Urteil des LG Düsseldorf vom 19.04.2007

LG Düsseldorf: stand der technik, eintragung im handelsregister, unerlaubte handlung, website, eigenes verschulden, rechnungslegung, begriff, patentanspruch, kopie, geschäftstätigkeit

Landgericht Düsseldorf, 4a O 125/06
Datum:
19.04.2007
Gericht:
Landgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
4a. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
4a O 125/06
Tenor:
I.
Die Beklagten werden verurteilt,
der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie in der
Bundesrepublik Deutschland vom 7. Januar 1992 bis zum 20. Dezember
2006
ether-substitutiertes Isonitril der Formel CN-A-O-R, in der A eine gerad-
kettige oder kettenverzweigte Alkylen-Gruppe ist und R eine geradketti-
ge oder kettenverzweigte Alkylgruppe ist, mit der Maßgabe, dass die
Gesamtzahl der Kohlenstoff-Atome in A plus R 4 bis 6 ist, weiterhin mit
der Maßgabe, dass dann, wenn die Gesamtzahl der Kohlenstoff-Atome
in A plus R 6 ist, das Kohlenstoff-Atom in der α-Stellung zu der Isonitril-
Gruppe ein quarternäres Kohlenstoff-Atom ist und noch weiterhin der
Maßgabe, dass A nicht (CH2)3 ist,
angeboten, in den Verkehr gebracht oder gebraucht haben oder zu den
genannten Zwecken eingeführt oder besessen haben,
und zwar jeweils unter Angabe
a) der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse, sowie der Na-
men und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesit-
zer,
b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -
zeiten und -preisen (und gegebenenfalls Typenbezeichnungen) sowie
der Namen und Anschriften der Abnehmer,
c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -
zeiten und -preisen (und gegebenenfalls Typenbezeichnungen) sowie
der Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,
d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren
Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten
Gestehungs-kosten und des erzielten Gewinns,
wobei den Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der
nichtgewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt der
Klägerin einem von dieser zu bezeichnenden und ihr gegenüber zur
Verschwiegenheit verpflichteten vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzutei-
len, sofern die Beklagte zu 1. dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt
und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein
bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung
enthalten ist,
wobei die Angaben von der Beklagten zu 1. erst ab dem 25. Oktober
2000 zu machen sind.
II.
Die Beklagte zu 1. wird verurteilt, die vom 25. Oktober 2000 bis zum 2.
August 2006 in unmittelbarem oder mittelbaren Besitz oder Eigentum der
Beklagten zu 1. befindlichen Erzeugnisse gemäß Ziffer I. zu vernichten.
III.
Es wird festgestellt, dass die Beklagten gesamtschuldnerisch verpflichtet
ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die zu Ziffer I.
bezeichneten, hinsichtlich der Beklagten zu 2. ab dem 7. Januar 1992
bis zum 2. August 2006 und hinsichtlich der Beklagten zu 1. ab dem 25.
Oktober 2000 bis zum 2. August 2006 begangenen Handlungen
entstanden ist und noch entstehen wird.
IV.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
V.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten
gesamtschuldnerisch.
V.
Das Urteil ist für die Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von
500.000,- Eur vorläufig vollstreckbar. Die Sicherheit kann auch durch die
unbedingte Bürgschaft einer im Gebiet der Europäischen Union an-
sässigen, als Zoll- und Steuerbürgin zugelassenen Bank oder
Sparkasse erbracht werden.
T a t b e s t a n d :
1
Die Klägerin ist unter ihrer gegenwärtigen Unternehmensbezeichnung seit dem 20.
Januar 2003 eingetragene Inhaberin des europäischen Patentes x xxx xxx (Anlage K 4,
nachfolgend Klagepatent), das am 20. Dezember 1986 unter Inanspruchnahme der
Prioritäten der xx xxx xxx vom 23. Dezember 1985 und xx xxx xxx vom 6. November
1998 angemeldet wurde. Die Veröffentlichung des Hinweises auf die Patenterteilung
erfolgte am 25. Juli 1991. Die Verfahrensprache des Klagepatentes ist englisch. Eine
deutschsprachige Fassung des Klagepatentes überreichte die Klägerin in Form der
österreichischen Patentschrift x xx xxx als Anlage K 4a. Das Klagepatent betrifft Ether-
Isonitirile und ihre radiomarkierten Komplexe.
2
Das Klagepatent war – neben dem xx x xxx xxx – ursprünglich Gegenstand des
Rechtsstreits 4a O 43/06 vor der angerufenen Kammer. Mit Beschluss vom 6. April 2006
wurde das Klagepatent von dem genannten Rechtsstreit abgetrennt.
3
Der für den vorliegenden Rechtsstreit maßgebliche Patentanspruch 1 des
Klagepatentes hat folgenden Wortlaut:
4
Ether-substitutiertes Isonitril der Formel CN-A-O-R, in der A eine geradekettige
oder kettenverzweigte Alkylen-Gruppe ist und R eine geradkettige oder
kettenverzweigte Alkyl-Gruppe ist, mit der Maßgabe, dass die Gesamtzahl der
Kohlenstoff-Atome in A plus R 4 bis 6 ist, weiterhin mit der Maßgabe, dass dann,
wenn die Gesamtzahl der Kohlenstoff-Atome in A plus R 6 ist, das Kohlenstoff-
Atom in der α-Stellung zu der Isonitril-Gruppe ein quaternäres Kohlenstoff-Atom ist
und noch weiterhin mit der Maßgabe, dass A nicht (CH2)3 ist.
