Urteil des LG Düsseldorf vom 28.01.2011

LG Düsseldorf (bundesrepublik deutschland, erfindung, anlage, eigenes verschulden, patentverletzung, patg, verarbeitung, umfang, gegenstand, deutschland)

Landgericht Düsseldorf, 4b O 318/03
Datum:
28.01.2011
Gericht:
Landgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
4b Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
4b O 318/03
Tenor:
I. Die Beklagte wird verurteilt,
1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht
festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,- EUR - ersatzweise
Ordnungshaft - oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle
wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die
Ordnungshaft an den gesetzlichen Vertretern zu vollziehen ist, zu
unterlassen,
a) Ösen zum Verstärken des Randbereichs um ein Loch in einer
Trägerbahn, mit einem scheibenlosen Ösenteil, der aus einem auf der
Schauseite der Trägerbahn aufliegen-den Teller, aus einem das Loch
durchsetzenden rohrför-migen Hals und aus einem bogenförmigen
Übergang zwischen Teller und Hals besteht, wobei das freie Endstück
des Halses mit Vorsprüngen versehen ist, und mit einer auf der
Rückseite der Trägerbahn sich abstützenden Bördelung des Halses des
Ösenteils,
in der Bundesrepublik Deutschland herzustellen,
bei denen die Halsvorsprünge in axialer Richtung verlau-fen, die
vollzogene Umbördelung des Halses sich über mehr als ein
geschlossenes Ringprofil erstreckt, weil das die Halsvorsprünge
aufweisende Endstück spiralartig im Ringprofil-Inneren integriert ist, bei
denen ferner unter Zwischenschaltung des Lochrandbereiches der
Träger-bahn die Halsvorsprünge im Spiralinneren des Ringprofils an
vom Teller oder vom Übergang gebildete Widerlagerflächen angedrückt
sind und flächige Andrückflächen an der erfaßten Trägerbahn erzeugen,
gegen die sich die Trägerbahn bei Zugbelastungen stellt, und bei denen
die Trägerbahn sich segmentartig dem Profil anpasst und im Ringprofil-
Inneren über die flächigen Andruckstellen hinaus bis zu ihrer Lochkante
weiterläuft;
b) scheibenlose Ösenteile zum Verstärken des Randbereichs um ein
Loch in einer Trägerbahn, die aus einem auf der Schauseite der
Trägerbahn aufliegenden Teller, einem das Loch durchsetzenden
rohrförmigen Hals und einem bogenförmigen Übergang zwischen Teller
und Hals bestehen, wobei das freie Endstück des Halses mit
Vorsprüngen versehen ist, die in axialer Richtung verlaufen,
an Abnehmer in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten oder zu
liefern,
ohne
§ im Falle des Anbietens ausdrücklich und unübersehbar darauf
hinzuweisen, dass die Ösenteile nur mit Zustimmung der Klägerin als
Inhaberin des deutschen Patents X dazu verwendet werden dürfen,
Ösen der unter a) bezeichneten Art in der Bundesrepublik Deutschland
herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen;
§ im Falle der Lieferung den Abnehmer unter Auferle-gung einer an die
Klägerin als Inhaberin des deutschen Patents X zu zahlenden
Vertragsstrafe von 50,- EUR pro Ösenteil die schriftliche Verpflichtung
aufzuerlegen, die Ösenteile nicht ohne Zustimmung der Klägerin dazu
zu verwenden, Ösen der unter a) bezeichneten Art in der
Bundesrepublik Deutschland herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu
bringen oder zu gebrauchen;
2. der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die
zu 1. bezeichneten Handlungen seit dem 20. Oktober 2001 begangen
hat, und zwar unter Angabe
a) der Herstellungsmengen und –zeiten,
b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefer¬mengen, -
zeiten und -preisen sowie der Namen und Anschriften der Ab¬nehmer,
c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüselt nach Angebots¬men¬gen, -
zeiten und -preisen sowie der Namen und Anschriften der
Ange¬bots¬empfänger,
d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbe¬trä¬gern,
deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Ver¬breitungsgebiet,
e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufge¬schlüs-sel¬ten
Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
w o b e i
§ die Angaben zu b) bis e) nur hinsichtlich der unter 1. b) bezeichneten
Handlungen zu machen sind;
§ der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und An¬schrif-ten der
nichtgewerblichen Abnehmer und der Angebots-em¬pfän¬ger statt der
Klägerin einem von dieser zu be¬zeich-nen¬den, ihr gegenüber zur
Verschwiegenheit ver-pflichteten, vereidigten Wirt¬schafts¬prüfer mit
Sitz in der Bundesrepublik Deutschland mitzuteilen, sofern die Beklagte
dessen Kos¬ten trägt und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klä¬ge¬rin
auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein be¬stimm¬ter Ab¬neh¬mer oder
Angebotsempfänger in der Auf¬stel¬lung ent¬hal¬ten ist.
II. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin
allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die zu I. 1. bezeichneten, seit
dem 20. Oktober 2001 begangenen Handlungen entstanden ist und
noch entstehen wird.
III. Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
IV. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 10 % und die
Beklagte zu 90 %.
V. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Klägerin jedoch nur gegen
Sicherheitsleistung von 300.000,- EUR. Die Klägerin darf die
Zwangsvollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung von
1.500,- EUR abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung
Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
VI. Der Streitwert wird auf 300.000,- EUR festgesetzt.
T a t b e s t a n d :
1
Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des deutschen Patents X, das am 12. August
2000 angemeldet und dessen Erteilung am 20. September 2001 veröffentlicht wurde.
Das Klagepatent, welches eine Öse zum Verstärken des Randbereichs um ein Loch in
einer Trägerbahn betrifft, ist mit Urteil des Bundespatentgerichts vom 11. Januar 2005
mit dem nachfolgend wiedergegebenen Wortlaut aufrechterhalten worden.
