Urteil des LG Duisburg vom 31.05.2007

LG Duisburg: verweigerung, flugzeug, sicherheit, check, gefahr, zutritt, luftfahrt, luftverkehr, fahne, urlaub

Landgericht Duisburg, 12 S 151/06
Datum:
31.05.2007
Gericht:
Landgericht Duisburg
Spruchkörper:
12. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
12 S 151/06
Tenor:
Auf die Berufung des Klägers wird das am 26.10.2006 verkündete Urteil
des Amtsgerichts Duisburg – 33 C 5955/05 – unter Zurückweisung des
Rechtsmittels im übrigen teilweise abgeändert und wie folgt insgesamt
neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.376,00 € nebst Zinsen in
Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 10.08.2005
sowie weitere 102,37 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten
über dem Basiszins seit dem 23.12.2005 zu zahlen. Im übrigen wird die
Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen zu 44 % der Kläger und zu 56 % die
Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Streitwert für die Berufung: 2.425,00 €
G r ü n d e
1
I.
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Hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen wird auf das angefochtene Urteil Bezug
genommen.
3
II.
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Die zulässige Berufung des Klägers hat teilweise Erfolg. Dem Kläger steht ein Anspruch
auf Rückforderung des Reisepreises in Höhe von 1.376,- € nebst Zinsen zu, da die
Reise mangelhaft im Sinne des § 651c Abs. 1 BGB und der Reisepreis gemäß § 651d
Abs. 1 BGB auf 0,- € gemindert war. im übrigen ist die Klage unbegründet.
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1.
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Wird der Reisende zu Unrecht aus dem Flugzeug gewiesen, so stellt dies einen zur
Minderung führenden Mangel der Reise dar (BGHZ 85, 301-305). Unstreitig wurde dem
Kläger am Anreisetag von Seiten des Flugkapitäns der Zutritt zum Flugzeug untersagt
und damit die gebuchte Flugreiseleistung versagt. Dass diese Verweigerung der
vertraglichen Leistung durch den Flugkapitän, der insoweit als Erfüllungsgehilfe der
Beklagten handelte (vgl. BGH a.a.O.), gerechtfertigt war, kann nicht festgestellt werden.
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Zwar hat der verantwortliche Luftfahrzeugführer gemäß § 29 Abs. 3 LuftVG während des
Flugs oder bei Start und Landung die geeigneten Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der
Sicherheit und Ordnung an Bord zu treffen. Alle an Bord befindlichen Personen haben
den hierzu notwendigen Anordnungen Folge zu leisten. Der Flugzeugführer übt insoweit
luftpolizeiliche Hoheitsgewalt aus (als sog. Beliehener; vgl. Wolff/Bachof,
Verwaltungsrecht II, 4. Aufl., S. 452). Daneben hat er als Vertreter der Fluggesellschaft
privatrechtliche Weisungsbefugnisse, die sich aus dem mit dem Fluggast
geschlossenen Beförderungsvertrag (oder Pauschalreisevertrag) ergeben (vgl.
Schleicher/Reymann/Abraham, Das Recht der Luftfahrt II, 3. Aufl., LuftVG § 29 Anm. 8,
9; Max Hofmann, LuftVG § 29 Rdn. 36, 37; Ruhwedel, Die Rechtsstellung des
Flugzeugkommandanten im zivilen Luftverkehr (1964), S. 138 ff).
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Vorliegend kann indes schon nach dem Vorbringen der Beklagten, aber auch nach dem
Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme nicht festgestellt werden, dass es zur
Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung an Bord erforderlich war, dem Kläger den
Zutritt zum Flugzeug zu untersagen. Auch, dass aus der privatrechtlichen
Weisungsbefugnis des Flugkapitän das Recht zur Verweigerung des gebuchten Flug
folgte, ist nicht ersichtlich.
