Urteil des LG Düsseldorf vom 02.12.2004
LG Düsseldorf: kassette, stand der technik, angemessene entschädigung, einheit, zusammenwirken, begriff, patentanspruch, demontage, wechsel, umbau
Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Landgericht Düsseldorf, 4a O 513/03
02.12.2004
Landgericht Düsseldorf
4a. Zivilkammer
Urteil
4a O 513/03
Die Klage wird abgewiesen
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu
vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Die Sicherheit kann auch durch die unbedingte, unbefristete und
selbstschuldnerische Bürgschaft einer in Deutschland ansässigen, als
Zoll- oder Steuerbürgin anerkannten Bank oder Sparkasse erbracht
werden.
Tatbestand:
Die Klägerin ist ausschließliche Lizenznehmerin an dem europäischen Patent ####2
(nachfolgend: Klagepatent), das unter Inanspruchnahme einer dänischen Priorität vom
28.4.1994 am 26.4.1995 angemeldet wurde. Die Veröffentlichung der Anmeldung erfolgte
am 9.11.1995, die der Patenterteilung am 8.7.1998. Zu den benannten Vertragsstaaten
gehört die Bundesrepublik Deutschland.
Patentanspruch 1 des Klagepatents hat - in der veröffentlichten deutschen Übersetzung
aus der englischen Verfahrenssprache - folgenden Wortlaut:
Druckvorrichtung mit einer Mehrzahl von Druckeinheiten und verschiedenen,
austauschbaren Kassetten für verschiedene Drucktechnologien,
bei der jede Druckeinheit einen Hauptrahmen mit einem Druckzylinder,
Führungswalzen zum Führen einer Aufzeichnungsbahn entlang eines
Aufzeichnungspfades und eine Aufnahme zum herausnehmbaren Einsetzen einer Kassette
aufweist, und bei der jede Kassette eine Einrichtung zum Einwirken auf die
Aufzeichnungsbahn und eine Einrichtung zum Zusammenwirken mit dem Druckzylinder
einer entsprechenden Druckeinheit in Wirkverbindung gebracht ist,
so daß eine Bedienperson der Druckvorrichtung diese auf die gewünschte
Aufzeichnungsbahn-Einwirkungstechnologie einstellen kann, die für die Herstellung eines
spezifischen Druckproduktes erforderlich ist.
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Die nachfolgend wiedergegebenen Zeichnungen stammen aus dem Klagepatent und
zeigen das Beispiel einer erfindungsgemäßen Druckvorrichtung:
Die Beklagte stellt unter anderem Druckanlagen her und vertreibt diese. Dazu gehören
auch Anlagen und Maschinen für die Bearbeitung und Veredelung von Bahnenware, wobei
es sich beispielsweise um Tapeten handelt. Im Internet bewirbt die Beklagte eine
kombinierte Tief- und Siebdruckanlage, von der die Klägerin ein Prospektblatt in Ablichtung
als Anlage K 7, eine CD mit einem von der Beklagten stammenden Werbefilm als Anlage K
10, Fotografien aus dem Werbefilm als Anlage K 11 sowie eine schematische Darstellung
als Anlage K 12 vorgelegt hat. Die Beklagte hat ein Foto ihrer kombinierten Tief- und
Siebdruckanlage als Anlage B 3 sowie eine zeichnerische Darstellung als Anlage B 4
vorgelegt. Letztere wird nachfolgend zur Veranschaulichung verkleinert wieder gegeben:
Die Klägerin sieht in der Herstellung und dem Vertrieb der genannten Tief- und
Siebdruckanlage durch die Beklagte eine Verletzung des Klagepatents.
Sie beantragt,
I.
Die Beklagte zu verurteilen,
1.