2
Öse zum Verstärken des Randbereichs (21) um ein Loch (22) in einer Trägerbahn
(20), mit einem scheibenlosen Ösenteil (10, 10'), der aus einem auf der Schauseite
(23) der Trägerbahn (20) aufliegenden Teller (11), aus einem das Loch (22)
durchsetzenden rohrförmigen Hals (12) und aus einem bogenförmigen Übergang
3
(14) zwischen Teller (11) und Hals (12) besteht, wobei das freie Endstück (15) des
Halses (12) mit Vorsprüngen (16) versehen ist, und mit einer auf der Rückseite (24)
der Trägerbahn (20) sich abstützenden Bördelung des Halses (12) des Ösenteils
(10'),
d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t,
4
dass die Halsvorsprünge (16) in axialer Richtung verlaufen, dass die vollzogene
Umbördelung des Halses (12) sich über mehr als ein geschlossenes Ringprofil (50)
erstreckt, weil das die Halsvorsprünge (16) aufweisende Endstück (15) spiralartig im
Ringprofil-Inneren (51) integriert ist, dass unter Zwischenschaltung des
Lochrandbereiches (21) der Trägerbahn (20) die Halsvorsprünge (16) im
Spiralinneren des Ringprofils (50) an vom Teller (11) oder vom Übergang (14)
gebildete Widerlagerflächen (49) angedrückt sind und flächige Andruckflächen (40)
an der erfaßten Trägerbahn (20) erzeugen, gegen die sich die Trägerbahn (20) bei
Zugbelastungen (52) stellt, und dass die Trägerbahn (20) sich segmentartig dem
Profil (50) anpaßt und im Ringprofil-Inneren (51) über die flächigen Andruckstellen
(40) hinaus bis zu ihrer Lochkante (41) weiterläuft.
5
Über die beim Bundesgerichtshof anhängige Berufung gegen das Nichtigkeitsurteil ist
derzeit noch nicht entschieden.
6
Die nachfolgenden Abbildungen veranschaulichen die Erfindung anhand der
Schnittdarstellung einer in eine Lochbahn eingesetzten Öse (Figur 3 der
Klagepatentschrift) bzw. einer Öse im Ausgangszustand, also vor dem Einsetzen in die
Trägerbahn (Figur 4 der Klagepatentschrift).
7
pp.
8
Die Klägerin ist ferner eingetragene Inhaberin des parallelen Gebrauchsmusters X, das
auf einer Anmeldung vom 12. August 2000 beruht und dessen Eintragung am 28. Juni
2001 bekanntgemacht wurde. Die Klägerin hat ihre Klageansprüche ursprünglich auch
auf das Klagegebrauchsmuster gestützt, zuletzt jedoch erklärt, dass Gegenstand des
Rechtsstreits allein das Klagepatent sein soll.
9
Die Beklagte stellt her und vertreibt Ösen zum Einsetzen in Trägerbahnen sowie
Ösensetzmaschinen. Das Einsetzen der Ösen in die Trägerbahnen nimmt die Beklagte
üblicherweise nicht selbst vor. Auf der Fachmesse "Techtextil" vom 8. bis 10. April 2003
in Frankfurt/Main hat die Beklagte nicht nur Ösen, wie sie aus dem als Anlage 10
vorgelegten Muster ersichtlich sind, verteilt, sondern solche Ösen mit Hilfe ihrer
Setzmaschine auch selbst in Teststreifen von Trägerbahnen eingesetzt und die so
erhaltenen Fertigösen, wie sie aus dem (von der Klägerin nachträglich
aufgeschnittenen) Mustern gemäß den Anlagen 11 und 30 hervorgehen, an
Messebesucher ausgehändigt.
10
Die Klägerin ist der Auffassung, dass die besagten Handlungen eine Verletzung ihres
Klagepatents darstellen. Im Hinblick auf die Ösen sieht sie eine mittelbare und im
Hinblick auf die während der Messe angefertigten Teststreifen eine unmittelbare
Patentverletzung verwirklicht. Mit ihrer Klage nimmt sie die Beklagte dementsprechend
auf Unterlassung, Rechnungslegung und Schadenersatz in Anspruch.
11
Die Klägerin beantragt,
12
sinngemäß wie erkannt, jedoch ohne Wirtschaftsprüfervorbehalt und mit der
Maßgabe,
13
a. dass der Beklagten im Umfang der mittelbaren Patentverletzung (Urteilstenor zu I.
1. b) die Verpflichtung auferlegt wird, mit ihren Angebotsempfängern und
Abnehmern eine mit einer Vertragsstrafe von 5.000,- EUR je Zuwiderhandlung
gesicherte Unterlassungsverpflichtung zu vereinbaren und
14
15
b. der Urteilsausspruch im Umfang der unmittelbaren Patentverletzung (Tenor zu I. 1.
a) auch die Handlungsalternativen des Anbietens, Inverkehrbringens,
Gebrauchens, Einführens und Besitzes erfasst.
16
17
Wegen des genauen Wortlauts der Antragsfassung wird auf die Klageschrift vom 21.
August 2003 (GA 2 - 4) und den Schriftsatz vom 11. November 2004 (GA 92 - 94)
verwiesen.
18
Die Beklagte beantragt,
19
die Klage abzuweisen,
20
hilfsweise, den Rechtsstreit bis zum Abschluss des
Nichtigkeitsberufungsverfahrens auszusetzen.
21
Die Beklagte bestreitet den gegen sie erhobenen Vorwurf der Patentverletzung. Sie ist
außerdem der Auffassung, dass unmittelbare Benutzungshandlungen auch deswegen
nicht vorlägen, weil die von ihr angefertigten Testösen keinen Vertriebszwecken,
sondern lediglich dazu gedient hätten, die Leistungsfähigkeit ihrer Setzmaschine zu
demonstrieren. Die Ösen ließen sich im Übrigen ohne weiteres auf andere als die im
Klagepatent beanspruchte Weise in eine Trägerbahn einbringen, was in der Praxis auch
vielfach geschehe. Fehle es damit bereits an einem eine etwaige Haftung auslösenden
Verhalten, so werde sich das Klagepatent in jedem Fall als nicht rechtsbeständig
erweisen. Zumindest der Aussetzungsantrag sei deswegen gerechtfertigt.
22
Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der
beiderseitigen Schriftsätze sowie der mit ihnen vorgelegten Urkunden und Anlagen
Bezug genommen.
23
Das Gericht hat Beweis erhoben. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird
auf das schriftliche Sachverständigengutachten des Dipl.-Ing. X vom 13. Juni 2005 (GA
24
116 – 140) verwiesen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
25
Die Klage ist überwiegend begründet.
