Urteil des LG Duisburg vom 30.08.2007

LG Duisburg: fahrzeug, reparaturkosten, anwaltskosten, wiederbeschaffungswert, mwst, wagen, abrechnung, bestätigung, eigennutzung, verzug

Landgericht Duisburg, 5 S 63/07
Datum:
30.08.2007
Gericht:
Landgericht Duisburg
Spruchkörper:
5. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
5 S 63/07
Vorinstanz:
Amtsgericht Oberhausen, 31 C 28/07
Tenor:
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Amtsgerichts
Oberhausen vom 23.05.2007 teilweise abgeändert und der Beklagte
verurteilt, an den Kläger weitere 2.050,62 Euro nebst Zinsen in Höhe
von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 09.12.2006 zu
zahlen und den Kläger von außergerichtlichen Anwaltskosten in Höhe
von weiteren 101,92 Euro freizustellen.Die Kosten des Rechtsstreits
trägt der Beklagte. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte
darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120
% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn
nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
G r ü n d e
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I.
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Der Beklagte haftet dem Kläger für einen Verkehrsunfall am 14.09.2006 um 22.10 Uhr
im Kreuzungsbereich der Tannenbergstraße / Danziger Straße / Schwartzstraße in
Oberhausen dem Grunde nach zu 100 Prozent.
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Der vom Kläger beauftragte Sachverständige ermittelte in seinem Gutachten vom
19.09.2006 voraussichtliche Reparaturkosten in Höhe von 5.574,89 € inkl. MWSt bei
einem Wiederbeschaffungswert in Höhe von 4.400,00 € inkl. MWSt. und einem Restwert
in Höhe von 800,00 € inkl. MWSt. Der Kläger gab das Auto bei der Firma
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zur Reparatur, die unter dem 29.09.2006 einen Betrag in Höhe von 5.650,62 € in
Rechnung stellte.
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Der Kläger veräußerte sein Fahrzeug im November 2006.
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Der Beklagte zahlte statt des von dem Kläger geforderten Betrages in Höhe von
5.650,62 € lediglich 3.505,88 €. Er behauptet, das Fahrzeug des Klägers sei nicht
vollständig instand gesetzt worden und ist der Ansicht, der Kläger könne seinen
Reparaturaufwand nur dann ersetzt verlangen, wenn die Reparatur fachgerecht
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durchgeführt worden sei und er sein Fahrzeug mindestens sechs Monate weitergenutzt
habe.
Das Amtsgericht hat den Beklagten zur Zahlung in Höhe von 94,12 € und Freistellung
von außergerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 46,41 € verurteilt und im übrigen die
Klage abgewiesen.
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Es hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, dass eine sechsmonatige
Nutzung eines reparierten Fahrzeugs erforderlich sei, um das für eine Abrechnung auf
Reparaturkostenbasis erforderliche Integritätsinteresse nachzuweisen.
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Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.
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Er beantragt,
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1. unter Abänderung des am 23.05.2007 verkündeten Urteils des Amtsgerichts
Oberhausen den Beklagten über die Verurteilung erster Instanz hinaus zu
verurteilen, an ihn 2.050,62 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über
dem Basiszinssatz seit dem 09.12.2006 zu zahlen;
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2. den Beklagten zu verurteilen, ihn von weiteren außergerichtlichen Anwaltskosten
in Höhe von 101,92 € freizustellen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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II.
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Die Berufung des Klägers ist begründet.
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Der Kläger hat gegen den Beklagten aufgrund des Verkehrsunfalls vom 14.09.2006
einen Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von insgesamt 7.497,18 Euro. Darauf hat
der Beklagte lediglich 5.352,44 Euro gezahlt, so dass sich ein Restanspruch in Höhe
von 2.144,74 Euro ergibt. Abzüglich der vom Amtsgericht ausgeurteilten 94,12 Euro
kann der Kläger mithin noch 2.050,62 Euro beanspruchen.
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Bei der vorstehenden Schadensabrechnung war der Fahrzeugschaden mit 5.650,62
Euro anzusetzen und nicht – wie der Beklagte meint – mit 3.505,88 Euro. Denn der
Kläger hat sein Fahrzeug in einer Fachwerkstatt zu diesem Preis reparieren lassen.
Dabei hat er sich innerhalb der Grenze von 30 Prozent über dem
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Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs in Höhe von 4.400,00 Euro bewegt.
Die Argumentation der Beklagten, dass dem Geschädigten nur dann der
Integritätszuschlag zugebilligt werden kann, wenn er – neben einer fachgerechten
Reparatur – das Fahrzeug mindestens sechs Monate nach dem Unfall weiter nutzt,
verfängt nicht.
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Der Beklagte kann sich nicht auf das Urteil des BGH vom 23.05.2006, BGHZ 168, 43,
stützen. Denn der BGH hat in seinem Urteil über einen Fall entschieden, in dem das
verunfallte Fahrzeug überhaupt nicht repariert worden war und der Kläger eine
Abrechnung auf der Basis der vom Sachverständigen ermittelten Reparaturkosten
vorgenommen hat. Um eine derartige Konstellation geht es im vorliegenden Fall indes
gerade nicht, da das Fahrzeug von einer Fachwerkstatt vollständig repariert worden ist.
