Urteil des LG Dortmund vom 19.10.2006

LG Dortmund: fristlose kündigung, treu und glauben, private krankenversicherung, berufliche tätigkeit, firma, versicherungsnehmer, arbeitsunfähigkeit, wichtiger grund, versicherungsverhältnis

Landgericht Dortmund, 2 O 559/03
Datum:
19.10.2006
Gericht:
Landgericht Dortmund
Spruchkörper:
2. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
2 O 559/03
Schlagworte:
Fristlose Kündigung,Krankentagegeldversicherung
Normen:
VVG §§, 30, 178a Abs. 2 Satz 2, MB/KK § 14 Abs. 4, MB/KT § 14 Abs. 3
Leitsätze:
1. Zu den Voraussetzungen einer fristlosen Kündigung durch den
Versicherer in der
Krankentagegeldversicherung.
2. Der Krankenversicherer, der berechtigt ist, eine
Krankentagegeldversicherung wegen
Täuschung durch den Versicherungsnehmer fristlos zu kündigen, kann
nicht ohne
Weiteres die Kündigung auch auf neben der Tagegeldversicherung
bestehende
Krankheitskostenversicherungen des Versicherungsnehmers und der
mitversicherten
Familienangehörigen erstrecken.
Tenor:
Es wird festgestellt, dass die seitens des Klägers bei dem zur Ver-
sicherungsscheinnummer K ######## genommenen Versicherun-gen
insoweit fortbestehen und nicht durch die Kündigung des Be-klagten
vom 10.11.2003 beendet sind, als die Tarife A 10, S 12, ZN 100, H 76,
69, S 08 sowie ZEZ 80 betroffen sind.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen nach einem Streitwert von
104.814,26 € der Kläger zu ¾ und der Beklagte zu ¼.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des je-weils
zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
T a t b e s t a n d
1
Der Kläger unterhält bei dem Beklagten für sich selbst eine private Krankenversicherung
unter Geltung der Tarife A 10 ; S 12 ; ZN 100 ; V 501/76, 18, V 503/76, 18 und H/76, 69
und eine Krankentagegeldversicherung (MB/KT 94) sowie für seine Ehefrau als
gesetzlich Krankenversicherte private Zusatzversicherungen der Tarife S 08
(Krankenhauskosten-Tarif) und ZEZ 80 (Zahnersatzzusatzversicherung). Für diese
Versicherungen stellte der Beklagte dem Kläger ein Versicherungsschein mit der Nr.
K2.701.740 aus. Zu dem Inhalt des Scheines wird auf die Anlage K 1 zur Klageschrift
Bezug genommen.
2
Der Kläger war Geschäftsführer eines Betriebes, der sich u. a. mit dem Vertrieb von
Baumaschinen befasste. Zu den Aufgaben des Klägers gehörte neben den
Bürotätigkeiten auch die Kontrolle, sowie die Funktionsprüfung und das Bewegen von
Baumaschinen auf dem Unternehmensgelände und im Straßenverkehr.
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Der Kläger zeigte dem Beklagten unter Vorlage von
Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen seine Arbeitsunfähigkeit in der Zeit vom
08.09.2003 bis zum 01.12.2003 an. Der Beklagte erbrachte daraufhin vertragliche
Leistungen aus der Krankentagegeldversicherung bis zum 08.10.2003 einschließlich.
4
Der Beklagte beauftragte private Ermittler, um überprüfen zu lassen, ob der Kläger
tatsächlich - wie von ihm angegeben - arbeitsunfähig erkrankt war und auch tatsächlich
nicht in seinem Betrieb arbeitete.
5
Mit Schreiben vom 10.11.2003, das dem Kläger am 13.11.2003 zugegangen ist,
kündigte der Beklagte sämtliche bei ihm bestehende Versicherungsverhältnisse -
einschließlich diejenigen zu Gunsten der Ehefrau des Klägers - außerordentlich. Zur
Begründung wurde aufgeführt, dass der Kläger ab dem 09.10.2003 nachweislich seiner
alten beruflichen Tätigkeit nachgegangen sei. Zu dem übrigen Inhalt des
Kündigungsschreibens wird auf die Anlage K 3 zur Klageschrift Bezug genommen.
Gleichzeitig stellte der Beklagte die Krankentagegeldleistungen rückwirkend zum
09.10.2003 ein.
