat konkret
nachgewiesen werden kann. Dies ist zwar immer mit der Gefahr verbunden, dass auch
gegenüber Unschuldigen ein Stadionverbot ausgesprochen werden kann. Allerdings
handelt es sich bei dem Stadionverbot nicht um eine Strafe, sondern um eine Ausübung
der Eigentümerrechte. Es besteht ein berechtigtes Interesse des jeweiligen
Hausrechtsinhabers, gegen jeden, der als Störer in Betracht kommt, ein
Betretungsverbot zu verhängen. Gerade bei Straftaten unter Beteiligung einer Vielzahl
von Personen kann es dem Hausrechtsinhaber nicht zugemutet werden, auf ein
Betretungsverbot zu verzichten, wenn den möglicherweise an der Straftat Beteiligten die
Tat nicht nachgewiesen werden kann. Vielmehr muss es einem Fußballverein zur
reibungslosen Durchführung von Sportveranstaltungen und zum Schutz friedlicher
Gäste gestattet sein, auch denjenigen, der nur im Verdacht steht, Störer zu sein,
auszuschließen. Das Stadionverbot gründete sich demnach auf hinreichende
Verdachtsmomente. Ausweislich der Berichtes der und (Bl. 7, 8 der beigezogenen Akte
StA Duisburg) war der Kläger Mitglied einer aus ca. 80 Personen bestehenden Gruppe
der " ", die sich selbst zur " "-Bewegung zählt und sich in Richtung Nordkurve bewegte.
Der Kläger befand sich in der Gruppe, aus welcher es zu Provokationen und
Körperverletzungsdelikten kam. Hinzu kommt, dass der Kläger nach eigenem Vortrag
nicht zurück nach , sondern nach fahren wollte. Auch dies spricht dafür, dass der Kläger
sich zumindest im Umfeld der gewaltbereiten " " bewegt, da diese eine "Fan-
Freundschaft" mit den " " verbindet. Nach alledem besteht jedenfalls der Verdacht
gegen den Kläger, dass auch er in Straftaten verwickelt gewesen sein kann und zur
gewaltbereiten " "-Szene gehören könnte. Dies genügt, um ein Stadionverbot gegen den
Kläger auszusprechen. Die Beklagte ist nicht nur berechtigt, ihre Eigentümerrechte
35
gegen potentielle Störer zu schützen. Sie ist vielmehr auch verpflichtet, ihre
Sportveranstaltungen so auszurichten, dass es nicht zur Verletzung fremder Rechtsgüter
kommt. Dieser Pflicht kann nur effektiv nachgekommen werden, wenn auch auf
Verdacht Stadionverbote verhängt werden.
III.
36
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
37
IV.
38
Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache ist gemäß § 543 Abs. 1 Nr. 1,
Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO die Revision zuzulassen.
39