es bei Meidung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu unterlassen,
Druckvorrichtungen mit einer Mehrzahl von Druckeinheiten und verschiedenen
austauschbaren Kassetten für verschiedene Drucktechnologien, bei denen jede
Druckeinheit einen Hauptrahmen mit einem Druckzylinder, Führungswalzen zum Führen
einer Aufzeichnungsbahn entlang eines Aufzeichnungspfades und eine Aufnahme zum
herausnehmbaren Einsetzen einer Kassette aufweist, und bei denen jede Kassette eine
Einrichtung zum Einwirken auf die Aufzeichnungsbahn und eine Einrichtung zum
Zusammenwirken mit dem Druckzylinder einer entsprechenden Druckeinheit aufweist,
wenn die Kassette mit der Druckeinheit in Wirkverbindung gebracht wird, so dass eine
Bedienperson der Druckvorrichtung diese mit den gewünschten Bearbeitungstechnologien
für die Aufzeichnungsbahn konfigurieren kann, die für die Herstellung eines spezifischen
Druckproduktes erforderlich sind,
in der Bundesrepublik Deutschland herzustellen, anzubieten und/oder in den Verkehr zu
bringen oder zu den genannten Zwecken einzuführen und/oder zu besitzen;
insbesondere wenn
die Druckeinheit ferner Zuführwalzen zum Zuführen der Aufzeichnungsbahn aufweist
und/oder
eine Kassette mit Mitteln zum Siebdruck vorgesehen ist
und/oder
die Druckeinheit einen Bahneinlass und einen Bahnauslass auf etwa der gleichen Höhe
oberhalb des Fußbodens aufweist, um somit den Transport der Aufzeichnungsbahn von
einer Druckeinheit zur nächsten Druckeinheiten zu erleichtern;
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der Klägerin Rechnung über den Umfang der vorstehend zu I. 1. bezeichneten und seit
dem 12. März 1997 begangenen Handlungen zu erteilen, und zwar unter Angabe
a) der Herstellungsmengen und –zeiten;
b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt, nach Liefermengen,
-zeiten und –preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen
und Anschriften der Abnehmer;
c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen,
-zeiten und –preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen
und Anschriften der Angebotsempfänger;
d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern,
deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet;
e) der einzelnen Kostenfaktoren, aufgeschlüsselt nach Gestehungs-
kosten und des erzielten Gewinns,
wobei
- die Angaben zu e) nur für die Zeit seit dem 8. August 1998 zu
machen sind;
- der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der
nicht gewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt der
Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber
zur Verschwiegenheit verpflichteten vereidigten Wirtschaftsprüfer
mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt und ihn
ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzu-
teilen, ob ein bestimmt bezeichneter Abnehmer oder Angebots-
empfänger in der Aufstellung enthalten ist;
II. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist,
1.
der Klägerin für die vorstehend zu I. 1. bezeichneten und vom 12. März 1997 bis zum 7.
August 1998 begangenen Handlungen eine angemessene Entschädigung zu zahlen;
2.
der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der dieser durch die vorstehend zu I.1.
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bezeichneten und seit dem 8. August 1998 begangenen Handlungen entstanden ist und
noch entstehen wird.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie stellt eine Verletzung des Klagepatents in Abrede.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze
nebst Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.
Der Klägerin stehen die gegenüber der Beklagten geltend gemachten Ansprüche auf
Unterlassung, Rechnungslegung, Auskunftserteilung und Schadensersatz nicht zu, weil die
angegriffenen Ausführungsformen nicht Anspruch 1 des Klagepatents verwirklichen, Art. 64
EPÜ i.V.m. §§ 9, 139, 140b PatG (1981), 242, 259 BGB.
I.
Das Klagepatent betrifft Druckvorrichtungen mit mindestens einer Druckeinheit.
In der Klagepatentschrift wird einleitend ausgeführt, dass Kunden immer häufiger
Drucksachen mit besonderen Effekten verlangten und es deshalb für Druckereien immer
wichtiger sei, während der Herstellung von Drucksachen viele verschiedene Techniken
anwenden zu können und dies für unterschiedliche Druckaufträge in unterschiedlicher
Folge.
Im Stand der Technik seien Druckvorrichtungen bekannt, die nach dem Modulprinzip
arbeiteten. Dabei enthalte ein Modul alle Mittel, die zur Anwendung einer besonderen
Technik bei der Bearbeitung einer Aufzeichnungsbahn erforderlich seien. Eine
Druckvorrichtung entstehe dadurch, dass ausgewählte Druckeinheiten in einer
gewünschten Reihenfolge angrenzend aneinander angeordnet seien. Beispielsweise
könnten bei einer Etikettdruckmaschinen auf zwei Siebdruckeinheiten zwei
Buchdruckeinheiten, eine Einheit zum Heißfolienaufbringen, eine weitere
Buchdruckeinheit, zwei Flexodruckeinheiten und eine Loch- oder Perforationseinheit
folgen.
