Urteil des LG Dortmund vom 24.08.2007

LG Dortmund: materielles recht, oman, kündigung, untergang, hotel, minderung, reiseveranstalter, aufklärungspflicht, auflage, hinweispflicht

Landgericht Dortmund, 17 S 45/07
Datum:
24.08.2007
Gericht:
Landgericht Dortmund
Spruchkörper:
17. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
17 S 45/07
Vorinstanz:
Amtsgericht Dortmund, 427 C 1645/06
Tenor:
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Amtsgerichts Dortmund
vom
21.02.2007 (427 C 1645/06) unter Zurückweisung der weitergehenden
Berufung teil-
weise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 318,--€ nebst Zinsen in Höhe
von
5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen
Zentralbank seit
dem 26.11.2005 zu zahlen.
Die Beklagte wird ferner verurteilt, an den Kläger 45,53 € nebst Zinsen in
Höhe
von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen
Zentralbank
seit dem 17.02.2006 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger zu 90 % und der
Beklagten
zu 10% auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe:
1
I.
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Der Kläger begehrt von der Beklagten wegen behaupteter Reisemängel die Zahlung
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von insgesamt 3.186,--€ (2.385,-€ im Wege der Minderung des Reisepreises und
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801,-€ für Kosten des vorzeitigen Rückfluges) sowie außergerichtliche Rechtsanwalt-
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kosten nach dem Gegenstandswert der Klageforderung in Höhe von 175,23 €.
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Der Kläger buchte am 17.09.2005 über ein Reisebüro am Frankfurter Flughafen bei
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der Beklagten als Veranstalterin für sich und seine Lebensgefährtin, die Zeugin I,
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eine Pauschalurlaubsreise in den Oman zu einem Gesamtpreis von 3.180,-- €.
Gegenstand der Reise, die vom 05.10.2005 bis zum 18.10.2005 stattfinden sollte, waren
Hin- und Rückflug sowie zunächst eine knapp einwöchige Rundreise durch den Oman
mit sich anschließendem Hotelaufenthalt im R Hotel in Muscat, das in der
Landeskategorie eine Bewertung von 3 Sternen aufweist.
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Wegen der weiteren Einzelheiten der Leistung wird auf die Reiseanmeldung Bezug
genommen (Bl. 12 f. d.A.).
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Bei der Buchung der Reise erklärte eine Mitarbeiterin des Reisebüros dem Kläger,
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dass er während des Fastenmonats Ramadan an das Urlaubsziel fahre. Der Kläger
erklärte daraufhin, dass er dies wisse. Eine weitere Erläuterung nahm die Mitarbeiterin
des Reisebüros nicht vor.
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Bei der Ankunft am Urlaubsort wurde dem Kläger und seiner Lebensgefährtin durch die
örtliche Reiseleitung ebenfalls mitgeteilt, dass sie sich während des Fastenmonats
Ramadan im Oman aufhielten. Zugleich wurden sie auf die damit verbundenen
Einschränkungen des öffentlichen Lebens hingewiesen.
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Zwischen den Parteien ist inzwischen unstreitig, dass während des Ramadan
Essen,Trinken und Rauchen in der Öffentlichkeit auch Nichtmuslimen zwischen
Sonnenauf- und -Untergang untersagt ist.
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Unmittelbar nach Beendigung der Rundreise brachen der Kläger und seine
Lebensgefährtin am 12.10.2005 den Urlaub ab und flogen auf eigene Kosten in Höhe
von 801,- € nach Deutschland zurück. Zuvor nahm der Kläger noch telefonisch Kontakt
mit der Beklagten auf. In diesem Telefonat wurde dem Kläger ein Ersatzhotel
angeboten, dessen Inanspruchnahme er aber ablehnte, da dies - so das Kläger bei
seiner persönlichen Anhörung in erster Instanz - "auch nichts gebracht hätte". Bei dem
angebotenen Ersatzhotel handelt es sich - wie in der Berufungsinstanz unstreitig
geworden ist – um das ebenfalls in Muscat befindliche T & T, das nach der von der
Beklagten im Termin überreichten Katalogbeschreibung, auf die im Übrigen Bezug
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genommen wird, nach der Landeskategorie 5 Sterne aufweist.
Mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 19.10.2005 und vom 14.11.2005
machte der Kläger gegenüber der Beklagten wegen der von ihm behaupteten
Einschränkungen während des Fastenmonats Ramadan Zahlungsansprüche in Höhe
der Klageforderung unter Fristsetzung bis zum 25.11.2005 geltend.
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Der Kläger hat behauptet, dass es während der Durchführung der Rundreise und des
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gesamten Urlaubs zu erheblichen Einschränkungen wegen des Fastenmonats
Ramadan gekommen sei. Mit Ausnahme von Tankstellen seien sämtliche Läden
geschlossen gewesen. Es sei dann allerdings verboten gewesen, die erworbenen
Getränke in der Öffentlichkeit zu konsumieren. In sämtlichen Hotels, in denen sie sich
aufgehalten hätten, seien die Hotelbars geschlossen gewesen. Getränke seien nur im
Speisesaal und im Zimmer ausgeschenkt worden. Der Kläger hat behauptet, über diese
Einschränkungen nicht hinreichend aufgeklärt worden zu sein. Es sei lediglich erklärt
worden, dass man während des Fastenmonats Ramadan zum Urlaubsziel fahre. Seine
Lebensgefährtin und er hätten zwar gewusst, dass "man" während des Ramadan nicht
essen und trinken dürfe, sie seien aber davon ausgegangen, dass dies nur für Muslime
gelte. Dass der Ramadan auch von Touristen und Nichtmuslimen zu beachten sei, sei
ihm nicht bekannt gewesen. Darüber hinaus hat er behauptet, dass während des
gesamten Urlaubs das Baden im Meer verboten gewesen sei. Aufpasser am Strand
hätten dafür gesorgt, dass niemand im Meer baden gegangen sei: allenfalls habe nur mit
kurzer Hose und T-Shirt gebadet werden dürfen. Er hat die Ansicht vertreten, dass
aufgrund dieser Einschränkungen durch den Fastenmonat Ramadan der Sinn und
Zweck
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des Badeurlaubs insoweit nicht mehr gegeben gewesen sei. Denn die letzten fünf Tage
hätten sie nur auf dem Hotelzimmer verbringen können. Daher sei er am 12.10.2005 von
der Reise zurückgetreten und nach Deutschland zurückgeflogen.
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Schließlich sei es den Frauen verboten gewesen, in Sommerbekleidung vor die Tür zu
gehen; Arme und Beine hätten bedeckt sein müssen; Shorts und Tops seien verboten
gewesen.
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Der Kläger hat mit der am 17.02.2006 zugestellten Klage beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an ihn 3.186,--€ nebst Zinsen in Höhe von
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5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.11.2005 sowie außerge-
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richtliche Kosten in Höhe von 175,22 € nebst Zinsen in Höhe von
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5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klageerhebung zu zahlen.
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Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte hat behauptet, dass dem Kläger die Bedeutung des Fastenmonats
Ramadan genau erläutert worden sei. Es sei darauf hingewiesen worden, dass "einige
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Abweichungen" sein könnten. In diesem Zusammenhang sei auch erklärt worden, dass
am Tage einige Beeinträchtigungen vorhanden seien, diese allerdings nicht die Hotels
beträfen. Betrieb und Service in den Hotels seien während des gesamten Aufenthaltes
gewährleistet gewesen. In dem Hotel würden alle Restaurants normal arbeiten. Auch
die Serviceleistungen des Hotels seien durch den Fastenmonat nicht beeinträchtigt.
Darüber hinaus habe der Kläger zu keinem Zeitpunkt den Wunsch geäußert, den
Vertrag zu kündigen. Eine Kündigung sei zu keinem Zeitpunkt erklärt worden.
Das Amtsgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugin I. Wegen des
Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung
vom 31.01.2007 Bezug genommen (Bl. 84 ff. d.A.).