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Der Kläger trägt vor, sämtliche bei dem Beklagten genommenen Versicherungen -
einschließlich diejenige zu Gunsten seiner Ehefrau - bestünden fort. Zudem sei der
Beklagte verpflichtet, über den 08.10.2003 hinaus weiteres vertragsgemäßes
Krankentagegeld an ihn zu leisten. Denn der von dem Beklagten geltend gemachte
Kündigungsgrund liege nicht vor. Er sei seiner beruflichen Tätigkeit niemals
nachgegangen. Soweit der Beklagte behaupte, am 30.09.2003 habe er ein
Telefongespräch mit einem Interessenten für die Anmietung von Baugeräten geführt, so
sei dieses unzutreffend. Am 09.10.2003 habe er sich lediglich in der Firma aufgehalten,
um einen Vorschuss in Höhe von 300,00 € in Empfang zu nehmen und um den
Firmenbully zur Weiterfahrt ins Krankenhaus zu tauschen. Telefonische Rückfragen, die
er in beruflicher Hinsicht getätigt haben soll, seien seinerseits niemals erfolgt. Am
15.10.2003 habe er sich zwar in der Firma aufgehalten, jedoch nicht gearbeitet. Er habe
auch kein Angebot über eine Rüttelplatte erstellt. Am 22.10.2003 habe er nicht Kunden
beraten, sondern lediglich private Gespräche geführt. Die von dem Beklagten
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eingeschalteten privaten Ermittler, die Zeugen U2, F und Q seien ihm gar nicht bekannt.
Der Vortrag des Beklagten zum 22.10.2003 könne zudem nicht als Kündigungsgrund
herangezogen werden, da der Beklagte die Kündigung nicht auf diesen Umstand
gestützt habe. Zudem stünde dem Beklagten das Rechts zur außerordentlichen
Kündigung nur dann zu, wenn ein Festhalten am Versicherungsvertrag nicht zumutbar
sei. In Anbetracht der langen Dauer des Versicherungsverhältnisses und vor dem
Hintergrund seiner Erkrankungen, die dem Beklagten sämtlich bekannt waren, sei diese
Voraussetzung in jedem Fall nicht erfüllt.
Die Kündigung des Beklagten sei im Übrigen verfristet, da sie nur innerhalb von 2
Wochen ab Kenntniserlangung von den Kündigungsgründen erfolgen könne. Der
Beklagte habe jedoch schon weit vorher Kenntnis von den angeblichen
Arbeitstätigkeiten gehabt.
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In jedem Fall könne sich die ausgesprochene Kündigung des Beklagten nur auf die
Krankentagegeldversicherung beziehen, da im Hinblick auf die übrigen Versicherungen
der Kündigungsgrund nicht greife.
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Er sei in dem Zeitraum vom 09.10. bis 01.12.2003 - und auch noch darüber hinaus -
auch weiter arbeitsunfähig erkrankt gewesen. Er habe krankheitsbedingt Medikamente
mit stark sedierender bzw. retardierender Wirkung einnehmen müssen. Konzentrierte
Bürotätigkeit und die Kontrolle sowie die Funktionsprüfung und das Bewegen von
Baumaschinen auf dem Unternehmensgelände und im Straßenverkehr sei ihm deshalb
nicht möglich gewesen. Gleiches gelte im Hinblick auf das bei ihm vorliegende
Karpaltunnelsyndrom, weswegen er ebenfalls arbeitsunfähig erkrankt gewesen sei. Es
hätten auch noch weitere Krankheiten vorgelegen, die ihm das Arbeiten über den
01.12.2003 hinaus, unmöglich gemacht hätten.
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Er beantragt,
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festzustellen, dass der Versicherungsvertrag mit den Tarifen A 10, S 12, ZN 100, V
501/76, 18, V 503/76, 18, H 79, 69, S 08 uns ZEZ 80 zwischen dem Kläger und
dem Beklagten durch die fristlose Kündigung des Beklagten vom 10.11.2003 nicht
beendet wurde, sondern fortbesteht,
12
den Beklagte zu verurteilen, an ihn 4.037,54 € rückständiges Krankentagegeld für
den Zeitraum vom 09.10.2003 bis 01.12.2003, 5.865,86 € rückständiges
Krankentagegeld für den Zeitraum vom 12.03.2004 bis 28.05.2004, 2.513,94 €
rückständiges Krankentagegeld für den Zeitraum vom 23.08.2004 bis 25.09.2004,
609,54 € rückständiges Krankentagegeld für den Zeitraum vom 08.10.2004 bis
15.10.2004, 9.293,06 € rückständiges Krankentagegeld für den Zeitraum vom
26.11.2004 bis 28.03.2005, 3.351,92 € rückständiges Krankentagegeld für den
Zeitraum vom 19.09.2005 bis 02.11.2005, 304,72 € rückständiges Krankentagegeld
für den Zeitraum vom 24.11.2005 bis 27.11.2005, 2.666,30 € rückständiges
Krankentagegeld für die Zeit vom 20.02.2006 bis 27.03.2006 sowie 10.969,92 €
vom 20.02.2006 bis 27.03.2006 sowie 10.969,92 € rückständiges Krankentagegeld
für die Zeit vom 09.05.2006 bis 30.09.2006 sowie darüber hinaus für jeden
weiteren Krankheitstag ab dem 01.10.2006 weitere 76,18 € kalendertäglich zu
zahlen.
