Urteil des LG Düsseldorf vom 09.11.2006

LG Düsseldorf: stand der technik, gesellschaft mit beschränkter haftung, bohrung, zustand, zusammenwirken, beschädigung, patentanspruch, widerstand, muster, rechnungslegung

Landgericht Düsseldorf, 4a O 534/05
Datum:
09.11.2006
Gericht:
Landgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
4a. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
4a O 534/05
Tenor:
I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.
III.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils
zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Die Sicherheitsleistung kann auch durch eine unwiderrufliche, unbe-
dingte, unbefristete und selbstschuldnerische Bürgschaft einer in der
Europäischen Union als Zoll- oder Steuerbürgin anerkannten Bank oder
Sparkasse erbracht werden.
Tatbestand:
1
Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des europäischen Patents xxxxxx (nachfolgend:
Klagepatent), das unter Inanspruchnahme zweier österreichischer Prioritäten vom 15.
April 1988 und vom 23. Dezember 1988 am 04. April 1989 angemeldet wurde. Die
Anmeldung wurde am 03. April 1991 veröffentlicht. Die Veröffentlichung der Erteilung
des Klagepatents erfolgte am 10. November 1993. Das Klagepatent, dessen Inhaber
ursprünglich die x- Gesellschaft mit beschränkter Haftung war, wurde am 20. März 2001
auf die Klägerin umgeschrieben. Es steht in Kraft.
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Das Klagepatent, dessen Verfahrenssprache Deutsch ist, betrifft eine
Verschlussvorrichtung für ein insbesondere evakuierbares zylinderförmiges
Gehäuse. Der im vorliegenden Rechtsstreit geltend gemachte Anspruch 1 des
Klagepatents hat folgenden Wortlaut:
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"Verschlussvorrichtung (1) für eine, einem verschlossenen Ende
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gegenüberliegende offene Stirnseite (2) eines, insbesondere evakuierbaren
zylinderförmigen Gehäuses (3), mit einer die Stirnseite (2) des zylinderförmigen
Gehäuses (3) umfassenden Kappe (5), mit einer Stirnwand (10), in der eine
Bohrung (8) angeordnet ist und mit einer zwischen der Bohrung (8) und einer
inneren Anlagefläche (21) des zylinderförmigen Gehäuses (3) zugeordneten
umlaufenden Dichtfläche (18) einer durchstechbaren Dichtungsvorrichtung (6),
wobei ein flanschartiger Arretierfortsatz (16) der Dichtungsvorrichtung (6) diese
Dichtfläche radial nach außen überragt, der zwischen zwei Fortsätzen (86, 87)
der Kappe (5) abgestützt ist, die gemeinsam mit dem Arretierfortsatz (16)
Kupplungsteile (80) einer Kupplungsvorrichtung (13) zwischen der Kappe (5)
und der Dichtungsvorrichtung (6) bilden, die der umlaufenden Dichtfläche (18) in
Richtung der Längsachse (19) benachbart angeordnet ist, dadurch
gekennzeichnet, dass nur zwei Fortsätze (86, 87) angeordnet sind, die über die
zylinderförmige Innenfläche der Kappe (5) in Richtung der Längsachse (19)
vorragen und einen nutförmigen Aufnahmebereich (88) für den flanschartigen
Arretierfortsatz (16) bilden, wobei der dem Gehäuse (3) zugewandte Fortsatz
(87) zwischen der Stirnseite (2) des Gehäuses (3) und dem Arretierfortsatz (16)
angeordnet ist."
Die Beklagte, ein in Indien ansässiges Unternehmen, stellte auf der vom 16. bis zum 19.
November 2005 in Düsseldorf stattfindenden internationalen Messe "xx"
Verschlussvorrichtungen mit einer durchstechbaren Dichtungsvorrichtung für evakuierte
Reagenzbehälter aus. Bei den Reagenzbehältern handelt es sich um
Blutprobenröhrchen, die die Beklagte unter der Bezeichnung "A1" vertreibt. Die
Verschlussvorrichtungen werden im Folgenden als angegriffene Ausführungsform
bezeichnet.
5
Die Klägerin ist der Ansicht, die angegriffene Ausführungsform mache wortsinngemäß
von Anspruch 1 des Klagepatents Gebrauch.
6
Die Klägerin beantragt (wobei der Antrag zu I. 2. ursprünglich ab dem 03. Mai 1991,
der Antrag zu II. ab dem 10. Dezember 1993 geltend gemacht und unter II. zusätzlich
Feststellung der Entschädigungspflicht der Beklagten für Verletzungshandlungen in
der Zeit vom 03. Mai 1991 bis zum 10. Dezember 1993 beantragt wurde),
7
I. die Beklagte zu verurteilen,
8
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1. es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung
festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,- €, ersatzweise Ordnungshaft,
oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle mehrfacher
Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, zu unterlassen,
10
11
im Geltungsbereich des deutschen Teils des europäischen Patents
xxxxxxxxxx
12
Verschlussvorrichtungen für eine einem verschlossenen Ende
gegenüberliegende offene Stirnseite eines insbesondere evakuierbaren
zylinderförmigen Gehäuses, mit einer die Stirnseite des
zylinderförmigen Gehäuses umfassenden Kappe, mit einer Stirnwand,
in der eine Bohrung angeordnet ist, und mit einer zwischen der Bohrung
und einer inneren Anlagefläche des zylinderförmigen Gehäuses
zugeordneten umlaufenden Dichtfläche einer durchstechbaren
Dichtungsvorrichtung, wobei ein flanschartiger Arretierfortsatz der
Dichtungsvorrichtung diese Dichtfläche radial nach außen überragt, der
zwischen zwei Fortsätzen der Kappe abgestützt ist, die gemeinsam mit
dem Arretierfortsatz Kupplungsteile einer Kupplungsvorrichtung
zwischen der Kappe und der Dichtungsvorrichtung bilden die der
umlaufenden Dichtfläche in Richtung der Längsachse benachbart
angeordnet sind,
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anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den
genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,
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bei denen nur zwei Fortsätze angeordnet sind, die über die
zylinderförmige Innenfläche der Kappe in Richtung der Längsachse
vorragen und einen nutförmigen Aufnahmebereich für den
flanschartigen Arretierfortsatz bilden, wobei der dem Gehäuse
zugewandte Fortsatz zwischen der Stirnseite des Gehäuses und dem
Arretierfortsatz angeordnet ist;
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2. der Klägerin unter Vorlage eines einheitlichen, geordneten Verzeichnisses
vollständig darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die zu Ziffer I. 1.
