Urteil des LG Duisburg vom 29.05.2009

LG Duisburg: produkt, warentest, stiftung, werbung, ernte, verbraucher, unlauterer wettbewerb, internet, herkunft, irreführung

Landgericht Duisburg, 22 O 121/08
Datum:
29.05.2009
Gericht:
Landgericht Duisburg
Spruchkörper:
2. Kammer für Handelssachen
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
22 O 121/08
Tenor:
hat die 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Duisburg
auf die mündliche Verhandlung vom 29.05.2009
durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht ,
den Handelsrichter und den Handelsrichter
für R e c h t erkannt:
Die Beklagte wird verurteilt, es bei Vermeidung eines für jeden Fall der
Zuwi-derhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00
€ ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Wochen – oder einer Ordnungshaft
bis zu 6 Monaten, letztere zu vollziehen an den Geschäftsführern ihrer
persönlich haftenden Gesellschafterin, zu unterlassen, im geschäftlichen
Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs für kalt gepresstes Olivenöl unter
Bezugnahme auf einen Testbericht der Stiftung Warentest zu werben,
der nicht das beworbene Olivenöl, sondern ein Olivenöl betrifft, welches
aus einer früheren Ernte stammt.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte. Die Kosten der
Streithilfe trägt die Streithelferin der Beklagten.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 6.000,00 € vorläufig
vollstreckbar.
I. Tatbestand
1
Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Unterlassung der Werbung mit Olivenöl unter
Bezugnahme auf einen Testbericht der Stiftung Warentest in Anspruch, der ein Produkt
einer früheren Ernte betrifft.
2
Die Klägerin, ein Verbraucherverband, nimmt nach ihrer Satzung die Interessen der
3
Die Klägerin, ein Verbraucherverband, nimmt nach ihrer Satzung die Interessen der
Verbraucher durch Aufklärung und Beratung wahr. Die Beklagte ist ein im Lebensmittel-
Einzelhandel tätiges Discount-Unternehmen.
3
Mit E-Mail vom 22.07.2008 wurde die Klägerin von Verbraucherseite über eine
Internetwerbung der Beklagten für den Zeitraum ab Montag, 28.07.2008 für
Griechisches, natives Olivenöl extra zum Preis von 4,49 € informiert. Das zum Verkauf
stehende Olivenöl stammte aus der Ernte 2007/2008. Mittels eines um den
Flaschenhals angebrachten Hängers stellte die Beklagte das Olivenöl mit einem
Testbericht der Stiftung Warentest, ermittelt am Produkt " " mit Mindesthaltbarkeitsdatum:
20.05.2006 – Heft 5/2006, S. 26 f. – heraus. Das beworbene Olivenöl stammte aus der
Ernte 2005/2006. Auch in ihrem Werbemagazin vom 28.07.2008 schaltete die Beklagte
die in Rede stehende Werbung.
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Mit Schreiben vom 30.07.2008 mahnte die Klägerin die Beklagte ab und forderte sie zur
Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf. Dies lehnte die Beklagte mit
Schreiben vom 13.08.2008 ab. Im September 2008 bat die Klägerin die Stiftung
Warentest um eine Stellungnahme, welche diese mit Schreiben datierend auf den
01.10.2008 abgab. Die Stiftung Warentest äußerte sich dahingehend, dass im Vergleich
der Olivenölflaschen aus 2006 und 2008 bewertungsrelevante Änderungen vorlägen:
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"Die alte Kennzeichnung enthielt noch einen Hinweis auf das Ausflocken des Öles bei
Temperaturen unter 6 Grad Celsius. Dieser fehlt auf dem neuen Etikett. Der Hinweis war
für die Bewertung der Lagerungs- und Verwendungshinweise seinerzeit aber
bewertungsrelevant und würde nun zu einer schlechteren Benotung in der Deklaration
führen.
6
Die Nährwertangaben waren auf dem alten Etikett allein auf 100 Milliliter bezogen,
während die neue Flasche die GDA-Kennzeichnung enthält. Hieraus dürften
unterschiedliche Bewertungen resultieren, die aber ohne Analyse nicht durchgeführt
werden können. Bereits fraglich ist der Unterschied in der Brennwertangabe: früher
3504 kj bzw. 851 kcal und jetzt 3345 kj bzw. 814 kcal."
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Nach Einholung dieser Stellungnahme setzte die Klägerin der Beklagten per Telefax
vom 06.10.2008 eine Nachfrist zur Abgabe der strafbewehrten Unterlassungserklärung
bis zum 20.10.2008, welche diese mit Telefax vom 20.10.2008 ablehnte.
