Urteil des LG Dortmund vom 04.02.2010

LG Dortmund (stadt, einstweilige verfügung, gegen die guten sitten, inhalt, der rat, verfügung, einvernehmliche regelung, bezug, akten, kaufpreis)

Landgericht Dortmund, 13 O 5/10 Kart.
Datum:
04.02.2010
Gericht:
Landgericht Dortmund
Spruchkörper:
II. Kammer für Handelssachen
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
13 O 5/10 Kart.
Tenor:
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird
zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden der Verfügungsklägerin auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Verfügungsklägerin kann die
Vollstreckung der Verfügungsbeklagten gegen Sicherheitsleistung in
Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn
nicht zuvor die Verfügungsbeklagte Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
T a t b e s t a n d
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Die Stadt Q und die Rechtsvorgängerin der Verfügungsbeklagten schlossen am
31.01./12.02.1990 zur Ablösung von in den Jahren 1974 und 1977 geschlossener
Stromkonzessionsverträge einen neuen Stromkonzessionsvertrag. Der Vertrag hat eine
Laufzeit vom 01.11.1989 bis zum 31.10.2009. Bestandteil des Vertrages sind unter
anderem vertragsergänzende Schreiben der Vertragsparteien vom 09.11.1989. Im
September 1994 schlossen die Vertragsparteien eine weitere Zusatzvereinbarung zum
Vertrag. Zum Inhalt des Vertrages und der Zusatzvereinbarung wird auf Blatt 56 – 68
und 199 – 204 der Akten Bezug genommen.
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Im Oktober 2007 machte die Stadt Q im Bundesanzeiger das bevorstehende Ende des
Stromkonzessionsvertrages bekannt. Sie suchte im Rahmen einer europaweiten
Ausschreibung Beteiligungspartner für die von ihr im Januar 2009 gegründete, damals
als F (F) firmierende Verfügungsklägerin, um mit diesem die Voraussetzung für den
Erwerb des Strom- und Gasnetzes von den bisherigen Erwerbern zu schaffen. Die
Ausschreibungsinteressenten erhielten ein Informationsmemorandum. Zu dessen Inhalt
und zum Inhalt der Bekanntmachung wird auf Blatt 322 – 393 der Akten verwiesen.
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Gesellschafter der Verfügungsklägerin wurden in der Folge die Stadt Q mit 51 %, die W
und die C mit jeweils 24,5 %. Gesellschaftszweck der Verfügungsklägerin ist das Halten
des Eigentums und die Verpachtung von Strom- und Gasverteilnetzen in der Stadt Q.
Die C gründete die Stadtwerke Q2 und die Stadtwerke Q3, die das
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Stromversorgungsnetz von der Verfügungsklägerin pachten und Dienstleistungen im
Zusammenhang mit dem Netzbetrieb erbringen sollen.
Im August 2009 beschloss der Rat der Stadt Q, die Verfügungsklägerin zum Betrieb des
Strom- und Gasnetzes in Q zu konzessionieren, und machte dies im Bundesanzeiger
bekannt. Die Stadt Q schloss mit der Verfügungsklägerin am 07.09.2009 Vertrag zur
Übertragung der Rechte aus dem Vertrag mit der Verfügungsbeklagten und einen
Konzessionsvertrag vom 23.09.2009. Zum Inhalt der Verträge wird auf Blatt 71 – 85 der
Akten Bezug genommen.
5
Die Verfügungsbeklagte, die der Stadt Q auch ein Partnerschaftsangebot gemacht hatte,
wurde mit Schreiben vom 09.09.2009 offiziell über die Vergabe der Stromkonzession an
die Verfügungsklägerin informiert. Sie erklärte mit Schreiben vom 18.09.2009
Bereitschaft zu Netzabgabeverhandlungen und verlangte ihrerseits von der Stadt Q
Übernahme des Netzes. Zum Inhalt dieser Schreiben wird auf Blatt 86 – 88 der Akten
verwiesen.
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Es kam zu einem Treffen von Vertretern der Parteien und der Stadt Q am 29.09.2009.