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Der Beklagte beantragt,
14
die Klage abzuweisen.
15
Der Beklagte ist der Ansicht, dass die von ihm ausgesprochene Kündigung wirksam und
fristgemäß erfolgt sei. Private Ermittlungen seinerseits hätten ergeben, dass der Kläger
in dem geltend gemachten Zeitraum der Arbeitsunfähigkeit vom 09.10. bis 01.12.2003
tatsächlich gearbeitet habe. So habe er am 30.09.2003 ein Telefongespräch mit einem
Interessenten für die Anmietung von Baugeräten geführt und im Rahmen dessen
mitgeteilt, dass er nur selten zu Hause sei, da er in der Zeit von 10.00 Uhr bis 16.30 Uhr
in der Firma anzutreffen sei. Am 09.10.2003 habe sich der Kläger in der Werkstatt seiner
Firma befunden und ein Verkaufsgespräch geführt. In der Folgezeit habe er telefonische
Rückfragen beruflicher Natur beantwortet. Unter dem 15.10.2003 habe er sich wiederum
in seiner Firma befunden und seinen Mitarbeitern Arbeit zugewiesen. Im Übrigen habe
eine Fortsetzung des Verkaufsgesprächs in der Halle und im Büro in der Zeit von 11.30
Uhr bis 12.10 Uhr stattgefunden. Er habe sodann ein Angebot über eine Rüttelplatte
erstellt. Schließlich habe er am 22.10.2003 zwei Kunden beraten. Er habe des Weiteren
mitgeteilt, dass er auch am nächsten Tag in der Firma anwesend sei. Dieses habe in der
Zeit von 11.00 Uhr bis 11.30 Uhr stattgefunden. Diese Arbeitstätigkeit des Klägers
berechtige ihn zu einer fristlosen Kündigung, die seinerseits auch ausgesprochen
worden sei. Der von den privaten Ermittlern angefertigte Abschlussbericht sei ihm erst
unter dem 31.10.2003 zugegangen. Vorher habe er von der Arbeitstätigkeit des Klägers
und dem Umfang keine Kenntnis gehabt.
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Die ausgesprochene Kündigung betreffe zulässigerweise das gesamte
Vertragsverhältnis und beziehe sich nicht nur auf die Krankentagegeldversicherung, da
ihm die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses mit dem Kläger aufgrund dessen
Verhalten im Rahmen der Krankentagegeldversicherung auch für das übrige
Vertragsverhältnis unzumutbar sei. Denn das Vertrauensverhältnis, auf dessen
Grundlage das gesamte Vertragsverhältnis basiere, sei erheblich gestört.
17
Die von Seiten des Klägers behauptete Arbeitsunfähigkeit in den geltend gemachten
Zeiträumen werde im Übrigen in vollem Umfang bestritten.
18
Die Kammer hat Beweis erhoben durch Einholung zweier Sachverständigengutachten
sowie durch die Vernehmung der Zeugen U, U2, F und Q. Zu den Ergebnissen wird auf
die Gutachten der Sachverständigen Prof. Dr. I2 vom 17.04.2005 und Prof. Dr. S vom
08.03.2006 (Anlage zur Akte) sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom
19.10.2006 (Bl. 158 ff. d. A.) verwiesen.
19
Zu dem Vortrag der Parteien im Übrigen wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst
Anlagen Bezug genommen.
20
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
21
Die Klage ist in dem tenorierten Umfang begründet, im Übrigen unbegründet.
22
Der von dem Kläger gestellte Feststellungsantrag hat insoweit Erfolg, als er das
Versicherungsverhältnis im Hinblick auf die Tarife A 10, S 12, ZN 100
(Krankenversicherung der Klägers), H 76, 69 (Krankenhaustagegeldversicherung des
Klägers), S 08 sowie ZEZ 80 (Krankenzusatzversicherung der Ehefrau des Klägers)
betrifft. Im Hinblick auf die Tarife V 501/76, 18 sowie V 503/76, 18 (Krankentagegeld) ist
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der gestellte Feststellungsantrag unbegründet. Dieses Ergebnis ist darin begründet,
dass das Versicherungsverhältnis zwischen den Parteien hinsichtlich der zuletzt
genannten Tarife (Krankentagegeld des Klägers) durch die von dem Beklagten unter
dem 10.11.2003 erklärte Kündigung beendet ist, dies dagegen im Hinblick auf die
übrigen genannten versicherten Tarife nicht der Fall ist.
