Urteil des LG Düsseldorf vom 02.03.2009

LG Düsseldorf: fahrzeug, kreuzung, geschwindigkeit, zusammenstoss, unfall, verkehr, sicherheitsleistung, fahrspur, verzug, anhalten

Landgericht Düsseldorf, 1 O 382/07
Datum:
02.03.2009
Gericht:
Landgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
1. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
1 O 382/07
Rechtskraft:
ja
Tenor:
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin
2.380,84 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem
Basiszinssatz ab dem 21.08.2007 sowie vorgerichtliche Kosten von
229,30 Euro zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 56 % und die
Beklagten als Gesamtschuldner 44 % zu tragen.
Das Urteil ist für die Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110
% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Für die Beklagten ist das Urteil wegen der Kosten ohne
Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Der Klägerin wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch die
Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des
vollstreckbaren Betrages abzuwenden, sofern nicht die Beklagten vor
der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
T a t b e s t a n d :
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Die Klägerin ist Halterin des Mercedes Kleintransporters 310 D, offener Kasten, mit
langem Führerhaus aus November 1991 vom Typ 602 mit Pritschenaufbau mit dem
polizeilichen Kennzeichen X . Am 25.07.2007 gegen 18.50 Uhr befuhr Herr X mit
diesem Fahrzeug die Fischerstraße in Düsseldorf in Richtung Kennedydamm. Im
Kreuzungsbereich mit der Kleverstraße kam es zum Zusammenstoss mit dem Fahrzeug
des Beklagten zu 1), das bei der Beklagten zu 2 ) haftpflichtversichert ist.
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Die Klägerin behauptet, der Fahrer ihres Kleintransporters sei bei Grünlicht zeigender
Lichtzeichenanlage auf der rechten Fahrspur in den Kreuzungsbereich eingefahren,
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habe dann jedoch aufgrund Rückstaus im Kreuzungsbereich anhalten müssen. Das
Fahrzeug habe dort einige Zeit – mit dem vorderen Teil des Fahrzeugs über die Mitte
der Kleverstraße hinaus – gestanden, als der Beklagte zu 1) mit dem bei der Beklagten
zu 2) haftpflichtversicherten Pkw der Marke Opel mit dem polizeilichen Kennzeichen X
mit überhöhter Geschwindigkeit in ihren stehenden Kleintransporter gefahren sei. Ihr sei
ein Gesamtschaden von 5.411,68 Euro entstanden.
Die Klägerin beantragt,
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die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 5.411,68 Euro nebst
Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem
21.08.2007 zu zahlen,
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die Beklagten des weiteren als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie
vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 239,70 Euro zu zahlen.
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Die Beklagten beantragen,
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die Klage abzuweisen.
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Sie behaupten, der Beklagte zu 1) sei bei Grünlicht in den Kreuzungsbereich gefahren.
Dort hätten sich zu diesem Zeitpunkt keine Fahrzeuge befunden. Der Fahrer des
klägerischen Fahrzeugs müsse bei Rotlicht in den Kreuzungsbereich eingefahren sein.
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Das Gericht hat Beweis erhoben.
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Auf die Vernehmungsniederschriften vom 07.02. und 17.04.2008 sowie das schriftliche
Gutachten des Sachverständigen X vom 21.10.2008 wird Bezug genommen.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den vorgetragenen Inhalt der von den
Parteien gewechselten Schriftsätze sowie auf die zu den Akten gereichten Unterlagen
verwiesen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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Die Klage ist lediglich in Höhe von 2.380,84 Euro nebst der im Urteilsspruch
aufgeführten Zinsen und vorgerichtlichen Kosten begründet.
