Urteil des LG Duisburg vom 14.07.2009

LG Duisburg: widersprüchliches verhalten, fristlose kündigung, ohne aussicht auf erfolg, angemessener zeitraum, angemessene frist, beweisverfahren, wohnung, vermieter, mietsache, zustellung

Landgericht Duisburg, 13 S 55/09
Datum:
14.07.2009
Gericht:
Landgericht Duisburg
Spruchkörper:
13. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
13 S 55/09
Vorinstanz:
Amtsgericht Duisburg-Hamborn, 6 C 414/08
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 17.02.2009 verkündete
Grundurteil des Amtsgerichts Duisburg-Hamborn - 6 C 414/08 -
abgeändert und die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Zwangs-
vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des auf
Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die
Beklagten vorher Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
Die Revision wird zugelassen.
Streitwert: 3.120,10 Euro
Gründe
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A.
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Die Klägerin nimmt die Beklagten wegen Kosten des Umzugs in eine neue Wohnung
nach fristloser Kündigung eines Wohnraummietverhältnisses in Anspruch.
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Zur Darstellung des Sachverhalts wird zunächst auf die Feststellungen im Tatbestand
des angefochtenen Urteils Bezug genommen. Die Klägerin setzte dem Rechtsvorgänger
der Beklagten mit Schreiben vom 23.02.2007 eine Frist zur unverzüglichen Beseitigung
von Schimmel- und Feuchtigkeitserscheinungen im Bad. Nachdem der
Rechtsvorgänger der Beklagten nicht mit einer Instandsetzung reagierte, leitete die
Klägerin ein selbständiges Beweisverfahren ein. Noch vor Fertigung des Gutachtens
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kündigte die Klägerin das Mietverhältnis wegen massiver Feuchtigkeitsschäden und
Schimmelpilz mit Schreiben vom 20.11.2007 fristlos. Die Klägerin zog aus der Wohnung
aus und ließ schließlich die Beklagten Anfang 2008 wegen der im Zusammenhang mit
dem Wohnungswechsel entstandenen Kosten zur Zahlung von Schadensersatz
auffordern.
Die Parteien haben im ersten Rechtszug darüber gestritten, in welchem Umfang
Feuchtigkeits- und Schimmelschäden vorlagen und in welcher Höhe der Klägerin
Schadensersatz zusteht.
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Das Amtsgericht hat in seinem Grundurteil vom 17.02.2009 erkannt, dass der
Klageanspruch dem Grunde nach gerechtfertigt sei.
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Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten. Sie beanstanden insofern die
Feststellungen des Amtsgerichts, wonach der Beweis nicht geführt sei, dass die
Ursache für die Schäden nicht in ihrem Verantwortungsbereich läge. Vielmehr sei nach
dem Sachverständigen auch die Klägerin für die Schäden durch ein falsches
Nutzverhalten verantwortlich. Außerdem stelle es ein widersprüchliches Verhalten dar,
einerseits ein selbständiges Beweisverfahren zu führen und andererseits noch vor
dessen Erledigung fristlos zu kündigen.
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Die Beklagten beantragen,
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das Urteil des Amtsgerichts Duisburg-Hamborn vom 17.02.2009 – 6 C 414/08
– aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie verteidigt das Urteil des Amtsgerichts und weist darauf hin, dass es ein neues
Verteidigungsmittel darstelle, wenn sich die Beklagten auf widersprüchliches Verhalten
beriefen. Da die Beklagten durchaus mit einer fristlosen Kündigung nach Beendigung
des selbständigen Beweisverfahrens gerechnet hätten, komme es auf den Zeitablauf
zwischen Februar und November 2007 nicht an. Hinzu komme, dass die
Untersuchungen des Sachverständigen auf Grund der jahreszeitlichen Schwankungen
geraume Zeit in Anspruch genommen hätten, was ebenfalls bei der Frage der
Verwirkung des Kündigungsrechtes zu berücksichtigen sei. Ferner sei mit Schriftsatz im
selbständigen Beweisverfahren vom 11.10.2007 auf weitere Mängel hingewiesen
worden, wodurch die Klägerin erneut ihre Mängelbeseitigungsrechte geltend gemacht
habe.
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B.
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Die Berufung ist begründet.
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I.
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Der Klägerin steht kein Anspruch auf Schadensersatz nach §§ 280 Abs. 1, 535 Abs. 1
Satz 2, 569 BGB zu.
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Denn Voraussetzung für den Ersatz eines Kündigungsfolgeschadens des Mieters ist,
dass er auf Grund einer Pflichtverletzung des Vermieters berechtigt war, die fristlose,
außerordentliche Kündigung auszusprechen und deshalb einen Schaden erlitten hat
(vgl. Ehlert, in: BeckOK BGB § 542 Rdnr 26, Stand: 01.01.2007, Edition 13). Der
Berechtigung zur fristlosen Kündigung bedarf es deshalb als Anknüpfungspunkt für
einen Anspruch auf Schadensersatz, weil sich der Mieter nur unter dieser
Voraussetzung herausgefordert fühlen darf, auf Grund der Pflichtverletzung des
Vermieters das Vertragsverhältnis zu kündigen. Sonst ist es dem Mieter nämlich
zumutbar, zunächst mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln auf den Vermieter
dahin einzuwirken, dass dieser seine Pflichtverletzung einstellt.
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Die Klägerin war jedoch nicht berechtigt, mit Schreiben vom 20.11.2007 die fristlose
Kündigung auszusprechen.