Denn dem Beklagten steht nur hinsichtlich der Tarife über die
Krankentagegeldversicherung des Klägers ein Kündigungsgrund zu.
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Der Kündigungsgrund ergibt sich dabei aus § 14 MB/KT 94 i. V. m. § 314 BGB. Denn
der Versicherer kann einen Krankentagegeldversicherungsvertrag trotz dessen sozialer
Zwecksetzung aus wichtigem Grund außerordentlich fristlos kündigen, wenn ihm ein
Festhalten am Versicherungsvertrag nicht mehr zuzumuten ist. Ein solcher wichtiger
Grund zur Kündigung liegt für einen Versicherer vor, wenn der Versicherungsnehmer in
besonders schwerwiegender Weise die Belange des Versicherers aus Eigennutz
dadurch hinten anstellt, dass er sich Versicherungsleistungen erschleicht oder zu
erschleichen versucht (BGH VersR 1985, 54; OLG Zweibrücken NJW-RR 2005, 1119).
25
Da der Anspruch auf Krankentagegeld voraussetzt, dass der Versicherungsnehmer
seinen Beruf tatsächlich nicht ausübt, liegt ein Erschleichen in diesem Sinne vor, wenn
der Versicherungsnehmer tatsächlich seiner beruflichen Tätigkeit nachgegangen ist
(vgl. OLG Saarbrücken NJW-RR 2006, 465).
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Dabei erachtet es die Kammer als ausreichend, wenn der Versicherungsnehmer mehr
oder weniger regelmäßig Arbeiten erledigt, die nach der Verkehrsauffassung als
zumindest teilweise Ausübung derjenigen Tätigkeit anzusehen sind, durch die er sein
Einkommen erzielt (so auch OLG Hamm NJW-RR 2006, 1035; OLG Stuttgart NJOZ
2006, 2675). Diese lässt sich damit begründen, dass ein Anspruch des
Versicherungsnehmers gegen den Versicherer auf Zahlung aus der
Krankentagegeldversicherung nur besteht, wenn der Versicherungsnehmer im vollen
Umfang - also zu 100 % - arbeitsunfähig ist, d. h. seine bisherige berufliche Tätigkeit
nach medizinischem Befund vorübergehend und in keiner Weise ausüben kann,
weshalb bereits der Wiedereintritt teilweiser Arbeitsfähigkeit die Leistungspflicht des
Krankentagegeldversicherers vollständig entfallen lässt (BGH NJW-RR 1993, 407). Die
Grenzziehung zwischen einer Ausübung beruflicher Tätigkeit, die auf den Anspruch
ohne Einfluss verbleibt, gegenüber einem den Anspruch ausschließenden Umfang der
Tätigkeit ist dabei danach zu ziehen, ob diese Tätigkeit derart geringfügig oder
unbedeutend ist, dass es einen Verstoß gegen Treu und Glauben darstellen würde,
wenn sich der Versicherer hierauf beruft (OLG Stuttgart NJOZ 2006, 2675). Dieses ist z.
B. dann der Fall, wenn der Versicherungsnehmer lediglich Arbeitsversuche zur
Erprobung seiner eigenen körperlichen Leistungsfähigkeit absolviert oder lediglich
untergeordnete, nur aufgrund der Erkrankung übernommene (Aufsicht)-Tätigkeiten
übernommen hat (OLG Hamm NJW-RR 2006, 498).
27
An diesen Maßstäben gemessen, steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass der
Kläger mehr oder weniger regelmäßig Arbeiten im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit
erledigt hat. Denn die im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 19.10.2006
durchgeführte Beweisaufnahme hat ergeben, dass der Kläger sich am 09.10., 15.10.
und 22.10.2003 in seiner Firma befunden hat. Am 09.10.2003 hat der Kläger dabei mit
dem Zeugen F ein Verkaufsgespräch über den Erwerb von Schotter sowie über den
Kauf oder die Anmietung einer Rüttelmaschine geführt. Es ist über Preise und Mengen
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gesprochen worden. Auch mit dem Zeugen Q hat der Kläger zunächst ein
Verkaufsgespräch geführt. Der Kläger hat ihm sodann ein mündliches Angebot
unterbreitet. Dieses fand am 15.10.2003 statt. Am 22.10.2003 hat der Kläger sodann
wiederum mit dem Zeugen Q ein geschäftliches Gespräch geführt. Er hat ihm auch dann
ein schriftliches Angebot über eine Rüttelplatte erstellt. Während des Gesprächs mit
dem Zeugen führte der Kläger weitere telefonische Verkaufsgespräche.