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Die grundsätzliche Haftung der Beklagten als Gesamtschuldner folgt aus §§ 7 Abs. 1
StVG, 3 Nr. 1 und 2 PflVG, da das Fahrzeug der Klägerin beim Betrieb des Fahrzeugs
des Beklagten zu 1) beschädigt wurde. Die Haftung der Beklagten als Gesamtschuldner
ist nicht nach § 7 Abs. 2 StVG ausgeschlossen. Sie haben nicht nachzuweisen
vermocht, dass der Unfall für den Beklagten zu 1) ein unabwendbares Ereignis war.
Dabei geht das Gericht von folgendem Unfallhergang aus:
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Der Fahrer des klägerischen Fahrzeugs Herr X befuhr am Unfalltag die Fischerstraße in
Düsseldorf in Richtung Kennedydamm. Im Kreuzungsbereich zur Kleverstraße musste
der Fahrer X aufgrund Rückstaus anhalten. Nachdem die Ampelanlage an der
Kleverstraße bereits mehrere Sekunden auf Grünlicht umgeschaltet hatte und das
klägerische Fahrzeug die drei von der Kleverstraße nach links zum Stadtzentrum
führenden Fahrbahnen passiert hatte, kam es zum Zusammenstoss mit dem Opel des
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Beklagten zu 1). Der Beklagte zu 1) war auf der äußersten rechten Fahrspur der
Kleverstraße mit einer Geschwindigkeit von 50 bis 53 km/h auf die Kreuzung zugefahren
und stieß mit einer Restgeschwindigkeit von ca. 12 bis 15 km/h gegen das klägerische
Fahrzeug.
Dieser Unfallhergang ergibt sich aus den Aussagen der Zeugen sowie dem
verkehrsanalytischen Gutachten des Sachverständigen Dipl.-Ing. X vom 21.10.2008.
Der Zeuge X , Fahrer des klägerischen Kleintransporters, hat bekundet, im
Kreuzungsbereich der Fischerstraße zur Kleverstraße habe ein "Stop-and-Go-Verkehr"
geherrscht, als er in die Kreuzung eingefahren sei. Es sei so gewesen, dass zunächst
die gesamte Kreuzung vollgestanden habe. Als die Fahrzeuge vor ihm losgefahren
seien, sei auch er angefahren. Ein in seinem Fahrzeug befindlicher Kollege habe noch
gerufen, dass ein Auto komme. Er habe noch gebremst, da sei es schon zum
Zusammenstoss der beiden Fahrzeuge gekommen. Diese Aussage wird bestätigt durch
den Zeugen X , der zum Unfallzeitpunkt im Fahrzeug der Klägerin hinten rechts saß.
Nach seiner Aussage stand das Fahrzeug in der Kreuzung, weil es zu einem Rückstau
gekommen war. Als der Zeuge X mit dem Fahrzeug in die Kreuzung eingefahren sei,
habe sich der Verkehr gestaut. Ob die Ampelanlage Rotlicht oder Grünlicht zeigte,
vermochte der Zeuge dagegen nicht auszusagen.
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Die Zeugin X , die von der Kleverstraße nach links auf die Fischerstraße gefahren ist,
hat entsprechend ihrer Aussage das klägerische Fahrzeug gesehen, als sie in die
Kreuzung einfuhr. Vor ihr sei ein Fahrzeug gefahren, dass – wie auch sie – wegen des
klägerischen Fahrzeugs gebremst habe. Nach ihrer Aussage hat sich ein anderes
Fahrzeug nicht im Kreuzungsbereich befunden. Letzteres ist auch von dem Zeugen X
bestätigt worden. Allerdings hat dieser bekundet, dass der Fahrer des Fahrzeugs vor
ihm – das Fahrzeug des Beklagten zu 1) – bei Grünlicht losgefahren sei, was dem
Vortrag des Beklagten zu 1) selbst entgegensteht. Der Beklagte zu 1) behauptet nämlich
hierzu, die Ampelanlage für ihn habe bereits länger Grünlicht gezeigt, als er in die
Kreuzung eingefahren sei. Der Aussage des Zeugen X steht überdies entgegen, dass
das rechte Vorderrad des Fahrzeugs des Beklagten zu 1) eine Bremsspur von 12,70 m
hinterlassen hat, die nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen X
auf eine Annäherungsgeschwindigkeit des Beklagten zu 1) von 50 bis 52 km/h
schließen lässt.