26
Die von der Beklagten während der "Techtextil 2003" angefertigten Ösen verletzen das
Klagepatent unmittelbar; die Ösenrohlinge, welche die Beklagte vertreibt, stellen eine
mittelbare Patentverletzung dar. Die Beklagte ist der Klägerin deswegen im
zuerkennaten Umfang zur Unterlassung, zur Rechnungslegung und zum Schadenersatz
verpflichtet. Unberechtigt ist die Klage lediglich insoweit, als sie sich im Umfang der
unmittelbaren Verletzungshandlungen auf die Handlungsalternativen des Anbietens,
Inverkehrbringens, Gebrauchens, Einführens sowie Besitzes bezieht, und, soweit die
mittelbaren Verletzungshandlungen in Rede stehen, mit ihr hinsichtlich des Anbietens -
über den zu erteilenden Warnhinweis hinaus - eine
Unterlassungsverpflichtungsvereinbarung gefordert und hinsichtlich des Lieferns eine
über 50,- EUR pro Ösenteil hinausgehende Vertragstrafe verlangt wird.
27
I.
28
Das Klagepatent betrifft eine Öse zum Verstärken des Randbereichs um ein Loch in
einer Trägerbahn (z.B. einer Lkw- oder Containerplane).
29
Nach den Darlegungen der Klagepatentschrift sind sowohl einteilige Ösen (X) als auch
zweiteilige Ösen bekannt. Bei der erstgenannten Gruppe, zu der auch der
patentgemäße Gegenstand gehört, sind die Ösen durch verschiedene Arten der
Klemmung sowie in einem Fall zusätzlich durch das Eindrücken von Spitzen in das
Trägerbahnmaterial befestigt worden. Die Patentschrift bemängelt bei allen diesen Ösen
eine unzureichende Ausreißfestigkeit (Sp. 1 Z. 6 bis Sp. 2 Z. 36).
30
Sie bezeichnet es deshalb als Aufgabe der Erfindung, eine preiswerte, schnell
ansetzbare Öse zu entwickeln, die sich nach ihrer Anbringung an der Trägerbahn durch
eine hohe Reißfestigkeit auszeichnet (Sp. 2 Z. 37 - 40).
31
Zur Lösung dieser Problemstellung sieht Patentanspruch 1 des Klagepatents in seiner
Fassung, die er durch das Nichtigkeitsurteil des Bundespatentgerichts erhalten hat, eine
Öse mit folgenden Merkmalen vor:
32
1. Öse mit einem scheibenlosen Ösenteil (10, 10`) zum Verstärken des
Randbereichs (21) um ein Loch (22) in einer Trägerbahn (20).
33
34
2. Der scheibenlose Ösenteil (10, 10`) besteht aus
35
36
a. einem Teller (11), der auf der Schauseite (23) der Trägerbahn (20) aufliegt,
37
38
b. einem rohrförmigen Hals (12),
39
40
c. sowie einem bogenförmigen Übergang (14) zwischen dem Teller (11) und dem
Hals (12).
41
42
3. Der rohrförmige Hals (12)
43
44
a. durchsetzt das Loch (22) in der Trägerbahn (20),
45
46
b. weist ein freies Endstück (15) mit Vorsprüngen (16) auf, wobei
47
48
c. die Halsvorsprünge (16) in axialer Richtung verlaufen.
49
50
4. Auf der Rückseite (24) der Trägerbahn (20) stützt sich eine Bördelung des Halses
51
(12) des Ösenteils (10') ab.
52
5. Die vollzogene Umbördelung des Halses (12) erstreckt sich über mehr als ein
geschlossenes Ringprofil (50), weil das die Halsvorsprünge (16) aufweisende
Endstück (15) spiralartig im Ringprofil-Inneren (51) integriert ist.
53
54
6. Die Halsvorsprünge (16) sind unter Zwischenschaltung des Lochrandbereiches
(21) der Trägerbahn (20) im Spiralinneren des Ringprofils (50) an
Widerlagerflächen (49) angedrückt, die vom Teller (11) oder vom Übergang (14)
gebildet werden.
55
56
7. Die Halsvorsprünge (16) und die Widerlagerflächen (49) erzeugen an der erfaßten
Trägerbahn (20) flächige Andruckflächen (40), gegen die sich die Trägerbahn (20)
bei Zugbelastungen (52) stellt.
57
58
8. Die Trägerbahn (20) paßt sich segmentartig dem Profil (50) an und läuft im
Ringprofil-Inneren (51) über die flächigen Andruckstellen (40) hinaus weiter bis zu
ihrer Lochkante (41).