Aus der Aussage des Zeugen U2 ergibt sich des Weiteren, dass sich der Kläger häufig
in seiner Firma im Zeitraum Ende September/Oktober 2003 aufgehalten hat. Denn der
Kläger hat dem Zeugen im Rahmen eines Telefongesprächs kundgetan, dass er die
meiste Zeit nicht zu Hause, sondern in seiner Firma sei, weil er dort arbeite.
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Auch steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass sowohl die Telefongespräche als
auch die Verkaufsgespräche sämtlich vom Kläger geführt wurden. Dieses haben
sämtliche Zeugen übereinstimmend bekundet.
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Die Aussagen der Zeugen sind dabei glaubhaft. Sie sind in sich widerspruchsfrei und
nachvollziehbar. Die Zeugen sind auch glaubwürdig. Auf Nachfrage des Gerichtes und
der Parteivertreter konnten sie spontan antworten. Anhaltspunkte dafür, dass sie ein
Interesse am Obsiegen des Beklagten im vorliegenden Prozess haben, sind nicht
erkennbar. Zwar sind sie von dem Beklagten beauftragt worden, Ermittlungen im
Hinblick auf den Kläger anzustellen und das Ermittlungsergebnis dem Beklagten
mitzuteilen. Diesem Auftrag wären sie jedoch auch ordnungsgemäß nachgekommen,
wenn sie über eine Arbeitstätigkeit des Klägers nicht hätten berichten können. Auch der
Umstand, dass der Zeuge Q sich zunächst an gewisse Umstände, wie z. B. das
Erstellen des schriftlichen Angebotes von Seiten des Klägers, zunächst nicht erinnern
konnte, rechtfertigen kein anderes Ergebnis. Denn es ist durchaus nachvollziehbar,
dass der Zeuge im Rahmen seiner mündlichen Vernehmung aufgrund von Vorhalten
nach und nach sein Erinnerungsvermögen hat aufbessern können.
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Dieses von den Zeugen geschilderte Tätigwerden des Klägers in der Firma stellt
dessen Kernarbeit (Kundengespräche, Auftragserteilungen, Angebotsabgabe) dar und
kann damit nicht lediglich als untergeordnete, nur aufgrund der Erkrankung
übernommene Tätigkeit gewertet werden. Auch ist anhand des von den Zeugen
geschilderten Tätigwerden des Klägers auf eine gewisse Regelmäßigkeit zu schließen.
Denn die Zeugen haben den Kläger an unterschiedlichen von ihnen zufällig
ausgesuchten Tagen und Tageszeiten aufgesucht und ihn immer angetroffen. Diese
Regelmäßigkeit im Hinblick auf die Arbeit des Klägers ergibt sich auch aus den
durchgeführten Telefonaten. Denn nach eigener Aussage hat er sich überwiegend in
der Firma aufgehalten. Zudem hat er gegenüber den Zeugen den Eindruck erweckt,
ständig - zumindest für die Durchführung von Kundengesprächen - in der Firma präsent
zu sein.
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Dass es sich bei den von den Zeugen geschilderten Tätigkeiten lediglich um
Arbeitsversuche gehandelt hat, trägt der Kläger selbst nicht vor.
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Der Einwand des Klägers, das von dem Beklagten geschilderte Geschehen zum
22.10.2003 sei nicht zu beachten, da die von dem Beklagten erklärte Kündigung nicht
auf diesen Umstand gestützt und somit von dem Beklagten "nachgeschoben" sei, ist
unzutreffend. Kündigungsgrund des Beklagten war die Tatsache, dass der Kläger trotz
seiner geltend gemachten Arbeitsunfähigkeit tatsächlich in seinem Betrieb gearbeitet
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hat. Die Darstellung des Beklagten, wann das im Einzelnen gewesen sein soll, ist nur
eine nähere Konkretisierung des Kündigungsgrundes. Diese können jedoch auch im
späteren Verlauf noch ergänzt werden.