5
Wegen des Wortlauts der lediglich "insbesondere" geltend gemachten Patentansprüche
3 und 5 wird auf die Klagepatentschrift verwiesen.
6
Die Beklagte zu 1., welche erst am 25. Oktober 2000 in das Handelsregister eingetragen
wurde und vorher keine Geschäftstätigkeit wahrgenommen hat, vertreibt unter anderem
das Arzneimittel mit der Bezeichnung "xxx" (nachfolgend angegriffene Ausführungsform
1) in der Bundesrepublik Deutschland. Entsprechend der als Anlage K 7 vorgelegten
Kopie eines Angebotes der Beklagten zu 1. vom 9. August 2004 wurde die angegriffene
Ausführungsform 1 einer ärztlichen Praxis in xx durch die Beklagte zu 1. angeboten. Bei
der angegriffenen Ausführungsform 1 handelt es sich um ein Kit für die Herstellung von
99mTc-MIBI, wobei unter MIBI entsprechend der als Anlage K 9 vorgelegten
englischsprachigen Packungsbeilage Methoxyisobutylisonitril verstanden wird. Anhand
der als Anlage K 9 vorgelegten englischsprachigen Packungsbeilage ergibt sich
weiterhin, dass die angegriffene Ausführungsform 1 neben 1,0 mg MIBI 0,064 mg
Zinnchlorid sowie weitere für den vorliegenden Rechtsstreit nicht relevante Inhaltsstoffe
enthält. Unter "Labelling procedure" wird im Einzelnen beschrieben, wie und unter
7
welchen Bedingungen eine Vermischung der in dem Arzneimittel enthaltenen Substanz
mit 99mTc vorzunehmen ist. Auf der polnischen Website x wird das Kit zur Herstellung
von 99mTc-MIBI ebenso beworben wie in dem als Anlage K 8 vorgelegten
englischsprachigen Produkt-Katalog, der im Jahre 2004 über die genannte Website
abrufbar war. Auf Seite 7 des Kataloges findet sich eine Beschreibung der angegriffenen
Ausführungsform 1, die dort als "Kit for preparation of 99mTc-MIBI" bezeichnet ist.
Die Beklagte zu 1. vertreibt des weiteren das als "Unit Dose Cardio Spect®, Kit for use
in preparation of Technetium Tc-99m Methoxy-isobutyl-isonitiril (MIBI) Injection"
(nachfolgend angegriffene Ausführungsform 2), welche entsprechend der Kopie der
Umverpackung nach Anlage K 15 als "Manufacturer" eine Medi-Radiopharma Ltd.,
Budapest, Hungary, die Beklagte zu 2. in den Verfahren 4a O 42/06 und 4a O 133/06 vor
der Kammer, nennt. Entsprechend des als Anlage K 14 vorgelegten Lieferscheines der
Beklagten zu 1. vom 27. Juli 2006 wurde die angegriffene Ausführungsform an das
Kreiskrankenhaus Altötting geliefert. Die angegriffene Ausführungsform wird als "MEDI-
RADIO PHARMA Unitdose" mit der Chargennummer 0504-01/U bezeichnet. Die
gleiche Chargennummer findet sich auf der Kopie der Umverpackung der angegriffenen
Ausführungsform 2 nach Anlage K 15. Die angegriffene Ausführungsform 2 wird in der
als Anlage K 16 vorgelegten englischsprachigen Packungsbeilage in ihrer
Zusammensetzung näher beschrieben; MIBI steht für Methoxyisobutylisonitiril. Die
angegriffene Ausführungsform 2 enthält 0,06 mg Cu(MIBI)4BF4, ein Komplex aus
Kupfer, MIBI sowie Fluorborat. Wird MIBI mit 99mTc vermischt, entsteht nach Reduktion
des Technetiums der Koordinationskomplex 99mTc-MIBI. In der Anlage K 16 wird im
Einzelnen beschrieben, wie und unter welchen Bedingungen eine Vermischung der in
dem Arzneimittel enthaltenen Substanz mit 99mTc vorzunehmen ist. Die angegriffene
Ausführungsform 2 verfügt, ebenso wie die angegriffene Ausführungsform 1, in der
Bundesrepublik Deutschland nicht über eine arzneimittelrechtliche Zulassung; ein
Import erfolgt über § 73 Abs. 3 AMG.
8
Die Klägerin vertritt die Auffassung, dass das angegriffene Kit von der Lehre nach dem
Klagepatent wortsinngemäßen Gebrauch machen würde. Beide Beklagten seien
passivlegitimiert, da die Beklagte zu 1. die angegriffene Verletzungsform von der
Beklagten zu 2. als Herstellerin beziehen würde. In der als Anlage K 9 vorgelegten
englischsprachigen Packungsbeilage der angegriffenen Verletzungsform 1 werde die
Beklagte zu 2. - unstreitig - als Herstellerin ("manufacturer") benannt. Sie habe daher
auch Kenntnis von einem Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform in der
Bundesrepublik Deutschland.