Sei jedoch eine solche Druckvorrichtung erst einmal mit den Druckeinheiten in einer
bestimmten Reihenfolge aufgebaut, dann könne - so wird in der Klagepatentschrift kritisch
angemerkt - diese Modulfolge nicht ohne qualifizierten technischen Umbau dieser
Druckvorrichtung verändert werden. Unterschiedliche Arten von Druckmaterial erforderten
jedoch oft eine unterschiedliche Reihenfolge der anzuwendenden Drucktechniken, so dass
während des Herstellungsverfahrens Zwischenprodukte zu unterschiedlichen
Produktionsmaschinen transportiert werden müssten.
Es sei bekannt, jede Druckeinheit so flexibel auszurüsten, dass es möglich sei,
Druckerzeugnisse unterschiedlicher Formate herzustellen. Bisher sei das Problem durch
Auswechseln der Druck- oder Perforationszylinder in der Weise gelöst worden, dass Druck-
und/oder Perforationszylinder verwendet worden seien, deren Umfanglänge der Länge
oder Längsabmessung des zu druckenden Formats entsprochen hätten. So sei
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beispielsweise aus der WO ####3bekannt, den Plattenzylinder und den Gummizylinder
einer Offset-Druckmaschine in einer Kassette anzuordnen, die auf einer Seite der
Aufzeichnungsbahn angeordnet sei und die in axialer Richtung herausnehmbar sei, was
das Auswechseln oder Reinigen von Platten- und Gummizylindern erleichtere.
Dem Klagepatent liegt das Problem zugrunde, die Flexibilität einer Druckvorrichtung der
genannten Art weiter zu erhöhen.
Das soll durch folgende Merkmalskombination erreicht werden:
1. Druckvorrichtung mit
1.1. einer Mehrzahl von Druckeinheiten und
1.2. verschiedenen austauschbaren Kassetten für verschiedene
Drucktechnologien;
2. jede Druckeinheit weist
2.1. einen Hauptrahmen mit einem Druckzylinder,
2.2. Führungswalzen zum Führen einer Aufzeichnungsbahn entlang eines
Aufzeichnungspfades und
2.3. eine Aufnahme zum herausnehmbaren Einsetzen einer Kassette auf;
3. jede Kassette weist
3.1. eine Einrichtung zum Einwirken auf die Aufzeichnungsbahn und
3.2. eine Einrichtung zum Zusammenwirken mit dem Druckzylinder einer
entsprechenden Druckeinheit auf, wenn die Kassette mit der Druckeinheit in
Wirkverbindung gebracht ist,
4. so dass die Druckvorrichtung von der Bedienperson auf die gewünschte
Aufzeichnungsbahn-Einwirkungstechnologie eingestellt werden kann, die für die
Herstellung eines spezifischen Druckproduktes erforderlich ist.
In der Klagepatentschrift wird zu den Vorteilen der patentgemäßen Vorrichtung ausgeführt,
dass diese gegenüber den bekannten Druckvorrichtungen eine erhöhte Flexibilität
aufweise, weil eine Druckerei Drucksachen in einem einzigen Arbeitsgang auf einer
einzigen Druckvorrichtung herstellen könne, indem eine Bedienungsperson den Aufbau
der Druckvorrichtung für die Arbeitsschritte zur Bearbeitung der Aufzeichnungsbahn in der
für die Herstellung der jeweiligen Drucksachen erwünschten Reihenfolge frei wählen
könne.
II.
Die angegriffene Druckvorrichtung der Beklagten verwirklicht den Gegenstand von
Patentanspruch 1 des Klagepatent nicht, weil nicht festgestellt werden kann, dass
verschiedene austauschbare Kassetten für verschiedene Drucktechnologien vorhanden
sind.
Nach der in Patentanspruch 1 unter Schutz gestellten technischen Lehre gehören
verschiedene austauschbare Kassetten für verschiedene Drucktechnologien - neben einer
Mehrzahl von Druckeinheiten - zu den zwingend notwendigen Bestandteilen der
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erfindungsgemäßen Druckvorrichtung. Während die Druckeinheiten mit einem
Hauptrahmen mit einem Druckzylinder und Führungswalzen zum Führen einer
Aufzeichnungsbahn entlang eines Aufzeichnungspfades gleichsam die allgemeinen
Voraussetzungen für die Anwendung der verschiedenen Drucktechnologien schafft,
werden mit den austauschbaren Kassette die besonderen Voraussetzungen für die
Anwendung der jeweiligen Drucktechnologie zur Verfügung gestellt, indem jede der
Kassetten eine Einrichtung zum Einwirken auf die Aufzeichnungsbahn enthält. Dabei wird
das Zusammenwirken zwischen der Druckeinheit und der jeweiligen Kassette auf Seiten
der Druckeinheit durch eine Aufnahme zum herausnehmbaren Einsetzen einer Kassette
und auf Seiten einer jeden Kassette durch eine Einrichtung zum Zusammenwirken mit dem
Druckzylinder einer entsprechenden Druckeinheit sicher gestellt, wenn die Kassette mit der
Druckeinheit in Wirkverbindung gebracht ist. Durch den beschriebenen Aufbau soll erreicht
werden, dass die Druckvorrichtung von der Bedienperson auf die gewünschte
Aufzeichnungsbahn-Einwirkungstechnologie eingestellt werden kann, die für die
Herstellung eines spezifischen Druckproduktes erforderlich ist.