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Dabei kann offen bleiben, ob ein Mangel der Mietsache vorlag. Denn selbst wenn von
der Mietsache Gesundheitsgefahren für die Klägerin ausgingen, hätte sie nicht so ohne
weiteres sofort kündigen dürfen. Auch im Falle der Gesundheitsgefährdung bedarf es
nämlich zunächst grundsätzlich einer Fristsetzung (vgl. BGH, Urteil vom 18.04.2007 -
VIII ZR 182/06 - NJW 2007, 2177).
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Eine solche, die fristlose Kündigung rechtfertigende Fristsetzung liegt hier nicht vor.
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Zwar hat die Klägerin den Vermieter zur Beseitigung der Feuchtigkeitsschäden
aufgefordert und hierzu mit Schreiben vom 23.02.2007 eine Frist gesetzt, die abgelaufen
ist, ohne dass er Mängelbeseitigungsarbeiten in Angriff genommen hätte. Diese
Fristsetzung kann jedoch eine Kündigung am 20.11.2007 nicht rechtfertigen. Denn gem.
§ 314 Abs. 3 BGB ist es erforderlich, dass der Kündigungsberechtigte die fristlose
Kündigung innerhalb einer angemessenen Frist nach Kenntnis vom Kündigungsgrund,
also hier dem Verstreichenlassen einer gesetzten Frist, ausspricht. Dies hat die Klägerin
nicht beachtet. Vielmehr hat sie fast ein Dreivierteljahr zugewartet, bis sie die
Kündigung erklärte. Dies ist unter den gegebenen Umständen kein angemessener
Zeitraum mehr. Vielmehr durften die Beklagten nach Einleitung des
Beweissicherungsverfahrens darauf vertrauen, dass die Klägerin gegebenenfalls
nochmals eine Fristsetzung ausspricht. Dies ergibt sich bereits aus dem in erster Instanz
streitigen Rechtsstoff, sodass die Beklagten nicht gehindert sind, mit der Berufung
widersprüchliches Verhalten der Klägerin zu rügen.
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Soweit die Klägerin darauf abstellt, dass die Beklagten nach eigenem Vortrag mit einer
Kündigung nach Abschluss des selbständigen Beweisverfahrens rechneten, so kommt
es hierauf nicht an. Die Wirkung des § 314 Abs. 3 BGB tritt unabhängig von den
Erwartungen des Kündigungsempfängers ein, wenn die angemessene Frist einmal
verstrichen ist. Zwar ist bei der Bestimmung der angemessenen Frist im Sinne des §
314 Abs. 3 BGB eine Abwägung vorzunehmen, was noch angemessen ist. Bei dieser
Abwägung spielen auch die Interessen und Erwartungen der Beteiligten eine Rolle.
Nichtsdestotrotz kommt mit zunehmender Länge immer stärker ein Zeitmoment zum
Tragen, sodass bei einer Kündigung, die erst 8 Monate und 12 Tage nach Kenntnis vom
Kündigungsgrund erfolgt, nicht mehr die Rede davon sein kann, dass die Kündigung
binnen angemessener Frist erfolgt sei. Dies ist ein doppelt so langer Zeitraum wie
derjenige, der bislang als gerade noch angemessen angesehen worden ist (vgl. BGH,
Urteil vom 21.03.2007 – XII ZR 36/05 – NJW-RR 2007, 886, 887; Palandt-Grüneberg,
67. Auflage, § 314 Rdnr. 10). In einem solchen Fall ist es vielmehr zumutbar, eine
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weitere Fristsetzung zu fordern.
Daran vermag auch das selbständige Beweisverfahren nichts ändern. Die Frist nach §
314 Abs. 3 BGB ist keine Verjährungsfrist, sodass § 204 Nr. 7 BGB, wonach die
Zustellung des Antrags auf Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens die
Verjährung hemmt, keine Anwendung finden kann.
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Soweit sich die Klägerin auf ihren Schriftsatz im selbständigen Beweisverfahren vom
11.10.2007 beruft, mit dem sie weitere Mängel zur Begutachtung des Sachverständigen
gestellt hat, kann ihr dies nicht weiterhelfen, weil er keine Fristsetzung enthält.
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Die Fristsetzung war auch nicht gem. § 543 Abs. 3 Nr. 1 oder Nr. 2 BGB entbehrlich.
Nach diesen Vorschriften bedarf es keiner Fristsetzung, wenn sie offensichtlich keinen
Erfolg verspricht oder die sofortige Kündigung aus besonderen Gründen unter
Abwägung der beiderseitigen Interessen gerechtfertigt ist. Dass eine erneute
Fristsetzung nach Durchführung zweier Ortstermine durch den eingeschalteten
Gerichtssachverständigen ohne Aussicht auf Erfolg geblieben wäre, kann nicht
festgestellt werden, da die Klägerin nicht abschätzen konnte, ob die Beklagten unter
diesen Umständen dabei bleiben würden, dass die Feuchtigkeitsschäden nutzerbedingt
seien. Auch liegen keine besonderen Gründe vor, die eine sofortige Kündigung
rechtfertigten. Denn es ist nicht ersichtlich, dass die Mängelbeseitigungsarbeiten
derartig zeitaufwendig gewesen wären, dass ein Verbleib in der Wohnung unzumutbar
gewesen wäre - zumal auch ein Umzug mit Einschränkungen für den Mieter verbunden
ist und die Klägerin bereits geraume Zeit in der Wohnung ausgeharrt hatte.
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II.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen
Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Streitwertfestsetzung
entspricht § 48 GKG.
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Die Zulassung der Revision beruht auf § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, um gegebenenfalls
rechtsfortbildend zu klären, ob die Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens
die Angemessenheit der Frist in § 314 Abs. 3 BGB beeinflusst.
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