9
Sie selbst sei auch aktivlegitimiert hinsichtlich der ab dem 7. Januar 1992 entstandenen
Ansprüche. Aus dem Registerauszug auf Seite 2 der Anlage K 5 ergebe sich, dass die
xx and Co. das Klagepatent am 2. August 1986 zum Patent angemeldet habe. Diese
habe das Klagepatent sowie sämtliche damit im Zusammenhang stehenden Rechte am
1. August 1991 auf die Cxx Pharmaceutical Co. übertragen (Anlage K 10). Die xx-
Pharmaceutical Co. habe schließlich ihren Namen in Exx Pharmaceuticals Co.
geändert. Dies sei die dritte im Rollenauszug nach Anlage K 5 eingetragene
Gesellschaft. Hierbei habe es sich lediglich um eine Firmenänderung gehandelt, wie
sich aus Anlage K 11, einer Kopie eines Handelsregisterauszuges der Handelskammer
des Staates Delaware, USA, ergebe. Durch eine weitere Firmenänderung habe die xx-
Pharmaceuticals den Namen der Klägerin erhalten, entsprechend der vorgelegten
Kopie der bei der Handelskammer eingereichten Firmenregistrierung.
10
Die Parteien haben in der mündlichen Verhandlung vom 13. März 2007 den
Unterlassungsantrag im Hinblick auf den Ablauf des Schutzes des Klagepatentes am
20. Dezember 2006 unter Stellung wechselseitiger Kostenanträge übereinstimmend für
erledigt erklärt.
11
Die Klägerin beantragt nunmehr, nachdem sie erklärt hat, die Ansprüche auf
Rechnungslegung sowie Schadenersatzfeststellung nicht ab dem 8. Juni 1991, sondern
erst ab dem 7. Januar 1992 geltend machen zu wollen und die Beklagten der
Teilklagerücknahme zugestimmt haben,
12
I. die Beklagten zu verurteilen,
13
1. der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie in
der Bundesrepublik Deutschland vom 7. Januar 1992 bis zum 20.
Dezember 2006
14
ether-substitutiertes Isonitril der Formel CN-A-O-R, in der A eine
geradkettige oder kettenverzweigte Alkylen-Gruppe ist und R eine
geradkettige oder kettenverzweigte Alkylgruppe ist, mit der Maßgabe,
dass die Gesamtzahl der Kohlenstoff-Atome in A plus R 4 bis 6 ist,
weiterhin mit der Maßgabe, dass dann, wenn die Gesamtzahl der
Kohlenstoff-Atome in A plus R 6 ist, das Kohlenstoff-Atom in der α-
Stellung zu der Isonitril-Gruppe ein quarternäres Kohlenstoff-Atom ist
und noch weiterhin der Maßgabe, dass A nicht (CH2)3 ist,
15
angeboten, in den Verkehr gebracht oder gebraucht haben oder zu den
genannten Zwecken eingeführt oder besessen haben,
16
17
und zwar jeweils unter Angabe
18
a) der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse, sowie der
Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer
Vorbesitzer,
19
b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -
zeiten und -preisen (und gegebenenfalls Typenbezeichnungen) sowie
der Namen und Anschriften der Abnehmer,
20
c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -
zeiten und -preisen (und gegebenenfalls Typenbezeichnungen) sowie
der Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,
21
d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren
Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
22
e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten
Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
23
wobei den Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der
24
nichtgewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt der
Klägerin einem von dieser zu bezeichnenden und ihr gegenüber zur
Verschwiegenheit verpflichteten vereidigten Wirtschaftsprüfer
mitzuteilen, sofern die Beklagten dessen Kosten tragen und ihn
ermächtigen und verpflichten, der Klägerin auf konkrete Anfrage
mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in
der Aufstellung enthalten ist;
2. die vor dem 20. Dezember 2006 in unmittelbarem oder mittelbaren
Besitz oder Eigentum der Beklagten zu 1. befindlichen Erzeugnisse
gemäß Ziffer I.1. zu vernichten.
25
II. festzustellen, dass die Beklagten gesamtschuldnerisch verpflichtet
sind, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die zu Ziffer
I.1. bezeichneten und ab dem 7. Januar 1992 bis zum 20. Dezember
2006 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.
26
Die Beklagten beantragen,
27
die Klage abzuweisen.
28
Die Beklagte zu 2. rügte die örtliche Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts. Die
Beklagten, welche - unstreitig - die Einrede der Verjährung erhoben haben, stellen
weiterhin die Aktivlegitimation der Klägerin für vor dem 20. Januar 2003 entstandene
Ansprüche in Abrede. Aus der als Anlage K 10 vorgelegten Erklärung ergebe sich keine
Abtretung von in der Vergangenheit entstandenen Ansprüchen auf Auskunft,
Rechnungslegung und Schadenersatz. Der Erklärung lasse sich lediglich eine
Patentübertragung entnehmen. Weiterhin ergebe sich aus den von der Klägerin
vorgelegten Dokumenten lediglich ein behaupteter Übergang von Ansprüchen auf eine
xx- xx Company in xx. Die Klägerin bezeichne sich jedoch selbst als xx- xx Co. in xx
29
Auch sei die Beklagte zu 2. nicht passivlegitimiert. Sie sei ein reines Entwicklungs- und
Forschungsunternehmen und nehme keine Vertriebshandlungen vor. Entsprechend sei
sie am Vertrieb durch die Beklagte zu 1. nicht beteiligt. Auch die Homepage werde nicht
von der Beklagten zu 2. betrieben, sondern der xx Sp.xx.,. Entsprechend nehme sie
keine patentverletzenden Handlungen in der Bundesrepublik Deutschland vor. Ein
Auskunftsanspruch bestehe nicht, da die Beklagte zu 2. keine Umsätze getätigt habe.