Dabei wurden unterschiedliche Auffassungen über die Bemessung des Kaufpreises und
die Abwicklung der Übernahme diskutiert. Es wurden Verhandlungsgruppen zu den
Themen Netzübernahme/Entflechtung, Datenmigration/Kundendatenübergabe und
Netzübernahme (Wertermittlung/Recht) gebildet, die unter anderem am 16.10.2009,
29.10.2009, 03.12.2009 und 11.12.2009 weiter verhandelten. Es wurden zunächst
Protokolle über die Treffen der Arbeitsgruppen gefertigt, zu deren Inhalt auf Blatt 89 –
93, 114 und 112 der Akten Bezug genommen wird. Ein gemeinsames Protokoll für das
Treffen vom 11.12.2009 lehnte die Verfügungsbeklagte ab. Sie verlangte mit Schreiben
vom 29.12.2009 von der Stadt Q, in Erfüllung der vertraglichen Regelung des
Konzessionsvertrages, das Netz zu übernehmen für einen Kaufpreis von 31.333.850,00
€ in Höhe des Sachzeitwertes ohne Anhaltung und Unterzeichnung eines beigefügten
Kaufvertrages. Die Stadt Q lehnte ab mit Schreiben vom 11.01.2010, in dem sie unter
anderem mitteilte, dass weder sie noch die Verfügungsklägerin als Kaufpreis den
Sachzeitwert akzeptiere. Zum Inhalt der Schreiben wird auf Blatt 131 – 136 der Akten
verwiesen.
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Die Verfügungsbeklagte reichte unter dem 21.12.2009 Schutzschrift ein, zu deren Inhalt
auf Blatt 170 – 253 der Akten Bezug genommen wird.
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Die Verfügungsklägerin begehrt mit dem am 20.01.2010 eingegangenen Antrag der
Verfügungsbeklagten im Wege einstweiligen Rechtsschutzes aufzugeben bezüglich
bestimmter Anlagegüter die historischen Anschaffungs- und Herstellungskosten sowie
die kalkulatorischen Restwerte mitzuteilen. Hilfsweise sollte das Gericht eine andere
einstweilige Verfügung treffen, die ihr eine Übernahme des Stromverteilnetzes in der
Stadt Q zum 01.04.2010 ermögliche. Sie begehrt mit geändertem Hilfsantrag nunmehr
Überlassung der Anlagegüter zur Nutzung, Übertragung bestehender
Vertragsverhältnisse über die Netznutzung, den Netzanschluss und die
Anschlussnutzung für die Anlagegüter und ihre messtechnische Entflechtung zum
01.04.2010 gegen Zahlung einer monatlichen vorläufigen Nutzungsentschädigung in
Höhe von 102.104,29 €.
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Die Verfügungsklägerin hält das Verhalten der Verfügungsbeklagten für eine
kartellrechtswidrige Behinderung des Wettbewerbs um den Stromnetzbetrieb in Q. Sie
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behauptet, die Verfügungsbeklagte halte die kalkulatorischen Restwerte gezielt zurück,
da sie die Daten erst nach einer verbindlichen vorbehaltlosen Einigung auf einen
Kaufpreis mitteilen will. Sie setze dabei die kalkulatorischen Restwerte
rechtsmissbräuchlich als Instrument zur Vereinbarung eines weit überhöhten
Kaufpreises ein. Nur eine Verfügung zur Mitteilung der Werte könne die Umsetzung
dieser rechtsmissbräuchlichen Strategie verhindern und ihr notwendige Informationen
zur Fortsetzung der Kaufpreisverhandlungen geben. Sie habe einen vertraglichen und
gesetzlichen Anspruch auf alle aufgeführten Stromverteilungsanlagen und hieraus
resultierend einen Nebenanspruch auf Mitteilung der kalkulatorischen Restwerte des
Stromverteilnetzes. Ohne die beantragte Verfügung würde die Verwirklichung ihres