8
Mit Schreiben vom 31.10.2008 wandte sich die Beklagte an die Klägerin und teilte ihr
mit, hinsichtlich des angeblichen Kennzeichnungsmangels "Fehlen des
Ausflockungshinweises" sei sie bereit, sich strafbewehrt zu unterwerfen. Eine
weitergehende Unterwerfung verweigerte die Beklagte. Die Klägerin informierte die
Beklagte mit Schreiben vom 04.11.2008 darüber, dass zum Zeitpunkt des Angebotes
der strafbewehrten Unterlassungserklärung infolge des Ablaufes der gesetzten Frist am
20.10.2008 mit Schriftsatz auf den 30.10.2008 datierend Klage erhoben worden war.
9
Die Klägerin ist der Ansicht:
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Das Verhalten der Beklagten verstoße gegen das wettbewerbsrechtliche
Irreführungsverbot. Mit einem Testbericht aus dem Jahre 2006, der sich auf ein aus der
Ernte 2005/1006 hervorgegangenes Naturprodukt beziehe, dürfe nicht für ein zwei Jahre
älteres Produkt geworben werden. Dies ergebe sich aus den Empfehlungen der Stiftung
Warentest vom März 2001, wonach nicht mit Testberichten für Produkte geworben
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werden dürfe, für die diese Untersuchung nicht gelte. Der Testbericht und dessen
Ergebnis beruhten unter anderem auf der Prüfung der sensorischen Qualität, dem
Gesamteindruck, der chemischen Qualität und der Schadstofffreiheit. Jedes Jahr habe
andere klimatische Gegebenheiten, wie die Anzahl der Sonnenstunden, die Menge des
Niederschlages (oder der anderweitigen Bewässerung), die täglichen
Temperaturschwankungen, die sonstigen Umwelteinflüsse wie die Auswirkung von
(gerade im Jahr 2007 in Griechenland besonders tobenden) Waldbränden oder anderen
Naturkatastrophen. Selbst die verwendeten tragenden Bäume und die Platzierung
innerhalb desselben Anbaugebietes spielten eine Rolle. All dies könne insbesondere
die sensorischen Grundlagen ebenso beeinflussen wie den Gesamteindruck, die
chemische Qualität und die Schadstofffreiheit etc. Demgemäß könne ein getestetes
Produkt mit dem Mindesthaltbarkeitsdatum 20.05.2006 nicht mit einem Produkt
gleichgesetzt werden, was aus der Ernte 2007/2008 stamme. Denn Olivenöle aus zwei
verschiedenen Jahrgängen und somit auch aus verschiedenen Ernten seien
zwangsläufig nicht identisch. Mithin sei die Werbung mit einem entsprechenden
Testbericht irreführend.
Die Klägerin beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, es bei Vermeidung eines für jeden Fall der
Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zum 250.000,00 €
ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Wochen – oder einer Ordnungshaft bis zu 6
Monaten, letztere zu vollziehen an den Geschäftsführern ihrer persönlich haftenden
Gesellschafterin, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des
Wettbewerbs für kalt gepresstes Olivenöl unter Bezugnahme auf einen Testbericht
der Stiftung Warentest zu werben, der nicht das beworbene Olivenöl, sondern ein
Olivenöl betrifft, welches aus einer früheren Ernte stammt.
13
Die Beklagte und ihre Streithelferin beantragen,
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die Klage abzuweisen.
15
Sie und ihre Streithelferin sind der Ansicht:
16
Eine Irreführung des Publikums scheide infolge des Hinweises auf die Divergenz von
getestetem und beworbenem Produkt aus. Der Aufdruck der an den Olivenölflaschen
angebrachte Hänger, dass das Qualitätsurteil am Produkt " " mit dem
Mindesthaltbarkeitsdatum 20.05.2006 ermittelt worden sei, erfülle die Verpflichtungen
aus Ziff. I 2. lit. b) sowie lit. c) der Bedingungen der Stiftung Warentest zur "Werbung mit
Untersuchungsergebnissen", wonach das Qualitätsurteil für ein gleiches, von der
Untersuchung nicht erfasstes Produkt nicht ohne Erwähnung des untersuchten
Produktes verwendet werden dürfe.