59
60
In Übereinstimmung mit dem Bundespatentgericht ist der gerichtliche Sachverständige
zu dem Ergebnis gekommen, dass das Klagepatent eine in die Trägerbahn
eingebrachte, gebrauchsfertige Öse betrifft, dass das Merkmal (3c), welches anordnet,
dass die Vorsprünge des rohrförmigen Halses in axialer Richtung verlaufen, jedoch
nicht das fertig verarbeite Produkt, sondern den Zustand der Öse vor ihrer Bördelung
betrifft. Dieser Auffassung schließt sich die Kammer an. Bereits der Anspruchswortlaut
macht für den Fachmann deutlich, dass der Patentanspruch einerseits solche Merkmale
enthält, die das Ausgangsprodukt betreffen und definieren, von dem aus die
anspruchsgemäße, mit besonderer Ausreißfestigkeit versehene Öse erhalten werden
kann, und andererseits solche Merkmale zum Gegenstand hat, die den Endzustand der
Öse nach ihrer Einbringung in eine Trägerbahn umschreiben. Zwar mag die Anweisung
61
einer axialen Ausrichtung der Halsvorsprünge – für sich betrachtet – einen technischen
Sinn auch mit Blick auf die gebrauchsfertige Öse geben und - für den Fachmann
erkennbar – dadurch erhältlich sein, dass der Ösenhals gegenüber der Darstellung in
Figur 3 der Klagepatentschrift um ca. weitere 90 ° eingerollt wird. Gleichwohl ist das
Verständnis des Sachverständigen zutreffend, weil der Anspruchswortlaut selbst dem
Fachmann eindeutige Hinweise dafür gibt, dass die Merkmale (2) und (3) den
Ösenrohling, die Merkmale (4) bis (8) hingegen die verarbeitete Öse betreffen. Sie
ergeben sich zum einen aus der Tatsache, dass ein "rohrförmiger" Hals (wie er im
Merkmal (2a) vorausgesetzt wird) nur im Stadium vor der Bördelung vorliegt, nicht
hingegen danach. Wenn der rohrförmige Hals im Merkmal (3) näher dahingehend
erläutert wird, dass er das Loch in der Trägerbahn durchsetzen und ein freies Endstück
mit Vorsprüngen aufweisen soll, die axial verlaufen, so liegt es für den Fachmann auf
der Hand, dass sich die besagten, konkretisierenden Anweisungen ebenfalls auf den
Zustand vor der Verarbeitung beziehen, in dem allein ein Ösenhals vorliegt, der das
Adjektiv "rohrförmig" verdient. Dass dieses Verständnis richtig ist, findet der Fachmann
im Übrigen dadurch bestätigt, dass Merkmal (5) einleitend ausdrücklich "die vollzogene
Umbördelung des Halses" erwähnt. Dessen hätte es nicht bedurft, wenn – wie die
Beklagte geltend macht - sämtliche Anspruchsmerkmale ohnehin die Öse nach ihrer
Verarbeitung betreffen würden. Dass die "vollzogene Umbördelung" im Anspruch
erwähnt wird, macht deutlich, dass die nachfolgenden Aussagen der Merkmale (5) bis
(8) gegeben sein sollen, wenn der Ösenteil in der Trägerbahn befestigt ist, und steht im
Einklang damit, dass die vorhergehenden Merkmale (1) bis (3) das Ösenteil vor der
Umbördelung betreffen. Exakt in diesem Sinne ist der Gegenstand der Erfindung auch
im Beschreibungstext anhand eines bevorzugten Ausführungsbeispiels erläutert, wenn
es in Sp. 4 Z. 41 bis Sp. 5 Z. 59 auszugsweise heißt:
Der Ösenteil (10) lässt sich in einen radial verlaufenden Teller (11) und in einen
axial verlaufenden rohrförmigen Hals (12) gliedern. ... Der Hals (12) ist in seinem
freien Endstück (15) mit axialen, also in Verlaufsrichtung des Halses (12) sich
erstreckenden Vorsprüngen (16) versehen. ...
62
Dieser Ösenteil (17) wird in der aus Figur 6 ersichtlichen Vorrichtung (30) an die
Trägerbahn (20) angesetzt. ... Wie bereits erwähnt, ist in Figur 6 die Anfangsphase
des Bördelvorganges gezeigt ... . Im weiteren Vollzug der Hubbewegung (37) fährt
das freie Ende vom Hals (12) in eine der Schneidkante (42) benachbarte Bördelnut
(47) ein. Die ... Halslänge (48) und die Bördelnuttiefe sind ... so aufeinander
abgestimmt, dass es zur Bildung eines besonderen, aus Figur 3 erkennbaren
Ringprofils (50) ... kommt. ...
63
Für die erfindungsgemäße Ausreißfestigkeit der Öse sind die Merkmale (5) bis (8) von
besonderer Bedeutung. Als Folge des spiralförmigen Einrollens des Ösenhalses
mitsamt seinen Vorsprüngen ergibt sich nämlich nicht nur eine flächige Klemmung (40)
der Trägerbahn (20) zwischen den Halsvorsprüngen (16) einerseits und dem Teller (11)
bzw. dem Übergang (14) andererseits, die als Widerlagerflächen (49) wirken. Für die
Reißbeständigkeit von noch entscheidenderer Bedeutung ist, dass es vor den
Andruckflächen (40), d.h. jenseits der Spitzen der umbördelten Halsvorsprünge (16), zu
einer stufenartigen Erhöhung (53) des Trägerbahnmaterials kommt, die darauf beruht,
dass das Bahnmaterial außerhalb der Andruckflächen bestrebt ist, sich auf seine
ursprüngliche Stärke auszudehnen. Zwischen den Halsvorsprüngen (16), genauer ihren
Spitzen, und der Trägerbahn (20) stellt sich aufgrund dessen ein Formschluss ein, der
dazu führt, dass sich die Spitzen der Vorsprünge umso tiefer in das Bahnmaterial
64
eingraben, je größer die Zugbeanspruchung (52) wird, der die Trägerbahn ausgesetzt ist
(Sp. 2 Z. 43 bis Sp. 3 Z. 1 ; Sp. 3 Z. 37 – 47; Sp. 5 Z. 51 bis Sp. 6 Z. 12).
II.
65
Die von der Beklagten während der Techtextil 2003 angefertigten Ösen (Anlagen
11, 30) stellen eine unmittelbare und die von der Beklagten vertriebenen Ösenrohlinge
(Anlage 10) eine mittelbare Verletzung des Klagepatents dar.
66
1. Gebrauchsfertige Öse (Anlagen 11, 30):
67
68
Zwischen den Parteien ist allein kontrovers, ob die Halsvorsprünge der angegriffenen
Ösen mit Widerlagerflächen des Tellers bzw. Überganges Andruckflächen bilden,
gegen die sich die Trägerbahn bei Zugbelastungen stellt (Merkmale 6 bis 8). Alle
übrigen Anspruchsmerkmale sind bei Zugrundelegung des unter I. herausgearbeiteten
Verständnisses von der Erfindung unstreitig – und unbestreitbar - verwirklicht, so dass
sie keiner weiterer Erläuterung bedürfen.
69
Die sachverständige Begutachtung des angegriffenen Gegenstandes hat zur
Überzeugung der Kammer ergeben, dass – entgegen dem Bestreiten der Beklagten –
auch von den Merkmalen (6) bis (8) Gebrauch gemacht wird:
70
a)
71
Merkmal (6) sieht vor, dass die Halsvorsprünge unter Zwischenschaltung des
Lochrandbereiches der Trägerbahn im Spiralinneren des Ringprofils an
Widerlagerflächen angedrückt werden, welche der Teller oder der Übergang des
Ösenteils zur Verfügung stellen. Sinn und Zweck dieser Maßnahme ist es – wie oben
ausgeführt -, die Trägerbahn durch eine Klemmung zwischen den Vorsprüngen
einerseits und den durch den Teller bzw. den Übergang bereitgestellten
Widerlagerflächen zu fixieren. Dabei ist es nicht erforderlich, dass die Vorsprünge allein
und ausschließlich für die Klemmwirkung verantwortlich sind; an dessen Herbeiführung
kann, ohne dass die Erfindung verlassen wird, vielmehr auch ein weiterer Teil des
Ösenhalses beteiligt sein, wie dies z.B. auch beim bevorzugten Ausführungsbeispiel
nach Figur 3 der Klagepatentschrift erkennbar der Fall ist.