Auch sei Polen erst am 1. März 2004 dem EPÜ beigetreten und die Beklagte zu 2. erst
ab dem 28. Juni 2001 in das Handelsregister eingetragen worden.
30
Im Übrigen machen die angegriffenen Verletzungsformen von der Lehre nach dem
Klagepatent keinen Gebrauch. Die angegriffenen Ausführungsformen beinhalten kein
ether-substituiertes Isonitril der Formel CN-A-OR, wobei A eine geradkettige oder
kettenverzweigte Alkylen-Gruppe sei. Das Klagepatent verstehe unter einer Alkylen-
Gruppe eine ungesättigte Alkylverbindung, d.h. eine Verbindung mit einer C=C-
Doppelbindung. Die Gruppe A der angegriffenen Ausführungsform stelle hingegen eine
gesättigte Kohlenstoffverbindung dar.
31
Die Klägerin tritt dem Vorbringen vollumfänglich entgegen. Unter einer Alkylen-Gruppe
sei ein Alkan mit zwei Substituenten zu verstehen, welche die angegriffene
Ausführungsform aufweise. Der eine Substituent sei die Isonitrilgruppe (CN) und der
32
andere die Methoxygruppe (-OCH3). Die Gruppe A sei dann -CH2C(CH3)2-, welche die
beiden Substituenten miteinander verknüpfen würde.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien
gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
33
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
34
Die zulässige Klage ist im tenorierten Umfang begründet. Der Klägerin stehen die
geltend gemachten Ansprüche auf Vernichtung, Rechnungslegung, Auskunftserteilung
und Feststellung der Schadenersatzverpflichtung im zuletzt geltend gemachten Umfang
gegenüber den Beklagten zu. Unbegründet ist die Klage, soweit die Klägerin Ansprüche
gegenüber der Beklagten zu 1. vor deren Eintragung im Handelsregister geltend macht.
35
I.
36
Die von der Beklagten zu 2. erhobene Rüge der örtlichen Unzuständigkeit des
angerufenen Gerichts ist unbegründet. Das angerufene Gericht ist nach Art. 5 Nr. 3
EuGVVO örtlich zuständig, da die Beklagte zu 2. im Gerichtsbezirk eine unerlaubte
Handlung begangen hat. Sie hat, wie sich aus der Anlage K 8 ergibt, in dem
Produktkatalog 2004 die angegriffene Ausführungsform 1 jedenfalls bis zum Zeitpunkt
der Klageerhebung über die auch in Deutschland abrufbare Website www.G.pl
angeboten. Auf Seite 7 des Produktkataloges wird das im Tatbestand genauer
bezeichnete Kit zur Herstellung von Tc-99m-MIBI genannt. Auf Seite 11 links unten wird
unter "Orders" die Beklagte zu 2. mit dem Hinweis genannt "Orders and all enquires
should be sent to:", d.h. Bestellungen und Nachfragen sollen an die Beklagte zu 2.
gerichtet werden. Unter der Firmenadresse der Beklagten zu 2. ist wiederum die
Website www.G.pl angegeben. Die Website wird bestimmungsgemäß auch in
Deutschland aufgerufen. Zwar ist der Text der Website wie auch derjenige des
Produktkataloges u.a. in englischer Sprache gehalten. Im Bereich der Nukleardiagnostik
und auch anderer spezialisierter medizinischer Bereiche ist die Verwendung der
englischen Sprache hingegen üblich. Der Website kann auch keine Einschränkung
dahingehend entnommen werden, dass ein Vertrieb nach Deutschland nicht erfolgt. Die
Website und auch der Produktkatalog sind der Beklagten zu 2. entgegen ihrer
Auffassung auch zuzurechnen. Unter dem Link "download" "xxx Co. Ltd." Auf Seite 4
unten der als Anlage K 18 vorgelegten Broschüre wird ausgeführt, dass die G Sp. z o.o.
am 1. Januar 2005 von der Beklagten zu 2. separiert wurde, in enger Zusammenarbeit
mit der Beklagten zu 2. für die Herstellung und den kommerziellen Vertrieb der
Isotopenanwendung verantwortlich sein soll. Bis zu diesem Zeitpunkt war hingegen die
Beklagte zu 2. verantwortlich. Die Einstellung eines Geschäftsbereiches schließt die
Wiederholungsgefahr jedoch nicht aus.
37
II.
38
Die Klägerin hat ihre Aktivlegitimation betreffend die Ansprüche auf Auskunft und
Rechnungslegung sowie Feststellung der Schadenersatzverpflichtung für den zuletzt
geltend gemachten Zeitraum vom 7. Januar 1992 bis zum 20. Dezember 2006 schlüssig
dargetan.