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Bei dem beworbenen Olivenöl aus der Ernte 2007/2008 handele es sich um das gleiche
Produkt wie bei dem getesteten Olivenöl aus der Ernte 2005/2006. Sowohl das
beworbene Produkt " " als auch das getestete Produkt " " stammten aus demselben
Anbaugebiet ( ), was durch die auf den Etiketten der Flaschen beider Produkte
angebrachten Gemeinschaftszeichen im Sinne von Art. 8 VO (EG) Nr. 510/2006 belegt
werde. Neben der Herkunft seien beide Öle auch hinsichtlich der Herstellungsverfahren
und Abfüllstätten – Union der Agrargemeinschaften Sitia/GR-72300 Sitia Kreta
(Betriebs-Ident-Nr. EL 40020) – identisch. Bei beiden handele es sich um eine
18
sortenreine Auslese derselben Olivensorte (Koroneiki-Olive). Bei Olivenölen gleicher
Sorte, gleicher Herkunft und gleicher Herstellung veränderten sich die
Produkteigenschaften nicht, sie seien vielmehr gleich.
Sollte die Herkunft eines Produktes aus einem anderen Erntejahr die Möglichkeit der
Übertragung des Qualitätsurteils auf das gleiche Produkt eines anderen Erntejahres
entfallen lassen und damit jegliche Bewerbung von Naturprodukten mit Qualitätsurteil
der Stiftung Warentest über die konkret getestete Charge hinaus unzulässig sein, sei
dies nicht der Sinn der Bedingungen der Stiftung Warentest zur Werbung mit
Untersuchungsergebnissen, wie bereits die Existenz von Ziff. I. 2. lit. b) der
Bedingungen zeige.
19
Das in Ziff. I. 2 geregelte Verbot, eine Test-Untersuchung mit Produkten in
Zusammenhang zu bringen, für die sie nicht gelte, bedeute nicht etwa, dass nur eine
Werbung für identische Produkte zulässig sei, vielmehr sei – wie sich aus Ziff. I. 2. lit. c)
ergebe – auch eine Verwendung von Qualitätsurteilen aus Test-Untersuchungen für ein
"gleiches" Produkt, welches von der Test-Werbung nicht erfasst worden sei, zulässig. In
diesem Fall sei das untersuchte Produkte zu erwähnen. Entscheidend komme es damit
nicht auf die Frage an, ob das beworbene und das getestete Produkt identisch, sondern
ob die beiden Produkte "gleich" seien.
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Dass es sich bei dem in Rede stehenden Olivenöl um ein Naturprodukt handele, stehe
einer Bewerbung späterer Erntejahrgänge nicht entgegen, was Ziff. I. 2. lit. b) der
Bedingungen der Stiftung Warentest voraussetze, wonach bei einem Test von
Lebensmitteln Ergebnisse, die sich auf eine bestimmte in der Veröffentlichung
angegebene Charge (MAD, UBA-Nr. o.ä.) bezögen, nur unter der Angabe der
untersuchten Charge zur Werbung benutzt werden dürften.
21
Weiterhin werde die Auffassung der Klägerin nicht durch das Schreiben der Stiftung
Warentest vom 01.10.2008 gestützt. so handele es sich bei den Aspekten des fehlenden
Ausflockungshinweises sowie der unterschiedlichen Form der Nährwertangabe um
Kennzeichnungsfragen, nicht aber um Produkteigenschaften. Bei den weiterhin von der
Stiftung Warentest angeführten unterschiedlichen Brennwertangaben handele es sich
um natürliche Schwankungen, welche die Identität der in Rede stehenden Produkte
nicht in Frage stellten.
22
Mit der Anzeige der Verteidigungsbereitschaft mit Schriftsatz vom 10.12.2008 hat die
Beklagte der GmbH & Co. KG den Streit verkündet mit der Aufforderung, dem
Rechtsstreit auf Seiten der Beklagten beizutreten. Der Beitritt der Streithelferin ist mit
Schriftsatz vom 16.03.2009 bei Gericht eingegangen.
23
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen
den Parteien gewechselten Schriftsätze und die zu den Akten gereichten Unterlagen
Bezug genommen.
24
II. Entscheidungsgründe
25
Die zulässige Klage ist begründet. die Klägerin kann von der Beklagten verlangen, es
zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs für kalt
gepresstes Olivenöl unter Bezugnahme auf einen Testbericht der Stiftung Wartentest zu
werben, der nicht das beworbene Olivenöl, sondern ein Olivenöl betrifft, welches aus
26
einer früheren Ernte stammt.
I.
