Urteil des LG Dortmund vom 07.10.2010

LG Dortmund (klage auf zahlung, höhe, erhöhung, anwaltskosten, zahlung, versicherungsnehmer, zpo, entschädigung, bezug, vereinbarung)

Landgericht Dortmund, 2 O 131/10
Datum:
07.10.2010
Gericht:
Landgericht Dortmund
Spruchkörper:
2. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
2 O 131/10
Tenor:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 22.407,00 € nebst
Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinsatz seit
dem 9.2.2010 abzüglich am 18.6.2010 gezahlter 22.407,00 € zu
zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits tragen 1/3 die Klägerin und 2/3 die
Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beide Parteien können die Vollstreckung der jeweils anderen Partei
gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils
vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die jeweils andere
Partei zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
T a t b e s t a n d :
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Die Parteien streiten um die Höhe der vereinbarten Entschädigungsgrenze für
Wertsachen in einem Hausratsversicherungsvertrag.
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Der zwischen den Parteien bestehende Versicherungsvertrag "Rund ums Haus"
umfasst eine Hausratversicherung, der die VHB 2002 und die besonderen Bedingungen
für die Hausratversicherung zugrundeliegen. Die Versicherungssumme beträgt
100.500,00 €. In § 28 Nr. 2 VHB 2002 wird die Entschädigung für Wertsachen auf
insgesamt 20 % der Versicherungssumme begrenzt, sofern nicht etwas anderes
vereinbart ist. § 28 Nr. 3 c begrenzt die Entschädigung für Wertsachen gem. Nr. 1 c
(Schmuck etc.) auf insgesamt 20.000,00 €. Nr. 3 der besonderen Bedingungen für die
Hausratversicherung enthält unter der Überschrift "Erhöhung der Wertsachen auf 25 %
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Hausratversicherung enthält unter der Überschrift "Erhöhung der Wertsachen auf 25 %
der Versicherungssumme" folgende Regelung:
1. Abweichend von § 1 Nr. 1, Abs. 2 VHB 2002 und § 28 Nr. 2
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VHB 2002 sind Wertsachen begrenzt auf 25 % der Versicherungssumme.
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2. Die Entschädigungsgrenzen der Wertsachengruppen nach
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§ 28 Nr. 3 bleibt hiervon unberührt.
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Im Nachtrag Nr. 3 zum Versicherungsschein ist ein "erweiterter Versicherungsschutz"
dokumentiert, u.a. "Erhöhung der Entschädigungsgrenze für Wertsachen gem. § 28 VHB
auf 25 % der Versicherungssumme".
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Am 24.12.2009 kam es währende einer Urlaubsabwesenheit der Klägerin zu einem
Einbruch in das versicherte Objekt, durch den folgender Schaden entstanden ist:
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400,00 € an Hausrat
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28.020,00 € an Wertsachen
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2.007,00 € Gebäudeschaden.
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Die Beklagte hat der Klägerin einen Entschädigungsbetrag in Höhe von 22.407,00 €
gegen Unterzeichnung einer Entschädigungsvereinbarung angeboten. Dem lag die
Auffassung zugrunde, dass die Entschädigungsgrenze für Wertsachen bei 20.000,00 €
liegt. Die Klägerin hat die Vereinbarung nicht unterzeichnet, weil sie die Auffassung
vertritt, die Erhöhung der Entschädigungsgrenze für Wertsachen von 20 % auf 25 %
beziehe sich auch auf § 28 Nr. 3 VHB, weil der Nachtrag Nr. 3 zum
Versicherungsschein § 28 VHB insgesamt in Bezug nehme.
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Sie hat Klage auf Zahlung des gesamten Schadens nebst Anwaltskosten erhoben. Im
Laufe des Rechtsstreits hat die Beklagte die schon vorprozessual angebotene
Entschädigungssumme gezahlt. Daraufhin haben die Parteien den Rechtsstreit insoweit
übereinstimmend für erledigt erklärt und mit widerstreitenden Kostenanträgen
verhandelt.
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Die Klägerin beantragt nunmehr,
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die Beklagte zur Zahlung von 30.427,00 € nebst Zinsen
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in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 09.02.2010
abzüglich am 18.06.2010 gezahlter 22.407,00 € zu verurteilen.
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Die Beklagte hat der Klägerin vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten in
Höhe von 1.307,81 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem
Basiszinssatz seit Klagezustellung zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie hält – wie die Klägerin – an ihrer schon vorgerichtlich geäußerten Rechtsauffassung
fest. Sie weist darauf hin, dass die Klägerin bei Berücksichtigung der von ihr
vorgenommenen Wertgrenze ohnehin nur 27.532,00 € beanspruchen könne. Einen
Anspruch auf die Anwaltskosten habe die Klägerin nicht, da der Anwalt schon beim
Ortstermin beauftragt war.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den
vorgetragenen Inhalt der zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen
sowie das Sitzungsprotokoll Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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Die Klage ist nur hinsichtlich der Zinsen auf die im Laufe des Rechtsstreits gezahlte
Entschädigungsleistung begründet. Weitergehende Ansprüche stehen der Klägerin
nicht zu, weil die Entschädigung für Wertsachen aus dem unstreitigen Versicherungsfall
gem. § 28 Nr. 3 auf 20.000,00 € begrenzt ist und die Beklagte zur Zahlung der
vorgerichtlichen Anwaltskosten nicht verpflichtet ist, weil der Prozessbevollmächtigte
der Klägerin schon beim Ortstermin beauftragt war, so dass kein Verzug vorgelegen hat.