Die Kündigung des Beklagten ist auch fristgerecht erfolgt. Erst mit Zugang des
Abschlussberichtes des von ihm eingeschalteten Ermittlungsbüros war eine verlässliche
Grundlage für die Prüfung einer außerordentlichen Kündigung erlangt. Zu einer früheren
Kündigung quasi "auf Verdacht" war der Beklagte nicht verpflichtet (OLG Saarbrücken
NJW-RR 2006, 465). Der Beklagte hat dabei nach Überzeugung der Kammer den
Abschluss des Ermittlungsbüros erst am 31.10.2003 erhalten. Dieses hat die Zeugin U
im Rahmen ihrer Vernehmung am 19.10.2006 glaubhaft bekundet. Die Tatsache, dass
diesem Abschlussbericht ein sogenannter Vorrecherchebericht vorausgegangen war,
die der Beklagte bereits am 30.09.2003 erhalten hat, ist unschädlich. Denn in diesem
Vorrecherchebericht ist lediglich mitgeteilt worden, dass das Umfeld des Klägers
recherchiert worden sei und dass man telefonisch Kontakt aufgenommen habe. Erst mit
dem Abschlussbericht war dem Beklagten der volle Umfang des Tätigwerdens des
Klägers bekannt. Auch dieses hat die Zeugin glaubhaft bekundet.
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Da die Kündigung des Beklagten bereits am 10.11.2003 ausgesprochen und dem
Kläger unter dem 13.11.2003 zugegangen ist, erfolgte sie demnach in angemessener
Frist.
36
Dass das vertragswidrige und zu einer außerordentlichen Kündigung berechtigende
Verhalten des Klägers durch ein von dem Beklagten eingeschaltetes Ermittlungsbüro
zutage getreten ist, steht dem Kündigungsrecht des Beklagten nicht entgegen, § 242
BGB. Denn es kann nicht festgestellt werden, dass der Ermittler den Kläger zum
Vertragsbruch verleitet hat (vgl. BGH NJW-RR 1989, 426). Auf der Grundlage des sich
darstellenden Sach- und Streitstandes kann weder festgestellt werden, dass der Kläger
nur widerstrebend und erst infolge intensiven Drängens der Ermittler tätig geworden ist,
noch liegen Anhaltspunkte dafür vor, dass diese verwerfliche Mittel eingesetzt haben
(vgl. hierzu auch OLG Saarbrücken NJW-RR 2006, 465).
37
Dem Beklagten steht dagegen im Hinblick auf die Tarife A 10, S 12, ZN 100
(Krankenversicherung des Klägers), H 76, 69 (Krankenhaustagegeldversicherung des
Klägers) und S 08 sowie ZEZ 80 (Krankenzusatzversicherung für die Ehefrau des
Klägers) kein Kündigungsgrund zu.
38
Dieses ist zunächst darin begründet, dass der Kläger bei dem Beklagten - entgegen
OLG Stuttgart NJOZ 2006, 2675 - nicht ein einziges einheitliches Vertragsverhältnis,
sondern verschiedene, rechtlich selbständige Versicherungsverträge, namentlich eine
Krankenversicherung, eine Krankenhaustagegeldversicherung und eine
Krankentagegeldversicherung für sich sowie eine Krankenzusatzversicherung für seine
Ehefrau - unterhält. Dieses hat zur Konsequenz, dass auch nur die Versicherung
kündbar ist, in der das Kündigungsrecht des Beklagten begründet ist. Vorliegend ist
diese - wie oben bereits ausgeführt - lediglich die Krankentagegeldversicherung des
Klägers.
39
Die Tatsache, dass § 30 VVG vorliegend keine Anwendung findet und der Kläger nur
einen einzigen Versicherungsschein ausgehändigt bekommen hat, stehen diesem
Ergebnis nicht entgegen.
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Denn die Versicherung verschiedener versicherbarer Risiken, unter Geltung
verschiedener AVB, werden als Inhalt selbständiger Verträge angesehen (Prölss/Martin-
Prölss, § 3 Rdnr. 10). So auch im Fall der Krankheitskosten und
Krankenhaustagegeldversicherung sowie der Krankentagegeldversicherung (LG Köln
R+S 1962, 352; AG Köln VersR 2000, 574). Dieses begründet sich darin, dass auf dem
Versicherungsmarkt diese Versicherungen auch einzeln abzuschließen sind. Dabei
handelt es sich bei dem vorliegenden Vertragsverhältnis um eine sogenannte
Bündelung mehrerer Verträge. Denn dieses ist immer dann anzunehmen, wenn sich der
Versicherungsnehmer bei einem Versicherer gegen mehrere Gefahren versichern will
und ein Antragsformular sowie ein Versicherungsschein existiert, jedoch verschiedene
AVB Anwendung finden (so auch Prölss/Martin-Prölss, § 3 Rdnr. 8).