Das Klagepatent baut damit auf dem bereits im Stand der Technik bekannten Modulprinzip
auf, bei dem - wie in der Beschreibung des Klagepatents erläutert wird (Anlage K 1a, Seite
1, Abs. 3) - ein Modul alle Mittel enthält, die zur Anwendung einer besonderen Drucktechnik
bei der Bearbeitung der Aufzeichnungsbahn erforderlich sind. Während es jedoch im Stand
der Technik zwar aus der WO ####3bekannt war, den Platten- und den Gummizylinder in
einer Kassette anzuordnen, die auf einer Seite der Aufzeichnungsbahn angeordnet ist und
die in axialer Richtung herausgenommen werden kann, um das Auswechseln oder
Reinigen der Platten- und Gummizylinder zu erleichtern (a.a.O., S. 2, Abs. 2), konnte die
sukzessive Anordnung der Module nicht ohne qualifizierten Umbau der Druckvorrichtung
verändert werden (a.a.O., S. 1, Abs. 4). In Fortentwicklung dieses Standes der Technik
sollen erfindungsgemäß nicht mehr nur ein oder mehrere Druckzylinder durch die
Anordnung in einer Kassette problemlos austauschbar sein, sondern es ist beabsichtigt,
das gesamte Modul - enthaltend alle Mittel, die für die Anwendung der jeweiligen Technik
bei der Bearbeitung einer Aufzeichnungsbahn erforderlich sind (vgl. a.a.O., Seite 1 Abs. 3) -
in einer Kassette anzuordnen. Mit anderen Worten sollen die für die Anwendung der
jeweiligen Drucktechnologie erforderlichen Mittel in einer baulichen Einheit
zusammengefasst sein, die dann nur noch als Ganzes in eine Aufnahme der Druckeinheit
eingesetzt muss (Merkmal 2.3.), um eine Wirkverbindung mit der Druckeinheit herzustellen
(Merkmal 3.2.) bzw. aus der Aufnahme herausgenommen werden muss, um die
Wirkverbindung mit der Druckeinheit zu beenden. Dadurch wird dann - entsprechend den
Wirkungsangaben in Merkmal 4 - erreicht, dass die Druckvorrichtung von der Bedienperson
auf die gewünschte Aufzeichnungsbahn-Einwirkungstechnologie eingestellt werden kann,
die für die Herstellung eines spezifischen Druckproduktes erforderlich ist (vgl. auch Anlage
K 1a, S. 2, Abs. 5 bis S. 3, Abs. 1). In der Beschreibung wird dies beispielsweise für zwei
Aufträge betreffend die Herstellung von Etiketten in vier bzw. zwei verschiedenen Farben
erläutert. Nach der Herstellung der Etiketten mit den vier Farben könne die
Druckvorrichtung für die Herstellung von Etiketten mit zwei Farben und einer Folie mit
Reliefdruck derart umgerüstet werden, dass zwei der Offsetkassetten aus den
entsprechenden Druckeinheiten entfernt würden und eine Kassette mit Heißfolie und
Mitteln zum Reliefdrucken befestigt würde und zwar in der Art, dass Offsetdruck und
Aufbringen der Folie in der für die Herstellung der neuen Etiketten gewünschten
Reihenfolge erfolge (a.a.O., S. 4, Abs. 4). Dabei wird offenkundig vorausgesetzt, dass bei
der Umrüstung lediglich zwei Kassetten genannte Baueinheiten mit den für die Anwendung
einer bestimmte Drucktechnologie erforderlichen Mitteln durch zwei Baueinheiten mit den
für die Anwendung einer andere Drucktechnologie erforderlichen Mitteln ersetzt werden.
