Urteil des LG Duisburg vom 13.09.2004

LG Duisburg: vergütung, schwierigkeit des verfahrens, gläubigerausschuss, betriebsrat, unternehmen, entschädigung, gläubigerversammlung, gesetzestext, beschwerdeschrift, gläubigergemeinschaft

Landgericht Duisburg, 7 T 221/04
Datum:
13.09.2004
Gericht:
Landgericht Duisburg
Spruchkörper:
7. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
7 T 221/04
Vorinstanz:
Amtsgericht Duisburg, 62 IN 41/03
Tenor:
Die sofortige Beschwerde des Beteiligten zu 1. vom 29. Juli 2004 gegen
den Beschluss des Amtsgerichts Duisburg vom 14. Juli 2004 wird
zurückgewiesen.
Dem Beschwerdeführer werden die Kosten des Beschwerdeverfahrens
auferlegt.
Gründe:
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I.
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Mit Beschluss vom 1. April 2003 eröffnete das Amtsgericht das Insolvenzverfahren über
das Vermögen der Gemeinschuldnerin. Bereits mit Beschluss vom 4. März 2003 setzte
das Amtsgericht einen vorläufigen Gläubigerausschuss ein und bestellte zu seinen
Mitgliedern u. a. den Beteiligten zu 1. Bis zur ersten Gläubigerversammlung am 3. Juni
2003 fanden insgesamt vier Ausschusssitzungen statt. Der Beteiligte zu 1) nahm an drei
dieser Sitzungen teil.
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Mit Schriftsatz vom 26. Mai 2004 (GA. 534) beantragte der Beteiligte zu 1. die
Festsetzung seiner Vergütung auf 29.000,00 EUR. Zur Begründung führte er aus, dass
über die Sitzungen des Gläubigerausschusses hinaus weitere Besprechungen mit dem
Betriebsrat erforderlich gewesen seien, so dass insgesamt zehn Sitzungen mit einem
Gesamtzeitaufwand einschließlich Vor- und Nachbereitung von neun Stunden zu
berücksichtigen seien. Unter Berücksichtigung eines Stundensatzes von 250,00 EUR,
der dem durchschnittlichen Stundensatz des Beteiligten zu 1. in anwaltlicher Tätigkeit
entspreche, und der für die Sitzung jeweils anfallenden Auslagenpauschale errechne
sich die Gesamtvergütung von 29.000,00 EUR.
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Mit Beschluss vom 14. Juni 2004 (GA. 577) setzte das Amtsgericht die Vergütung des
Beteiligten zu 1. auf insgesamt 2.436,00 EUR fest. Zur Begründung verwies das
Amtsgericht darauf, dass der Beteiligte zu 1. lediglich an den Sitzungen vom 19. März
2003, 28. März 2003 und 7. April 2003 teilgenommen habe, so dass unter
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Berücksichtigung der Vor- und Nachbereitungszeiten sowie der An- und Abreisezeiten
um eine Gesamtvergütung von 1.350,00 EUR entsprechend einem Stundensatz von
50,00 EUR sowie eine Auslagenpauschale von jeweils 250,00 EUR angemessen sei.
Unter Berücksichtigung der Umsatzsteuer ergeben sich eine Gesamtvergütung von
2.436,00 EUR. Soweit der Beteiligte zu 1. in seinem Antrag ausgeführt habe, er habe
insgesamt zehn Sitzungen durchgeführt, sei sein Vorbringen insoweit nicht hinreichend
konkretisiert. Soweit es sich um informelle Gespräche handele, sei der Vor- und
Nachbereitungsaufwand im Rahmen der Sitzungsvorbereitung erfasst und durch das
Gericht nicht gesondert zu vergüten. Insoweit wäre es Sache des Beteiligten zu 1.
gewesen, Einzelheiten der Gespräche nach Ort, Zeit, Teilnehmern und Inhalten
darzutun. Soweit der Beteiligte zu 1. Besprechungen mit dem Betriebsrat durchgeführt
habe, habe er dies in seiner Eigenschaft als Mitglied der repräsentierten
Gläubigergruppe getan, so dass diese Tätigkeit nicht gesondert als Mitglied des
Gläubigerausschusses zu vergüten sei. Eine über den Stundensatz von 50,00 EUR
hinausgehende Vergütung nach § 17 Abs. 1 Insolvenzverwaltervergütungsordnung sei
nicht angemessen, da die Schwierigkeit des Verfahrens für den Fall der Einsetzung
eines vorläufigen Gläubigerausschusses bereits für den Fall der Einsetzung
Voraussetzung sei. Dieser Grund könne für sich allein daher nicht dazu dienen, die
Regelsätze des § 17 Satz 1 Insolvenzverwaltervergütungsverordnung (InsVV) zu
überschreiten. Anhaltspunkte dafür, dass besonderer Zeit- und Entscheidungsdruck und
damit besondere Haftungsumstände gegeben gewesen seien, seien nicht ersichtlich.