bezeichneten Handlungen seit dem 20. März 2001 begangen hat, und zwar unter
Angabe
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a. der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -
preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der
Abnehmer,
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19
wobei der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften
der nichtgewerblichen Abnehmer statt der Klägerin einem von dieser
zu bezeichnenden, dieser gegenüber zur Verschwiegenheit
verpflichteten, vereidigten und in der Bundesrepublik Deutschland
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ansässigen Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte die
durch dessen Einschaltung entstehenden Kosten übernimmt und ihn
ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf Anfrage mitzuteilen, ob
ein bestimmter Abnehmer in der Rechnungslegung enthalten ist;
b. der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -
preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der
gewerblichen Angebotsempfänger,
21
22
wobei der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften
der gewerblichen Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von
dieser zu bezeichnenden, dieser gegenüber zur Verschwiegenheit
verpflichteten, vereidigten und in der Bundesrepublik Deutschland
ansässigen Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte die
durch dessen Einschaltung entstehenden Kosten übernimmt und ihn
ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf Anfrage mitzuteilen, ob
ein bestimmter Angebotsempfänger in der Rechnungslegung
enthalten ist;
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c. der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren
Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
d. der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und
des erzielten Gewinns, der nicht durch den Abzug von Fixkosten und variablen
Gemeinkosten gemindert ist, es sei denn, diese können ausnahmsweise den im
Urteilsausspruch zu Ziffer I. 1. genannten Gegenständen unmittelbar zugeordnet
werden,
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wobei die Beklagte hinsichtlich der Angaben zu Ziffer I. 2. a)
entsprechende Auftragsbelege, Auftragsbestätigungen, Rechnungen
sowie Liefer- und Zollpapiere vorzulegen hat;
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3. die in der Bundesrepublik Deutschland im unmittelbaren und mittelbaren Besitz
oder Eigentum der Beklagten befindlichen unter Ziffer I. 1. beschriebenen
Erzeugnisse zu vernichten oder nach Wahl der Beklagten an einen von der
Klägerin zu benennenden Treuhänder zum Zwecke der Vernichtung auf Kosten
der Beklagten herauszugeben;
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28
II. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu
ersetzen, welcher ihr durch die unter Ziffer I. 1. bezeichneten, seit dem 20. März
2001 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entsteht.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen,
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hilfsweise, ihr nachzulassen, die Zwangsvollstreckung gegen
Sicherheitsleistung (Bank- oder Sparkassenbürgschaft) abzuwenden.
33
Sie stellt eine wortsinngemäße Verwirklichung der Merkmale des Anspruchs 1 des
Klagepatents durch die angegriffene Ausführungsform in Abrede. So verfüge diese nicht
über einen unteren (d.h. dem zylinderförmigen Gehäuse zugewandten) Fortsatz der
Kappe, der gemeinsam mit den oberen Fortsatz und dem flanschartigen Arretierfortsatz
der Dichtungsvorrichtung eine Kupplungsvorrichtung zwischen der Kappe und der
Dichtungsvorrichtung bilden könnte. Folglich könne auch kein Fortsatz zwischen der
Stirnseite des Gehäuses und dem Arretierfortsatz der Dichtungsvorrichtung angeordnet
sein. Durch den Anwender werde das Reagenzröhrchen vielmehr so weit in die Kappe
hinein geschoben, dass die Stirnseite des Gehäuses an der Unterseite des
Arretierfortsatzes anliege und kein Leerraum verbleibe.
34
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die eingereichten
Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet. Der Klägerin stehen die geltend
gemachten Ansprüche auf Unterlassung, Auskunft und Rechnungslegung,
Schadensersatz sowie Vernichtung aus §§ 139 Abs. 1 und 2 Satz 1; 140a Abs. 1
Satz 1; 140b Abs. 1 und 2 PatG; §§ 242; 259 BGB mangels feststellbarer
Verwirklichung sämtlicher Merkmale von Patentanspruch 1 des Klagepatents durch
die angegriffene Ausführungsform nicht zu.
37
I. Das Klagepatent betrifft eine Verschlussvorrichtung mit einer durchstechbaren
Dichtungsvorrichtung für eine einem verschlossenen Ende gegenüberliegende
offene Stirnseite eines - insbesondere evakuierbaren - zylinderförmigen Gehäuses.
Derartige Verschlussvorrichtungen dienen dazu, insbesondere evakuierte
Reagenzbehälter wie Blutprobenröhrchen luftdicht zu verschließen. Indem die
evakuierten Behälter im ungebrauchten Zustand in ihrem Inneren einen gegenüber
der Umgebung geringeren Luftdruck aufweisen, üben sie einen Saugeffekt auf die
aufzunehmende Flüssigkeit aus, sobald die in den Verschluss integrierte
Dichtungsvorrichtung etwa bei der Blutabnahme durchstochen wird. Zugleich
ermöglicht die durchstechbare Dichtungsvorrichtung eine spätere Entnahme des
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flüssigen Inhalts mittels einer Spritze.