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Soweit der Beklagte demgegenüber eine vollständige Reparatur bestreitet, ist dies nicht
hinreichend substantiiert. Er hätte auf der Basis der vom Kläger vorgelegten Rechnung
und des Sachverständigengutachtens konkret vortragen müssen, inwieweit keine
vollständige Reparatur erfolgt sein soll oder behaupten müssen, dass die Rechnung
insgesamt entweder gefälscht oder nur zum Schein ausgestellt worden ist.
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Die Schlussfolgerungen, die in den von dem Beklagten vorgelegten Besprechungen
des vorgenannten BGH-Urteils gezogen werden, sind jedenfalls für den Fall der
fachgerecht durchgeführten Reparatur nicht stichhaltig. Die vom BGH in seinem Urteil
herangezogene Entscheidung vom 29.04.2003, VersR 2003, 918, in der er auf die
weitere Nutzung des verunfallten Fahrzeugs abstellt, bezieht sich auf eine
Billigreparatur und damit gerade nicht auf eine Reparatur in einer Fachwerkstatt. Dass
der BGH mithin seine Entscheidung vom 23.05.2006 aus seiner bisherigen
Rechtsprechung zum besonderen Integritätsinteresse bei den "130%-Fällen" entwickelt
habe, gilt jedenfalls nicht für den hier vorliegenden Fall der fachgerecht durchgeführten
Reparatur.
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In seiner Entscheidung vom 15.02.2005, mit der der BGH seine Rechtsprechung
fortgeführt hat, stellt er für den Fall einer fachgerechten Reparatur, wie sie der
Sachverständige zur Grundlage seiner Kostenschätzung gemacht hat, denn auch
gerade nicht auf eine nachherige längere Nutzung des Fahrzeugs durch den
Geschädigten ab. Dies ist auch inhaltlich nachvollziehbar: Denn das
Integritätsinteresse, das zu dem 30prozentigen Zuschlag gegenüber dem
Wiederbeschaffungswert führt, hat sich durch die teure Reparatur verwirklicht. Einer
weiteren Bestätigung durch eine längere Eigennutzung bedarf es deswegen nicht. Dem
kann auch nicht entgegen gehalten werden, dass das Fahrzeug lediglich zum Zwecke
eines nachherigen Verkaufs repariert worden ist, um einen möglichst hohen
Verkaufspreis zu erzielen. Denn abgesehen davon, dass sich der Geschädigte nicht
sicher sein kann, das Fahrzeug zu einem von ihm vorgestellten Preis zu verkaufen, ist
gegen eine derartige Verfahrensweise nichts einzuwenden. Denn der Geschädigte
würde sich gerade nicht an dem Unfall bereichern, was durch das Abstellen auf die
Verwirklichung des Integritätsinteresses verhindert werden soll. Denn es dürfte
ausgeschlossen sein, dass der Geschädigte nach der Reparatur des verunfallten
Fahrzeugs einen höheren Verkaufspreis erzielen kann, als er wenn er das Fahrzeug
ohne Unfall verkauft hätte. Eine Bereicherung des Geschädigten durch die Zahlung der
Reparaturkosten liegt ebenfalls nicht vor, da der Geschädigte dieses Geld tatsächlich
zur (fachgerechten) Reparatur aufgewandt hat und es daher nicht mehr in seinem
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Vermögen vorhanden ist.
Darüber hinaus noch eine Weiternutzung durch den Geschädigten zu verlangen, würde
das wirtschaftlich zu verstehende Integritätsinteresse mit einem nicht zu verlangenden
Affektionsinteresse verwechseln.
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Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Entscheidung des OLG Hamm vom
26.04.1993, NJW-RR 1993, 1436. Zwar soll nach dem Leitsatz dieser Entscheidung das
Integritätsinteresse dann keine Abrechnung des Geschädigten auf
Reparaturkostenbasis rechtfertigen, wenn der Geschädigte seine ursprünglich
vorhandene Absicht, den Wagen zu reparieren und weiterzubenutzen, kurz nach dem
Unfall aufgibt und an dem reparierten Wagen ein Verkaufsschild anbringt. Indes liegt
auch dieser Entscheidung zugrunde, dass verunfallte Wagen gerade nicht durch eine
Fachwerkstatt, sondern durch den Geschädigten selbst repariert worden ist. Über die
tatsächlich angefallenen Reparaturkosten hat das OLG Hamm mithin nicht entschieden.
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Der Zinsanspruch folgt aus dem Verzug des Beklagten gemäß §§ 286, 288 BGB.
Aufgrund des Verzuges des Beklagten hat dieser den Kläger auch von den
außergerichtlichen Anwaltskosten freizustellen, die jedenfalls in Höhe von 148,33 Euro
angefallen sind.
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Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1 S. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
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Die Revision war zuzulassen, weil die Sache grundsätzliche Bedeutung hat, § 543 Abs.
2 Nr. 1 ZPO.
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Streitwert 2. Instanz: 2.050,62 Euro.
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