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Das Amtsgericht hat die Klage mit am 24.02.2007 verkündeten Urteil abgewiesen. Zur
Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass angesichts der Erklärung des
Klägers, er wisse, dass zu der beabsichtigten Reisezeit im Oman der Fastenmonat
Ramadan sei, eine weitere Aufklärung seitens der Mitarbeiter des Reisebüros nicht
erforderlich gewesen sei. Der Vertragspartner könne auch nicht wissen, dass er bei
seinem Wissen über den Ramadan möglicherweise einer Fehlvorstellung - Geltung der
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Einschränkungen nicht für Touristen - erlegen sei. Hinzu komme, dass der Kläger durch
die Reiseleitung vor Ort bei seiner Ankunft auf die Einschränkungen hingewiesen
worden sei, und er die (Rund-)Reise gleichwohl angetreten und nicht etwa im Hinblick
auf den Badeurlaub sofort gekündigt habe. Wer nämlich trotz der Mängel - Kenntnis von
Einschränkungen infolge Ramadan - am Urlaubsort verbleibe und die
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gegebene Situation längere Zeit hinnehme, setze sich mit einer späteren Kündigung in
Widerspruch zu seinem eigenen vorherigen Verhalten. Es sei nicht ersichtlich, dass die
Einschränkungen bei der Rundreise andere gewesen seien, als bei dem sich
anschließenden Badeaufenthalt. Auch könne von einem Strand- oder Badeverbot nicht
die Rede sein. Der Kläger habe selbst bekundet, es nie versucht zu haben, dort zu
baden. Im Übrigen habe der Kläger, soweit er sich über Einschränkungen im Hotel
beklagt habe,
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nicht einmal den Versuch unternommen, eine Abhilfe der Einschränkungen durch einen
Hotelwechsel anzunehmen.
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Hiergegen wendet sich der Kläger mit der Berufung. Er rügt, dass das Amtsgericht zu
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Unrecht zu dem Schluss gekommen sei, dass ihm keine Ansprüche zuständen. Soweit
ihm bereits bei Buchung der Reise mitgeteilt worden sei, dass während der Reisezeit in
den Oman der Ramadan abgehalten worden sei und er die Kenntnis hierüber bejaht
habe, entbinde dies die Beklagte nicht von der Pflicht weitergehende Aufklärung zu
leisten und Informationen an ihn weiterzugeben. Das Amtsgericht gehe zu Unrecht
davon aus, dass er alle Umstände des Ramadan am Zielort gekannt habe. Vielmehr
müsse der Reiseveranstalter davon ausgehen, dass er - wie jeder verständige
Mitteleuropäer und Nichtmuslime - lediglich allgemeine und oberflächliche Kenntnisse
bezüglich des Ramadan habe. Die Beklagte habe lediglich davon ausgehen können,
dass er gewusst habe, dass Muslime während dieser Zeit fasten. Tiefere Kenntnisse
hätten jedoch nicht erwartet werden dürfen. Insbesondere sei nicht davon auszugehen,
dass er wissen musste, dass die Regeln des Ramadan auch für Nichtmuslime am
Zielort Geltung beanspruchten. Die Mitarbeiter des Reisebüros hätten daher nochmals
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fragen müssen, ob er auch alle Regeln vor Ort kenne. Erst wenn er diese Frage bejaht
hätte, wäre eine weitere Aufklärungspflicht entbehrlich gewesen. Für die Rundreise sei
eine Mängelrüge entbehrlich gewesen, da sich auch durch eine Rüge an den
Umständen nichts geändert hätte. Ihm könne auch nicht entgegengehalten werden,
dass er die Rundreise zunächst wie geplant durchgeführt habe. Denn jedenfalls der
erste Teil des Urlaubs sei nicht derart mangelbehaftet gewesen, dass hierfür
Kündigungsgründe vorgelegen hätten.
Er beantragt,
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unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung die Beklagte zu verurteilen,
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an den Kläger 3.186,- € nebst Zinsen 5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz
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seit dem 26.11.2005 zu zahlen und die Beklagte weiter zu verurteilen, an ihn
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außergerichtliche Kosten in Höhe von 175,22 € nebst Zinsen 5 Prozentpunkte
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über dem Basiszinssatz seit Klageerhebung zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung. Die Mitarbeiterin im Reisebüro habe
aufgrund des Verhaltens des Beklagten ohne Weiteres davon ausgehen dürfen, dass
die Reisenden zumindest über die allgemein zugänglichen Informationen hinsichtlich
des Ramadanfestes verfügten. Der Kläger habe auch nicht nach Einschränkungen
gefragt, sondern schlicht und deutlich die Kenntnis des Umstandes geäußert, dass am
Zielort Ramadan sei. Wenn der Kläger aber vorgebe, Kenntnis vom Ramadan am Zielort
zu haben, könne die Mitarbeiterin des Reisebüros davon ausgehen, dass er jedenfalls
Kenntnis von den - wie z.B. im Internet - allgemein zugänglichen Informationen habe.