41
Selbst wenn es sich nicht um eine Mehrheit von Versicherungsverträgen, sondern um
ein einheitliches Versicherungsverhältnis handeln sollte, vertritt die Kammer entgegen
OLG Stuttgart NJOZ 2006, 2675 die Auffassung, dass das dem Beklagten zustehende
Recht zur fristlosen Kündigung auf die Krankentagegeldversicherung des Klägers
beschränkt ist. Als Argument kann Folgendes angeführt werden: Zwar findet § 30 VVG
gemäß § 178 a Abs. 2 Satz 2 VVG auf die Krankenversicherung keine Anwendung. Der
in § 30 VVG zum Ausdruck gekommene Grundsatz, dass der Vertrag soweit als möglich
Bestand haben soll, beansprucht jedoch gerade auch in der Krankenversicherung
Geltung (Bach/Moser, Private Krankenversicherung, 3. Auflage, Einleitung Rdnr. 51).
Dem hat der Beklagte auch Rechnung getragen, indem er in § 14 Abs. 3 MB/KT und §
14 Abs. 4 MB/KK von der ihm durch § 178 h Abs. 5 VVG eröffneten Möglichkeit
Gebrauch gemacht hat, die Kündigung auf einzelne versicherte Personen oder Tarife
beschränken zu können. § 14 Abs. 3 MB/KT und § 14 Abs. 4 MB/KK finden auch auf die
fristlose Kündigung Anwendung (BGH VersR 1985, 54).
42
Nach Auffassung der Kammer ist der Beklagte unter Geltung des das
Versicherungsverhältnis im besonderen Maße beherrschenden Grundsatzes von Treu
und Glauben (BGH VersR 2003, 581) verpflichtet, dass ihr zustehende außerordentliche
Kündigungsrecht auf diejenigen Tarife und Personen zu beschränken, die von den zur
Kündigung berechtigenden Gründen oder deren Auswirkungen betroffen sind. Im
Hinblick darauf muss das Interesse des Beklagten an der Gesamtaufhebung der
Verträge aufgrund des Fehlverhaltens des Klägers zurücktreten.
43
Hinsichtlich der von der Kündigungserklärung des Beklagten ebenfalls erfassten
Krankheitskostenvollversicherung des Klägers ist deren soziale Funktion zu
berücksichtigen, die einer Erstreckung der fristlosen Kündigung auch auf diese
Versicherung entgegensteht (vgl. BGH a. a. O.). Denn der Kläger würde durch die
fristlose Kündigung nicht nur - zu Recht - den sozialen Schutz der als
Verdienstausfallversicherung ausgestalteten Krankentagegeldversicherung verlieren,
sondern auch bei einer Erstreckung der Kündigung auf die
Krankheitskostenversicherung seinen vertragsgemäßen Krankenversicherungsschutz
verlieren. Diese Rechtsfolge erscheint der Kammer auch unter Berücksichtigung des
Fehlverhaltens des Klägers überzogen, zumal es dem Kläger in seinem Alter von ca. 60
Jahren bei realistischer Betrachtungsweise verwehrt sein dürfte, bei einem anderen
privaten Krankenversicherer Versicherungsschutz zu erhalten.
44
Zudem besteht die Gefahr betrügerischen Verhaltens in der
Krankentagegeldversicherung in ungleich höherem Maße als in der
Krankheitskostenversicherung, so dass sich die Störung des Vertrauensverhältnisses in
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diesem Versicherungszweig auch geringer auswirkt. Entsprechendes gilt für die
Krankenhaustagegeldversicherung des Klägers.
Der Erstreckung der Kündigung auf die mitversicherte Ehefrau des Klägers steht
entgegen, dass diese an den zur fristlosen Kündigung berechtigenden Vorgängen auch
nach den Behauptungen des Beklagten in keinster Weise beteiligt war. Damit besteht
kein Grund für die Annahme, auch in der Versicherung der Ehefrau des Klägers könne
es zu Unredlichkeiten kommen, zumal nicht der Kläger als Versicherungsnehmer
Inhaber der aus der Versicherung zugunsten seiner Ehefrau herrührenden
Zahlungsansprüche ist, sondern die Ehefrau selbst (BGH VersR 2006, 686). Folglich
wirkt sich die Störung des Vertrauensverhältnisses in der Vertragsbeziehung zwischen
Kläger und Beklagtem nicht auf die vertragliche Beziehung zwischen der Ehefrau des
Klägers und dem Beklagten aus, so dass eine Erstreckung der fristlosen Kündigung auf
die Krankenzusatzversicherung der mitversicherten Ehefrau des Klägers ausscheidet.