Entsprechend sind die Kassetten auch in dem in den Zeichnungen des Klagepatents
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gezeigten Ausführungsbeispiel mit einem die Mittel der jeweiligen Drucktechnik
umfassenden Rahmen dargestellt, was klar darauf hindeutet, dass es sich um eine
bauliche Einheit handelt. Das gilt sowohl für die in Figur 1 a gezeigte Offsetdruck-Kassette
8, die einen Plattenzylinder 9 und einen Gummizylinder 10 aufnimmt, und die Siebdruck-
Kassette 11, die eine Matrize 12, einen Abfallbehälter 13, einen Rakel 14 und ein Getriebe
15 aufnimmt, wie auch für die Figur 1 b gezeigte Flexografie-Kassette 16, die einen
Plattenzylinder 17, eine Anilox-Walze 18 und einen Kammerrakel 19 enthält und die
Folien-Reliefdruckkassette 20, die mit einem Gummidruckzylinder 21, einem beheizbaren
Reliefdruckzylinder 22, einer Abwickelspule 23, einer Aufwickelspule, Führungsrollen 25
sowie einem Antriebszahnrad 26 für den beheizbaren Reliefdruckzylinder 22 ausgestattet
ist (vgl. Anlage K 1a, S. 5 f.).
Dem vorstehend vertretenen Verständnis des erfindungsgemäßen Begriffs einer
austauschbaren Kassette für verschiedene Drucktechniken steht auch nicht der Hinweis
der Klägerin auf die englische Fassung des Klagepatents entgegen. Zwar führt die Klägerin
in diesem Zusammenhang - zu Recht - aus, dass die englische Fassung die für die
Bestimmung des Schutzbereichs maßgebliche Fassung des Klagepatents ist, weil dessen
Verfahrenssprache Englisch ist, Art. 70 Abs. 1 EPÜ. Indes geben die in der englischen
Fassung verwendeten Begrifflichkeiten keinen Anlass zu einer anderen Auslegung des
Klagepatents als dies auf der Grundlage der deutschen Übersetzung des Klagepatents
vorstehend geschehen ist. Die Beklagte nimmt insofern Bezug auf die Verwendung des
Begriffs einer "cartridge" in Zusammenhang mit der Beschreibung des aus der WO
####3bekannten Standes der Technik, bei dem die Platten- und Gummizylinder in einer
Offset-Druckmaschine in einer "cartridge" angeordnet sind, während dieser Begriff in der
deutschen Übersetzung genauso als Kassette übersetzt werde wie der im Patentanspruch
verwendete Begriff einer "cassette". Die Kammer vermag der Verwendung einerseits des
Begriffs einer "cartridge" und andererseits des Begriffs einer "cassette" im Klagepatent
keinen für das Verständnis der erfindungsgemäßen "cassette" (Kassette) relevanten
Unterschied zu entnehmen. Unter einer "cartridge" wird allgemein eine Patrone oder
Kartusche, aber auch eine Kassette verstanden (Ernst, Wörterbuch der industriellen
Technik, Englisch-Deutsch, 5. Aufl. 1985, "cartridge"). In jedem Fall handelt es sich bei
einer "cartridge" wie bei einer "cassette" (Kassette) um ein andere Gegenstände
aufnehmendes Behältnis, so dass auch die Übersetzung des Begriffs "cartridge" als
Kassette in der deutschen Übersetzung des Klagepatents nicht zu beanstanden ist,
jedenfalls aber keinen Anlass zu einer anderen Interpretation des Begriffs einer
erfindungsgemäßen Kassette gibt, wie sie vorstehend von der Kammer vertreten wird.
Gleiches gilt im Ergebnis auch für den in der Beschreibung der englischen Fassung des
Klagepatents verwendeten Begriff eines "reengineering" (vgl. Anlage K 1, Sp. 1, Z. 29 ff.).
Dieser Begriff ist in der deutschen Fassung zutreffend als "qualifizierter technischer
Umbau" übersetzt worden, so dass auch insoweit kein Grund für eine abweichende
Auslegung besteht.
Nach dem vorgenannten Verständnis des erfindungsgemäßen Begriffs der verschiedenen
austauschbaren Kassetten für verschiedene Drucktechnologien kann eine Verwirklichung
des Merkmals 1.2. bei der angegriffenen Ausführungsform nicht feststellt werden. Die
Beklagte hat im Einzelnen dargelegt, welcher Arbeitsschritte es bedarf, wenn bei der
beanstandeten Druckvorrichtung eine an einer Anschlussstelle angeordnete eine
Tiefdruck-Baugruppe durch eine Siebdruck-Baugruppe ausgetauscht werden soll. Wenn
bereits beim Wechsel eines Musters oder bei einem Farbwechsel erforderliche
Arbeitsschritte nicht berücksichtigt werden, bedarf es nach dem Vorbringen der Beklagten
für das Entfernen der Tiefdruck-Baugruppe folgender Arbeitsschritte:
1. Der Rakelträger muss ausgebaut werden.
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2. Die Tiefdruck-Farbwanne muss entfernt werden.