Die Klagepatentschrift würdigt in ihrer Beschreibung verschiedene aus dem Stand
der Technik bekannte Verschlussvorrichtungen. An der aus der Patentanmeldung
xxxxxxxxxxx (Anlage K 6) bekannten Verschlussvorrichtung erachtet es das
Klagepatent als nachteilig, dass das Einsetzen der Dichtungsvorrichtung in das
evakuierte zylinderförmige Gehäuse nur schwer ohne Beschädigung der Dichtfläche
möglich sei (Anlage K 1, Spalte 1 Zeile 33-36). Hier werde die Kupplung zwischen
Kappe und Dichtungsvorrichtung durch einen die Dichtfläche der Dichtvorrichtung
flanschartig radial nach außen überragenden Arretierfortsatz und zwei Fortsätze der
Kappe gebildet, die mit Abstand von einer auf der vom evakuierbaren
zylinderförmigen Gehäuse gegenüberliegenden Seite der Dichtungsvorrichtung
angeordneten Stirnwand der Kappe angeordnet seien (Anlage K 1, Spalte 1 Zeile
18-26).
39
Zur Verdeutlichung des Aufbaus der aus dem Stand der Technik bekannten
Verschlussvorrichtung wird nachfolgend die Figur 1 der Patentanmeldung xxxxxxxx
(leicht verkleinert) wiedergegeben:
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Durch das zylinderförmige Gehäuse, das in der wiedergegebenen Abbildung die
Bezugsziffer (12) trägt, kann der Arretierfortsatz (Bezugsziffern 54 und 56) der
Dichtungsvorrichtung (24) so verformt werden, dass bei starker Adhäsion zwischen
dem zylinderförmigen Gehäuse (12) und der Dichtungsvorrichtung (18) diese den
Eingriff mit der vertieften Nut der Kappe (Bezugsziffer 30) verliert, so dass beim
Herausziehen des Röhrchens (12) die Dichtungsvorrichtung (18) mit diesem aus der
Kappe (30) herausgezogen werden kann, sich Kappe und Dichtungsvorrichtung
also in unerwünschter Weise voneinander trennen.
41
An anderen Verschlussvorrichtungen bezeichnet es die Klagepatentschrift als
nachteilig, dass beim Einsetzen der Dichtungsvorrichtung in das zylinderförmige
Gehäuse oder beim Herausziehen einer zum Befüllen des Gehäuses bzw. zum
Abziehen von Flüssigkeiten aus dem Gehäuse verwendeten Nadel die
Dichtungsvorrichtung aus der Kappe herausgezogen werden könne (Anlage K 1,
Spalte 1 Zeile 54 bis Spalte 2 Zeile 1) oder dass je nach Adhäsionskraft zwischen
Dichtungsvorrichtung und zylinderförmigem Gehäuse ein Öffnen der
Verschlussvorrichtung ohne einen Austritt darin enthaltener Flüssigkeiten nicht
immer sichergestellt werden könne (Anlage K 1, Spalte 2 Zeile 15-20).
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Bei Verschlussvorrichtungen, die über pfropfenartige Dichtungsvorrichtungen
verfügen, welche in den sie umhüllenden Kappen befestigt sind, sei es von Nachteil,
dass teilweise sehr hohe Kräfte in Längsrichtung des zylinderförmigen Gehäuses
aufgebracht werden müssten, um die Adhäsionskräfte zwischen
Dichtungsvorrichtung und zylinderförmigen Gehäuse zu überwinden. Bei ihnen
komme es immer wieder zum ungewollten Austritt von Flüssigkeiten (Anlage K 1,
Spalte 2 Zeile 32-43). Nachteilig sei bei ihnen auch, dass es beim Durchstoßen der
Dichtungsvorrichtungen mit einer Nadel zur Entnahme der Inhaltsstoffe zu einem
unbeabsichtigten Öffnen der Verschlussvorrichtung kommen könne (Anlage K 1,
Spalte 2 Zeile 43-47).
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Ausgehend von diesem Stand der Technik liegt der Erfindung nach dem
Klagepatent das technische Problem zugrunde, eine Verschlussvorrichtung für ein
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zylinderförmiges Gehäuse, insbesondere ein Blutprobenröhrchen, zu schaffen, mit
der ein sicherer gasdichter Verschluss des Innenraums auch über eine längere
Lagerdauer aufrecht erhalten werden kann und welche einerseits eine
Relativbewegung zwischen der Verschlussvorrichtung und dem zylinderförmigen
Gehäuse in Längsrichtung desselben wirkungsvoll verhindert und ein vorsichtiges
Öffnen ermöglicht. Darüber hinaus soll auch ein schlagartiger Austritt des Inhalts
aus dem zylinderförmigen Gehäuse verhindert werden. Dies entspricht der in der
Klagepatentschrift wiedergegebenen Aufgabenstellung (Anlage K 1, Spalte 2 Zeile
48 bis Spalte 3 Zeile 3).
Zur Lösung schlägt Anspruch 1 des Klagepatents die Kombination folgender
Merkmale vor:
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Verschlussvorrichtung (1) für eine einem verschlossenen Ende
gegenüberliegende offene Stirnseite (2) eines – insbesondere
evakuierbaren – zylinderförmigen Gehäuses (3),
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welche aufweist:
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1. eine Kappe (5), die die Stirnseite (2) des zylinderförmigen Gehäuses (3) umfasst;
2. eine Stirnwand (10), in der eine Bohrung (8) angeordnet ist;
3. eine umlaufende Dichtfläche (18) einer durchstechbaren Dichtungsvorrichtung (6),
die zwischen der Bohrung (8) und einer inneren Anlagefläche (21) des
zylinderförmigen Gehäuses (3) angeordnet ist;
4. einen flanschartigen Arretierfortsatz (16) der Dichtungsvorrichtung (6), der diese
Dichtfläche radial nach außen überragt.
5. Der Arretierfortsatz (16) ist zwischen zwei Fortsätzen (86, 87) der Kappe (5)
abgestützt.
6. Die beiden Fortsätze (86, 87) bilden gemeinsam mit dem Arretierfortsatz (16)
Kupplungsteile (80) einer Kupplungsvorrichtung (13) zwischen der Kappe (5) und
der Dichtungsvorrichtung (6).
7. Die Kupplungsvorrichtung (13) ist der umlaufenden Dichtfläche (18) in Richtung
der Längsachse (19) benachbart angeordnet.