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Unstreitig hatte der Kläger am "Check in" seine mitreisende Lebensgefährtin
angeschrien. Nach dem unwidersprochenen Vortrag des Klägers geschah dies, weil
man sich wegen einer Verspätung in Erregung befand und die Flugunterlagen zunächst
nicht aufgefunden werden konnten. Unterstellt werden kann zudem auch, dass der
Kläger - wie von der Beklagten behauptet - eine Alkoholfahne hatte. Denn auch in der
Gesamtschau sind ein - wenn auch lautstark - geführter Streit zwischen Fluggästen am
"Check in" wie auch eine bloße Alkoholfahne eines Fluggastes keine Umstände, die zu
einer Gefahr für die Sicherheit an Bord des Flugzeuges führen können. Konkrete
Gefahren, die durch den Kläger an Bord des Flugzeuges drohen sollten, wurden durch
die Beklagte auch nicht dargetan.
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Auch die Aussage des Zeugen enthält insoweit nichts Erhebliches. Nach seiner
Aussage unterbrach ihn der Kläger im Rahmen des Gesprächs über den Vorfall ständig
und ließ ihn nicht zu Wort kommen. Auch dies lässt aber nicht erkennen, welche Gefahr
von dem Kläger ausgegangen sein soll. Hinsichtlich der behaupteten Alkoholisierung
des Kläger ist der Aussage des Zeugen lediglich zu entnehmen, dass er eine Fahne
wahrgenommen haben will, die für sich genommen einem Flug nicht entgegensteht.
Anzeichen für eine erhebliche Alkoholisierung die aus dem Gesichtspunkt der Fremd-
oder Eigengefährdung einem Mitflug des Klägers entgegenstanden, sind nicht
ersichtlich.
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Der Aussage des Zeugen ist auch nicht zu entnehmen, dass sich der Kläger seinen
Anweisungen widersetzt hat und daher aus einer Verletzung des privatrechtlichen
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Weisungsrechts ein Recht zur Verweigerung des Mitflugs folgte. Zwar steht dem
Flugkapitän ein gewisses Ermessen zu, in dessen Rahmen er das Bestehen einer
Fremd- oder Eigengefährdung beurteilen, kann. Erforderlich sind aber konkrete
Anhaltspunkte dafür, an denen es vorliegend fehlt. Ein bloßer Streit zwischen
Reisenden am "Check" in reicht ebenso wenig wie eine leichte Alkoholisierung, dem
Reisenden die gebuchte Reiseleistung zu verweigern, zumal keine Anhaltspunkte dafür
ersichtlich sind, dass die Gefahr bestand, dass der Streit im Flugzeug fortgeführt werden
würde.
2.
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Durch die Verweigerung des Fluges konnte die Reise nicht angetreten werden, so dass
sich der Reisepreis auf 0,- € mindert und zurückgefordert werden kann. Der geltend
gemachte Schadensersatz ist nicht zuzusprechen, da der Kläger zum einen nicht
dargetan hat, dass die Ersatzreise der gebuchten Reise qualitativ entsprach und zudem
nicht dargelegt wurde, dass keine gleichwertige Ersatzreise zu einem vergleichbaren
Preis gebucht werden konnte. Auch ein immaterieller Schadensersatzanspruch wegen
vertaner Urlaubszeit besteht nicht, da der Kläger bereits am 17.05.2005 (zwei Tage
nach dem 15.05.2005) die Ersatzreise angetreten hat und nicht ersichtlich ist, warum
dieser Urlaub nur bis zum 01.06.2005 und nicht bis zum 05.06.2005 (ursprüngliches
Reiseende) verbracht wurde. Die bestehende Einschränkung rechtfertigt die
Zuerkennung eines immateriellen Schadensersatzes nicht.
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III.
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Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286, 288 BGB. Zudem waren dem Kläger gemäß § 651f
Abs. 1 BGB anteilige vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten gemäß Kostenrechnung
vom 06.12.2005 (Bl. 13 GA) in Höhe von 102,37 € zuzusprechen.
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IV.
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Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92 I, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
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Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht
vorliegen.
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