Urteil des LG Dortmund vom 15.08.2007

LG Dortmund: treu und glauben, fahrzeug, kaufvertrag, eigentümer, versicherungsnehmer, eigentumserwerb, besitz, vollstreckung, campingplatz, lebenserfahrung

Landgericht Dortmund, 22 O 204/06
Datum:
15.08.2007
Gericht:
Landgericht Dortmund
Spruchkörper:
22. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
22 O 204/06
Normen:
BGB 1004
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung der Beklagten gegen
Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages
abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in
gleicher Höhe leistet.
T a t b e s t a n d
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Der Kläger nimmt die Beklagte aus einer für das Fahrzeug Mercedes Benz Typ 320 SL
Cabrio, Baujahr 1997 (#######) genommenen Fahrzeugversicherung (Teil- und
Vollkasko) wegen eines behaupteten Einbruchdiebstahls in Anspruch.
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Der Sohn des Klägers, der Zeuge E, erschien am 25.06.2005 gegen 3.45 Uhr auf einer
Wiener Polizeiwache und zeigte dort an, dass die linke Tür des Pkws aufgebrochen
worden sei und dass ein Autoradio des Typs Mercedes Spezial sowie ein Airbag aus
dem Fahrzeug entwendet worden seien. Ob die dortigen Polizeibeamten das Fahrzeug
begutachteten und weitere Schäden angezeigt worden, ist zwischen den Parteien
streitig.
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In einem dem Kläger übersandten "Fragebogen zum Diebstahl-Schaden" vom
06.09.2005 wird als "Vorbesitzer" ein Herr Q angegeben, ferner, dass der Vertrag durch
einen "Vermittler" angebahnt worden sei. Der Kilometerstand am Schadenstag wird mit
ca. 52.000 angegeben.
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Der Kläger behauptet, er habenden Pkw von einem inzwischen verstorbenen Herrn M
bei einem Kilometerstand von ca. 45.000 zu Eigentum erworben. M sei als Verkäufer
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aufgetreten. Eigentümer sei allerdings Herr Q gewesen. Den schriftlichen Kaufvertrag
vom 16.08.2004 (Anlage B 5 zur Klageerwiderung, Blatt 52 d. A.) habe er erst erhalten,
nachdem der Kaufvertrag bereits mündlich geschlossen worden sei. Die
Kilometerangabe in dem schriftlichen Kaufvertrag sei unzutreffend.
Der Kläger behauptet, er habe dem Zeugen E das Fahrzeug für eine Fahrt nach Wien
überlassen. Dieser habe das Fahrzeug am 24.06.2005 gegen 23.00 Uhr in einer
Parkbucht am L-damm-N-gasse abgestellt.
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Der Kläger hat zunächst behauptet, sein Sohn habe bei der Rückkehr um 3.15 Uhr
feststellen müssen, dass die linke Tür aufgebrochen und der Verdeckbezug
aufgeschnitten gewesen sei. Die Türschlösser rechts und links seien mit einem spitzen
Gegenstand aufgestochen gewesen. Im Bereich der Türgriffe an beiden Türen sei der
Türgrundkörper mit einem Gegenstand überdreht, sowie beide Seitenwände leicht
aufgestaucht und mit einem spitzen Gegenstand die Seitenwand durchstoßen gewesen.
Im Innenraum sei die Mittelkonsole gewaltsam geöffnet worden. Es habe der Airbag aus
dem Lenkrad sowie das Radio und verschiedene Bedienungselemente des
Armaturenbrettes gefehlt. Am Armaturenbrett selbst hätten ebenfalls Beschädigungen
festgestellt werden müssen.
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Der Kläger hat sodann – unter Zueigenmachung der Aussage des Zeugen E behauptet
der Zeuge E habe erst nach der Rückkehr auf den Campingplatz in St. Pölten am
25.06.2005 bemerkt, dass an dem Pkw weitergehende Beschädigungen waren. Erst
dann habe er gesehen, dass das Dach und die Beifahrerseite beschädigt gewesen
seien.
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In Anlehnung an das Gutachten U (Anlage zum Schriftsatz vom 20.12.2006, Blatt 27 ff.
d. A.) verlangt der Kläger fiktive Nettoreparaturkosten in Höhe von 9.838,85 €.
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Der Kläger beantragt,
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1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 9.838,85 € nebst Zinsen in
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Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem
16.08.2006 zu zahlen;
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2. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger von der in diesem
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Rechtsstreit entstandenen Gebührenforderung der Rechtsanwälte Dr. M2 und
Partner in Höhe von 756,09 € für das außergerichtliche Tätigwerden
freizustellen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie behauptet, eine Besichtigung des angegebenen Schadens durch die
Polizeibeamten habe nicht stattgefunden. Der Zeuge E habe bei der Polizei in Wien
angegeben, dass die linke Autotür mit unbekannten Brechwerkzeug aufgebrochen
worden sei, weitere Spuren/ Beschädigungen lägen nicht vor.