8. Es sind nur zwei Fortsätze (86, 87) angeordnet, die
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a. über die zylinderförmige Innenfläche der Kappe (5) in Richtung der Längsachse
(19) vorragen;
b. einen nutförmigen Aufnahmebereich (88) für den flanschartigen Arretierfortsatz
(16) bilden.
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Der dem Gehäuse (3) zugewandte Fortsatz (87) ist zwischen der Stirnseite (2) des
Gehäuses (3) und dem Arretierfortsatz (16) angeordnet.
50
51
Zur Veranschaulichung wird nachfolgend die Figur 14 des Klagepatents
wiedergegeben, welche die Ausbildung einer Verschlussvorrichtung nach
Patentanspruch 1 (und zugleich nach dem im vorliegenden Rechtsstreit nicht
interessierenden Patentanspruch 2) in der Seitenansicht zeigt:
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II. Zwischen den Parteien ist die Verwirklichung der Merkmale 1 bis 4 und 7 durch
die angegriffene Ausführungsform zu Recht nicht umstritten, so dass sich insoweit
weitere Ausführungen erübrigen. Hinsichtlich der umstrittenen Merkmale ist
aufgrund der erfolgten Inaugenscheinnahme der vorliegenden Muster der
angegriffenen Ausführungsform jedenfalls nicht (mehr) festzustellen, dass auch das
Merkmal 9 der oben wiedergegebenen Merkmalsgliederung verwirklicht wird.
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1. Dabei ist es geboten, die Merkmale 5, 6 und 8 einerseits und das Merkmal 9
andererseits gemeinsam zu betrachten, da sie im Zusammenwirken die technische
Lehre des Klagepatents kennzeichnen.
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Merkmale 5, 6 und 8 setzen übereinstimmend zwei Fortsätze (86 und 87) der Kappe
(5) voraus, zwischen denen sich der Arretierfortsatz (16) der Dichtungsvorrichtung
(6) abstützt (Merkmal 5). Zugleich bilden diese Fortsätze (86, 87) gemeinsam mit
dem Arretierfortsatz (16) Kupplungsteile (80) einer Kupplungsvorrichtung (13)
zwischen der Kappe (5) und der Dichtungsvorrichtung (6) (Merkmal 6). Zu diesem
Zweck ragen die beiden Fortsätze (86, 87) der Kappe (5) über deren zylinderförmige
Innenfläche in Richtung der Längsachse (19) vor (Merkmal 8 a)) und bilden einen
nutförmigen Aufnahmebereich (88) für den flanschartigen Arretierfortsatz (16) der
Dichtungsvorrichtung (6) (Merkmal 8 b)).
55
Mit der Abstützung des Arretierfortsatzes (16) zwischen den beiden Fortsätzen (86,
87) der Kappe, so dass diese Teile eine Kupplungsvorrichtung zwischen Kappe (5)
und Dichtungsvorrichtung (6) bilden, verfolgt das Klagepatent in einer für den
Fachmann erkennbaren Weise das Ziel, eine eindeutige Bewegungsverbindung
zwischen der Dichtungsvorrichtung und der Kappe in beiden Bewegungsrichtungen
zu schaffen, also sowohl bei dem Einsetzen der Dichtungsvorrichtung in das
zylinderförmige Gehäuse als auch bei dem Herausziehen aus diesem (Anlage K 1,
Spalte 3 Zeile 6-13). Zugleich wird eine fixe Kupplung zwischen
Dichtungsvorrichtung und Kappe geschaffen, die sowohl beim Durchstechen der
Dichtungsvorrichtung mit einer Nadel als auch beim Herausziehen der Nadel aus
der Dichtungsvorrichtung ein unbeabsichtigten Lösen der Dichtungsvorrichtung von
der Kappe ausschließt (Anlage K 1, Spalte 3 Zeile 13-21). Als weiteren Vorteil
gegenüber dem kritisierten Stand der Technik gibt die Beschreibung an, dass beim
Einsetzen der Dichtungsvorrichtung (6) in die Kappe (5) das Risiko einer
Beschädigung der Dichtungsflächen und einer damit einhergehenden
nachfolgenden Undichtigkeit oder verringerten Vakuumdichtheit der
Dichtungsvorrichtung ausgeschaltet werde (Anlage K 1, Spalte 3 Zeile 21-28).