Gegen den ihm am 21. Juli 2004 zugestellten Beschluss hat der Beteiligte zu 1. am 31.
Juli 2004 sofortige Beschwerde eingelegt, mit der er darauf hinweist, dass im Rahmen
der weiteren Besprechung schwerwiegendste Probleme des § 613 a BGB erörtert
worden seien. Insoweit habe er als Arbeitnehmervertreter im Gläubigerausschuss zur
Vorbereitung dieser Sitzungen am 19. März, 21. März, 24. März und 8. April 2004
vorbereitende Sitzungen mit den Arbeitnehmervertretungen abgehalten. Daneben seien
Gespräche mit dem Insolvenzverwalter und potentiellen Interessenten am 21. März 2003
und 25. März 2003 in den Büroräumen des Insolvenzverwalters durchgeführt worden.
Hieran seien auch Betriebsratsvertreter und Vertreter der IG Metall beteiligt gewesen.
Auch diese Sitzungen seien im Hinblick auf die Rechtsfragen der § 613 a BGB im
Zusammenhang mit der Firmenfortführung erfolgt.
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Der zugrunde gelegte Stundensatz von 50,00 EUR sei keinesfalls angemessen. In
normalen anwaltlichen Tätigkeiten seien Stundensätze zwischen 250,00 EUR und
300,00 EUR die Regel, die allein kostendeckend seien. Die Festsetzung der Vergütung
auf einen derartig niedrigen Stundensatz führe dazu, dass anwaltliche Tätigkeit als
Gläubigerausschussmitglied nicht mehr möglich sei. Im Hinblick darauf sei die
Festsetzung der Vergütung dahin abzuändern, dass auf der Basis eines Zeitaufwandes
von 9 x 9 Stunden und eines Stundensatzes von 350,00 EUR zuzüglich
Auslagenpauschale und Mehrwertsteuer abzurechnen sei.
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Mit Beschluss vom 10. August 2004 (GA. 601) hat das Amtsgericht die Akten dem
Landgericht Duisburg zur Entscheidung vorgelegt.
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II.
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Die gemäß §§ 6 Abs. 1, 73 Abs. 2, 64 Abs. 3 Insolvenzordnung statthafte und im
Übrigen zulässige Beschwerde ist in der Sache ohne Erfolg und daher zurückzuweisen.
Das Amtsgericht hat die Vergütung des Beteiligten zu 1. zu Recht auf einen Betrag von
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insgesamt 2.436,00 EUR festgesetzt.
Nach § 73 Abs. 1 Insolvenzordnung haben die Mitglieder des Gläubigerausschusses
Anspruch auf Vergütung für ihre Tätigkeit und auf Erstattung angemessener Auslagen.
Dies gilt auch für den vor Verfahrenseröffnung vom Insolvenzgericht eingesetzten
vorläufigen Gläubigerausschuss (vgl. Landgericht Duisburg NZI 2004, 95 f. m. w. N.).
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Bei der Bemessung der Vergütung ist nach dem Wortlaut des § 73 Abs. 1
Insolvenzordnung dem Zeitaufwand und dem Umfang der Tätigkeit Rechnung zu tragen.
Ergänzend ist in § 17 Insolvenzverwaltervergütungsverordnung, der nach §§ 73, 65
Insolvenzordnung Anwendung findet, die Vergütung der Ausschussmitglieder
regelmäßig auf einen Betrag zwischen 25,00 und 50,00 EUR je Stunde festzusetzen. Im
Rahmen der Festsetzung des Stundensatzes sind dabei insbesondere Umfang und
Schwierigkeit der Tätigkeit zu berücksichtigen. Grundsätzlich haben danach die
Ausschussmitglieder über ihren Zeitaufwand und über ihre Auslagen Aufzeichnungen
zu machen. Wird die Vergütung nach dem Zeitaufwand berechnet, so kann das
Insolvenzgericht diesen Aufwand aber auch anhand der Angaben der Beteiligten und
der ihm bekannten Umsätze schätzen, wenn es unzumutbar erscheint, von den
Ausschussmitgliedern eine Aufzeichnung des Zeitaufwandes zu verlangen (vgl.
Amtsgericht Duisburg NZI 2004, Seite 325; Nowak im Münchner Kommentar zur
Insolvenzordnung, § 17 Insolvenzverwaltervergütungsordnung Rn. 8 mit umfangreichen
weiteren Nachweisen).
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Danach hat das Amtsgericht den zu Gunsten des Beteiligten zu 1. anzusetzenden
Zeitaufwand zutreffend mit einem Zeitaufwand von 3 x 3 sowie 3 x 2 Stunden für Vor-
und Nachbereitung sowie Anreisezeit von 3 x 2 Stunden berücksichtigt. Dies entspricht
den Zeiten, die auch als durchschnittliche Zeiten für die übrigen Ausschussmitglieder zu
berücksichtigen waren und die nach dem Vorbringen der übrigen Ausschussmitglieder
auch zur Vorbereitung und Nachbereitung der Sitzungen jeweils erforderlich waren.