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Die Beklagte behauptet, die geltend gemachten Schadensspuren seien für das
behauptete Diebstahlsereignis untypisch. Wegen der Einzelheiten des Verbringens
unter Bezugnahme auf das von ihr eingeholte Sachverständigengutachten M3 ( L ) vom
03.01.2006 (Anlage I zum Schriftsatz vom 18.01.2007) wird auf Seite 4 f. des
Schriftsatzes der Beklagten vom 18.01.2007 verwiesen.
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Die Beklagte beruft sich ferner auf Leistungsfreiheit wegen Obliegenheitsverletzung. Der
Kläger habe unzutreffende Angaben hinsichtlich der Kilometerleistung gemacht, da ihm
das Fahrzeug mit einer Laufleistung von 53.630 km verkauft worden sei, dieses jedoch
am 06.12.2004 – unstreitig – eine Laufleistung von 45.223 km aufwies.
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Die Beklagte bestreitet die Eigentumsverhältnisse an dem Fahrzeug.
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Das Gericht hat Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung des Zeugen E. Wegen
der Einzelheiten der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen
Verhandlung vom 20.06.2007, Blatt 80 ff. d. A., Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die zulässige Klage ist unbegründet.
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I.
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Der Kläger hat bereits die tatsächlichen Voraussetzungen für seine Aktivlegitimation
nicht bewiesen.
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Die Fahrzeugversicherung deckt als reine Schadenversicherung nach §§ 12 ff. AKB nur
das Eigentümerinteresse, also das Interesse des rechtlichen oder wirtschaftlichen
Eigentümers an der Erhaltung der Sache. Allerdings braucht der Versicherungsnehmer
im Hinblick auf §§ 74 ff. VVG nicht Eigentümer zu sein. Liegt jedoch – wie hier – eine
Fremdversicherung unstreitig nicht vor, kommt mithin nur das Interesse des Klägers als
Eigentümer des angeblich durch einen Einbruchsdiebstahl beschädigten Pkws in
Betracht, so hat dieser darzutun und zu beweisen, dass ihm das versicherte Interesse
zusteht (OLG Celle, NJOZ 2007, 1804 (1805); OLG Karlsruhe VersR 1982, 485).
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Dieser Beweis ist dem Kläger nicht gelungen. Aufgrund der widersprüchlichen Angaben
des Klägers und des Zeugen E vermag die Kammer weder den Erklärungen des
Klägers noch den Bekundungen des Zeugen zu folgen. Bereits die Erklärungen zum
Erwerb des Fahrzeuges weichen derart voneinander ab, dass ein Eigentumserwerb des
Klägers nicht festgestellt werden kann. So will der Kläger den Kaufvertrag mündlich in P
abgeschlossen habe, während der Zeuge E sich sicher gewesen sein will, dass der
Pkw nicht in P, sondern in "irgendeinem Stadtteil von I " gekauft worden sein soll. Erst
auf den Vorhalt durch das Gericht, dass sein Vater den Erwerb des Fahrzeuges soeben
anders geschildert hatte, versuchte der Zeuge ersichtlich den Widerspruch durch die
Bekundung abzuschwächen, er habe den Wagen von I nach P überführt.
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In ähnlich durchsichtiger Weise versuchte der Zeuge E den ihm vorgehaltenen
Widerspruch hinsichtlich der Bezahlung des Kaufpreises durch ihn an seinen Vater
abzumildern. So bekundete er zunächst, er habe den Kaufpreis für den Pkw per
Überweisung an seinen Vater gezahlt. Auf den Vorhalt, sein Vater habe soeben
behauptet, die Zahlungen seien in bar erfolgt, meinte er sich zu erinnern, dass er das
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Geld "per Bareinzahlung" überwiesen habe. Er habe das Geld in bar zur Bank gebracht
und es auf das Konto seines Vaters überweisen lassen. Dieser Erklärungsversuch ist
schon deshalb lebensfern und unglaubhaft, weil der Kläger und der Zeuge E unter
derselben Anschrift wohnhaft sind und kein Grund dafür ersichtlich ist, dass der Zeuge E
den Umweg der Überweisung des Geldes statt einer direkten Übergabe gewählt haben
sollte.
Nach alledem liegen nicht nur "leichte Unstimmigkeiten" hinsichtlich leichter
Begleitumständen, wie sie infolge des Zeitablaufes auftreten können, vor. Dies mag bei
nur isolierter Betrachtung des aus dem Jahre 2004 datierenden schriftlichen
Kaufvertrages noch anzunehmen sein. Bei einer Gesamtbetrachtung ist jedoch nicht
erklärlich, dass auch die näheren Umstände hinsichtlich der Zahlung des Zeugen E an
den Kläger bereits in der Erinnerung getrübt sind, nachdem der Kaufvertrag Mitte 2006
geschlossen worden sein soll. Auch wenn man in Rechnung stellt, dass – wie der
Kläger für sich reklamiert – in den Kreisen, in denen die Kaufverträge gegebenenfalls
geschlossen wurden, ein besonders hohes Maß an Vertrauen und Treu und Glauben
gelte, so dass die einzelnen Zahlungsmodi sich nicht so in das Bewusstsein der
Beteiligten festgesetzt hätten, sind die Widersprüche insgesamt nicht erklärlich.