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Dieser Schilderung der patentgemäßen Vorteile der technischen Lehre nach
Patentanspruch 1 entnimmt der Fachmann, auf dessen Verständnis es maßgeblich
ankommt, dass der untere, d.h. der Stirnseite (2) des zylinderförmigen Gehäuses (3)
zugewandte Fortsatz (87) bei funktionaler Betrachtung so ausgestaltet sein muss,
dass er in der Lage ist, den Arretierfortsatz (16) im Zusammenwirken mit dem
anderen Fortsatz (86) abzustützen (Merkmal 5) und im Zusammenwirken mit der
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Dichtungsvorrichtung (16) und dem anderen Fortsatz (86) eine
Kupplungsvorrichtung zwischen Kappe (5) und Dichtungsvorrichtung (6) zu bilden
(Merkmal 6). Allein zu diesem Zweck verlangt Merkmal 8, dass die beiden Fortsätze
(86, 87) einen nutförmigen Aufnahmebereich (88) für den Arretierfortsatz (16) bilden,
indem sie über die zylinderförmige Innenfläche der Kappe (5) in Richtung der
Längsachse (19) vorragen. Der Fachmann erkennt, dass es zur Erreichung dieses
Zwecks nicht erforderlich ist, die Verschlussvorrichtung exakt in der Weise
auszugestalten, wie dies in dem bevorzugten Ausführungsbeispiel nach Figur 14
der Fall ist, bei dem die Fortsätze (86) und (87) in etwa gleich weit in Richtung der
Längsachse (19) vorragen und bei dem der dem Gehäuse zugewandte Fortsatz (87)
bündig mit der Innenfläche des Gehäuses (3) abschließt, auf dessen Stirnseite er mit
seiner Seitenfläche vollständig aufliegt. Lediglich im Zusammenhang mit dem in
dieser Figur dargestellten Ausführungsbeispiel, das regelmäßig keine
einschränkende Auslegung eines die Erfindung allgemein kennzeichnenden
Patentanspruchs erlaubt (BGH, GRUR 2004, 1023ff. – Bodenseitige
Vereinzelungsvorrichtung), führt die Beschreibung aus, dass ein Innendurchmesser
einer Öffnung (89) der Fortsätze (86, 87) in etwa dem Durchmesser (83) des
zylinderförmigen Gehäuses (3) entspreche (Anlage K 1, Spalte 22 Zeile 9-12),
wobei der Durchmesser (83) ausweislich der Pfeilangabe in Figur 14 den
Innendurchmesser des Gehäuses (3) beschreibt. Diese geometrische Beschreibung
eines bevorzugten Ausführungsbeispiels lässt sich nicht dahin verallgemeinern,
dass nur bei ihrer Befolgung der Zweck erreicht werde, Kappe (5) und
Dichtungsvorrichtung (6) hinreichend fest miteinander zu koppeln und es auf diese
Weise zu ermöglichen, die beim Einstechen und Herausziehen der Kanüle
auftretenden Kräfte in Axialrichtung gemeinsam aufzunehmen und dies nicht allein
der Dichtungsvorrichtung (6) zu überlassen. Eine bestimmte Geometrie setzt die
technische Lehre des Klagepatents nicht voraus. Die Beschreibung des
bevorzugten Ausführungsbeispiels nach Figur 14 betont selbst die Funktion der
patentgemäßen Merkmale 5, 6 und 8, indem es heißt (Anlage K 1, Spalte 22 Zeile
33-38):
"Die beim Durchstechen und Herausziehen der Kanüle 93 aus der
Dichtungsvorrichtung 6 auftretenden Achsialkräfte werden dabei vom
flanschartigen Arretierfortsatz 16 der Dichtungsvorrichtung 6 und den Fortsätzen
86, 86 der Kappe 5 aufgenommen."
58
Zugleich rückt auch die Beschreibung des bevorzugten Ausführungsbeispiels in den
Vordergrund, dass durch die ineinandergreifenden Kupplungsteile, d.h. den
Arretierfortsatz (16) und den nutförmigen Aufnahmebereich (88), eine feste
Halterung zwischen der Kappe (5) und der Dichtungsvorrichtung (6) in Richtung der
Längsachse (19) erreicht werde (Anlage K 1, Spalte 22 Zeile 43-48). Der Fachmann
auf dem betreffenden Gebiet erkennt, dass die Erreichung dieser Ziele nicht davon
abhängt, ob der untere Fortsatz (87) entsprechend dem Ausführungsbeispiel
ausgestaltet ist oder nicht. Ein Aufnahmebereich (88) für den Arretierfortsatz (16)
wird vielmehr auch dann geschaffen, wenn der dem Gehäuse zugewandte Fortsatz
weniger weit von der Innenfläche der Kappe in Richtung der Längsachse (19)
vorragt, insbesondere nicht mit der Innenfläche des zylinderförmigen Gehäuses (3)
abschließt und mit seiner Seitenfläche auch nicht bündig auf dessen Stirnseite
aufliegt.
59
Nach Merkmal 9 ist der dem Gehäuse (3) zugewandte Fortsatz (87) zwischen der
60
Stirnseite des Gehäuses (3) und dem Arretierfortsatz (16) angeordnet, womit
ersichtlich der Montageendzustand der patentgemäßen Verschlussvorrichtung mit
einem zylinderförmigen Gehäuse gemeint ist. Denn in diesem Zustand geht es dem
Klagepatent darum zu vermeiden, dass der Arretierfortsatz der Dichtungsvorrichtung
unmittelbar auf der Stirnseite des zylinderförmigen Gehäuses aufsitzt.
An der aus dem nächstkommenden Stand der Technik (xxxxxxxx; Anlage K 6)
bekannten Verschlussvorrichtung, die ebenfalls einen über der umlaufenden
Dichtfläche angeordneten Arretierfortsatz verfügt, kritisiert die Klagepatentschrift,
dass es dort nur schwer möglich sei, die Dichtungsvorrichtung ohne Beschädigung
der Dichtfläche in das zylinderförmige Gehäuse einzusetzen (Anlage K 1, Spalte 1
Zeile 33-36). Bei der aus xxxxxxxxxx bekannten Verschlussvorrichtung wird das
Dichtungsteil so weit in die Gehäuseöffnung eingesteckt, dass die Unterseite des
vorspringenden Arretierfortsatzes an die Gehäusestirnseite angedrückt wird. Im
eingesetzten Zustand liegt die Dichtung mit ihrem Arretierfortsatz daher unmittelbar
auf der Gehäusestirnwand auf. Im Zusammenhang mit einer anderen
Verschlussvorrichtung belehrt die Beschreibung der Klagepatentschrift den
Fachmann, dass die Dichtungsvorrichtung bei ihrem Einsetzen, Entfernen bzw.