72
Bei der angegriffenen Ausführungsform gemäß Anlage 11 ist auf einer der beiden
aufgeschnittenen Seiten der Halsvorsprung deutlich zu erkennen. Bereits dieses
Anschauungsmuster, erst recht aber das vom gerichtlichen Sachverständigen
ausgewertete Exemplar der angegriffenen Ausführungsform (vgl. die Abbildung auf
Seite 19 des GutA) zeigen zweifelsfrei, dass der Vorsprung unter Zwischenschaltung
des Lochrandbereichs der Trägerbahn im Spiralinneren des Ringprofils an eine
Widerlagerfläche angedrückt ist, die vom Übergang des Ösenteils gebildet wird.
Angesichts des vorliegenden Musters ist die Behauptung der Beklagten, die Spitzen der
Halsvorsprünge durchstießen das Trägerbahnmaterial, weswegen sich kein
73
Sandwichaufbau (Halsvorsprung – Trägerbahn - Widerlagerflächen) ergebe, sondern
die Halsvorsprünge direkt an den Widerlagerflächen anliegen, tatsachenwidrig. Es ist
evident, dass sich die weiteren, selbst nicht einsehbaren Vorsprünge der Öse in der
gleichen Weise verhalten. Die Beklagte selbst hat zutreffend darlegt, dass der
Bördelvorgang gleichmäßig erfolgt, was bedeutet, dass in Bezug auf sämtliche über den
Radius verteilten Halsvorsprünge dieselben Anlageverhältnisse geschaffen werden.
b)
74
Gemäß Merkmal (7) erzeugen die Halsvorsprünge und die Widerlagerflächen an der
erfaßten Trägerbahn flächige Andruckstellen, gegen die sich die Trägerbahn bei
Zugbelastung stellt. Es soll – wie erläutert - eine Gegenkraft gegen Zugbelastungen an
der Trägerbahn aufgebracht und dadurch erzielt werden, dass es vor den flächigen
Andruckstellen zwischen den Halsvorsprüngen und den Widerlagerflächen als Folge
einer Kompression des Trägerbahnmaterials zu einer stufenartigen Erhöhung der
Trägerbahn kommt, die sich als Hindernis für ein Herausrutschen der Trägerbahn
auswirkt.
75
Exakt solche Bedingungen herrschen bei der angegriffenen Ausführungsform, wie die
Abbildung auf Seite 19 des GutA eindrucksvoll beweist. Da es für die Andruckflächen
erfindungsgemäß nicht nur auf die Spitzen der Vorsprünge, sondern auf die gesamten
Halsvorsprünge einschließlich ihrer auch bei der angegriffenen Ausführungsform
gegebenen verbreiterten Basis nebst der zu den Spitzen verlaufenden Wangen
ankommt, ist es eine offensichtliche Tatsache, dass die Halsvorsprünge in ihrer
erläuterten Gesamtheit Flächen zur Verfügung stellen, die im Zusammenwirken mit dem
Übergang einen flächigen Andruckbereich bereitstellen, wie ihn das Klagepatent fordert.
Es ist ebenso einsichtig, dass es bei Auftreten einer Zugbelastung auf die Trägerbahn
zu einem innigen Formschluss zwischen den Halsvorsprüngen und dem Bahnmaterial
kommt, der umso fester wird, je stärker die Zugbeanspruchung ausfällt.
76
c)
77
Aus dem zuvor Gesagten erschließt sich augenblicklich, dass Merkmal (8) des
Klagepatents gleichfalls erfüllt ist. Es besagt, dass sich die Trägerbahn dem Ringprofil
segmentartig anpasst und im Ringprofil-Inneren über die flächige Andruckstelle weiter
bis zu ihrer Lochkante verläuft. Der technische Sinn dieser Anweisung besteht darin,
dass jenseits der Halsvorsprünge ein ausreichender Materialvorrat vorhanden ist, damit
sich hinter den flächigen Andruckstellen die für den Formschluss wichtige stufenförmige
Erhöhung im Trägerbahnmaterial ausbilden kann.
78
Bei der angegriffenen Ausführungsform gemäß Anlage 11 ist ohne weiteres zu
erkennen, dass sich die Trägerbahn dem gebördelten Ringprofil segmentartig anpaßt
und dass sich die Trägerbahn über die Vorsprünge hinaus und demzufolge auch über
die flächigen Andruckstellen hinaus erstreckt. Auf einen besonders großen Überstand,
der bei den Mustern nach den Anlagen 11, 30 ggf. nicht zu erkennen sein mag, kommt
es nicht an, weil jedes Hinausreichen des Trägerbahnmaterials genügt, das die im
Merkmal (7) beschriebenen vorteilhaften Wirkungen der Erfindung ermöglicht.
79
80
2. Ösenrohlinge (Anlage 10):
81
Angebot und Vertrieb der Ösenrohlinge stellen eine mittelbare Verletzung des
Klagepatents im Sinne von § 10 PatG dar.
82
a)
83
Die genannte Vorschrift bestimmt, dass es jedem Dritten verboten ist, ohne Zustimmung
des Patentinhabers in der Bundesrepublik Deutschland anderen als zur Benutzung der
patentierten Erfindung berechtigten Personen Mittel, die sich auf ein wesentliches
Element der Erfindung beziehen, zur Benutzung der Erfindung im Geltungsbereich
dieses Gesetzes anzubieten oder zu liefern, wenn der Dritte weiß oder wenn es
aufgrund der Umstände offensichtlich ist, dass diese Mittel dazu geeignet und bestimmt
sind, für die Benutzung der Erfindung verwendet zu werden. Da die mittelbare
Patentverletzung nicht mehr als Teilnahme an einer widerrechtlichen unmittelbaren
Verletzung ausgestaltet ist, kommt es für die Zuerkennung des Unterlassungsanspruchs
nicht darauf an, dass bereits eine unmittelbare Patentverletzung unter Verwendung des
Mittels vorgefallen ist. Lediglich für den Schadenersatz- und den ihn vorbereitenden
Rechnungslegungsanspruch bedarf es nach der Rechtsprechung des BGH (Urteil v.