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1. Der Klägerin steht eine weitere Versicherungsleistung aus dem
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unstreitigen Versicherungsfall vom 24.12.2009 nicht zu, nachdem die Beklagte im
Laufe des Rechtsstreites einen Betrag von 22.407,00 € gezahlt und damit ihrer
Verpflichtung aus dem Hausratversicherungsvertrag erfüllt hat. Denn entgegen der
Auffassung der Klägerin ist die Wertgrenze in § 28 Nr. 3 VHB 2002 durch die
Erhöhung der Entschädigungsgrenze für Wertsachen gem. § 28 VHB von 20 auf 25
% der Versicherungssumme im Nachtrag Nr. 3 zum Versicherungsschein nicht
erhöht worden. Dies ergibt sich aus folgenden Überlegungen:
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§ 28 Nr. 2 VHB sieht die Möglichkeit einer Abänderungsklausel vor. Genau eine
solche enthält der Nachtrag Nr. 3 zum Versicherungsschein, der sich damit auf die
Nr. 2 des § 28 VHB bezieht. Dies wird auch in der ebenfalls einbezogenen Nr. 3
der Besonderen Bedingungen ausdrücklich erläutert, der Nr. 3 von der
prozentualen Erhöhung der Wertgrenze ausdrücklich ausnimmt.
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Der Nachtrag Nr. 3 zum Versicherungsschein besagt entgegen der Auffassung der
Klägerin nichts anderes. Er regelt allein eine Erhöhung der prozentualen
Entschädigungsgrenze. Eine solche ist nicht in § 28 Nr. 3, sondern ausschließlich
in § 28 Nr. 2 enthalten. Die nicht in § 28 Nr. 2 enthaltenen weiteren
Entschädigungsgrenzen des § 28 sind schon vom Wortlaut des Nachtrags nicht
erfasst, da nur eine Entschädigungsgrenze (Einzahl), die prozentuale, erhöht
wurde und nicht mehrere Entschädigungsgrenzen (keine Mehrzahl). Dies kann
auch der verständige Versicherungsnehmer nicht anders verstehen. Auch der
ebenfalls im Nachtrag Nr. 3 zum Versicherungsschein enthaltene Einschluss für im
Bankschließfach befindliche Wertsachen "bis zur Grenze der Wertsachendeckung"
wäre mit seinem letzten Satzteil überflüssig, wenn allgemein die
Entschädigungsgrenze – wie die Klägerin meint – von 25 % der
Versicherungssumme hätte gelten sollen. Es hätte dann schlicht der Einschluss für
Wertsachen in Bankschließfächern gereicht.
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Diese alles berücksichtigend muss auch der verständige Versicherungsnehmer
erkennen, dass sich die Erhöhung der Entschädigungsgrenze im Nachtrag Nr. 3
zum Versicherungsschein ausschließlich auf § 28 Nr. 2 VHB bezieht, auch wenn
im Nachtrag § 28 insgesamt in Bezug genommen wird. Vom Versicherungsnehmer
wird eine aufmerksame Durchsicht der Versicherungsbedingungen verlangt. Hätte
die Klägerin diese vorgenommen, wäre ihr die Regelung in Nr. 3 der besonderen
Bedingungen ohnehin nicht entgangen, so dass sie bei verständiger Würdigung
des gesamten Bedingungswerkes nicht davon ausgehen durfte, auch die
Entschädigungsgrenze in § 28 Nr. 3 VHB sei durch den Nachtrag Nr. 3 zum
Versicherungsschein erhöht worden.
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Da die Beklagte unter Zugrundelegung dieser vereinbarten Wertgrenze die
Klägerin entschädigt hat, steht dieser kein weiterer Anspruch auf
Entschädigungsleistung zu.
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2.) Ein Anspruch auf die vorgerichtlichen Anwaltskosten steht der
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Klägerin ebenfalls nicht zu. Unstreitig war der Prozessbevoll-mächtigte der
Klägerin bereits beim Ortstermin beauftragt. Zu diesem Zeitpunkt war die
Entschädigungsforderung noch nicht fällig, da die Ermittlungen des Versicherers
noch nicht abgeschlossen waren. Ohne Fälligkeit konnte auch kein Verzug der
Beklagten eintreten, so dass es an einer materiell rechtlichen Grundlage für einen
Schadensersatzanspruch der Klägerin hinsichtlich der Anwaltskosten fehlt.
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3.) Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 91 a ZPO. Soweit
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der Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt worden ist, waren die Kosten
gem. § 91 a ZPO der Beklagten aufzuerlegen. Sie hätte die erst im Laufe des
Rechtsstreits gezahlte Entschädigungssumme schon vorprozessual zahlen
müssen. Es war ihr nicht gestattet, die Zahlung von der Unterzeichnung einer
Entschädigungsvereinbarung durch die Klägerin abhängig zu machen, da eine
solche Vereinbarung in den Bedingungen nicht vorgesehen ist. Die dadurch
eingetretene Verzögerung der Auszahlung der Entschädigungssumme hat die
Beklagte selbst zu vertreten, so dass sie Anlass für die Klageerhebung gegeben
hat.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit und deren Abwendung
beruht auf §§ 708 Nr. 11 und 711 ZPO.
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