39
Sie ist jedenfalls seit dem 7. Januar 1992 eingetragene Inhaberin des Klagepatentes,
wie sich aus dem als Anlage K 5 vorgelegten Rollenauszug ergibt. Ursprüngliche
40
Anmelderin des Klagepatentes war die xx and Company. Diese will das Klagepatent auf
die xxx- Pharmaceutical Co. übertragen haben, worauf es jedoch vor dem Hintergrund
der Beschränkung der Anträge durch die Klägerin auf die Zeit ab dem 7. Januar 1992
bis zum Ablauf des Klagepatentes, nicht ankommt. Bei der xx Pharmaceutical Co.
handelt es sich um die Klägerin unter einer anderen Firmenbezeichnung. Die xxx-
Pharmaceutical Co. wurde am 7. Januar 1992 in das Patentregister eingetragen. Die
xxx- Pharmaceutical Co. hat ihren Namen in xxx- Pharmaceuticals Co. geändert, wie
sich aus dem als Anlage K 10 vorgelegten Zertifikat der Handelskammer des Staates
Delaware ergibt. Die entsprechende Änderung wurde am 6. Juli 2000 im Patent- und
Gebrauchsmusterregister vermerkt. Durch eine weitere Firmenänderung hat die xx-
Pharmaceuticals Co. unter dem 2. Oktober 2001 die Firmenbezeichnung xx- xx
Company erhalten, wie sich aus dem Verzeichnis der Handelsnamen, Partnerschaften
und Gesellschaften des County ergibt (Anlage K 12). Hierbei handelt es sich trotz der
unterschiedlichen Sitzbezeichnung zu dem im Rubrum angegebenen Firmensitz der
Klägerin, nämlich xx, um die Klägerin. Aus der Anlage K 26 ergibt sich, dass die
Klägerin ihren Unternehmenssitz von der in der Anlage K 12 genannten Firmenanschrift
in xx in xx geändert hat. Die entsprechende Postfachanschrift entspricht derjenigen wie
sie im Rubrum zur Klageschrift angegeben ist sowie derjenigen im Rollenauszug nach
Anlage K 5. Unerheblich ist auch, dass in der Anlage K 12 die Firmenänderung einer xx
Pharmaceutical Co. beschrieben wird, also einem Unternehmen ohne "s" bei
"Pharmaceuticals". Es handelt sich hierbei um dieselbe Gesellschaft, wie sich aus der
Anlage K 26 ergibt. Der Buchstabe "xx" wurde in dem Verzeichnis der Handelsnamen,
Partnerschaften und Gesellschaften des xx County versehentlich weggelassen.
III.
41
Der Klagepatentschrift zufolge betrifft die Erfindung neue ether-substituierte Isonitrile,
radioaktiv markierte Komplexe dieser Isonitrile und Verfahren zur Verwendung der
radioaktiv markierten Komplexe zur myokardialen Abbildung, also zur Abbildung des
Herzmuskels (Seite 1 Abs. 1).
42
Im Stand der Technik sind Isonitril-Komplexe verschiedener Radionuklide und ihre
Verwendung als abbildende Mittel aus der Druckschrift xx x xx xxx bekannt. Die
Klagepatentschrift nennt als Nachteil der in der genannten Patentschrift patentierten
technischen Lehre, dass es zu einer frühen Konzentration des darin beschriebenen
Radionuklids in der Lunge kommt. Dadurch wird die Abbildung des Herzens verzögert;
bevor brauchbare Myokard-Bilder erhalten werden könnten, müsse zunächst die
Lungenaktivität abklingen. Ferner wird ausgeführt, dass die hohe Konzentration des
Radionuklids in der Leber den Nachweis von Durchblutungsstörungen im apikalen
Bereich des Myokards erschwere, also im oberen Bereich des Herzmuskels. Daher
bestehe eindeutig Bedarf an einem selektiveren Mittel zur myokardialen Abboldung
(Seite 3 Abs. 1).
43
Vor diesem Hintergrund hat es sich die Erfindung nach dem Klagepatent zur Aufgabe
gemacht – ohne dies ausdrücklich zu formulieren – neue ether-substituierte Isonitrile
und diagnostische Kits derselben, radiomarkierte Komplexe dieser Isonitrile und
diagnostische Methoden unter Verwendung dieser radiomarkierten Komplexe zur
Verfügung zu stellen. Hierzu schlägt das Klagepatent in seinem Anspruch 1 folgende
Verbindung vor:
44
1. ether-substituiertes Isonitril der Formel CN-A-O-R, in der
45
2. A eine geradkettige oder kettenverzweigte Alkylen-Gruppe ist und
46
3. R eine geradkettige oder kettenverzweigte Alkyl-Gruppe ist,
47
4. mit der Maßgabe, dass die Gesamtzahl der Kohlenstoff-Atome in A
plus R 4 bis 6 ist,
48
5. weiterhin mit der Maßgabe, dass dann, wenn die Gesamtzahl der
Kohlenstoff-Atome in A plus R 6 ist, das Kohlenstoff-Atom in der α-
Stellung zu der Isonitril-Gruppe ein quarternäres Kohlenstoff-Atom ist und
49
6. noch weiterhin mit der Maßgabe, dass A nicht (CH2)3 ist.
50
IV.
51
Die angegriffenen Ausführungsformen machen von der Lehre nach dem Patentanspruch
1 des Klagepatentes wortsinngemäßen Gebrauch. Entgegen der Auffassung der
Beklagten verwirklichen die angegriffenen Ausführungsformen das Merkmal 2, welches
besagt, dass A in dem ether-substituierten Isonitril der Formel CN-A-O-R (Merkmal 1)
eine geradkettige oder kettenverzweigte Alkylen-Gruppe ist. Da bei beiden
angegriffenen Ausführungsform der Isonitril-Ligand Methoxyisobutylisonitril ist, erübrigt
sich eine getrennte Erörterung des streitigen Merkmals. Die Beklagte zu 2. hat sich
insoweit das Vorbringen der Beklagten zu 1. ausdrücklich zu eigen gemacht.