7.06.2005 – X - Antriebsscheibenaufzug) der Darlegung und tatrichterlichen
Feststellung mindestens einer unmittelbaren Verletzungshandlung, aufgrund deren die
Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts beim Verletzten begründet werden kann.
84
b)
85
Die Voraussetzungen des § 10 PatG sind im Streitfall erfüllt.
86
aa)
87
Bei den Ösenrohlingen handelt es sich – was die Beklagte mit Recht nicht in Zweifel
zieht – um ein wesentliches Element der Erfindung des Klagepatents.
88
bb)
89
Die Rohlinge sind des Weiteren dazu geeignet, in Ösensetzmaschinen, wie sie z.B. die
Beklagte vertreibt, zu Ösen verarbeitet zu werden, wie sie dem Muster gemäß Anlage 30
entsprechen. Zwar macht die Beklagte geltend, dass es sich bei der auf der "Techtextil
2003" in Frankfurt/Main eingesetzten Ösensetzmaschine um einen Prototypen
gehandelt hat, der vor seiner späteren Auslieferung verändert worden ist. Auf die
Vorhaltungen im Beschluss vom 3.05.2006 hin hat die Beklagte jedoch eingeräumt,
dass die vorgenommenen Änderungen keine konstruktiven Details betrafen, die für den
Setzvorgang Bedeutung haben. Soweit die Funktionsweise der Maschine im
vorliegenden Rechtsstreit von Interesse ist, hat es sich bei der Messe-Vorrichtung somit
um eine dem im Handel befindlichen Typ X (vgl. Anlagen B 10, 38) nebst den für die
Verarbeitung von Zackenösen empfohlenen Setzwerkzeugen No. X und/oder No. X (vgl.
Anlage 31) entsprechende Maschine gehandelt. Daraus folgt: Mittels der Rohlinge kann
– wie sich aus den obigen Darlegungen zu 1. ergibt – eine Öse mit sämtlichen
Merkmalen von Patentanspruch 1 des Klagepatents hergestellt werden, genau so, wie
90
die Beklagte dies während der Messe mit einem in den relevanten Einzelheiten
baugleichen Prototypen vorgeführt hat.
cc)
91
Die Rohlinge werden von den Abnehmern der Beklagten auch subjektiv dazu bestimmt,
zu patentgemäßen Ösen mit den Merkmalen des Anspruchs 1 verarbeitet zu werden.
Zwar steht zwischen den Parteien außer Streit, dass die auf dem Markt befindlichen
Setzmaschinen, namentlich diejenigen der Beklagten (z.B. Typ X), keinen ein für
allemal festgelegten Stanzhub ausführen, sondern in ihrem Stanzdruck – und damit in
ihrem Stanzhub - einstellbar sind. Die Bedienungsanleitung der Beklagten (Anlage 38)
weist hierauf ausdrücklich mit der Bemerkung "X" hin. Die vom jeweiligen Anwender
vorzunehmende Einstellung hat dabei die Beschaffenheit (Material und Dicke) der
Trägerbahn genauso zu berücksichtigen wie die Qualität des zu verarbeitenden
Ösenrohlings. Unwidersprochen geblieben ist ferner der Sachvortrag der Beklagten,
dass der Setzvorgang zur Gewährleistung eines brauchbaren Arbeitsergebnisses so
auszuführen ist, dass sich (1) die Öse ausreißsicher in der Trägerbahn verklammert, es
(2) durch den Setzvorgang nicht zur Faltenbildung kommt und (3) die Plane nicht in
unzulässiger Weise verkürzt wird. Diese Anforderungen stützen jedoch – weder für sich
noch alle zusammen - die Behauptung der Beklagten, der Stanzdruck sei so
einzustellen (und werde in der Praxis vom Anwender richtigerweise auch so eingestellt),
dass der Stanzhub beendet wird, wenn das freie umgebördelte Ende des Halsteils –
unter Zwischenschaltung der Trägerbahn - an der Rückseite des Übergangsbereichs
zwischen Teller und Hals anstößt, so wie dies aus der nachstehend eingeblendeten
Abbildung (GA 168) zu ersehen ist.
92
Die eigenen Demonstrationen der Beklagten auf der "Techtextil 2003" beweisen, dass
ein geeignetes Setzergebnis (ohne Faltenbildung und ohne Verkürzung der
Trägerbahn) auch dann erhalten wird, wenn der Stanzdruck anders eingestellt wird,
nämlich so, dass sich – wie aus Anlagen 11, 30 ersichtlich - die vollzogene
Umbördelung des Halses im Sinne der technischen Lehre des Klagepatents über mehr
als ein geschlossenes Ringprofil erstreckt, so dass das die Halsvorsprünge
aufweisende Endstück spiralartig im Ringprofil-Inneren integriert ist. Insofern widerlegt
bereits die schlichte Tatsache, dass die Beklagte den Messebesuchern zweifellos die
aus ihrer fachmännischen Sicht bestmögliche - und nicht etwa nur die zweit- oder
drittbeste oder eine gar untaugliche Verarbeitung ihrer Ösenrohlinge vorgeführt hat, den
jetzigen Einwand der Beklagten, ein Setzvorgang, wie er den von ihr angefertigten
Testösen gemäß Anlagen 11, 30 zugrunde liege, sei fehlerhaft und könne ihr, falls er
von den Abnehmern tatsächlich angewendet werde, nicht zugerechnet werden. Zudem
weist die Beklagte - völlig zutreffend - selbst darauf hin, dass es beim Setzen der
Rohlinge entscheidend auf die ausreißfeste Verankerung der Ösen im Trägermaterial
ankommt. Diesbezüglich liegt es jedoch unmittelbar auf der Hand, dass eine Öse, wie
sie aus einem von der Beklagten im Rechtsstreit für richtig gehaltenen Setzvorgang
hervorgegangen und vorstehend abgebildet ist, einer patentgemäßen Öse nach
Anlagen 11, 30 nicht nur offensichtlich unterlegen, sondern zur Aufbringung
ausreichender Haltekräfte kaum in der Lage ist, weil das freie Endstück des Halses bei
auftretenden Zugbelastungen leicht aufgebogen werden kann. Gerade die von der
Beklagten angeführten Verarbeitungsparameter, die den einzustellenden Stanzdruck
bestimmen, sprechen somit dafür, dass der Anwender die von der Beklagten in Verkehr
gebrachten Ösenrohlinge in einer Weise verarbeiten wird, dass sich Ösen entsprechend
der Ausführung nach Anlagen 11, 30 – und nicht solche nach Maßgabe der obigen
93
Abbildung – ergeben. Bei der von der Beklagten ihren Kunden ausdrücklich
empfohlenen Anfertigung von Probeösen wird der Anwender beim Ausreißtest nämlich
unschwer zu der Erkenntnis gelangen, dass eine der oben eingeblendeten Abbildung
entsprechende Öse keine den praktischen Anforderungen entsprechenden Haltekräfte
aufbringt. Er weiß, dass sich dieses Verarbeitungsresultat bei einem geringeren
Stanzdruck noch weiter verschlechtern wird, und daraufhin bestrebt sein, den
Stanzdruck zu erhöhen. Er gelangt infolgedessen zu Verarbeitungsbedingungen, unter
denen er – wie die Beklagte bei Fertigung ihrer Anschauungsmuster - Ösen nach
Maßgabe der Anlagen 11, 30 erhält. Es mag ggf. in Zweifel gezogen werden können, ob
dies für jeden einzelnen Setzvorgang mit den angegriffenen Rohlingen der Fall ist.