vertraglichen und gesetzlichen Anspruchs auf Übernahme vereitelt, da er auf andere
Weise in zumutbarer Zeit nicht durchsetzbar sei. Der in anderen Netzübernahmefällen
übliche Kauf unter dem Vorbehalt einer rechtlichen Überprüfung des Kaufpreises sei ihr
nicht möglich, weil der von der Verfügungsbeklagten als nicht weiter verhandelbar
bezeichnete Preis von 34 Millionen Euro oder 31,33 Millionen € rechtswidrig auf der
Basis des Sachzeitwertes errechnet, und völlig überhöht sei und von ihr nicht
aufgebracht und auch nicht finanziert werden könne, ohne sich zu überschulden. Dies
sei der Verfügungsbeklagten auch bewusst, so dass ihr Verhalten eklatant rechtswidrig
sei. Ohne gerichtliche Hilfe durch einstweiligen Rechtsschutz führe dies zur Vereitlung
ihres Übernahmeanspruchs und damit zur Gefährdung ihrer Existenz. Das in der
Endschaftsbestimmung vorgesehene Gutachterverfahren könne erst durchgeführt
werden, wenn die kalkulatorischen Restwerte übermittelt worden seien, da die
Gutachter keinen rechtskonformen Kaufpreis für das Stromnetz ohne Kenntnis dieser
Werte ermittelt könnten. Regierungsbehördliche Hilfe sei nicht möglich, ebenso nicht die
Durchsetzung der Ansprüche oder die Klärung der Bedingung für die Netzübernahme in
einem gerichtlichen Hauptsacheverfahren. Dies würde angesichts der Dauer von
Netzübernahmeprozessen eine Verzögerung der Netzübernahme um voraussichtlich 5
oder mehr Jahre bedeuten und für mindestens ¼ der Vertragslaufzeit des
Konzessionsvertrages einen endgültigen Rechtsverlust darstellen. Da sie bis zur
rechtskräftigen Klärung in 5 Jahren die Vorhaltung des Personals und der erforderlichen
Dienstleistung für den Betrieb des Stromnetzes in Q keinesfalls aufrechterhalten könne,
drohe die Netzübernahme zu scheitern. Sollte der Verfügungsbeklagten die Mitteilung
der kalkulatorischen Restwerte nicht aufgegeben werden, müsse auf andere Weise
sichergestellt werden, dass der fällige gesetzliche und vertragliche Anspruch auf
Übernahme des Stromverteilnetzes durchgesetzt werden kann. Anderenfalls hielte es
die Verfügungsbeklagte in der Hand, die Aufnahme des Netzbetriebs auf unbestimmte
Zeit weiter zu verzögern, indem sie dafür offenkundig unangemessene und gegen die
guten Sitten verstoßende Konditionen verlange. Dieser rechtswidrige mit der Garantie
des effektiven Rechtsschutzes nicht vereinbare Zustand könne durch die vorläufige
Übernahme des Netzbetriebes vermieden werden. Die Verfügungsbeklagte könne dann
ihre rechtswidrige Verweigerung der Mitteilung der Restwerte und ihre rechtswidrig
überhöhte Kaufpreisforderung noch solange aufrechterhalten, bis dieses Verhalten
durch eine Entscheidung in der Hauptsache unterbunden werde. Da die
Verfügungsbeklagte die Stadt Q auf Übernahme der Anlagen in Anspruch nimmt, habe
sie kein rechtlich nennenswertes Interesse am weiteren Besitz der Anlagen. Für den
Übergangszeitraum würden ihre Rechte zudem dadurch gewahrt, dass sie eine
vorläufige Nutzungsentschädigung auf Basis einer annuitätischen
geschätzten kalkulatorischen Restwertbetrages von 15 Millionen Euro erhalte. Daneben
sei außerdem Übergang der Vertragsverhältnisse und eine messtechnische
Entflechtung erforderlich, die von der Verfügungsbeklagten für den Übergangszeitraum
angeboten und damit offenkundig technisch umsetzbar sei.