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Soweit der Kläger Zahlungen im Rahmen seiner bei dem Beklagten bestehenden
Krankentagegeldversicherung verlangt, ist die Klage im vollen Umfang unbegründet.
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Im Hinblick auf die Geltendmachung von diesbezüglichen Zahlungsansprüchen für
einen Zeitraum nach der erfolgten fristlosen Kündigung des Beklagten (13.11.2003)
ergibt sich dies bereits aus dem Umstand, dass dem Kläger für diese Ansprüche
aufgrund der erfolgten Beendigung des Versicherungsverhältnisses kein
Versicherungsschutz mehr zukommt (LG Berlin NVersZ 2002, 462).
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Soweit der Kläger die Zahlung von Krankentagegeld für den davor liegenden Zeitraum
geltend macht, scheitert sein Anspruch daran, dass der Kläger die Voraussetzungen für
die Leistung von Krankentagegeld aus den §§ 178 b Abs. 3 VVG i. V. m. den §§ 1, 4
MB/KT 94 nicht bewiesen hat.
49
Voraussetzung für einen Anspruch auf Krankentagegeld ist u. a., dass der
Versicherungsnehmer im vollen Umfang - also zu 100 % - arbeitsunfähig ist, d. h. seine
bisherige berufliche Tätigkeit nach medizinischem Befund vorrübergehend und in keiner
Weise ausüben kann, sie auch nicht ausübt und keiner anderen Erwerbstätigkeit
nachgeht, § 1 Abs. 3 MB/KT 94. Deshalb scheidet bereits eine geringfügige
Arbeitsfähigkeit, um den Anspruch aus der Krankentagegeldversicherung
auszuschließen (BGH NJW-RR 1993, 407).
50
Hieran gemessen kann eine Arbeitsunfähigkeit des Klägers in dem von ihm
behaupteten Zeitraum nicht festgestellt werden.
51
Der Sachverständige Prof. Dr. I2 hat in seinem Gutachten vom 17.04.2005 festgestellt,
dass zwar grundsätzlich bei denen von dem Kläger eingenommenen Medikamenten die
Möglichkeit besteht, dass ein konzentrierte Bürotätigkeit sowie eine Kontrolle,
Funktionsprüfung und das Bewegen von Baumaschinen erheblich erschwert oder
unmöglich gemacht werden können. Diese Nebenwirkungen seien jedoch sehr selten
und das Vorliegen im konkreten Fall den Gerichtsakten nicht zu entnehmen. Zudem
seien Dosierungen im niedrigen bis mittleren Bereich gewählt worden. Damit liegt eine
Arbeitsunfähigkeit aufgrund der Medikamenteneinnahme beim Kläger nicht vor.
Erhebliche Einwendungen gegen das Gutachten hat der Kläger nicht erhoben.
52
Auch der Sachverständige Prof. Dr. S hat in seinem Gutachten vom 08.03.2006 eine
53
Arbeitsunfähigkeit des Klägers zum streitgegenständlichen Zeitraum nicht wegen eines
behaupteten Karpaltunnelsyndroms beim Kläger nicht feststellen können. Es ergäbe
sich kein Hinweis auf einen außergewöhnlich schweren Verlauf des
Karpaltunnelsyndroms. Nur in einem solchen Fall aber würde die behauptete
Arbeitsunfähigkeit des Klägers vorliegen.
Die Gutachten der beiden Sachverständigen sind überzeugend und in jeder Hinsicht
nachvollziehbar.
54
Soweit der Beklagte gegen das Gutachten des Prof. Dr. S einwendet, dass der
Sachverständige allenfalls eine Ahnung von der Tätigkeit des Klägers gehabt habe, so
kann dieser Einwand nicht verfangen. Der Sachverständige führt in dem bezeichneten
Gutachten aus, dass das Karpaltunnelsyndrom gröbere motorische Fähigkeiten zwar
etwas beeinträchtigt, jedoch möglich bleiben. Dass der Kläger davon abweichend auch
Tätigkeiten ausführen müsste, die die Feinmotorik betreffen, hat er in nicht genügend
substantiierter Weise vorgetragen.
55
Soweit der Kläger beantragt, an ihn für jeden weiteren Krankheitstag ab dem 01.10.2006
Zahlungen aus der Krankentagegeldversicherung zu leisten, hat die Klage schon
wegen der infolge der wirksamen fristlosen Kündigung des Beklagten vom 13.11.2003
erfolgten Beendigung der Krankentagegeldversicherung keinen Erfolg.
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Die Kostenentscheidung basiert auf § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit findet ihre rechtliche Grundlage
in § 709 ZPO.
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