Hierauf kommt es indessen nicht an. Nachdem die Beklagte ihren Abnehmern weder im
Zusammenhang mit den Ösenrohlingen noch im Rahmen des Verkaufs ihrer
Setzmaschinen irgendeinen Hinweis des Inhalts gibt, die Rohlinge so zu verarbeiten,
dass sich Ösen ergeben, bei denen die freien Enden der Halsvorsprünge etwa
senkrecht zum Übergangsbereich zwischen Teller und Hals verlaufen, ist jedenfalls die
tatrichterliche Feststellung gerechtfertigt, dass der Anwender bei der ihm einzig
möglichen Orientierung an dem gewünschten, oben erörterten Setzergebnis nach der
lebenserfahrung vielfach, ggf. sogar in aller Regel zu Ösen mit den Merkmalen des
Klagepatents gelangen wird.
dd)
94
Der Beklagten als Fachunternehmen ist dies bekannt. Sie hat deshalb die Verarbeitung
ihrer Rohlinge zu patentgemäßen Ösen zumindest als realistische Möglichkeit billigend
in ihren Vorsatz aufgenommen.
95
III.
96
1.
97
Da die Beklagte nach Maßgabe der vorstehenden Ausführungen widerrechtlich von der
technischen Lehre des Klagepatents Gebrauch gemacht hat, ist sie der Klägerin gemäß
§ 139 Abs. 1 PatG zur Unterlassung verpflichtet.
98
a)
99
Der Urteilsausspruch zu I. 1. a) rechtfertigt sich daraus, dass die Beklagte, indem sie
anlässlich der Fachmesse "Techtextil 2003" auf ihrem Messestand Ösen, wie sie aus
Anlage 30 ersichtlich sind, an Teststreifen von Trägermaterial angebracht hat,
geschützte Gegenstände - unmittelbar patentverletzend (§ 9 Satz 2 Nr. 1 PatG) -
hergestellt hat. Andere Benutzungshandlungen fallen der Beklagten demgegenüber
nicht zur Last; für sie besteht auch keine Erstbegehungsgefahr. Unstreitig befasst sich
die Beklagte nicht mit der Herstellung oder dem Vertrieb von (z.B. in eine Trägerbahn
eingebrachten) Fertigösen. Ihr Geschäftsfeld ist vielmehr ausschließlich die Produktion
von und der Handel mit Rohlingen sowie Setzmaschinen. Die Teststreifen sind mit
Rücksicht darauf als Anschauungsobjekte zu dem alleinigen Zweck gefertigt und verteilt
worden, die Arbeitsweise und Leistungsfähigkeit des Produktsortiments der Beklagten
(sic.: ihrer Rohlinge und Setzmaschinen) für die Messebesucher zu demonstrieren.
Darin mag eine Angebotshandlung im Hinblick auf die Rohlinge und die zu ihrer
patentverletzenden Bearbeitung geeigneten Setzmaschinen liegen. Fertigösen hat die
Beklagte jedenfalls weder angeboten noch in Verkehr gebracht. Für die genannten
100
Handlungsformen reicht es nämlich noch nicht aus, dass der betreffende Gegenstand -
was im Streitfall zweifellos geschehen ist - in die tatsächliche Verfügungsgewalt eines
anderen gebracht wird oder der mutmaßliche Täter sich hierzu erbietet. Maßgeblich ist
vielmehr ein Bezug zum Handelsverkehr, welcher dergestalt sein muss, dass mit dem
Gegenstand, an dem die Verfügungsgewalt verschafft oder ein Angebot, solches zu tun,
unterbreitet wird, ein Umsatz- oder Veräußerungsgeschäft intendiert oder zumindest
möglich ist (vgl. Benkard, PatG GebrMG, 10. Aufl., § 9 PatG Rn 44). Daran fehlt es
vorliegend. Unter den gegebenen Umständen kann aus der patentverletzenden
Herstellung von Ösen auch nicht auf die Gefahr ihres künftigen Vertriebes geschlossen
werden.
b)
101
Soweit die mittelbaren Verletzungshandlungen der Beklagten im Raum stehen, kommt –
was die Klägerin bei ihrer Antragsfassung im Grundsatz zutreffend berücksichtigt hat –
nur eine eingeschränkte Verurteilung in Betracht, weil die Rohlinge auch zu nicht
patentgemäßen Ösen verarbeitet werden können, ein gemeinfreier Gebrauch also
technisch und wirtschaftlich sinnvoll möglich ist. Bei einer derartigen Sachlage kommt
nach der Rechtsprechung des OLG Düsseldorf (InstGE 2, 115 Rn 12 –
Haubenstretchautomat) wegen der schwerwiegenden Wettbewerbsbehinderung, die
eine Verpflichtung des mittelbaren Verletzers zur Vereinbarung eines
vertragsstrafengesicherten Unterlassungsversprechens nach sich ziehen würde, in aller
Regel nur die Verurteilung zu einem Warnhinweis in Betracht. Für eine weitergehende
Maßnahme ist ausnahmsweise nur dann Raum, wenn festgestellt werden kann, dass
ein Warnhinweis den Abnehmer voraussichtlich nicht davon abhalten wird, die
angebotenen oder gelieferten Mittel patentverletzend zu gebrauchen.