Die Verfügungsklägerin beantragt nunmehr,
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der Verfügungsbeklagten im Wege einstweiliger Verfügung aufzugeben, ihr für
sämtliche in den als Anlage V 1 und V 2 beigefügten Mengengerüsten des
Stromverteilnetzes in der Stadt Q mit Stand vom 31.12.2008 aufgeführten
Anlagegüter die im jeweiligen Zeitpunkt ihrer Errichtung erstmals aktivierten
Anschaffungs- und Herstellungskosten (historische Anschaffungs- und
Herstellkosten) sowie die kalkulatorischen Restwerte, unter Berücksichtigt der seit
der jeweiligen Inbetriebnahme der kalkulatorischen Abschreibung tatsächlich
zugrunde gelegten und von der Regulierungsbehörde genehmigten
Nutzungsdauern mitzuteilen, hilfsweise, zum 01.04.2010 (00.00 Uhr) gegen
Zahlung einer monatlichen vorläufigen Nutzungsentschädigung in Höhe von
102.104,29 € sämtliche in den Anlagen V 1 und V 2 aufgeführten Anlage- güter zur
Nutzung zu überlassen, alle mit ihr bestehenden Vertragsverhältnisse über die
Netznutzung, den Netzanschluss und die Anschlussnutzung für die
aufgeführten Anlagegüter auf sie zu übertragen, eine messtechnische
Entflechtung der in den Anlagen aufgeführten Anlagegüter von ihrem
Netz durchzuführen.
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Die Verfügungsbeklagte beantragt,
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die Anträge zurückzuweisen, hilfsweise die einstweilige Verfügung gegen
Sicherheitsleistung aufzuheben.
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Die Verfügungsbeklagte hält die Verfügungsklägerin nicht für aktivlegitimiert. Der
Abtretungsvertrag und der neue Konzessionsvertrag seien unwirksam nach § 181 BGB,
der Konzessionsvertrag zudem nichtig nach § 134 BGB wegen Verstoßes gegen das
Nebenleistungsverbot des § 3 KAV. Die Verfügungsklägerin habe zudem, ihre
Aktivlegitimation unterstellt, nur einen konzessionsvertraglichen Rechtsanspruch auf
Abwicklung des Konzessionsvertrages entsprechend den vertraglichen Vereinbarungen
mit der Stadt Q. Die Endschaftsbestimmungen im Konzessionsvertrag mit der Stadt Q
seien wirksam und für die Methodik der Kaufpreisfindung allein maßgeblich. Zur
Umsetzung der Endschaftsbestimmungen sei die Datenherausgabe nicht erforderlich.
Der Verfügungsklägerin sei zuzumuten, die Entscheidung der Gutachter im vertraglich
vereinbarten Bewertungsverfahren abzuwarten. Sie habe sich wie andere Bieter auch in
Kenntnis der Endschaftsbestimmungen des Alt-Konzessionsvertrages um die
Konzession beworben. Sollte sie oder die hinter ihr stehenden
Minderheitsgesellschafter ihren Business-Case darauf ausgerichtet haben, dass die
konzessionsvertragliche Absprache nicht mehr gilt, wäre dies schlicht ihre Sache.
Hieraus resultierende ökonomische Nachteile führten nicht zu einer rechtlich
beachtlichen Unzumutbarkeit des Festhaltens am Konzessionsvertrag. Ein
Beschleunigungsinteresse der Verfügungsklägerin sei nicht als vorrangig vor allen
anderen Interessen anzusehen. Die Datenherausgabe habe zudem keinerlei
beschleunigenden Effekt, da der Übernahmekaufpreis zunächst entsprechend den
vertraglichen Vereinbarungen zu ermitteln sei. Verhandlungen über die Übertragung
von Erlösübergrenzen, für die nicht sie, sondern die Netzbetreiberin S passivlegitimiert
sei, seien zeitlich entkoppelt von den Kaufpreisverhandlungen. Es entspräche ständiger
Praxis in vergleichbaren Netzabgabefällen, dass die Frage der anteiligen Übertragung
von Erlösübergrenzen erst nach Einigung über die Netzübernahme durch den neuen
Netzbetreiber an die Regulierungsbehörde herangetragen werde.