ihrem Durchstechen mit einer Nadel im Verhältnis zum zylinderförmigen Gehäuse
erheblichen Adhäsionskräften in Längsrichtung ausgesetzt werde (Anlage K 1,
Spalte 2 Zeile 15-20 und Zeile 32-38). Der Fachmann erkennt, dass diese Nachteile
aus dem Stand der Technik damit zusammenhängen, dass die
Dichtungsvorrichtung mit ihrem Arretierfortsatz unmittelbar auf der
Gehäusestirnwand anliegt. Denn dadurch wirken auf die Dichtfläche und den
(unmittelbar auf der Stirnseite des zylinderförmigen Gehäuses aufliegenden)
Arretierfortsatz in Verbindung mit der Gehäusewandung erhebliche Adhäsionskräfte,
die eine Beschädigung der Dichtung bewirken oder dazu führen können, dass der
Arretierfortsatz derart verformt wird, dass er nicht mehr formschlüssig mit der Kappe
über deren Fortsätze in Eingriff steht. Merkmal 9 dient daher im Zusammenwirken
mit den Merkmalen 5, 6 und 8 zugleich dem Zweck, die auch unter Belastung feste
Verbindung zwischen Kappe und Dichtungsvorrichtung zu gewährleisten. Hinzu
kommt die in der Beschreibung (Anlage K 1, Spalte 22 Zeile 33-38) angesprochene
Funktion, die auftretenden Axialkräfte beim Durchstechen und Herausziehen der
Kanüle (93) aus der Dichtungsvorrichtung (6) von deren flanschartigem
Arretierfortsatz (16) in Verbindung mit den Fortsätzen (86, 87) der Kappe (5)
aufnehmen zu lassen. Die durch Merkmal 9 geforderte Anordnung des dem
Gehäuse zugewandten Fortsatzes (87) zwischen der Stirnseite (2) des Gehäuses
(3) und dem Arretierfortsatz (16) dient dazu, die unmittelbare Übertragung von
Kräften von dem Gehäuse (3) auf die Dichtungsvorrichtung (6) zu vermeiden, indem
der Arretierfortsatz (16) von der Stirnseite (2) beabstandet ist.
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Der Fachmann erkennt, dass dieses Risiko einer Beschädigung oder Verformung
nach der patentgemäßen technischen Lehre dadurch vermieden werden soll, dass
bei der Kupplungsvorrichtung der dem Gehäuse zugewandte Fortsatz der Kappe
zwischen der Gehäusestirnseite und dem Arretierfortsatz der Dichtungsvorrichtung
angeordnet ist (vgl. Anlage K 1, Spalte 3 Zeile 21-28). Durch die beiden Fortsätze
(86, 87), die einen nutförmigen Aufnahmebereich (88) für den flanschartigen
Arretierfortsatz (16) bilden (Merkmal 8 b)), entsteht ein Aufnahmeraum für den
Arretierfortsatz (16) der Dichtung (6), der im Gegensatz zum Stand der Technik
(xxxxxxxx) nicht unmittelbar an die Stirnseite des Gehäuses angrenzt, sondern
durch den unteren (d.h. dem Gehäuse zugewandten) Fortsatz (87) von der Stirnseite
62
beabstandet ist. Dies ermöglicht es, eine eindeutige Bewegungsverbindung
zwischen Dichtungsvorrichtung und Kappe in beiden axialen Bewegungsrichtungen
(etwa bei einem Durchstechen der Dichtungsvorrichtung und dem Entfernen der
Nadel) zu schaffen (vgl. Anlage K 1, Spalte 3 Zeile 7-13). Sie ist dadurch
"eindeutig", dass ein Aufdrücken des Arretierfortsatzes (16) auf die
Gehäusestirnwand (2) vermieden wird. Diese Anlage der Dichtung auf der
Gehäusestirnwand erleichterte im Stand der Technik die unerwünschte
Kraftübertragung äußerer Einflüsse auf die Dichtungsvorrichtung. Infolge der
Trennung des Arretierfortsatzes von der Stirnwand des Gehäuses werden die etwa
bei dem Einschieben der Dichtung auftretenden Adhäsionskräfte vermindert bzw.
können nicht mehr ungehindert bis in den Bereich des Arretierfortsatzes gelangen,
weil dieser nunmehr durch den Fortsatz (87) räumlich von der Gehäusestirnwand
abgetrennt wird.
Für die technische Lehre des Klagepatentanspruchs 1 entscheidend ist damit die
Beabstandung des Arretierfortsatzes von der Gehäusestirnwand durch einen dem
Gehäuse zugewandten Fortsatz (87) nach Maßgabe des Merkmals 9. Der
Fachmann erkennt zugleich, dass es für die Bewirkung dieser Trennung nicht
entscheidend darauf ankommt, dass der Kappenfortsatz (87) in der Weise
unmittelbar und bündig auf der Gehäusestirnseite (2) aufliegt, wie es im bevorzugten
Ausführungsbeispiel nach Figur 14 gezeigt ist, ebenso wenig wie es für Merkmale 5,
6 und 8 erforderlich ist, dass der Fortsatz (87) bis auf Höhe der Innenoberfläche des
Gehäuses vorragt. Ausreichend ist vielmehr, dass der Fortsatz (87) so weit von der
zylindrischen Innenfläche der Kappe in Richtung auf die Längsachse (19) vorsteht,
dass er das zylinderförmige Gehäuse (3) an einem weiteren Eindringen bis an die
Unterseite des Arretierfortsatzes (16) hindert. Im Zusammenwirken mit Merkmalen 6
und 8 (d.h. einer festen Halterung der Dichtung in der Kappe durch die ineinander
greifenden Kupplungsteile zum einen des Arretierfortsatzes und zum anderen des
durch die Kappenfortsätze gebildeten Aufnahmebereichs) bewirkt es auch ein nicht
flächig auf der Gehäusestirnwand aufliegender Fortsatz, dass Axialkräfte von dem
Arretierfortsatz der Dichtung zusammen mit den ihn abstützenden Kappenfortsätzen
aufgenommen werden und nicht in unerwünschter Weise von der Dichtung und den
am Gehäuse anliegenden Dichtungsflächen (18). Dies führt die Beschreibung zwar
im Zusammenhang mit dem Ausführungsbeispiel nach Figur 14 aus (Anlage K 1,
Spalte 22 Zeile 33-38 und Zeile 43-48); es ist aber nicht erkennbar, dass diese
Vorteilsangabe ausschließlich im Zusammenhang mit der dort gezeigten
Ausgestaltung (flächiges Aufliegen des Fortsatzes (87) auf der Gehäusestirnseite
(2)) zu verstehen wäre. Vielmehr verweist die Beschreibung darauf, dass es die
feste Verbindung zwischen Dichtungsvorrichtung und Kappe ist, die es ermöglicht,
die auftretenden Axialkräfte aufzunehmen, ohne dass es auf die konkrete
Ausgestaltung des Fortsatzes (87) ankäme. Um diese Wirkung nicht zu vereiteln,
bedarf es der Beabstandung von Arretierfortsatz (16) und Gehäusestirnseite (2) nach
Maßgabe des Merkmals 9.