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Die Beklagten haben hiernach nicht zu beweisen vermocht, dass der Unfall für den
Beklagten zu 1) ein unabwendbares Ereignis war. Der Beklagte zu 1) beabsichtigte, mit
einer Geschwindigkeit von ca. 50 bis 53 km/h in die Kreuzung
Kleverstraße/Fischerstraße einzufahren. Bei einer nur geringfügig geringeren
Geschwindigkeit – der Sachverständige nennt insofern eine Geschwindigkeit von 49 bis
50 km/h – hätte der Beklagte zu 1) den Unfall vermeiden können. Diese geringere
Geschwindigkeit war auch geboten, da nach der Aussage der Zeugin X zumindest auf
der linken Fahrspur aufgrund des Fahrzeugs der Klägerin ein Rückstau entstanden war.
Dementsprechend ist der Zeuge X trotz Grünlicht zeigender Ampelanlage später
losgefahren. Letzteres spricht im Übrigen für die Richtigkeit der Aussagen der Zeugen X
und X , nach denen es im Kreuzungsbereich zu einem Rückstau gekommen war. Im
Hinblick auf diese unübersichtliche Verkehrslage in der Kreuzung war es geboten, dass
der Beklagte zu 1) mit verminderter Geschwindigkeit vorsichtig in den Kreuzungsbereich
einfuhr. In diesem Falle wäre der Unfall vermieden worden.
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Aber auch die Klägerin hat nicht nachgewiesen, dass der Unfall für den Fahrer X
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unvermeidbar war. Der Zeuge X hätte sich, nachdem er die drei Linksabbiegerspuren
der Kleverstraße gequert hatte, mit größerer Vorsicht in die zwei Geradeausspuren der
Kleverstraße hineintasten müssen. In diesem Falle wäre es nicht zum Zusammenstoss
mit dem auf der rechten der beiden Geradeausspuren fahrenden Fahrzeug des
Beklagten zu 1) gekommen. Überdies ist der Zeuge X entgegen § 11 Abs. 1 StVO in den
Kreuzungsbereich eingefahren, obwohl der Verkehr gestockt hat. § 11 StVO verlangt,
dass niemand – trotz grünem Lichtzeichen – in die Kreuzung einfahren darf, wenn er auf
ihr warten muss. Dementgegen ist der Zeuge X in den Kreuzungsbereich eingefahren,
als in diesem entsprechend seiner Aussage bereits Stop-and-Go-Verkehr herrschte.
Trotz des auftretenden Rückstaus ist er in den Kreuzungsbereich eingefahren, wobei
offen ist, ob die Ampelanlage für ihn auf der Fischerstraße bereits Gelb- oder Rotlicht
zeigte. Letzteres ist nicht auszuschließen, da entsprechend der Aussage der Zeugin X
die Ampelanlage für die Linksabbieger von der Kleverstraße in die Fischerstraße bereits
Grünlicht zeigte, als eine Fahrerin vor ihr auf der rechten Linksabbiegespur angefahren
ist. Die Ampelanlage für die Linksabbieger schaltet entsprechend dem vorliegenden
Ampelphasenplan für den Kreuzungsbereich erst 10 bis 15 Sekunden nach der
Ampelanlage für die Geradeausfahrer auf der Kleverstraße auf grün. Hieraus folgt, dass
der Zeuge X zumindest bei "spätem Grünlicht" seiner Ampelanlage in die Kreuzung
eingefahren ist.
Steht hiernach die grundsätzliche Haftung beider Parteien fest, so hängt in ihrem
Verhältnis zueinander die Verpflichtung zum Schadensersatz gemäß § 17 Abs. 1 StVG
von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden von dem einen
oder anderen Teil verursacht worden ist.