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Daher sei nicht ersichtlich, warum er sich nun, nachdem er zunächst Kenntnis
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vom Ramadan am Zielort geäußert habe, auf die Einschränkungen vor Ort berufen
können solle. Im Übrigen werde den Einschränkungen zwischen Sonnenauf- und -
Untergang durch verlängerte Ladenöffnungszeiten nach Sonnenuntergang Rechnung
getragen.
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Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat in der mündlichen Verhandlung vor der
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Kammer klargestellt, dass der Kläger während der Rundreise lediglich insoweit
beeinträchtigt gewesen sei, als es ihm und seiner Lebensgefährtin tagsüber – zwischen
Sonnenauf- und -Untergang - nicht erlaubt gewesen sei, in der Öffentlichkeit zu essen,
zu trinken und zu rauchen. Einschränkungen in den während der Rundreise gebuchten
Hotels habe es nicht gegeben, da diese jeweils erst wieder nach Sonnenuntergang
aufgesucht worden seien.
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II.
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Die zulässige Berufung hat in der Sache lediglich teilweise in dem im Tenor genannten
Umfang Erfolg.
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1.
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Dem Kläger steht zunächst kein zur Rückabwicklung des Reisevertrages führendes
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Kündungsrecht gem. § 651 e Abs. 1 BGB zu. Danach kann der Reisende den Reise-
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vertrag kündigen, wenn die Reise infolge eines Mangels der in § 651 c BGB
bezeichneten Art erheblich beeinträchtigt ist oder wenn dem Reisenden die Reise
infolge eines solchen Mangels aus wichtigem, dem Reiseveranstalter erkennbaren
Grund nicht zuzumuten ist.
54
a)
55
Die Beurteilung der Frage, ob eine erhebliche Beeinträchtigung der Reise i.S.d.
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§ 651 e Abs. 1 S. 1 BGB vorliegt, ist von den Bedingungen des Einzelfalls abhängig und
setzt eine am Reisezweck und am Reisecharakter orientierte Gesamtwürdigung aller
Umstände voraus (Staudinger/Eckert, BGB (2003), § 651 e Rdn. 14).
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aa)
58
Die vom Kläger gebuchte Reise weist nach Ansicht der Kammer insoweit einen Mangel
i.S.d. § 651 c BGB auf, als es dem Kläger und seiner Lebensgefährtin auch als
Nichtmuslimen während des Fastenmonats Ramadan untersagt war, in der Zeit
zwischen Sonnenauf- und -Untergang in der Öffentlichkeit zu essen, zu trinken und zu
rauchen.
59
Ein Reisemangel i.S.d. § 651 c Abs. 1 BGB liegt vor, wenn die wirkliche Beschaffenheit
der Reise von dem abweicht, was die Parteien vereinbart haben. Dabei wird der Inhalt
des Reisevertrages in erster Linie von der im Reisekatalog enthaltenen
Leistungsbeschreibung bestimmt, der der Reisende Informationen über die jeweilige
Reise zu entnehmen pflegt. Eine solche aus einem Reisekatalog stammende
Reisebeschreibung liegt hier jedoch nicht vor.
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Die vertraglich vereinbarte Sollbeschaffenheit der Reise bestimmt sich weiterhin nach
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der Art und dem Zweck der Reise sowie dem sich daraus ergebenden Gesamtcharakter
(LG Heidelberg NJW 1984, 133). Der Reiseveranstalter ist dabei verpflichtet, den
Reisenden über alle wesentlichen Umstände zu informieren, die für den Abschluss des
Reisevertrages und seiner Abwicklung von Bedeutung sind.
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Auch wenn sich diese Pflichten vorrangig aus den §§ 4-6 BGB InfoV ergeben, ist das
Reisebüro, dessen Verhalten sich der Reiseveranstalter zurechnen lassen muss, aber
nach § 242 BGB unter Umständen, zu einer weitergehenden Information verpflichtet
(Tempel, Materielles Recht im Zivilprozess, 4. Auflage, S. 472).