52
Bei beiden angegriffenen Ausführungsformen besteht die Gruppe A aus der
Isobutylverbindung -CH2C(CH3)2, einer gesättigten Alkylverbindung, welche - mit den
beiden Substituenten CN- und -OCH3 - eine kettenverzweigte Alkylen-Gruppe im Sinne
des Merkmals 2 darstellt..
53
Das Klagepatent selbst macht in seinem für den vorliegenden Rechtsstreit
maßgeblichen Patentanspruch 1 zu der Frage, was unter der Alkylen-Gruppe zu
verstehen ist, keine konkreten Angaben. Im Merkmal 6 wird lediglich bestimmt, dass A
nicht -(CH2)3 sein soll, d.h. eine Propylgruppe, die für den Fachmann ohne weiteres
ersichtlich, nicht über C=C-Doppelbindungen verfügt, wie die nachfolgende Formel mit
den Substituenten CN- und –OR zeigt.
54
CN – CH2 – CH2 – CH2 – O - R
55
Da Kohlenstoff im Regelfall lediglich "vierbindig" ist, schließt die Angabe im Merkmal 6,
dass A nicht -(CH2)3 sein soll, das Vorhandensein einer Doppelbindung aus.
56
Die Auslegung des Begriffs der "Alkylen-Gruppe" unter Berücksichtigung der weiteren
Angaben in den Patentansprüchen sowie der Beschreibung führt zu der von der
Klägerin vertretenen Auffassung, dass es sich bei der im Merkmal 2 unter Schutz
gestellten geradkettigen oder kettenverzweigten Gruppe A, um eine gesättigte
Alkylverbindung mit zwei Substituenten handelt und nicht - wie die Beklagten meinen –
um eine (ungesättigte) Olefinverbindung. Unteranspruch 3, der auf den Patentanspruch
1 rückbezogen ist, definiert als bevorzugtes erfindungsgemäßes ether-substituiertes
Isonitril die Verbindung CNCH2C(CH3)2OCH3. Da CN- für Isonitril steht und -OCH3 für
die Methoxygruppe, wird A bei dieser bevorzugten Ausführung durch die Verbindung-
57
CH2C(CH3)2 beschrieben, d.h. eine Isobutylgruppe, welche keine ungesättigte
Alkylverbindung darstellt. Da auf beiden "Seiten" des Molekülbestandteiles Nicht-
Kohlenstoffverbindungen verbunden sind, handelt es sich insoweit um eine
Alkylverbindung, die an jeder "Seite" mit einem Substituenten – CN- und -OCH3 -
verbunden ist. Danach ist unter einer Alkylen-Gruppe im Sinne des Klagepatentes eine
Alkylverbindung mit zwei Substituenten zu verstehen.
Für dieses Verständnisses des Begriffes Alkylen-Gruppe sprechen auch die weiteren im
Unteranspruch 3 als bevorzugte Ausführungsformen unter Schutz gestellten Isonitrile,
welche auf Seite 6 der Klagepatentschrift genannt werden. Auch hierbei handelt es sich
durchgängig um gesättigte Alkylverbindung, die auf der einen Seite mit dem Stickstoff
der Isonitril-Verbindung CN und auf der anderen Seite mit dem Sauerstoff der
Etherverbindung (OCH3) verbunden sind.
58
Aus den in der Klagepatentschrift genannten Beispielen im Rahmen der "ausführlichen
Beschreibung der Erfindung" wird diese Auslegung bestätigt. Die auf Seite 4 gezeigten
Verbindungen II, III und I zeigen jeweils eine Gruppe A, die mit N- und O- substitutiert ist.
Die ab Seite 6 beschriebenen Beispiele für die Herstellung ether-substituierter Isonitrile
beinhalten keine Verbindungen, die eine ungesättigte Alkylverbindung in Position A
aufweisen. Dort wird vielmehr die Synthese der auf Seite 6 beschriebenen
ethersubstituierten Isonitrile beschrieben, die bevorzugte Ausführungsformen der
Erfindung zeigen und in Unteranspruch 3 unter Schutz gestellt sind.
59
Entsprechend der vorstehenden Ausführungen gibt die Klagepatentschrift mithin keinen
Anhalt für die von den Beklagten vertretene Ansicht. Diesen ist zwar zuzugeben, dass
der Begriff der Alkylen-Gruppe in der Chemie tatsächlich für Olefin-Verbindungen
verwendet wird bzw. wurde, wie auch die von der Beklagten zu 1. vorgelegten Auszüge
aus "School-Scout" (Anlage B 1) bzw. "Römpp Chemie-Lexikon" zeigen. Diese
Auszüge stehen dem vorstehend beschriebenen Verständnis des erfindungsgemäßen
Begriffs der Alkylen-Gruppe aber nicht entgegen. Denn im "Römpp-Lexikon" wird selbst
ausgeführt, dass es sich bei Ethylen, Propylen und Butylen mit dem Sammelbegriff
Alkylen um ältere Bezeichnungen handelt, der in Chemiebüchern, die aus dem Ende
der 80er bzw. Anfang der 90er Jahre stammen, auch nicht mehr verwendet wird.
