Urteil des LG Düsseldorf vom 25.01.2001

LG Düsseldorf: jagd, jäger, hauptsache, wild, veranstalter, sicherheitsleistung, loslassen, vieh, notiz, offenkundig

Landgericht Düsseldorf, 3 O 442/98
Datum:
25.01.2001
Gericht:
Landgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
3. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
3 O 442/98
Tenor:
In dem Rechtsstreit
hat die 3. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf auf die mündliche
Verhandlung vom 18. Dezember 2000 durch den Richter am Landgericht
x als Einzelrichter
für R e c h t erkannt:
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 60.700,00 DM riebst 4 %
Zinsen seit dem 30. Dezember 1998 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreites tragen der Kläger 40/100 und der
Beklagte 60/100.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des
beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Die Sicherheitsleistung kann auch durch die Bürgschaft einer in der
Bundesrepublik Deutschland als Zoll- und/oder Steuerbürgin
zugelassenen Bank oder öffentlichen Sparkasse erbracht werden.
Tatbestand
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Der Kläger beschäftigt sich mit der Zucht von Pferden. Zu dieser gehörte auch das in
der Klageschrift bezeichnete Pferd x, geboren am 25. März 1985. Dieses kam am 06.
Dezember 1997 zu Tode. An diesem Tage führte der Beklagte zusammen mit einer
Jagdgesellschaft eine Treibjagd durch, die gegen 10.30 Uhr in der Nähe des Hofes des
Klägers einen Kessel bildete, um Fasane und andere Tiere aufzuscheuchen und zu
erjagen. Dieser umschloss auch die Pferdekoppel des Klägers, auf der sich das
verendete Tier befand.
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Der Kläger behauptet, dass die von der Jagdgesellschaft mitgeführten Hunde in die
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Pferdekoppel hineingelaufen seien, so dass die auf dieser stehenden Pferde nervös hin
und her liefen. Die Absicht der Hunde sei es gewesen, das sich in einer neben der
Koppel unmittelbar angrenzenden Gebüschfläche aufhaltende Wild aufzuscheuchen,
woraufhin die Jäger von ihren jeweiligen Standorten aus, teilweise über die Koppel
hinweg - mit Schrot - auf die hoch fliegenden Vögel schossen. Dieses Verhalten habe
etwa zehn Minuten lang angedauert. Dabei seien die Pferde auf der Koppel aufgeregt
hin und her gehetzt worden, ohne dass dies die Jäger veranlasst haben, die Hunde
zurückzurufen und die Jagd zu unterbrechen. Hierzu sei es erst gekommen, als das
Pferd x vor Aufregung eine spontane Aortaruptur nebst Herztamponade erlitten habe
und auf der Weide tot zusammengefallen sei.
Der Kläger ist der Auffassung, dass der Beklagte als Revierpächter und Veranstalter der
Treibjagd für den hierdurch entstandenen Schäden aufzukommen habe, da bei der
Jagd in vermeidbarer Weise das bezeichnete Pferd zu Schaden gekommen sei.
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Er beantragt daher,
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den Beklagten zu verurteilen, an ihn (den Kläger). 100.000,00 DM nebst 4 %
Zinsen seit Rechtshängigkeit der Klage zu zahlen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er behauptet im Wesentlichen, dass dem Beklagten und den Jägern gar nicht erkennbar
gewesen sei, dass auf der Koppel des Klägers Pferde standen. Die Sichtverhältnisse
bei der Jagd seien für die jeweiligen Jagdteilnehmer dergestalt gewesen, dass von
ihren Anstellpositionen aus die Weidekoppel überhaupt nicht zu sehen gewesen sei
(vgl. dazu auch: Karten- und Fotodokumentation gemäß Bl. 32 bis 41 d.A.). Demzufolge
habe man gar nicht bemerkt, dass sich auf der Koppel noch Tiere befanden. Erkennbar
sei lediglich die Silhouette des dem Hof zugehörigen Futtersilos gewesen. Auch bei
dem Schließen des Kessels und der Annäherung zur Koppel hin sei diese Örtlichkeit für
die Jagdteilnehmer bedingt durch ein lang gestrecktes Schweinestallgebäude,
vorhandener Erdwälle und bestehenden Gebüsches nebst Strauchhecken und
aufgestapelten Betonfertigbauelementen nicht einzusehen gewesen. Man habe sich
dem Gebäudekomplex maximal auch nur in einer Entfernung von 100 m genähert. Es
sei daher völlig ausgeschlossen, dass Hunde auf die Koppel gelaufen und in deren
Bereich Schüsse abgegeben worden seien.