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So muss der Reiseveranstalter bei Auslandsreisen den Reisenden auf Abweichungen
der landesüblichen Maßstäbe vom deutschen Standard hinweisen (Staudinger/Eckert,
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BGB (2003), § 651 a Rdn. 119). Grundsätzlich hat der Reisende aus dem Vertrag einen
Anspruch darauf zu erfahren, mit welchen erheblichen, vom inländischen Standard
abweichenden Besonderheiten und Gefahren er am Urlaubsort rechnen muss; das gilt
bereits vor der Buchung (Staudinger/Eckert, BGB (2003), § 651 c Rdn. 62). Unter
welchen Voraussetzungen und hinsichtlich welcher Umstände eine Informations- und
Aufklärungspflicht besteht, ist nach den Umständen des Einzelfalls zu entscheiden. So
besteht eine auf der besonderen Sachkunde des Reiseveranstalters beruhende
Informations- und Aufklärungspflicht dann nicht, wenn der Reisende von den
maßgeblichen Umständen objektiv Kenntnis hat oder haben kann - sei es, weil diese
Allgemeingut sind oder sei es infolge subjektiver Spezialkenntnisse (LG Heidelberg,
NJW 1984, 133 (134)). In diesem Falle bedarf der Reisende keines Schutzes durch den
in anderen
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Fällen etwa allein sachkundigen Veranstalter (LG Heidelberg, aaO.). Eine Belehrung
kann lediglich dann unterbleiben, wenn der Reisende über die aufzuklärenden
Umstände bereits informiert ist: hiervon muss sich der Veranstalter allerdings in
eindeutigerweise überzeugen (Tempel, NJW 1996, 1625 (1630)).
66
(1)
67
Nach Ansicht der Kammer ist die Beklagte vorliegend ihrer Informations- und
Hinweispflicht hinsichtlich der Auswirkungen des Fastenmonats Ramadan auf das
öffentliche Leben nicht hinreichend nachgekommen. Der Kläger hat zwar auf den
unstreitig erteilten Hinweis der Mitarbeiterin des Reisebüros, dass am Zielort Ramadan
sei, ausdrücklich erklärt, dass er das wisse, jedoch hätte sich die Mitarbeiterin hiermit
nicht begnügen dürfen, wenn sie sichergehen will, dass der Kläger über die
aufzuklärenden Umstände des Ramadan tatsächlich zutreffend informiert ist. Sie hätte
Anlass zur weiteren Nachfrage gehabt. Mag die Vorstellung eines durchschnittlichen
Mitteleuropäers von der Bedeutung -des Fastenmonats Ramadan auch dahin gehen,
dass zwischen Sonnenauf- und -Untergang in der Öffentlichkeit nicht gegessen,
getrunken und geraucht werden darf - Entsprechendes hat sich der Kläger ebenfalls
vorgestellt - so ist es indes nicht als Allgemeingut anzusehen, dass auch Nichtmuslime
und Touristen diesen Restriktionen tagsüber unterworfen sind. Hierüber hätte die
Mitarbeiterin des Reisebüros den Kläger näher aufklären müssen. Nach Ansicht der
Kammer oblag es demgegenüber in dieser Situation nicht dem Kläger seinerseits
nachzufragen, warum er ausdrücklich auf den Fastenmonat Ramadan hingewiesen
wurde, obwohl er davon ausging, dass die Restriktionen für ihn als Touristen nicht
gelten.
68
(2)
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Ob die dargestellten Beschränkungen des Ramadan auch in den vom Kläger tatsächlich
in Anspruch genommenen Hotels während der Rundreise galten, und auch insoweit
eine Verletzung der Hinweispflicht anzunehmen wäre, kann offen bleiben. Denn dem
Kläger und seiner Lebensgefährtin war jedenfalls die Einnahme der Mahlzeiten in der
von ihm gebuchten Verpflegungsart (Halbpension) möglich. Soweit die Sonne zur
Frühstückszeit schon aufgegangen war, war die Einnahme des Frühstücks nach dem
eigenen Vortrag des Klägers jedenfalls auf dem Zimmer möglich. Demgegenüber war
die Einnahme des Abendessens in den Hotels während der Rundreise auch in den
Restaurants möglich, da der Kläger diese Hotels nach der Klarstellung seines
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Prozessbevollmächtigten im Termin zur mündlichen Verhandlung ohnehin erst nach
Sonnenuntergang aufgesucht hat, so dass die Beschränkungen nicht mehr galten.