27
Das Landgericht Duisburg ist gemäß § 13 Abs. 1 Satz 1 UWG sachlich sowie gemäß §
14 Abs. 1 Satz 1 UWG örtlich zuständig.
28
Die Klägerin kann als qualifizierte Einrichtung gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWGiVm § 4 Abs.
1 UKlaG Unterlassung beanspruchen.
29
II.
30
1.
31
Die Klägerin hat einen Unterlassungsanspruch aus § 8 Abs. 1 Satz 1 iVm §§ 5 Abs. 2
Satz 1 Nr. 1, 3 UWG.
32
a)
33
Infolge der Doppelnatur des § 8 Abs. 3 Nr. 2 bis 4 UWG (Emmerich, Unlauterer
Wettbewerb, 8. Auflage 2009, § 22 Rn. 30) kommt der Klägerin als qualifizierte
Einrichtung gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 4 UWG Aktivlegitimation zu.
34
b)
35
Der in die Zukunft gerichtete Unterlassungsanspruch besteht nur, wenn das
beanstandete Verhalten auch zur Zeit der Begehung wettbewerbswidrig war (BGH
NJW-RR 2005, 684 – Direkt ab Werk).
36
Hiervon ausgehend ergibt sich ein Unterlassungsanspruch unter dem Gesichtspunkt
des Verletzungsunterlassungsanspruchs aus § 8 Abs. 1 Satz 1 UWG.
37
3.
38
Die Kammer geht von einer Verletzung des § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UWG aus:
39
a)
40
Die Beklagte hat sowohl im Internet für den Zeitraum ab Montag, 28.07.2008 als auch in
ihrem Werbemagazin vom 28.07.2008 für Griechisches, natives Olivenöl extra unter
Bezugnahme auf den Testbericht aus dem Heft 05/2006, S. 26 f. für das Produkt (" " aus
der Ernte 2005/2006 geworben. Hierin ist eine zugunsten des eigenen Unternehmens
erfolgende Absatzförderung und damit eine produktbezogene Wettbewerbshandlung im
Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG zu sehen.
41
b)
42
Bei der vorliegenden Werbeanzeige sowohl im Internet als auch im Werbemagazin vom
28.07.2008 kann unzweifelhaft von einer Werbemaßnahme im Sinne des § 5 Abs. 1,
Abs. 2 UWG ausgegangen werden.
43
c)
44
Es kann dahinstehen, ob die Verbraucher auf den Hinweis aufmerksam wurden, dass
das Qualitätsurteil von einem Test am Produkt " " aus dem Jahre 2006 resultierte, und
somit erkennen konnten, dass das beworbene Produkt nicht das getestete Produkt war.
Denn unstreitig dient das Loge der Stiftung Warentest der Herausstellung eines
Produktes im Vergleich zu anderen, nicht oder schlecht getesteten Produkten und führt
dazu, dass sich die Verbraucher mit dem vermeintlich geprüften Produkt beschäftigen
oder näher auseinandersetzen. So reicht es für die Irreführung bzw. die
Irreführungsgefahr bereits aus, dass sich der angesprochene Verkehr auf Grund der
irreführenden Angaben überhaupt erst oder näher mit dem Angebot befasst (BGH
GRUR 1988, 829 – Verkaufsfahrten II
;
GRUR 1991, 554, 555 – Bilanzbuchhalter; GRUR 1991, 772, 773 - Anzeigenrubrik I;
GRUR 1991, 774, 775 – Anzeigenrubrik II; GRUR 2000, 29, 241 – Last-Minute-Reisen;
Piper/Ohly-Piper, 4. Auflage 2006, § 5 Rn. 115). Eine Angabe ist regelmäßig dann als
irreführend im Sinne des § 5 UWG zu beanstanden, wenn der angesprochene Verkehr
im Zeitpunkt seiner Kaufentschließung nicht mehr in einem Irrtum befangen ist, die
betreffende Angabe aber geeignet war, ihn anzulocken und dem Angebot näherzutreten,
das er sonst nicht oder nicht in dieser Weise beachtet hätte (ständige Rechtsprechung,
BGH aal; Piper/Holy-Piper, 4. Auflage 2006, § 5 Ran. 115).
45
Konsumenten vertrauen Warentests. Die unabhängigen Qualitätsurteile werden von
Unternehmen gern zur Umsatzsteigerung eingesetzt. Wird das Produkt mit "gut" oder
"sehr gut" bewertet, eignet sich ein solches Prädikat bestens für die Produktwerbung.