3. Die elektrischen Leitungen und die pneumatischen Verbindungen zwischen der
Tiefdruck-Baugruppe und dem Hauptrahmen müssen abgeklemmt werden.
4. und 5. Die beidseitigen (links/rechtsseitigen) Pneumatikzylinder müssen jeweils von den
Anschlussstellen am Hauptrahmen demontiert werden.
6. und 7. Die verfahrbaren beiden Seitenteile, die sich auf zwei zugehörigen beabstandeten
Schienenträgern befinden, müssen demontiert werden.
8. und 9. Der linke und der rechte Schienenträger und die zugehörigen Stege müssen
demontiert werden.
10. Die gummierte Gegendruckwalze muss ausgebaut werden.
11. Die Pneumatik-Bedientafel mit zugehörigen Funktionsbauteilen für den Tiefdruck muss
ausgebaut werden.
Die Klägerin hält dem entgegen, dass es sich bei den Maßnahmen zu 1. und 2. um
gewöhnliche Maßnahmen handele, die bei jedem Farbwechsel anfielen und mit dem
Wechsel der Technologie nichts zu tun hätten. Zudem könnten ausweislich der
Zeichnungen in Anlage K 12 die Schritte 4 bis 9 zusammengefasst werden. Eine isolierte
Demontage der einzelnen Bestandteile sei nicht zwingend erforderlich, so wie dies die
Beklagte ihren Kunden auch wiederholt mitgeteilt habe. Selbst wenn dem so sein sollte,
ändere dies nichts daran, dass es sich bei der "Baugruppe" um eine Kassette im Sinne des
Klagepatents handele. Die Maßnahmen 10 bis 12 seien bei einem Technologiewechsel
nicht erforderlich. Dabei müsse die Gegendruckwalze nicht ausgetauscht werden. Vielmehr
sei es tatsächlich möglich, sowohl für Flexo- als auch für Siebdruck und Tiefdruck
Gummiwalzen einzusetzen. Ebenso wenig müsse die Pneumatik-Bedientafel mit den
Funktionsbauteilen für den Tiefdruck ausgebaut werden.
Nach den allgemeinen Regeln der Darlegungs- und Beweislastverteilung obliegt es der
Klägerin, den Patentverletzungstatbestand substantiiert vorzutragen. Insbesondere hat sie
darzulegen, dass die Druckvorrichtung verschiedene austauschbare Kassetten für
verschiedene Drucktechnologien aufweist. Aus den obigen Ausführungen ergibt sich dass
eine solche Kassette nur dann vorliegt, wenn mit ihr die für die Anwendung der jeweiligen
Drucktechnologie erforderlichen Mittel in einer baulichen Einheit zusammengefasst sind, so
dass diese als Ganzes in eine Aufnahme der Druckeinheit eingesetzt werden kann. Dass
diese Voraussetzungen bei der angegriffenen Ausführungsform erfüllt sind, kann dem
Vorbringen der Klägerin nicht entnommen werden.
Dabei mag dahin stehen, ob es sich bei den beiden erstgenannten Schritten um für die
Demontage Tiefdruck-Baugruppe notwendige Maßnahmen handelt oder nicht. Denn
jedenfalls ergibt sich aus den Darlegungen der Klägerin nicht mit der erforderlichen
Genauigkeit, dass es der Ausführung der weiteren Schritte 3 bis 9 nicht bedarf, weil die
Tiefdruck-Baugruppe als Kassette in einer baulichen Einheit zusammengefasst ist, so dass
diese dann nur noch als Ganzes in eine Aufnahme der Druckeinheit eingesetzt werden
muss. Dem Vortrag der Beklagten ist zu entnehmen, dass die Tiefdruck-Baugruppe nicht
als eine solche bauliche Einheit besteht, weil sieben Arbeitsschritte ausgeführt werden
müssen, um die elektrischen Leitungen und pneumatischen Verbindungen zwischen der
Tiefdruck-Baugruppe und dem Hauptrahmen abzuklemmen, die beiden Pneumatikzylilnder
zu demontieren, die beiden Seitenteile der Laufschienen abzubauen, die beiden
Schienenträger und die dazugehörigen Stege zu entfernen. Dem ist die Klägerin lediglich
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mit der pauschalen Behauptung entgegen getreten, dass die Schritte 4 bis 9 zusammen
gefasst werden könnten. Hingegen hat sie ihrerseits nicht dargetan, wie die Demontage der
Tiefdruck-Baugruppe bei der angegriffenen Ausführungsform im Einzelnen zu erfolgen hat.