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2. Nach der Behauptung der Beklagten gibt die nachfolgend eingeblendete Anlage
B1 die Gestaltung der angegriffenen Ausführungsform im Montageendzustand
wieder, was die Klägerin bestreitet:
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Bei dem Zusammensetzen der angegriffenen Ausführungsform werde das
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zylinderförmige Gehäuse (HS) so weit in die Kappe (CP) hineingeschoben, dass die
Gehäusestirnseite (FS) über den in der Kappe umlaufenden Wulst (RM)
hinweggeschoben werde und an der Unterseite des Arretierfortsatzes (LE) anliege.
Der nur geringfügige Unterschied zwischen dem Außendurchmesser des
zylinderförmigen Gehäuses (gemäß den unstreitig gebliebenen Messergebnissen
der Klägerin nach Seite 1 der Anlage K4: 12,59 mm) und dem Innendurchmesser
der Kappe (CP) auf Höhe des Wulstes (RM) (12,10 mm) sowie die materialbedingte
Elastizität der Kappe (CP) ermöglichten es, dass die Gehäusestirnseite (FS) den
Wulst (RM) beim Zusammenschieben passiere, weil sich dieser bereits bei geringer
Kraftausübung komprimieren lasse. Der Benutzer des Röhrchens werde das
zylinderförmige Röhrchen (HS) so weit in die Kappe (CP) hineinschieben, dass kein
Leerraum zwischen der Stirnseite (FS) und der Unterseite des Arretierfortsatzes (LE)
verbleibe.
Die Klägerin behauptet hingegen, im Montageendzustand entspreche die
angegriffene Ausführungsform der Abbildung in Anlage K4 (Seite 2), die
nachfolgend (verkleinert) wiedergegeben wird und gemäß welcher ein Abstand
zwischen Dichtvorrichtung (SD) und Gehäusestirnseite (FS) verbleibe:
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Nach Inaugenscheinnahme der als Anlage Ast 9 im parallelen Verfahren auf Erlass
einer einstweiligen Verfügung (4a O x/05) vorliegenden angegriffenen
Ausführungsform, welche die Klägerin auf der Messe xx xx erhalten hat, lässt sich
die Verwirklichung des Merkmals 9 nicht (mehr) mit der für eine Verurteilung der
Beklagten erforderlichen Sicherheit feststellen. Die von der Beklagten im Termin
vorgelegten und zur Gerichtsakte gereichten zylinderförmigen Gehäuse mit
Dichtungsvorrichtungen tragen diese Feststellung jedenfalls nicht. Fügt man bei
ihnen (bzw. bei dem Exemplar mit intakter Kappe; die Halbierung der Kappe führt zu
einem nicht praxisgerechten Aufspreizen derselben) die Kappe mit eingelegter
Dichtungsvorrichtung und das zylinderförmige Gehäuse zusammen, ist vor dem
Erreichen einer Anlageposition von Gehäusestirnseite und Arretiervorrichtung der
Dichtung kein Widerstand feststellbar, der eine Zwischenposition kennzeichnen
könnte, in der die Gehäusestirnseite an der Unterkante (US) des Wulstes (RM)
anliegen würde und einen Freiraum entsprechend der Seite 2 der Anlage K 4
entstehen ließe. Damit entsprechen diese Dichtungsvorrichtungen aber den Stand
der Technik aus der xxxxxxx, bei dem die Dichtung zwar in der Kappe gehaltert
wird, mit ihrem Arretierfortsatz jedoch auf der Stirnseite des zylinderförmigen
Gehäuses aufliegt. Nach der Erinnerung der am Erlass der einstweiligen Verfügung
vom 17. November 2005 (4a O xxx/05) beteiligten Kammermitglieder war an der
damals noch im Originalzustand vorliegenden angegriffenen Ausführungsform
(Anlage Ast 9 ohne eingeschnittenes Fenster) ein deutlicher Widerstand spürbar,
der nur mit einem erheblichen Kraftaufwand überwunden werden konnte, um die
Gehäusestirnseite (FS) den Wulst (RM) passieren zu lassen und so eine Anlage der
Gehäusestirnseite an der Dichtung zu bewirken. Dies deutete nach der aus dem
damals unverändert vorliegenden Muster gewonnenen Überzeugung darauf hin,
dass bei einem vom Anwender beim Zusammenfügen der Teile allenfalls
aufgebrachten Druck ein Leerraum verbleiben würde, wie er von Merkmal 9 durch
die Anweisung, der Fortsatz (87) sei zwischen der Stirnseite (2) des Gehäuses (3)
und dem Arretierfortsatz (16) angeordnet, vorausgesetzt wird (s.o. unter 1.). Eine
weitergehende Kraftaufbringung, die zu einer Überwindung des Wulstes (RM)
führen könnte (mit der Folge, dass Merkmal 9 nicht verwirklicht wird), schien aus
damaliger Sicht im Regelfall der Anwendung nicht zu erwarten zu sein.
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Diese Feststellung ist allerdings heute bzw. im hier zu entscheidenden
Hauptsacheverfahren nicht mehr zu treffen. Dabei kann offen bleiben, ob dies auf
dem mehrfach durchgeführten Öffnungs- und Schließvorgang an der angegriffenen
Ausführungsform nach Anlage Ast 9 des Verfügungsverfahrens beruht, der zu einem
Nachlassen des durch den Wulst (RM) auf das Gehäuse ausgeübten Widerstandes
geführt haben mag, oder auf dem nach Zurückgabe der Anlage Ast 9 an die Klägerin
von dieser in die Kappe eingeschnittenen streifenförmigen Sichtfenster. Hier wäre
eine weitere auf der Messe xx xxx erhaltene angegriffene Ausführungsform, die für
die Durchführung des Hauptsacheverfahrens von der Klägerin hätte zurückgelegt
und sodann zum Gegenstand der Inaugenscheinnahme hätte gemacht werden
können, möglicherweise hilfreich gewesen.