Der Hersteller bzw. Anbieter kann sich so in seiner Werbung auf einen vergleichenden
Warentest berufen, dem die Verbraucher besonders dann vertrauen, wenn er von einer
bekannten und unabhängigen Institution wie der Stiftung Warentest in Auftrag gegeben
wurde. Nahezu jeder dritte Konsument richtet sich bei wichtigen Kaufentscheidungen
nach ihren Urteilen (Koppe/Zagouras, WRP 2008, 1035).
46
d)
47
Der Vertrag der Beklagten hinsichtlich der Gleichheit des 2008 beworbenen und des
2006 getesteten Produktes kann dahinstehen, denn bei Lebensmitteln darf nur dann
dasselbe Testurteil (auch für nicht getestete Produkte) verwendet werden, wenn sie zu
einer Charge gehören. Die zwei Jahre auseinander liegenden Erntejahrgänge können
nicht als zu einer Charge gehörig bezeichnet werden, weshalb nicht für beide Olivenöle
dasselbe Testurteil verwendet werden darf. Eine Charge umfasst Lebensmittel, die unter
praktisch gleichen Bedingungen erzeugt, hergestellt und verpackt wurden. Vorliegend
mangelt es jedoch an den gleichen Bedingungen. Olivenbäume sind den klimatischen
Gegebenheiten, wie die Anzahl der Sonnenstunden, die Menge des Niederschlages
(oder der anderweitigen Bewässerung), die täglichen Temperaturschwankungen, die
sonstigen Umwelteinflüsse wie die Auswirkung von Waldbränden oder
Naturkatastrophen, ausgesetzt. Die Qualität des aus seinen Früchten gewonnenen Öls
ist demnach sehr unterschiedlich und hängt von Lage, Bodenqualität, Klima und der
Behandlung der Oliven bei Ernte und Ölextraktion ab (vgl. unter http://www.toscana-
toskana.de/olio/olivenoel.htm). Dies kann die sensorischen Grundlagen ebenso
beeinflussen wie den Gesamteindruck, die chemische Qualität und die
Schadstofffreiheit etc. Insbesondere der genaue Erntezeitpunkt wirkt sich entscheidend
auf den Geschmack aus: So wird bei Olivenölen zwei Arten von Öl unterschieden, die
sich nach dem Erntezeitpunkt richten, Faktoren, welche die physio-Chemischen und
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geschmacklichen Eigenschaften zwischen diesen beiden Arten Olivenöl beeinflussen.
Folglich gibt es wie bei Weinen Jahrgänge, die infolge der klimatischen Begebenheiten,
der Art der Ernte und Auslese sowie der Verarbeitung und Abpackung zu den Spitzen-
Jahrgängen gehören und solche, die sich als ehe durchschnittlich erweisen.
Bei Olivenölen, die aus zwei verschiedenen Erntejahren stammen, handelt es sich
dementsprechend nicht um identische Produkte.
Mit dem Testurteil beworben werden
darf aber nur das tatsächlich getestete Produkt
Irreführung des Verkehrs (Koppe/Zagouras, WRP 2008, 1035, 1041).
49
e)
50
Ob mit irreführenden Angaben geworben wird, bestimmt sich maßgeblich danach, wie
der angesprochene Verkehr die beanstandete Werbung versteht. Da allgemein bekannt
ist, dass die Veröffentlichung der Untersuchungsergebnisse der Stiftung Warentest die
Aufklärung der Verbraucher zum Ziel hat (BGH GRUR 1987 468, 469 – Warentest IV,
BGH DStR 2006, 58, 60), werden die angesprochenen Verkehrskreise zwar sowohl die
Werbung mit dem Testergebnis in den Werbemagazinen und in der Internet-Werbung
der Beklagten dahin verstehen, dass es sich bei dem in Bezug genommenen Test der
Stiftung Warentest um einen von ihr durchgeführten üblichen Produkttest gehandelt hat.
51
Mit der Werbung für das Olivenöl sowohl im Internet als auch in den zeitnah gestreuten
Werbeprospekten werden als beteiligte Verkehrskreise insbesondere die Kunden der
Beklagten und damit Verbraucher angesprochen. Maßgebend für die Bestimmung des
Inhalts einer Werbung ist die Auffassung des Verkehrs, für den die Werbeaussage
bestimmt ist und von dem der Werbende verstanden werden will. Da die Beklagte ihre
Waren vornehmlich an Endverbraucher vertreibt, sind diese für die Bestimmung des
Gesamteindrucks der Werbung maßgebend. Entscheidend für die Bildung der
Verkehrsauffassung ist der erfahrungsgemäß am Wortsinn anknüpfende objektive
Eindruck der Werbung auf den Empfängerkreis. Die Werbung muss so abgefasst sein,
dass der Leser, der sich auf sie verlässt, nicht getäuscht wird. Sie muss deshalb auch
die Begleitumstände in Rechnung stellen, unter denen der Empfänger angesprochen
wird.
