Urteil des LG Düsseldorf vom 18.03.2009

LG Düsseldorf: einstweilige verfügung, strafbare handlung, rechtsverletzung, störer, fotografie, verbreitung, prüfungspflicht, persönlichkeitsverletzung, beitrag, rechtswidrigkeit

Landgericht Düsseldorf, 12 O 5/09
Datum:
18.03.2009
Gericht:
Landgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
12. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
12 O 5/09
Tenor:
1.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vom 08.01.2009
wird zurückgewiesen.
2.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin.
3.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Antragstellerin wird nachgelassen, die Vollstreckung durch
Sicherheitsleistung unter Hinterlegung in Höhe von 120 % des aufgrund
des Urteils vorläufig vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht
die Antragsgegnerin Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
T a t b e s t a n d :
1
Die Antragstellerin verlangt von der Antragsgegnerin die Unterlassung der Verbreitung
einer Fotografie von ihr in einem Buch über den Künstler und Sänger X.
2
Die Antragstellerin ist die ehemalige Lebensgefährtin des Künstlers und Sängers.
Dieses Buch – "X" - wurde von der "X" vertrieben. In diesem Buch ist ein Bildnis der
Antragstellerin enthalten. Mit Versäumnisurteil vom 22.10.2008 wurde dem Verlag
untersagt, das streitgegenständliche Foto künftig zu veröffentlichen, soweit es die
Antragstellerin wiedergibt.
3
Die Antragsgegnerin ist ein Online-Buch-Verlag. Im Rahmen eines Testkaufes, welcher
Ende November 2008 stattfand, verkaufte die Antragsgegnerin das Buch "X".
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Mit anwaltlichem Schreiben vom 29.12.2008 wurde die Antragsgegnerin zur Abgabe
einer strafbewehrten Unterlassungserklärung aufgefordert. Eine solche gab sie nicht ab.
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Die Antragstellerin ist der Auffassung, es läge ein Verstoss gegen § 22 KUG vor. Die
Antragsgegnerin sei für den Vertrieb dieses Buches und somit für die Rechtsverletzung
verantwortlich. Die Antragstellerin könne es nicht hinnehmen, nur gegen den
ursprünglichen Verlag vorgehen zu dürfen. Sie müsse zur Vermeidung einer
Perpituierung der Persönlichkeitsverletzung auch die unmittelbaren Verbreiter in
Anspruch nehmen können.
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Die Antragstellerin beantragt,
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1.
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Die Antragsgegnerin hat es bei Meidung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu
unterlassen, das nachfolgend wiedergegebene Foto zu verbreiten, soweit es
Frau X (siehe rechte Person im Profil) wiedergibt:
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Die Antragsgegnerin beantragt,
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die einstweilige Verfügung zurückzuweisen.
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Sie behauptet, sie habe durch den Einbau von Filtern, die zuverlässig die ISBN und den
Titel des Werkes ausfiltern, sichergestellt, dass das Buch mit dem
streitgegenständlichen Foto nicht mehr in das Sortiment aufgenommen werde. Sie ist
der Auffassung, eine Haftung der Antragsgegnerin komme als Täter oder Teilnehmerin
nicht in Betracht. Eine Inanspruchnahme als Störerin scheide ebenfalls aus, da sie
keine Prüfungspflicht verletzt habe.
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Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die Schriftsätze nebst Anlagen Bezug
genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung war zurückzuweisen, da er unter
keinem rechtlichen Gesichtspunkt sachlich gerechtfertigt ist.
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I.
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Der Antragstellerin steht gegenüber der Antragsgegnerin ein Unterlassungsanspruch
nach §§ 823 Abs. 1, 2 BGB in Verbindung mit Art. 1, 2 GG, § 1004 Abs. 1 BGB nicht zu.
Die Antragsgegnerin haftet weder als Täterin, Teilnehmerin noch als Störerin für die
Verbreitung der streitgegenständlichen Fotografie.
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1.
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Eine täterschaftliche Verantwortlichkeit scheidet vorliegend aus, da die Antragsgegnerin
zumindest nicht mit bedingtem Vorsatz die Verletzungshandlung in Form der
Verbreitung der streitgegenständlichen Fotografie vorgenommen hat.
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2.
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Eine Haftung als Teilnehmerin scheidet ebenfalls aus. Neben dem fehlenden bedingten
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Vorsatz fehlt es bereits an einem Hilfeleisten.
a.