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Zudem hat die Beklagte darauf hingewiesen, dass dem Wulst (RM) eine andere
Funktion zukomme, als diejenige, in Gestalt eines dem Gehäuse zugewandten
Fortsatzes (87) zwischen der Stirnseite (2) des Gehäuses (3) und dem
Arretierfortsatz (16) angeordnet zu sein. Er erfülle die Funktion, im
zusammengesetzten Zustand das Gehäuse, welches insbesondere gefüllt eine nicht
unerhebliche Masse aufweise, in der Kappe zu stabilisieren, indem es die
Außenseite des Gehäuses ringartig umfasse. Durch diese zusätzliche Halterung in
Gestalt des Wulstes (RM) solle ein "Wackeln" des (insbesondere gefüllten)
Röhrchens in der Kappe verhindert werden. Dieses Wackeln sei möglich, wenn das
Röhrchen nur von der Dichtfläche der Dichtung gehalten und die Gehäusestirnseite
(FS) lediglich an der Unterseite (US) des Wulstes (RM) anliegen würde. Es
erschließt es sich schon anhand der unstreitigen Maßangaben, dass ohne diese
Maßnahme der untere Teil der Kappe mit einem Innendurchmesser von 13,35 mm
nicht in der Lage wäre, das Gehäuse mit einem Außendurchmesser von 12,59 mm
an einer Relativbewegung im Verhältnis zur Kappe zu hindern, wenn die
Gesamtvorrichtung vom Anwender lediglich im Bereich der Kappe gehalten wird.
Der Wulst (RM) kann damit nicht nur als Fortsatz (87) im Sinne der Merkmale 5, 6, 8
und 9 angesehen werden (während ihm andernfalls keine Bedeutung zukäme, was
Rückschlüsse auf die patentgemäße Ausgestaltung zuließe), sondern erfüllt in
plausibler Weise eine andere Funktion, die mit der klagepatentgemäßen Funktion
des Fortsatzes (87) (s.o. unter 1.) nicht in Zusammenhang steht.
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Ins Gewicht fällt schließlich, dass der Anwender das zylinderförmige Gehäuse (HS)
ohne einen – heute für die Kammer nicht mehr feststellbaren – spürbaren
Widerstand an der Unterkante (US) des Wulstes (RM) sicherheitshalber so weit in
die Kappe (CP) durchschieben wird, wie ihm dies möglich ist, ohne
Beschädigungen der Gesamtvorrichtung befürchten zu müssen. Dass sich der
Anwender aus Vorsichtsgründen so verhält, erscheint plausibel, weil er für die
weitere Aufbewahrung wird vermeiden wollen, dass das Röhrchen seinen Inhalt
verliert, nur weil es nicht mit der erforderlichen Festigkeit zusammengefügt wurde.
Anders wäre dies nur dann zu beurteilen, wenn der Anwender aufgrund der
Ausgestaltung der Vorrichtung einen so deutlichen Widerstand spüren würde, dass
er bei weiterer Kraftanwendung befürchten müsste, die Vorrichtung zu beschädigen.
Dies ist anhand der vorliegenden Vorrichtungen aber – wie bereits ausgeführt – aus
heutiger Sicht nicht mehr zu erkennen.
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Auch die (als solche unstreitigen) Maßangaben der drei einzelnen Bestandteile der
angegriffenen Ausführungsform gemäß Anlage K4 (Seite 1) können nicht zum
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Nachweis der Verwirklichung des Merkmals 9 herangezogen werden. Die Beklagte
hat sich im Termin darauf berufen, im zusammengefügten Zustand weise die
angegriffene Ausführungsform eine Gesamtlänge von 82 mm auf. Diese setze sich
zusammen aus 75,80 mm des zylinderförmigen Gehäuses, 5,02 mm lichter Höhe
des Aufnahmebereichs der Kappe für den breiteren Teil der Dichtung und 1,18 mm
Höhe des oberen Fortsatzes der Kappe (75,80 mm + 5,02 mm + 1,18 mm = 82,00
mm). Dies belege, dass sich die Gehäusestirnseite (FS) am oberen Ende der Wulst
befinden müsse, weil andernfalls ein Abstand zur Erhöhung der Gesamtlänge
führen müsste. Da sich rechnerische und tatsächliche Gesamtlänge aber
entsprächen, könne kein Abstand bestehen. Im nachgelassenen Schriftsatz vom 18.
Oktober 2006 tritt die Klägerin dem zwar unter Verweis auf eigene Messungen
entgegen, die eine Gesamtlänge von 82,00 mm nur unter anhaltender
Druckanwendung bestätigten, während sich die Gesamtvorrichtung ohne Druck auf
eine Gesamtlänge von 83,33 mm ausdehne, so dass es zu einem Abstand von 1,45
mm zwischen Dichtung (SD) und Gehäusestirnseite (FS) kommen müsse. Dabei ist
mit der Klägerin anzunehmen, dass allein die ohne Aufrechterhaltung einer
Druckeinwirkung gegebene Länge maßgeblich und aussagekräftig ist, weil es auch
in der Praxis während der Aufbewahrung der Vorrichtungen zu keiner weiteren
Druckeinwirkung kommt. Dieser Ausdehnvorgang lässt sich für das Gericht aus dem
einzigen vorliegenden Muster (Anlage Ast 9) jedoch nicht nachvollziehen. Wird die
Kappe mit Dichtungsvorrichtung dort mit der in der Praxis zu erwartenden
Kraftausübung auf das Gehäuse gesetzt, verbleibt es bei der Anlage zwischen
Gehäusestirnseite und Unterseite des Arretierfortsatzes der Dichtung.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1 Satz 1 (1. Halbsatz); 269 Abs. 3
Satz 2 ZPO.
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Die Entscheidungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgen aus §§ 709 Satz 1 und 2;
108 ZPO.
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Der Streitwert wird auf 500.000,- € festgesetzt.
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