Soweit der Beteiligte zu 1. darüber hinaus weitergehende Besprechungen mit
Betriebsratsmitgliedern bzw. Arbeitnehmervertretern zur Begründung eines erhöhten
Zeitaufwandes anzuführen, hat dieser - worauf auch das Amtsgericht bereits zutreffend
hingewiesen hat - nicht hinreichend dargetan, dass diese Tätigkeit im Rahmen des
Zeitaufwandes gerade für die Tätigkeit als Mitglied des Gläubigerausschusses
veranlasst war. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass der Beteiligte zu 1. vor und
während seiner Amtszeit zugleich rechtlicher Berater es Betriebsrates war und damit
indirekt auch als Vertreter der Belegschaft tätig war. Die von ihm herangezogenen
Besprechungen mit dem Betriebsrat und den Vertretern der IG Metall sowie seine
Teilnahme an Verhandlungen des vorläufigen Insolvenzverwalters mit möglichen
Übernahmeinteressenten dienten daher vorrangig dazu, den Bestand möglichst vieler
Arbeitsverhältnisse rechtlich abzusichern. Sie verfolgten damit zunächst unmittelbar die
rechtlichen und wirtschaftlichen Interessen der von dem Beteiligten zu 1. vertretenen
Gläubigergruppe. Dass damit auch oder zumindest überwiegend Interessen der
Gläubigergemeinschaft und nicht nur der allein von ihm vertretenen Gläubigergruppe
wahrgenommen wurden, ist weder aus den Umständen ersichtlich, noch von dem
Beteiligten zu 1. hinreichend dargetan worden. Entsprechend kann der Beteiligte zu 1.
für diese Gespräche auch keine Vergütung nach den Grundsätzen der Entschädigung
des Mitglieds des Gläubigerausschusses fordern.
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Der Beteiligte zu 1. kann auch eine Erhöhung des Stundensatzes über den in § 17
Insolvenzverwaltervergütungsordnung hinausgehenden Höchststundensatz von 50,00
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EUR nicht geltend machen. Regelmäßig deckt dieser Höchstsatz den Umfang der
Tätigkeit des Gläubigerausschusses ab. Nur bei besonders schwierigen Verfahren oder
besonders haftungsbegründendem Einsatz des jeweiligen Ausschussmitgliedes kann
eine Erhöhung des Stundensatzes vorgenommen werden, die ihre Begründung jedoch
jeweils in den Umständen des Einzelfalles findet (vgl. Nowack a. a. O., Rn. 5 f.). Wie das
Amtsgericht zutreffend ausgeführt hat, ergeben sich besondere Schwierigkeiten der
Tätigkeit des Beteiligten zu 1. nicht bereits aus dem Umstand, dass ein großes
Unternehmen mit zahlreichen Beschäftigten abzuwickeln war. Die Einsetzung des
vorläufigen Gläubigerausschusses kommt regelmäßig nur in solchen Verfahren in
Betracht, in der erhebliche wirtschaftliche Verflechtungen und größere Unternehmen
abzuwickeln sind. Allein diese Umstände können daher eine Erhöhung der
Regelvergütung nicht rechtfertigen. Dass eine besonders intensive oder
haftungsriskante Tätigkeit des Beteiligten zu 1. erfolgt ist, ist nicht ersichtlich. Die
berufliche Abrechnungspraxis des Beteiligten zu 1. rechtfertigt jedenfalls nicht, eine
entsprechende Erhöhung der Vergütung vorzunehmen. Diese ist regelmäßig nicht
Maßstab für die Festsetzung der Vergütung, was sich bereits aus dem Gesetzestext
ergibt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
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Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird festgesetzt auf 33.036,00 EUR (Differenz
zwischen beantragter Vergütung von 35.496 EUR und festgesetzter Vergütung von
2.436,00 EUR.
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Beschluss der 7. Zivilkammer vom 12.Oktober 2004
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Auf die als Gegenvorstellung des Beteiligten zu 1. auszulegende Eingabe vom
08.Oktober 2004 wird der Streitwert für das Beschwerdeverfahren festgesetzt auf
23.664,- EUR.
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Gründe:
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Im Hinblick auf das Vorbringen des Beteiligten zu 1., der in der Beschwerdeschrift vom
29.07.04 in Ansatz gebrachte Stundensatz habe nicht 350,- EUR, sondern lediglich
250,- EUR betragen sollen, ist der Streitwert unter Berücksichtigung dieses
Stundensatzes erneut festzusetzen.
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Danach errechnet sich aus der Auslagenpauschale, Mehrwertsteuer und der in Abzug
zu bringenden festgesetzten Vergütung ein Beschwerdewert von 23.664,- EUR.
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