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Die Haftung eines Teilnehmers setzt zumindest einen bedingten Vorsatz voraus, der
das Bewusstsein der Rechtswidrigkeit des Teilnehmers einschließen muss (vgl. BGH,
MMR 2004, 668, 671 – Rolex). Ein solcher ist von der Antragstellerin nicht behauptet
worden.
23
b.
24
Eine Hilfeleistung i.S.v. § 27 StGB ist grundsätzlich jede Handlung, die den Taterfolg
des eigentlichen Täters in irgendeiner Weise objektiv fördert (BGH, NJW 2003, 2996;
OLG Düsseldorf, StV 2003, 626). Bei sog. "neutralen Handlungen", also solchen
Handlungen, die bei einer äußeren Betrachtungsweise für sich genommen keinen
strafbaren Charakter aufweisen, ist ferner zu berücksichtigen, dass nicht jede Handlung
tatfördernd ist (vgl. BGH, NJW 2003, 2996; BGH, NStZ 2000, 34; LK-Roxin, StGB,
11.Aufl., § 27 Rz.16 ff). Zielt das Handeln des Haupttäters ausschließlich darauf ab, eine
strafbare Handlung zu begehen und weiß dies der Hilfeleistende, so stellt dies eine
strafbare Beihilfehandlung dar, denn das neutrale Element der Handlung geht verloren
und die eigentliche Handlung wird zweckentfremdet. Weiß der Hilfeleistende dagegen
nicht, wie der von ihm geleistete Beitrag vom Haupttäter verwendet wird, so scheidet
eine Beihilfehandlung aus. Letzteres gilt nicht, wenn das von ihm erkannte Risiko des
strafbaren Verhaltens des von ihm Unterstützten derart hoch war, dass er mit seiner
Hilfeleistung die Tat eines erkennbar Tatgeneigten fördert (BGH, NJW 2003, 2996;
BGH, NStZ 2000, 34). Eine solche Sachverhaltskonstellation ist hier nicht gegeben. Die
Antragsgegnerin hat entsprechend ihres Geschäftsbetriebes, auf eine Kundenanfrage
hin, das bestellte Buch ausgeliefert. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Antragsgegnerin
keine Kenntnis von der Rechtsverletzung.
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3.
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Die Antragsgegnerin haftet auch nicht als Störerin. Als Störer haftet derjenige auf
Unterlassung, der in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal zur Verletzung
eines geschützten Rechts beiträgt (BGH, MMR 2007, 507 – Internetversteigerung II;
BGH GRUR 2002, 618, 619 – Meißner-Dekor). Die Haftung setzt indess voraus, dass
der Störer Prüfungspflichten verletzt hat. Deren Umfang bestimmt sich danach, ob und
inwieweit dem in Anspruch genommenen Störer nach den Umständen des Einzelfalls
eine Prüfung zuzumuten ist (BGH, MMR 2007, 507 – Internetversteigerung II; BGHZ
148, 13, 17 ff. – Ambiente.de; BGH NJW 1999, 1960 – Möbelklassiker). Im
Anzeigengeschäft des Zeitungs- und Zeitschriftengewerbes besteht keine allgemeine
Prüfungspflicht. Dies würde die tägliche Arbeit eines Presseunternehmens über Gebühr
erschweren und dem Schutz der Pressefreiheit nicht gerecht werden (BGH NJW 1999,
1960 – Möbelklassiker).
27
a.
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Eine Haftung kommt dann in Betracht, wenn es für den Pressevertrieb unschwer zu
erkennen war, dass ein grober Verstoss gegen Schutzrechte vorliegt (BGH, NJW 1990,
1960 – Möbelklassiker). Anhaltspunkte hierfür hat die Antragstellerin nicht vorgetragen.
Dass in Büchern über natürliche Personen Lichtbilder von diesen und anderen
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Personen enthalten sind, ergibt sich aus der Sache und lässt keine Rückschlüsse auf
mögliche Rechtsverletzungen zu.
b.