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Ein vertraglicher Anspruch sei zudem nicht fällig. Eine Nebenpflicht sei erst mit der
Hauptpflicht auf Eigentumsübertragung zu erfüllen, die nur Zug um Zug gegen Zahlung
eines wie auch immer ermittelten Netzkaufpreises in Betracht komme. Wegen Vorrangs
der konzessionsvertraglichen Vereinbarung komme ein gesetzlicher Anspruch auf
Datenherausgabe nicht oder allenfalls Zug um Zug gegen Zahlung einer
angemessenen Vergütung in Betracht. Die in Anlage V 2 in Bezug genommenen
Netzanlagen seien gar nicht zu übertragen. Sie dienten neben dem Zweck der
Versorgung des Stadtgebiets auch anderen weitergehenden Zwecken der
Energieversorgung durch sie und verblieben nach dem
Konzessionsvertrages deswegen in ihrem Eigentum. Da ein Teil der Anlagen im
Eigentum des Übertragungsnetzbetreibers B stünden, ergeben sich weitere Fragen, die
in einem einstweiligen Rechtsschutzverfahren, insbesondere ohne Einbindung des
Übertragungsnetzbetreiber, nicht geklärt werden könnten.
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Mit dem Hilfsantrag versuche die Verfügungsklägerin zudem die Übergabe des
Stromnetzes durchzusetzen, obwohl eine vertragliche Vereinbarung über den
Netzübergang noch nicht bestehe und die angebotene Gegenleistung bestenfalls den
Charakter von Ratenzahlungen habe.
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Das Begehren der Verfügungsklägerin sei in Bezug auf alle Verfügungsanträge
ersichtlich auf eine Vorwegnahme der Hauptsache gerichtet und komme deswegen nur
ausnahmsweise und unter sehr engen, hier nicht vorliegenden Voraussetzungen, in
Betracht.
auf die Durchsetzung ihrer angeblichen Ansprüche im Hauptsacheverfahren verwiesen
werde, habe sie immer noch die Möglichkeit, alsbald Netzbetreiberin zu werden durch
Annahme des Angebots auf Abschluss eines Vorbehaltskaufvertrages. Dass dieses
Angebot in dem Sinne prohibitiv sei, dass es von jedem denkbaren Erwerber nicht
angenommen werden könne, sei nicht glaubhaft gemacht, vor allem im Hinblick auf die
fehlende Regelung zur Reduzierung der gesetzlichen komfortablen
Rechtshängigkeitszinsen. Die Verfügungsklägerin habe weiterhin jederzeit die zweite
Alternative das vertraglich vorgesehene Gutachterverfahren einzuleiten. Da sie ihre
Positionierung schon seit dem Jahr 2008 und damit seit über einem Jahr kenne und
dennoch zuwarte, könne sie nicht mehr damit gehört werden, dass die Überschreitung
des vertraglich vorgesehenen Weges zur Kaufpreisfindung unzumutbar langwierig sei.
Die Dringlichkeit der Angelegenheit sei durch die Stadt und die Verfügungsklägerin
selbst widerlegt worden.
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Zur Wahrung ihrer Rechte sei es letztlich geboten, ausnahmsweise analog § 939 ZPO
die Aufhebung der einstweiligen Verfügung gegen Sicherheitsleistung bis zur
Entscheidung im Berufungsverfahren anzuordnen, da sie anderenfalls einen
endgültigen Rechtsverlust erleiden würde.
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Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der
zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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Die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Verfügung waren zurückzuweisen. Die
Hauptanträge zu 1. und 2. und der Hilfsantrag sind sämtlich unzulässig. Eine
Dringlichkeit im Sinne von §§ 940, 935 BGB liegt nicht vor.
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Die Hauptanträge zu 1. und 2. sind auf eine Vorwegnahme der Hauptsache gerichtet.