Das kann auch weder dem pauschalen Verweis auf die Anlage K 12 noch der Behauptung
der Klägerin entnommen werden, die Beklagte habe ihren Kunden wiederholt mitgeteilt,
eine isolierte Demontage der einzelnen Bauteile sei nicht zwingend erforderlich. Vielmehr
hätte im Hinblick auf das detaillierte Vorbringen der Beklagten im Einzelnen dargetan
werden müssen, wie ein Zusammenbau der einzelnen Bestandteile der Tiefdrucktechnik zu
einer Kassette und dann die Montage dieser Kassette am Hauptrahmen erfolgen kann.
Ob die Gegendruckwalze ebenfalls ausgetauscht werden muss, bedarf keiner
abschließenden Feststellung, weil die Gegendruckwalze nicht Bestandteil der Kassette ist,
sondern zur Druckeinheit gehört, Merkmal 2.1.
Auch bedarf es keiner abschließenden Klärung, ob bei der angegriffenen Ausführungsform
die Pneumatik-Bedientafeln mit den Funktionsbauteilen für den Tiefdruck ausgebaut
werden müssen oder nicht, weil bereits die Anordnung der Funktionsbauteile für den
Tiefdruck in einer Kassette nicht festgestellt werden kann.
Hinsichtlich des Einbaus der Siebdruck-Baugruppe trägt die Beklagte folgende Schritte vor:
12. Es muss eine für das Siebdruckverfahren erforderliche spezielle Gegendruckwalze mit
verchromter Stahloberfläche im Hauptrahmen eingebaut werden.
13. Es muss die Pneumatik-Bedientafel mit den für das Siebdruckverfahren erforderlichen
Funktionsbauteilen eingebaut werden.
14. und 15. Es müssen beidseitig der Anschlussstellen für die Siebdruckköpfe die beiden
Rakel-Verstelleinrichtungen am Hauptrahmen befestigt werden.
16. und 17. Es müssen die pneumatischen Verbindungen und elektrischen Anschlüsse an
die Rakel-Verstelleinrichtung angeschlossen werden.
18. Es muss ein Höhenversteller für eine der Anschlussstellen des Siebdruckkopfes
montiert werden.
19. und 20. Es muss ein linker und ein rechter Wannenträger am Hauptrahmen befestigt
werden.
21. Es muss die Siebdruck-Wanne eingesetzt werden.
22. und 23. Es müssen die Siebdruckköpfe an den beiden Anschlusstellen im
Hauptrahmen montiert werden.
24. Es müssen die Programme für den Siebdruckbetrieb in dem Bedienerterminal
eingegeben werden.
25. Es müssen die beiden Rakel-Verstelleinrichtungen ausgerichtet werden.
26. Die Einstellschablone, die für die Ausrichtung der beiden Rakel-Verstelleinrichtungen
erforderlich war, muss wieder entfernt werden.
Dem hält die Beklagte entgegen, dass sich der Kassettenwechsel auf die Maßnahmen 22.
und 23. sowie gegebenenfalls noch die Maßnahmen 14 und 15 beschränke. Alle anderen
Maßnahmen hätten nichts mit dem Kassettenwechsel zu tun. Zudem existiere der bei der
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18. Maßnahme genannte Höhenversteller bei der angegriffenen Ausführungsform gar nicht,
wie sich aus den Fotografien nach Anlage K 11 ergebe. Die Maßnahmen 19 bis 21
beträfen die Wanne und damit die Farbzuführung, nicht aber den Kassettenwechsel.
Auch hinsichtlich der Siebdruck-Baugruppe kann den Darlegungen der Klägerin nicht
entnommen werden, dass die für die Anwendung dieser Drucktechnologie erforderlichen
Mittel in einer baulichen Einheit zusammengefasst sind und diese lediglich noch als
Ganzes in die dafür in der Druckeinheit vorgesehene Aufnahme eingesetzt werden muss.