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Eine weitere Fallgruppe, die zu einer Haftung des Verbreiters von Presseerzeugnissen
führen kann, liegt dann vor, wenn der Verbreiter von der behaupteten Rechtsverletzung
Kenntnis erlangt und keine hinreichenden Vorsorgemaßnahmen trifft, um künftige
Rechtsverletzungen zu verhindern (BGH, NJW 1990, 160 – Möbelklassiker; OLG
Frankfurt, ZUM-RD 2008, 128; LG Berlin, ZUM 209, 163). Ob darüber hinaus noch eine
Haftung für den Fall anzunehmen ist, wenn keine Kenntnis vorliegt (vgl. OLG München,
AFP 2001, 139; OLG München, NJW-RR 2002, 186), braucht vorliegend nicht
entschieden werden, da die Antragsgegnerin mit anwaltlichem Schreiben vom
19.12.2008 abgemahnt worden ist. Vorliegend war das Abmahnschreiben geeignet, die
Antragsgegnerin konkret und umfassend auf die Persönlichkeitsverletzung hinzuweisen.
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Nach ausreichender Kenntnis von der Rechtsverletzung hat der Verbreiter von
Presseerzeugnissen entsprechende, wirkungsvolle Maßnahmen zu ergreifen, um
künftige Rechtsverletzungen zu unterbinden. Denn es geht beim
Unterlassungsanspruch um die Abwehr von rechtswidrigen Beeinträchtigungen,
vorliegend des Persönlichkeitsrechts. Anders als bei der Haftung auf Schadensersatz,
welcher nach den Grundsätzen der Störerhaftung nicht in Betracht kommt, hat die
Störerhaftung ihre Grundlage außerhalb des Deliktrechts in den Regelungen über
Besitz- und Eigentumsstörung. Um einen umfassenden (unterlassungsrechtlichen)
Schutz zu gewährleisten, bedarf es eines weit gefassten Verletzerbegriffes. Damit
einher geht auch die Pflicht des Verletzers, Maßnahmen zu ergreifen, die
Beeinträchtigung zu stoppen. Eine solche Verpflichtung ist wegen des grundrechtlich
abgesicherten Rechts des allgemeinen Persönlichkeitsrechts geboten (vgl. LG
Hamburg, ZUM-RD 2008, 433).
32
aa.
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Im Rahmen seines Sachvortrags obliegt dem Verbreiter eine sekundäre Darlegungslast,
denn es ist dem Verbreiter zuzumuten, Maßnahmen vorzutragen, die aus seinem
Geschäftsbereich herrühren und es für den Verletzten ungleich schwieriger wäre, solche
Tatsachen in das Verfahren einzuführen (vgl. BGH MDR 1999, 1371). Die
Antragsgegnerin musste deshalb aus ihrem Verkehrskreis Tatsachen zum Ergreifen von
Vorkehrungen zur weiteren Verhinderung von Rechtsverletzungen vortragen. Diesen
Anforderungen ist der Tatsachenvortrag der Antragsgegnerin gerecht geworden. Sie hat
vorgetragen, dass sie lediglich einmal das streitgegenständliche Buch über Dean Reed
verkauft habe. Weiterhin trägt sie vor, dass sie einen Filter eingebaut habe, der
zuverlässig die ISBN und den Titel des Werkes ausfiltere und damit sicherstelle, dass
das Buch mit dem streitgegenständlichen Foto nicht mehr in das Sortiment
aufgenommen werde.
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bb.
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Zwar hat die Antragstellerin diesen Tatsachenvortrag bestritten, indess hätte es nun ihr
oblegen, weitere Tatsachen für eine mögliche Pflichtverletzung auf Seiten der
Antragsgegnerin vorzutragen. Im Rahmen der sekundären Darlegungslast ist die
Antragsgegnerin jedoch nicht verpflichtet gewesen, ihren Sachvortrag auch glaubhaft zu
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machen. Eine solche Anforderung würde dazu führen, dass sich die Beweislast zu
Lasten der Antragsgegnerin verschoben hätte. Dies kann aber im Rahmen der
sekundären Darlegungslast vorliegend nicht angenommen werden. Vielmehr hätte es
nunmehr der Antragstellerin oblegen, weitere Tatsachen vorzutragen, die Anlass zur
Feststellung geben, dass die Antragsgegnerin ihren Prüfungspflichten nicht
nachgekommen ist. Dies hat die Antragstellerin jedoch nicht getan.
Mithin kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Antragsgegnerin ab dem
Zeitpunkt der Kenntnis der Rechtsverletzung eine Prüfungspflicht verletzt hat.
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II.
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Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 6, 711 ZPO.
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Streitwert: 15.000,00 Euro.
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