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Für das Maß der Verursachung ist ausschlaggebend, mit welchem Grad der
Wahrscheinlichkeit ein Umstand geeignet ist, Schäden der vorliegenden Art
herbeizuführen. Hierbei richtet sich die Schadensverteilung auch nach dem Grad eines
etwaigen Verschuldens eines Unfallbeteiligten. Jedoch können im Rahmen dieser
Abwägung nur solche Tatsachen berücksichtigt werden, auf die sich eine Partei selbst
beruft, die unstreitig oder bewiesen sind. Die Abwägung führt vorliegend zu dem
Ergebnis, dass beide Parteien für die Hälfte des entstandenen Schadens aufzukommen
haben.
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Beide Parteien belastet vorliegend die von ihren Fahrzeugen ausgehende allgemeine
Betriebsgefahr. Zu Lasten der Beklagten fällt darüber hinaus ins Gewicht, dass der
Beklagte zu 1) mit nicht angepasster Geschwindigkeit in den Kreuzungsbereich
eingefahren ist. Der Fahrer des klägerischen Fahrzeugs X dagegen ist in den
Kreuzungsbereich eingefahren, als es dort bereits zu einem Rückstau gekommen war.
Hierdurch ist es dann für den querenden Verkehr aus der Kleverstraße zu einer
unübersichtlichen Verkehrslage gekommen, die dazu geführt hat, dass der Beklagte zu
1), dessen Ampelanlage Grünlicht zeigte, ihn übersehen hat, wodurch es zum
Zusammenstoss gekommen ist. Dieses Einfahren in die Kreuzung trotz bereits
bestehenden Rückstaus auf der Fischerstraße hätte den Zeugen X darüber hinaus
veranlassen müssen, sich beim Räumen des Kreuzungsbereichs langsamer
vorzutasten.
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Hiernach errechnet sich folgender dem Kläger zuzusprechender
Schadensersatzanspruch:
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Der Fahrzeugschaden von 4.423,68 Euro sowie die Sachverständigenkosten in Höhe
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von 318,-- Euro sind unstreitig. Des weiteren steht dem Kläger eine Kostenpauschale
von 20,-- Euro zu, die ausreichend erscheint, um die Unkosten der Klägerin
abzudecken.
Eine Nutzungsausfallentschädigung in Höhe von 640,-- Euro dagegen kann der
Klägerin nicht zugesprochen werden. Sie hat diese Nutzungsausfallentschädigung in
keiner Weise dargetan.
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Es errechnet sich demnach ein Gesamtschaden von 4.761,68 Euro, von dem der
Klägerin die Hälfte, das sind 2.380,84 Euro, zuzusprechen sind.
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Der der Klägerin zuerkannte Zinsanspruch beruht auf §§ 286, 288 BGB. Die Klägerin
hat die Beklagten unter Fristsetzung bis zum 20.08.2007 aufgefordert, die entstandenen
Schäden auszugleichen. Dem sind die Beklagten nicht nachgekommen, so dass sie
sich ab dem 21.08.2007 in Verzug befinden.
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Gleichfalls aus Verzug berechtigt sind die außergerichtlichen Kosten in Höhe von
229,30 Euro. Dabei ist davon auszugehen, dass gemäß der Rechtsprechung des BGH
im Kostenfestsetzungsverfahren die außergerichtliche Geschäftsgebühr nicht
anzurechnen ist, so dass diese als Verzugsschaden zuzusprechen ist. Bei einem
berechtigten Schadensersatzanspruch von 2.380,84 Euro, der als Gegenstandswert der
vorgerichtlichen Gebühr zugrunde zu legen ist, errechnen sich somit vorgerichtliche
Kosten von 229,30 Euro.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO, die über die vorläufige
Vollstreckbarkeit auf §§ 709, 708 Ziffer 11, 711 ZPO.
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