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Nach alledem konnte ein Eigentumserwerb durch den Kläger bereits nicht festgestellt
werden. Allein der Umstand, dass ein schriftlicher Kaufvertrag existierte, vermochte die
hinreichende Überzeugung hiervon nicht zu begründen.
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Für den Kläger streitet auch nicht die Vermutung aus § 1006 Abs. 2 BGB (vgl. hierzu
OLG Karlsruhe a.a.O.). Denn nach dem Vortrag des Klägers war dieser zum Zeitpunkt
des behaupteten Einbruchdiebstahl nicht im Besitz des Fahrzeuges. Nach den
widersprüchlichen, unglaubhaften Erklärungen zu den Umständen des Erwerbs kann
auch nicht festgestellt werden, dass dem Kläger nach Abschluss eines entsprechenden
Kaufvertrages der Besitz an dem Fahrzeug durch den Verkäufer übertragen wurde.
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II.
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Daneben fehlt es auch an dem Nachweis eines Versicherungsfalles. Zwar genügt es in
der Regel, wenn der Versicherungsnehmer Tatsachen darlegt und beweist, die dem
äußeren Bild eines Diebstahlsgeschehens entsprechen. Bei dieser Beweiserleichterung
handelt es sich nicht um eine solche nach den Grundsätzen über den Anscheinsbeweis,
sondern um eine von den Parteien des Versicherungsvertrages nach ihrer
Interessenlage und nach Sinn und Zweck des Vertrages gewollte Verschiebung des
Eintrittsrisikos und damit um eine materiell-rechtliche Risikozuweisung (BGH VersR
1984, 29 ff.; 88, 75). Ausreichend, aber auch notwendig ist, dass die behaupteten und
gegebenenfalls bewiesenen Indizien nach der Lebenserfahrung den Schluss auf das
Vorliegen eines Diebstahls hinreichend sicher zulassen. Der Versicherungsnehmer
muss Tatsachen darlegen und gegebenenfalls beweisen, aus denen sich das äußere
Bild eines auf die Entwendung des Fahrzeuges selbst oder seiner mitversicherten Teile
gerichteten Handlung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit schließen lässt (OLG Köln
VersR 1995, 1350; OLG Karlsruhe VersR 1989, 619). Entscheidend ist hierbei einen
Gesamtschau aller maßgeblichen Umstände, wobei allein das Vorhandensein von
Aufbruchspuren nicht immer zum Nachweis eines Diebstahls ausreicht. Aufbruchspuren
sind vielmehr zwar ein gewichtiges, aber nicht allein entscheidendes Indiz dafür, dass
nach der Lebenserfahrung hinreichend sicher auf einen Diebstahl geschlossen werden
kann (OLG Hamm VersR 1989, 617). Nach den unter Ziffer I. aufgezeigten
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Widersprüchen vermag die Kammer den Bekundungen des Zeugen E und den
Erklärungen des Klägers insgesamt keinen Glauben zu schenken. So ist dem Zeugen E
nicht abzunehmen, dass er das Fahrzeug mit den Aufbruchspuren in der von ihm
geschilderten Art und Weise vorfand, nachdem er das Fahrzeug zuvor wie von ihm
bekundet, in Wien abgestellt hatte. Unklar ist hierbei auch, warum erstmals in der
mündlichen Verhandlung von dem Kläger geltend gemacht wurde, er habe auf dem
Campingplatz in St. Pölten festgestellt, dass nicht alle tatsächlich vorhandenen
Schäden an dem Pkw in der polizeilichen Niederschrift aufgeführt worden sind.
Daraufhin sei er gemeinsam mit dem Zeugen E nochmals nach Wien gefahren. Es hätte
nahegelegen, einen derart markanten Sachverhalt bereits schriftsätzlich vorzutragen.
Die Niederschrift der Polizeidienststelle in Wien vermag das Vorhandensein von
Einbruchspuren am 25.06.2005 nicht zu belegen. Hieraus ergibt sich nicht, dass die
Polizeibeamten aus eigener Anschauung dokumentierten. Der Bericht vom 29.08.2005
spricht eher dagegen. Soweit der Kläger sich auch hierzu auf das Zeugnis des Zeugen
E beruft, so kann dessen Bekundungen wegen der dargelegten Widersprüche
insgesamt ein Beweiswert nicht zuerkannt werden.
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Aus der späteren Begutachtung von Schäden durch die Sachverständigen ergibt sich
nichts abweichendes. Denn hieraus allein lässt sich nicht schließen, die Schäden seien
in dem behaupteten Zeitraum (24./25.06.2005) entstanden.
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Bei alledem kann noch dahinstehen, ob es sich bei den geltend gemachten Schäden
um solche handelt, die auf das Vorliegen eines Einbruchdiebstahls mit der
hinreichenden Sicherheit schließen lassen, was die Beklagte unter Vorlage eines die
Typizität der Schäden verneinenden Gutachtens des Sachverständigenbüros M3 mit
guten Gründen bestreitet.
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Nach alledem war zu erkennen wie geschehen.
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Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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