Dies ist bei Auskunftsansprüchen, gleich ob sie beruhen auf einer vertraglichen oder
gesetzlichen Hauptpflicht oder einer Nebenpflicht zur Vorbereitung einer gesetzlichen
oder vertraglichen Hauptpflicht unzulässig, es sei denn, die Realisierung der
Hauptpflicht sei zur Vermeidung einer existenziellen Notlage des Gläubigers
erforderlich und ohne sofortige Erteilung der Auskunft nicht möglich. Beide
Voraussetzungen sind nicht gegeben. Es ist nicht ersichtlich, dass der von der
Verfügungsklägerin erhoffte Beschleunigungseffekt im Hinblick auf die Durchsetzung
eines Anspruchs auf Übertragung der Stromnetzanlagen bei Verurteilung der
Verfügungsbeklagten zur sofortigen Datenmitteilung eintreten wird. Es ist nicht zu
erwarten, dass die Verfügungsbeklagte allein eine solche Verurteilung zum Anlass
nehmen wird, ohne vorausgegangenes Gutachterverfahren oder ohne insoweit
gerichtlich in Anspruch genommen zu sein mit der Verfügungsbeklagten einen
Kaufpreis auf der Basis kalkulatorischer Restwerte zu vereinbaren. Eine rechtliche
Verpflichtung der Verfügungsbeklagten hierzu besteht nicht. Diese kann, ohne sich dem
Vorwurf kartellrechtlichen Missbrauchs auszusetzen, Einhaltung der vertraglich
vereinbarten Endschaftsregeln verlangen. Diese gelten vorrangig auch im Hinblick auf
gesetzliche Übernahmevorschriften und sind durch die Verträge der Verfügungsklägerin
mit der Stadt Q, deren Wirksamkeit unterstellt, nicht suspendiert. Da die
Endschaftsbestimmungen keine Regelung über die Grundlagen der gutachterlichen
Ermittlung enthalten, ist diese den zu bestimmenden Sachverständigen vorbehalten. Ob
diese aus rechtlichen Gründen nur die kalkulatorischen Restwerte als Grundlage der
Kaufpreisbestimmung wählen können, kann und muss in diesem Verfahren nicht
festgestellt werden. Die zwischen den Parteien höchst streitige Frage bedarf, da
rechtlich und tatsächlich komplex eingehender Überprüfung, die mit den beschränkten
Vortrags- und Erkenntnismitteln des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens nicht zu
leisten ist.
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Auch für den Hilfsantrag ist die besondere Eilbedürftigkeit zu verneinen. Es kann
dahinstehen, ob die Verfügungsklägerin mit diesem Antrag ganz oder teilweise eine
Vorwegnahme der Hauptsache anstrebt. Auch wenn es sich nur um eine vorläufige
Überlassungsregelung handelt, ist eine Notwendigkeit, diese im einstweiligen
Rechtsschutzverfahren anzuordnen, nicht gegeben. Der von der Verfügungsklägerin so
vehement beklagte Rechtsverlust für den Fall der Verweisung auf Durchführung eines
gerichtlichen Hauptsacheverfahrens ist von dieser respektive von der Stadt Q, von der
die Verfügungsklägerin vertragliche und gesetzliche Rechte auf Übernahme ableitet,
selbst herbeigeführt worden.
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Die Verfügungsklägerin und ihre Gesellschafter wussten, wie die Ausführungen an
verschiedenen Stellen im Informationsmemorandum zeigen, schon seit Anfang 2009,
die Mehrheitsgesellschafterin Stadt Q sogar schon zu einem noch früheren Zeitpunkt,
dass eine einvernehmliche Regelung hinsichtlich des Kaufpreises für die
Stromanlagenübernahme nicht erfolgen wird. Sie wussten auch, dass angesichts der
Regelungen in den Endschaftsbestimmungen eine Durchsetzung ihrer Vorstellungen
zur Bestimmung des Kaufpreises und damit eine Durchsetzung vertraglicher oder
gesetzlicher Übernahmeansprüche nicht ohne gerichtliche Verfahren möglich sein wird.
Angesichts dessen wäre es ein Gebot kaufmännischer Vernunft gewesen, die streitigen
Fragen weit vor Ablauf der Vertragsfrist im vertraglich vorgesehenen Gutachterverfahren
oder durch ein gerichtliches Hauptsacheverfahren klären zu lassen. Die
Zusatzvereinbarung von September 1994 zeigt, dass die Parteien des
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Konzessionsvertrags von 1990 dies auch so gesehen haben, da sie in § 7 Ziffer 3
Informationsrechte der Konzessionsgeberin schon für einen Zeitpunkt von 4 oder 3
Jahren vor Vertragsende begründet haben. Wenn von diesen Rechten nicht Gebrauch
gemacht wird und die vorhersehbare streitige Auseinandersetzung auf den Zeitpunkt
des Auslaufens des Konzessionsvertrages verschoben wird, müssen die sich hieraus
ergebenden Zeitprobleme als selbstverschuldet hingenommen werden.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Die Entscheidung vor vorläufigen
Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Ziffer 6, 711 ZPO.
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