102
Ein solcher Sachverhalt ist hier gegeben. Einerseits bietet die patentgemäße Öse
spezielle Vorteile in Bezug auf die Ausreißfestigkeit, was bei den in Rede stehenden
Verwendungen (in Lkw- oder Containerplanen) von entscheidender Bedeutung für die
Lebensdauer und damit für die Wertschätzung ist. Der Anreiz, die angebotenen und
gelieferten Rohlinge gerade patentverletzend – und nicht anders - zu verarbeiten, ist
deshalb außerordentlich groß. Dies gilt umso mehr, als die Abnehmer der Beklagten bei
ihrem Tun darauf hoffen können, unentdeckt zu bleiben, weil die Klägerin nach der die
unmittelbare Patentverletzung herbeiführenden Verarbeitung der Ösenteile praktisch
keine Möglichkeiten hat nachzuweisen, dass die Ösenteile den Vorgaben des
Klagepatents entsprechend verarbeitet worden sind. Um dahingehende Feststellungen
zu treffen, müsste sie die in einer Plane oder dergleichen angebrachten Ösen zerstören
(z.B. aufschneiden), was ihr kaum ein Besitzer gestatten dürfte, schon deshalb nicht,
weil er damit selbst die Beweise für seine eigenen Verletzungshandlungen liefern
würde. Aus den dargelegten Gründen ist mit hinreichender Sicherheit davon
auszugehen, dass ein Warnhinweis zwar beim bloßen Anbieten einen geeigneten
Schutz gegen eine patentgemäße Verarbeitung bietet, nicht jedoch bei der Lieferung.
Hier ist, um das berechtigte Interesse der Klägerin an einer wirksamen Durchsetzung
ihrer Verbietungsrechte zur Geltung zu bringen, vielmehr ausnahmsweise eine
Verpflichtung der Beklagten geboten, ihre Abnehmer durch eine
vertragsstrafegesicherte Unterlassungsvereinbarung dazu anzuhalten, das Klagepatent
zu beachten. Angesichts des geringen Preises eines Ösenteils genügt jedoch eine
Vertragsstrafe von 50,- EUR je Ösenteil, um diesen Zweck zu erreichen. Die Beklagte
kann dem nicht entgegenhalten, eine schriftliche Unterlassungsvereinbarung sei ihr
nicht zumutbar, weil die Bestellungen von Ösenrohlingen weitestgehend (fern-)mündlich
103
aufgegeben würden. Zumindest bei Durchführung der Lieferung, die allein von der in
Rede stehenden Maßnahme betroffen ist, wird auch die Beklagte schriftliche Unterlagen
(Lieferschein, Rechnung) erstellen; zumindest ist für das Gegenteil nichts ersichtlich. Es
stellt verwaltungstechnisch keinen übermäßigen Aufwand dar, in diesem
Zusammenhang mit den Abnehmern zugleich eine schriftliche
Unterlassungsverpflichtungsvereinbarung zu schließen. In jedem Fall ist dieser
Mehraufwand den berechtigten Belangen der Klägerin an einer wirksamen
Durchsetzung ihrer Verbietungsrechte geschuldet.
2.
104
Die Beklagte trifft ein zumindest fahrlässiges Verschulden. Bei Anwendung der im
Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätte sie die Benutzung des Klagepatents durch die
angegriffenen Ausführungsformen erkennen und vermeiden können. Die Beklagten
haftet der Klägerin deshalb auf Schadenersatz (§ 139 Abs. 2 PatG). Dies gilt auch mit
Blick auf die mittelbaren Verletzungshandlungen. Angesichts der von der Klägerin
vorgetragenen Umstände, welche die dem Klagepatent entsprechende
Verwendungsbestimmung belegen, ist nach der Lebenserfahrung die Feststellung
gerechtfertigt, dass von irgendeinem der Abnehmer der Beklagten in der Vergangenheit
wenigstens eine unmittelbar patentverletzende Öse angefertigt worden ist. Die genaue
Schadenshöhe steht derzeit noch nicht fest, weil die Klägerin ohne eigenes
Verschulden in Unkenntnis über den Umfang der Verletzungshandlungen ist. Es besteht
deswegen ein rechtliches Interesse der Klägerin daran, die Schadenersatzhaftung der
Beklagten zunächst dem Grunde nach feststellen zu lassen (§ 256 ZPO).
105
3.
106
Damit die Klägerin in die Lage versetzt wird, den ihr zustehenden
Schadenersatzanspruch zu beziffern, ist die Beklagte im zuerkannten Umfang zur
Rechnungslegung verpflichtet (§ 140 b PatG, §§ 242, 259 BGB). Hinsichtlich der nicht
gewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger ist der Beklagten dabei – worüber
angesichts des zwischen den Parteien bestehenden Wettbewerbsverhältnisses von
Amts wegen zu befinden war – ein Wirtschaftsprüfervorbehalt einzuräumen (OLG
Düsseldorf, InstGE 3, 176 Rn 6 f. – Glasscheiben-Befestiger).
107
IV.
108
Es besteht kein Anlass, den Rechtsstreit im Hinblick auf das anhängige
Nichtigkeitsberufungsverfahren auszusetzen (§ 148 ZPO). Die Beklagte bringt keine
Einwände vor, die nicht bereits vom sachkundigen Bundespatentgericht gewürdigt
worden sind. Dass dessen Beurteilung offensichtlich fehlerhaft ist, lässt der Sachvortrag
der beklagten nicht erkennen. Unter diesen Umständen müssen sich die zeitlich
befristeten Verbietungsrechte der Klägerin gegenüber den Belangen der Beklagten
durchsetzen.
109
V.
110
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 1, 269 Abs. 3 ZPO.
111
Die Anordnungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruhen auf §§ 709 Satz 1, 708 Nr.
11, 711, 108 ZPO.
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