Dementsprechend wird unter dem Begriff "Alkylen" im "xxx Compendium of Chemical
Terminology" (Anlage K 15) ausgeführt, dass es sich bei dem Begriff "Alkylen" um einen
alten Begriff für "Alkene" handelt, der nicht empfohlen wird. Weiter wird unter Ziffer 2.
angegeben, dass es sich hierbei um einen alten Begriff für Alkendiyl-Gruppen handelt,
einem Alkan mit zwei Resten, entsprechend dem vorstehenden Verständnis des Begriffs
der "Alkylen-Gruppe" im Sinne des Klagepatentes.
60
Für dieses Verständnis spricht des weiteren die sachverständige Äußerung des Prüfers
des Europäischen Patentamtes vom 9. Februar 1989 (Anlage K 13), der handschriftlich
als Ergebnis der telephonischen Rücksprache mit den patentanwaltlichen Vertretern der
Anmelderin notierte, dass der ursprünglich verwendete Begriff "alkyl" im Anspruch 1
durch "alkylen" zu ersetzen sei, da A für einen divalenten Rest stehe. Unter divalenten
Resten sind nach Anlage K 14 Atome oder Radikalgruppen zu verstehen, welche eine
Valenz von zwei aufweisen oder welche mit zwei oder mehr verschiedenen Atomen
oder Molekülen verbunden werden können. Der Prüfer sah in der Verwendung des
Begriffes Alkylen im Patentanspruch 1 offensichtlich kein Problem im Hinblick auf den in
der Chemie verwandten Begriff der Alkylene und änderte den Patentanspruch 1 ab.
61
Vorstehende Auslegung des Begriffs der Alkylen-Gruppe zugrundelegend macht die
angegriffene Ausführungsform von dem Merkmal 2 wortsinngemäßen Gebrauch. Sie
weist ein ether-substitutiertes Isonitril auf. Das ethersubstituierte Isonitiril der
angegriffenen Ausführungsform stellt das Methoxyisobutylisonitril (MIBI) dar. Die
Verbindung enthält eine Alkylgruppe, nämlich die Isobutyl-Gruppe, welche zweifach
substituiert ist. Diese ist auf der einen "Seite" mit der Methoxy-Gruppe (-OCH3) und auf
der anderen "Seite" mit der Isonitiril-Gruppe (CN-) verknüpft. Auch die weiteren
Merkmale des Anspruchs werden durch MIBI als Isonitril verwirklicht. Die Gesamtzahl
der Kohlenstoffatome in A plus R beträgt 5 (Merkmal 4), da R die Methylgruppe (–CH3)
ist und A nicht (CH2)3.
62
Im Übrigen ergibt sich eine Verwirklichung des Patentanspruches 1 auch auf Grund des
Umstandes, dass das ether-substituierte Isonitril MIBI der im Unteranspruch 3 an erster
Stelle genannten Verbindung entspricht.
63
V.
64
Aus der Verletzung des Klagepatentes ergeben sich folgende Rechtsfolgen:
65
1.
66
Die Beklagte zu 1. hat dementsprechend durch den Vertrieb der angegriffenen
Ausführungsformen den Gegenstand des Klagepatentes unter Verstoß gegen § 9 Nr. 1
PatG benutzt. Auch hinsichtlich der Beklagten zu 2. steht fest, dass sie
Benutzungshandlungen in Deutschland selbst vorgenommen hat. Sie hat im
Gerichtsbezirk durch Anbieten der angegriffenen Ausführungsform 1 über das Internet
eine patentverletzende Handlung begangen. Auf die Ausführungen zur örtlichen
Zuständigkeit kann insoweit verwiesen werden. Vor diesem Hintergrund kommt es auf
ihren Einwand, Polen sei erst am 1. März 2004 dem EPÜ beigetreten nicht an, da für
das Gericht von Relevanz lediglich die auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland
begangenen Handlungen sind.
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Die Anträge auf Auskunft, Rechnungslegung und Feststellung der
Schadenersatzverpflichtung sind hinsichtlich der Beklagten zu 1. auf die Zeit ab deren
Eintragung in das Handelsregister ab 25. Oktober 2000 zu beschränken. Es ist
zwischen den Parteien unstreitig, dass eine Geschäftstätigkeit vor Eintragung in das
Handelsregister noch nicht stattgefunden hat. Dieser Umstand ist bereits im
Erkenntnisverfahren zu berücksichtigen. Der Schadenersatzanspruch und damit auch
die flankierenden Ansprüche auf Auskunft und Rechnungslegung setzen eine
hinreichende Wahrscheinlichkeit voraus, dass der Klägerin durch rechtsverletzende
Handlungen ein Schaden entstanden ist. Eine solche hinreichende Wahrscheinlichkeit
besteht jedoch dann nicht, wenn zwischen den Parteien unstreitig ist, dass diese zu
einem späteren Zeitpunkt ihre Geschäftstätigkeit aufgenommen haben. Diese
Rechtslage ist mit derjenigen vergleichbar, dass ein Verschulden des Verletzers und
damit seine Schadenersatzverpflichtung erst von einem bestimmten Zeitpunkt an zu
bejahen ist. Für diesen Fall sieht der Bundesgerichtshof eine zeitliche Beschränkung
der Rechnungslegungspflicht vor (vgl. BGH GRUR 56, 265, 269; BGHZ 117, 264, 279;
Benkard/Rogge-Grabinski, Patentgesetz, 10. Aufl § 139 Rdnr. 88a). Vorliegend kann der
Beklagten zu 1. vor Eintragung in das Handelsregister und der danach erfolgten
Aufnahme der Geschäftstätigkeit bereits weder eine Handlung noch eine solche, die
schuldhaft sein könnte, vorgeworfen werden, was zwischen den Parteien unstreitig ist.