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Der Beklagte bestreitet im Übrigen, dass das Verenden des streitgegenständlichen
Pferdes überhaupt auf die Jagdgeschehnisse zurückzuführen sei.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des Ergebnisses
der zu den widerstreitenden Behauptungen der Parteien sowie zu dem Wert des
verendeten Pferdes durchgeführten Beweisaufnahme wird auf den Inhalt der
Gerichtsakten nebst den zugehörigen Anlagen, die dem Gericht vorlagen und
Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe
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Die Klage ist teilweise begründet; der Beklagte ist verpflichtet, an den Kläger 60.700,00
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DM nebst zuerkannter Zinsen zu zahlen. Im Übrigen war die Klage als in der
Hauptsache unbegründet abzuweisen.
I.
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Dem Kläger steht gegenüber dem Beklagten ein Schadensersatzanspruch in Höhe von
60.700,00 DM zu, §§ 823 Abs. 1 und 2 BGB, 3 UW.
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Zur grundsätzlichen Haftungsverpflichtung des Beklagten verweist das Gericht auf seine
Ausführungen zu Ziffer I. des Hinweis- und Beweisbeschlusses der Kammer vom 19.
März 1999, an denen festgehalten wird.
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Danach traf den Beklagten und den übrigen Teilnehmern der Jagd eine
Verkehrssicherungspflicht, die unter anderem bedingte, dass bei der Durchführung der
in Rede stehenden Jagd keine geschützten Rechtsgüter zu Schaden kommen; zu
diesen zählt auch das verendete Pferd des Klägers.
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Selbst wenn zugunsten des Beklagten unterstellt wird, dass die Jagdgesellschaft nur für
solche Schäden zu haften hat, die von ihr in rechtswidriger und schuldhafter Weise
verursacht worden sind und jedenfalls keine verschuldensunabhängige Einstandspflicht
besteht, ergibt sich nach dem Ergebnis der gerichtlich zu dem Hergang der Jagd
durchgeführten Beweisaufnahme, dass, wie von den einvernommenen Zeugen x und x
glaubhaft bekundet worden ist, einige der Jäger bis direkt an die Koppel herangetreten
waren und die mitgeführten Hunde über die Weidefläche hinwegliefen, um aus den an
diese angrenzenden Büschen und Sträuchern das Niederflurwild aufzuscheuchen. Die
Hunde bellten hierbei und durchquerten die Koppel kreuz und quer, wobei sodann von
den Jägern auf das aufgescheuchte Wild geschossen wurde. Offenkundig hatten
jedenfalls die Jäger, die sich dem Koppelbereich unmittelbar angenähert hatten, keine
Notiz davon genommen, dass sich auf dieser Pferde befanden, obwohl sie nach
Rechtsauffassung des erkennenden Gerichts verpflichtet gewesen wären, sich davon
zu überzeugen, dass bei der Jagd nicht etwaig auf der Koppel noch befindliches Vieh
gefährdet werden könnte. Zumindest einige der Jäger hätten demnach erkennen
können und müssen, dass das Loslassen der Hunde über die Koppel hinweg sowie der
etwa 10 Minuten lang anhaltende Dauerbeschuss des Wildes zu einer Schädigung der
auf der Koppel stehenden Pferde führen könnten. Dabei ist es unbeachtlich, ob auch
der Beklagte persönlich diese Gefährdungssituation erkannt hatte bzw. hätte erkennen
können. Er wäre jedenfalls als Veranstalter der Jagd gehalten gewesen, die
Jagdgesellschaft anzuhalten, jegliches Verhalten zu unterlassen, durch das eine
Schädigung Dritter bzw. anderweitiger Rechtsgüter herbeigeführt werden könnte.