52
Die Anbringung des Hängers an die Olivenölflaschen mit dem Logo der Stiftung
Warentest und dem fest gedruckten Testergebnis "Gut (2,3)" ist dazu geeignet, die
Verbraucher auf das Produkt nicht nur aufmerksam zu machen,, sondern darüber hinaus
das beworbene Produkt als das getestete Produkt herauszustellen. Der klein gedruckte
Hinweis "Ermittelt am Produkt " " mit Mindesthaltbarkeitsdatum: 20.05.2006" kann nicht
darüber hinwegtäuschen, dass der Verbraucher oftmals allein auf das Logo achtet und
sich bei einer guten Note nicht die Zeit nimmt, die genaueren, mit abgedruckten
Einschränkungen durchzulesen. Insbesondere die Betrachtung der Begleitumstände,
unter denen der Empfänger angesprochen wird, vermag die vorstehende Argumentation
zu stützen. So nimmt sich der Durchschnittsverbraucher beim Einkaufen im Supermarkt
nicht die Zeit, alle an den Produkten angebrachten Hinweise zu lesen. Speziell in
Discount-Ketten sorgt neben der immergleichen Aufstellung und Sortierung der
Produkte, die eingängige Etikettierung für einen hohen Wiedererkennungseffekt, sodass
der Verbraucher "blind" den Einkaufswagen bestücken und mit einer hohen
Geschwindigkeit – auch speziell bei Discountern zu beobachten – seinen Einkauf
erledigen kann. Springt dem Verbraucher bei einem solchen Einkauf dann das Emblem
der Stiftung Warentest ins Auge, geht der Verbraucher nicht davon aus, dass es sich bei
53
dem mit dem Logo beworbenen Produkt nicht um das getestete Produkt handelt.
Vielmehr verlässt sich der Verbraucher auf das Qualitätsurteil und greift zu dem
beworbenen Produkt, ohne sich näher mit dem Kleingedruckten oder mit dem
ausführlichen Testbericht zu befassen. Aber selbst wenn der Verbraucher den Hinweis
auf den zwei Jahre zurückliegenden Test zur Kenntnis nimmt, steht das einer
Täuschung des Verbrauchers nicht entgegen. Der Empfänger wird davon ausgehen, bei
dem Produkt handele es sich zwar um ein namentlich geändertes, aber in der
Zusammensetzung ansonsten unverändertes, das heiß identisches Produkt.
f)
54
Bei Gewerbetreibenden wird im Falle des Vorliegens einer äußerlichen
Wettbewerbshandlung vermutet, dass sie auch mit Wettbewerbsabsicht gehandelt
haben (BGHZ 136, 111, 117 – Kaffeebohne; BGH NJW 2002, 3408, 3409; BGH NJW
2007, 3002, 3003 f. – Kontoauszug).
55
g)
56
Die Veröffentlichung der Werbeanzeige der Beklagten auf ihrer Homepage sowie in
dem von ihr in Umlauf gebrachten Werbemagazin vom 28.07.2008 führte zu einer
weitflächigen Verbreitung der irreführenden Angaben. Die darin liegende
Unlauterkeitstat ist daher nicht unerheblich.
57
h)
58
Es ist davon auszugehen, dass die Beklagte Kenntnis von den die Unlauterkeit
begründenden Tatumständen hätte. Das Handeln der Beklagten war auch rechtswidrig.
59
4.
60
Die gemäß § 3 UWG vorzunehmende Gesamtabwägung ergibt, dass die unlautere
Wettbewerbshandlung geeignet ist, den Wettbewerb zum Nachteil von Verbrauchern
mehr als nur unerheblich zu beeinträchtigen.
61
III.
62
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO sowie auf § 101 Abs. 1, 2.
Hs. ZPO.
63
Die Vollstreckbarkeitsentscheidung folgt aus § 709 Satz 1 ZPO.
64
Dem Antrag der Beklagten und Streithelferin auf Gewährung einer Schriftsatzfrist war
nicht stattzugeben, da der Schriftsatz der Klägerin vom 22.05.209 keine neuen
Tatsachen enthält.
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