Zunächst bedarf es bei der angegriffenen Ausführungsform jeweils der Befestigung der
beiden Rakel-Verstelleinrichtungen sowie der beiden Siebdruckköpfe an den beiden
Anschlussstellen im Hauptrahmen, wie auch der Darstellung auf Seite 6 der Anlage K 12
entnommen werden kann. Zudem müssen auch die pneumatischen Verbindungen und
elektrischen Anschlüsse an die Rakel-Verstelleinrichtung angeschlossen werden. Die
Klägerin ist auch nicht dem Vorbringen der Beklagten entgegen getreten, dass ein
Höhenversteller für eine der Anschlussstellen des Siebdruckkopfes montiert werden muss,
der sich an der rechten Seite befindet und deshalb auf den als Anlage K 11 vorgelegten
Fotografien nicht zu sehen ist. Zudem kann der Klägerin nicht darin gefolgt werden, dass
die Befestigung des linken und rechten Wanneträgers am Hauptrahmen sowie das
Einsetzen der Siebdruckwanne nicht zu den für die Anwendung des Siebdrucks
erforderlichen Mitteln zählt und deshalb nach Sinn und Zweck des Klagepatents
Bestandteil der Kassette zu sein hat. Das ergibt sich schon deshalb, weil die
Siebdruckwannenträger an der Stelle des Anschlussteils des Hauptrahmens zu befestigen
sind, an dem zuvor - bei der Tiefdruck-Baugruppe - die Schienenträger montiert waren.
Schließlich ist nach dem Vorbringen der Beklagten, dem die Klägerin nicht substantiiert
entgegen getreten ist, die Ausrichtung der beiden Rakel-Verstelleinrichtungen immer dann
auszuführen, wenn die Druckvorrichtung erstmalig auf einen Siebdruck eingerichtet wird,
nicht aber beim späteren Wechsel der Siebdruck-Musterschablonen bei unterschiedlichen
Mustern.
Für den Kassettenwechsel irrelevant ist hingegen das - von der Klägerin im Übrigen
bestrittene - Vorbringen der Beklagten, dass eine für das Siebdruckverfahren erforderliche
spezielle Gegendruckwalze mit verchromter Stahloberfläche im Hauptrahmen eingebaut
werden müsse (Maßnahme 12). Selbst wenn dies als tatsächlich zutreffend zugunsten der
Beklagten unterstellt wird, betrifft die Montage der Gegendruckwalze gleichwohl nicht die
Kassette, weil der Druckzylinder zusammen mit dem Hauptrahmen erfindungsgemäß
notwendiger Teil der Druckeinheit ist, wie sich aus Merkmal 2.1. ergibt. Ferner hat die
Klägerin dargetan, dass das Einstellen der Programme für den Siebdruckbetrieb auch dann
erforderlich ist, wenn innerhalb derselben Technologie Musterwechsel oder
Schablonenwechsel erfolgen. Demgegenüber hat die Beklagte lediglich pauschal
eingewandt, dass dies nicht zutreffe, womit sie angesichts des nachvollziehbaren und
schlüssigen Vorbringens der Klägerin ohne weitere Erläuterungen nicht gehört werden
kann.
Im Ergebnis bleibt jedoch festzuhalten, dass bei der angegriffenen Ausführungsform auch
die für die Anwendung der Siebdrucktechnik erforderlichen Mittel nicht als eine Baueinheit
in einer Kassette zusammengefasst sind und nicht als solche in eine Aufnahme der
Druckeinheit eingesetzt werden können, damit eine Wirkverbindung zwischen der Kassette
und der Druckeinheit entstehen kann.
Selbst wenn - entgegen den vorstehenden Ausführungen - die Tiefdruck-Baugruppe als
Kassette im Sinne einer baulichen Einheit ausgestaltet sein sollte, die - wie in der
schematischen Darstellung auf Seite 4 der Anlage K 12 gezeigt - nur noch als Ganzes in
die Aufnahme der Druckeinheit eingesetzt werden muss, fehlt es doch - nach der
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schematischen Darstellung auf Seite 6 der Anlage K 12 - jedenfalls hinsichtlich der
Siebdruck-Baugruppe an einer Kassette im vorgenannten Sinne, so dass bei der
angegriffenen Ausführungsform jedenfalls nicht verschiedene austauschbare Kassetten für
verschiedene Drucktechnologien vorliegen.
Nach alledem ist eine Verletzung des Klagepatents nicht gegeben.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 709, 108 ZPO.
Der Streitwert beträgt 2.000.000,-- Euro.