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Aus den Bekundungen des weiterhin einvernommenen Zeugen x ergibt sich jedoch,
dass bei den Jägern die Auffassung bestand bzw. besteht, dass Pferde gegen Schüsse
"sehr resistent" seien und es ihnen auch nichts ausmache, wenn Hunde auf ihre Koppel
liefen. So sei es auch üblich, wie der Zeuge weiterhin ausgeführt hat, bei
Jagdveranstaltungen Hunde in Pferdeweiden hineinlaufen zu lassen und hierbei auch
Schüsse abzugeben, da dies den Pferden angeblich nichts ausmache. Entgegen dieser
Auffassung, die auch mit der des Beklagten übereinstimmt, ist jedoch festzustellen, dass
ein derartiges Verhalten zu einer extremen Stresssituation für die betroffenen Tiere führt,
die, wie sich adäquat kausal und überzeugend aus dem klägerseits vorgelegten
Gutachten des Leiters des Instituts für Veterinär-Pathologie der Justus-Liebig-Universität
Gießen, x vom 15. Januar 1998 ergibt (Anlage K 3), zu einer spontanen Aortenruptur mit
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Herztamponade führen kann.
Der Beklagte muss sich daher bei diesem festzustellenden Sachverhalt das Verenden
des Pferdes x zurechnen lassen.
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In dem gegebenen Zusammenhang sieht das Gericht keine Veranlassung, zu dem
Ablauf der Jagd ebenfalls den anerbotenen Zeugen x einzuvernehmen, da in dessen
Wissen das Tatsachengeschehen gemäß Seite 2 bis 4 der Klageerwiderungsschrift vom
25. Januar 1999 gestellt ist, das jedoch den getroffenen Feststellungen des Gerichts
nicht entgegensteht.
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2.
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Aus den nachvollziehbaren Feststellungen des außergerichtlich tätig gewordenen
Sachverständigen x in seinem Gutachten vom 15. Januar 1998 ergibt sich zudem, dass
die Todesursache des betroffenen Pferdes, wie bereits dargelegt worden ist, eine
spontane Aortenruptur mit Herztamponade war. Aus den Ausführungen des Gutachters
folgt weiterhin, dass eine Vorschädigung der Aortenwand im Rupturbereich nicht
bestand, so dass mit hinreichender Wahrscheinlichkeit festzustellen ist, dass die Ruptur
durch die jagdbedingt (konkret vermeidbar) hervorgerufene Stresssituation herbeigeführt
wurde. Andere Anschlusstatsachen, die das Gericht veranlassen könnten, hierzu noch
eine ergänzende Begutachtung herbeizuführen, haben sich nicht ergeben.
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3.
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Im Übrigen hat das eingeholte Bewertungsgutachten des Sachverständigen x vom 25.
März 2000 ergeben, dass der tatsächliche Wert der Zuchtstute zum Zeitpunkt des
Schadenseintritts 60.700,00 DM betrug. Hierzu wird auf die entsprechenden
Feststellungen des bezeichneten Sachverständigen, die zu Beanstandungen keine
Veranlassung geben, verwiesen.
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Nach alledem war der Klage in Höhe von 60.700,00 DM unter Abweisung des
weitergehenden Klagebegehrens in der Hauptsache stattzugeben.
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II.
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Der Beklagte ist weiterhin verpflichtet, an den Kläger 4 % Zinsen seit dem 30. Dezember
1998 zu zahlen, § 291 BGB.
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Die prozessualen Entscheidungen folgen aus §§ 92, 709, 108 ZPO.
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Streitwert: 100.000,00 DM
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