68
Eine entsprechende Beschränkung der Anträge für die Zeit ab dem 28. Juni 2001 kommt
für die Beklagte zu 2. nicht in Betracht. Insoweit ist es zwischen den Parteien nicht
unstreitig, dass die Beklagte zu 2. ihre Geschäftstätigkeit ab diesem genannten
Zeitpunkt aufgenommen hat. Die Klägerin hat auf den entsprechenden
Beschränkungseinwand der Beklagten zu 2. insoweit vorgetragen, dass auf der
Homepage der G Sp. Z o.o. angegeben sei, dass die Beklagte zu 2. bereits im Jahre
1990 gegründet worden ist. Die Beklagte zu 2. hat zwar daraufhin als Anlage B 3 einen
übersetzten Auszug aus dem polnischen Handelsregister vorgelegt aus dem sich
ergeben soll, dass die Beklagte zu 2. erst 2001 gegründet wurde. Aus dem
Registerauszug ergibt sich hingegen nicht, dass dieser die Beklagte zu 2. betrifft. Die
Unternehmensbezeichnung der Beklagten zu 2. lässt sich dem Auszug nicht
entnehmen.
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Die Klägerin kann dementsprechend von den Beklagten nach Art. 64 EPÜ, § 139 Abs. 2
PatG Schadensersatz verlangen. Denn die Beklagten hätten die Patentverletzung bei
Anwendung der im Geschäftsverkehr erforderlichen Sorgfalt zumindest erkennen
können, § 276 BGB. Da es hinreichend wahrscheinlich ist, dass der Klägerin durch die
rechtsverletzenden Handlungen der Beklagten ein Schaden entstanden ist, der von der
Klägerin jedoch noch nicht beziffert werden kann, weil sie den Umfang der
rechtsverletzenden Benutzungshandlungen nicht im Einzelnen kennt, ist ein rechtliches
Interesse der Klägerin an einer Feststellung der Schadensersatzverpflichtung
anzuerkennen, § 256 ZPO.
70
Damit die Klägerin in die Lage versetzt wird, den ihr zustehenden
Schadensersatzanspruch beziffern zu können, sind die Beklagten ihr gegenüber zur
Rechnungslegung verpflichtet, §§ 242, 259 BGB. Denn die Klägerin ist auf die
zuerkannten Angaben angewiesen, über die sie ohne eigenes Verschulden nicht
verfügt, und die Beklagten werden durch die von ihnen verlangten Auskünfte nicht
unzumutbar belastet.
71
Gemäß § 140 b PatG haben die Beklagten ferner über den Vertriebsweg der
rechtsverletzenden Erzeugnisse Auskunft zu erteilen. Die nach Absatz 2 dieser
Vorschrift geschuldeten Angaben sind in der Urteilsformel zu I. mit den Angaben
zusammengefasst, die zum Zwecke der Rechnungslegung zu machen sind. Entgegen
der Auffassung der Beklagten zu 2. ist der von der Klägerin geltend gemachte
Auskunftsanspruch nicht unbegründet. Sie mag zwar keine Umsätze gemacht haben.
Dieser Umstand führt jedoch weder zu einer mangelnden Begründetheit des Anspruchs
noch einer Erledigung desselben, da nicht zu erkennen ist, dass die Beklagte zu 2.
diese Auskunft zum Zwecke der Erfüllung ihrer Auskunftsverpflichtung getätigt hat.
72
Der gegenüber der Beklagten zu 1. geltend gemachte Vernichtungsanspruch ist nach §
140 a PatG begründet.
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VI.
74
Die von den Beklagten erhobene Einrede der Verjährung ist unbegründet. § 141 PatG,
der auf Ansprüche wegen Verletzung des Patentrechts Anwendung findet, setzt, mit
Verweis auf die Vorschriften des BGB, Kenntnis von patentverletzenden Handlungen
voraus. Die Beklagten haben ungeachtet der Frage des Vorliegens der weiteren
Voraussetzungen nicht vorgetragen, zu welchem Zeitpunkt die Klägerin von den
75
patentverletzenden Handlungen und der Person des Verletzers Kenntnis erlangt hat.
VII.
76
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 2, 91 a, 269 Abs. 3 ZPO. Trotz
Teilabweisung der klägerischen Ansprüche im Hinblick auf den zeitlichen Rahmen der
geltend gemachten Ansprüche gegenüber der Beklagten zu 1. war die Zuvielforderung
lediglich geringfügig. Das Interesse der Klägerin war insoweit rein wirtschaftlicher Natur.
Da die Beklagte zu 1. jedoch unstreitig keine Umsätze in der Zeit vor ihrer Eintragung in
das Handelsregister getätigt hat, konnte sich dieser Zeitraum bei rein wirtschaftlicher
Betrachtungsweise auf das Interesse der Klägerin auch nicht auswirken bzw. dieses
beeinträchtigen.
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Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 709, 108 ZPO.
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Der Streitwert wird wie folgt festgesetzt:
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bis zum 13. März 2007: 500.000,- Eur
danach: 200.000,- Eur
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