Urteil des LG Düsseldorf vom 29.10.2010

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Landgericht Düsseldorf, 38 O 26/10
Datum:
29.10.2010
Gericht:
Landgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
8. Kammer für Handelssachen
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
38 O 26/10
Tenor:
Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden
Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu
250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6
Monaten, letztere zu vollziehen an den jeweils verantwortlichen
Geschäftsführern, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu
Zwecken des Wettbewerbs
a)
von ihren Abnehmern bei Vertrieb des Produkts „Q“ in Einweg-
Getränkeverpackungen kein Pfand in Höhe von mindestens 0,25 €
einschließlich Umsatzsteuer je Verpackung bei einem Füllvolumen von
01, Liter bis 3 Liter zu erheben,
und
b)
das unter a) genannte Getränkt nicht als pfandpflichtig zu kennzeichnen,
wenn es in Einweg-Getränkeverpackungen mit einem Füllvolumen von
01, Liter bis 3 Liter vertrieben wird.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 35.000,00 €
vorläufig vollstreckbar.
Die Sicherheitsleistung kann durch selbstschuldnerische Bürgschaft
einer in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Bank oder
Sparkasse erbracht werden.
Tatbestand:
1
Der Kläger ist ein Verein zur Förderung der gewerblichen Interessen von
Getränkeeinzelhändlern.
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Die Beklagte vertreibt Getränke an Endverbraucher, darunter das in Dosen verkaufte
Produkt mit der Bezeichnung "Q". Ein Pfand für die Rückgabe der Verpackung wird
nicht erhoben.
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Der Kläger sieht hierin einen Verstoß gegen § 9 Abs. 1 Satz 1 der
Verpackungsverordnung, der einen Gesetzesverstoß im Sinne von § 4 Nr. 11 UWG
darstelle. Die Voraussetzungen einer Ausnahme der Pfandpflicht gem. § 9 Abs. 2 Satz 1
Nr. 3 Verpackungsverordnung seien nicht erfüllt, weil das Getränk nicht mit einem
Mindestanteil von mehr als 50 % aus Erzeugnissen bestehe, die aus Milch gewonnen
werden, wie zwei Begutachtungen ergeben hätten.
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Der Kläger beantragt,
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wie erkannt.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie behauptet, die ausgewiesene Zutat "Molkenerzeugnis" sei mit einem Anteil von 51
% in der Rezeptur vorhanden. Diese Erzeugnisse entsprächen der
Milcherzeugnisverordnung. Die vom Kläger vorgelegten Gutachten seien nicht
aussagekräftig, weil das Abscheiden von Eiweißbestandteilen der Milch gerade
Kennzeichen der Molke sei. Auch der Nachweis nur geringer Mengen an Kalzium und
Kalium spreche nicht gegen die Annahme eines Molkeerzeugnisses.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den
vorgetragenen Akteninhalt verwiesen.
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Entscheidungsgründe:
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Die Klage ist begründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf
Unterlassung der im Urteilstenor beschriebenen Verhaltensweisen gemäß den §§ 3, 4
Nr. 11 UWG i.V.m. § 9 Abs. 1 Satz 1 und 3 Verpackungsverordnung.
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Zwischen den Parteien besteht kein Streit darüber, dass der Kläger zur
Geltendmachung wettbewerbsrechtlich begründeter Unterlassungsansprüche gem. § 8
Abs. 1 und Abs. 3 Nr. 2 UWG berechtigt ist.
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Auch steht außer Frage, dass die Vorschriften der Verpackungsverordnung über die
Erhebung von Pfand für Einweg-Getränkeverpackungen gesetzliche Vorschriften
darstellen, die auch dazu bestimmt sind, im Interesses der Marktteilnehmer das
Marktverhalten zu regeln, § 4 Nr. 11 UWG.
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Der Vertrieb des Produktes "Q" ohne Pfanderhebung und Kennzeichnung der
Pfandpflicht verstößt gegen § 9 Abs. 1 Satz 1 und Satz 3 Verpackungsverordnung. Die
Voraussetzungen der Pfandpflichtigkeit gem. § 9 Abs. 2 Nr. 3 Satz 1
Verpackungsverordnung sind erfüllt. Das Produkt ist ein Erfrischungsgetränk, ohne dass
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die Voraussetzungen des § 9 Abs. 2 Satz 2 Verpackungsverordnung erfüllt sind. Für
dessen Annahme wäre erforderlich, dass es sich um ein Getränk handelt, das einen
Mindestanteil von 50 % an Milch oder an Erzeugnissen, die aus Milch gewonnen
werden, besteht. Das ist nicht der Fall. Zwar mag bei formaler Betrachtung davon
gesprochen werden können, dass der hier fragliche Getränkebestandteil "aus Milch
gewonnen" wurde. Gemeint hat der Verordnungsgeber jedoch lediglich nur solche
Produkte, die den Bestimmungen der Milcherzeugnisverordnung entsprechen. Diese
Verordnung enthält eine entsprechende Definition. § 1 beschreibt als Milcherzeugnisse
die in der Anlage zu dieser Verordnung bezeichneten Erzeugnisse, soweit sie zur
Verwendung als Lebensmittel bestimmt sind.
Die Beklagte beruft sich insoweit darauf, es handele sich um ein Molkenerzeugnis im
Sinne von Nr. 10 der Anlage. Nr. 10 gibt jedoch abschließend wieder, welche Produkte
nach beschriebener Herstellungsweise als Molkenerzeugnisse anzusehen sind. Keines
der insgesamt neun aufgeführten Produkte von Süßmolke, Sauermolke, Molkensahne
oder entsprechenden Pulvern ist in den Getränken vorhanden. Zwar mag ein
Ausgangsstoff als Molkenerzeugnis anzusehen gewesen sein. Die folgenden weiteren
Bearbeitungsschritte, etwa der Filtrierung, haben dann jedoch die ursprünglichen
Molkenerzeugnisse über die in Nr. 10 der Anlage beschriebenen Herstellungswege
hinaus so verändert, dass keine für die Eingruppierung als Süßmolke, Sauermolke etc.
bedeutsamen Inhaltsstoffe in nachweisbarer Form vorhanden sind. Es bleibt damit ein
wasserartiger Zusatz, der lediglich im Laufe des Herstellungsprozesses einmal ein
Molkenerzeugnis gewesen sein mag, nicht aber noch in fertigen Getränken als enthalten
nachweisbar ist.
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Aus § 3 Nr. 3 der Milcherzeugnisverordnung ergibt sich nichts anderes. Es mag
Abweichungen von Standardsorten geben. Von einer Abweichung kann aber dann nicht
mehr gesprochen werden, wenn alle Inhaltsstoffe, die für die Standartsorte typisch sind,
nahezu vollständig entfernt wurden. Wortlaut, Sinn und Zweck der Ausnahmeregelung
des § 9 Abs. 2 Satz 2 Verpackungsverordnung zeigen, dass die vom Verordnungsgeber
gewollte Begünstigung von Getränken, die zumindest im Ansatz der Gesundheit
förderlich sind, nicht auch für Produkte gelten, die im Rahmen des
Herstellungsprozesses jeglichen Bezug zu den insoweit bedeutsamen Inhaltsstoffen
verloren haben und sich damit von anderen Colagetränken nicht unterscheiden.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 Satz 1 ZPO.
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Der Streitwert wird auf 30.000,00 € festgesetzt.
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