(3)
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Ebenfalls offen bleiben kann, ob - insbesondere für Frauen - das Baden an dem
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Strand in der Nähe des zu diesem Zweck für den zweiten Teil der Reise gebuchten
Hotels nur in den Körper insgesamt bedeckender Bekleidung oder auch in Bikini bzw.
Badeanzug möglich war und auch diesbezüglich ein Reisemangel und eine Verletzung
der Hinweispflicht anzunehmen wären. Denn insoweit hat der Kläger das ihm unstreitig
für den Badeaufenthalt angebotene Ersatzhotel nicht angenommen, an dessen mehrere
hundert Meter langem Privatstrand - wie der Bevollmächtigte der Beklagten im Termin
vor der Kammer unwidersprochen vorgetragen hat - das Baden in Badebekleidung
möglich war, wie sie nach europäischem Verständnis als üblich angesehen wird.
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Aufgrund der erheblich höheren Kategorie des ebenfalls in Muscat gelegenen
Ersatzhotels war dem Kläger nach Ansicht der Kammer auch ein Wechsel in das
angebotene Ersatzhotel zuzumuten, auch wenn dieses mit insgesamt 680 Zimmern
erheblich größer als das gebuchte Hotel mit insgesamt 92 Zimmern ist, so dass ein
etwaiger Reisemangel behoben worden wäre.
74
(4)
75
Keine Verletzung der Aufklärungspflicht durch die Beklagte nimmt die Kammer dem-
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gegenüber insoweit an, als sie den Kläger durch die Mitarbeiterin des Reisebüros nicht
auf die - im Übrigen vom Ramadan unabhängigen - Bekleidungsvorschriften im Oman
hingewiesen hat. Wer in ein muslimisches Land reist - und dies ist Allgemeingut - weiß
oder muss wissen, dass er mit einem durchaus normalem westeuropäischen
Kleidungsstil bereits die religiösen Gefühle der Einheimischen verletzen kann. Wenn
ein deutscher Tourist aus einer deutschen Großstadt in ein islamisch geprägtes Gebiet
fliegt, kann er nicht davon ausgehen, dass er die Bekleidungsvorstellungen seines
Umfeldes gleichsam mitnehmen und am Urlaubsort erwarten kann, dass er auf gleiche
Vorstellungen hinsichtlich eines "sittsamen" und zu tolerierenden Kleidungsstils treffen
müsste, wie an seinem Heimatort.
77
bb)
78
Allein die sich während der Rundreise tagsüber in der Öffentlichkeit ergebenden
Einschränkungen durch den Ramadan sieht die Kammer aber nicht als derart erheblich
an, dass sie eine Kündigung der Reise rechtfertigen würden. Dass während der
Rundreise aufgrund der Einschränkungen insbesondere hinsichtlich der Aufnahme von
Flüssigkeit gesundheitliche Probleme beim Kläger oder seiner Lebensgefährtin
aufgetreten wären, wird vom Kläger nicht geltend gemacht. Nahrungs- und
Flüssigkeitsaufnahme waren - selbst nach dem Vortrag des Klägers - auch tagsüber
zumindest in unbeobachteten Momenten durchaus möglich. Im Übrigen muss sich der
Kläger auch an seinem eigenen Vortrag festhalten lassen, wenn er mit der
Berufungsbegründung ausführt, dass allein die Einschränkungen während der
Rundreise eine Kündigung nicht rechtfertigen würden.
79
b)
80
Dem Kläger ist die Fortsetzung der Reise auch nicht unzumutbar i.S.d. § 651 e Abs. 1 S.
2 BGB. Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger oder seine Lebensgefährtin die Beklagte
bei Buchung der Reise auf subjektive Gründe hingewiesen hätte, die aufgrund der
Beschränkungen eine Unzumutbarkeit auslösen würden, sind nicht ersichtlich.
81
2.
82
Aufgrund des unterlassenen Hinweises der Beklagten auf die beschriebenen
Einschränkungen durch den Ramadan in der Öffentlichkeit auch für Nichtmuslime
mindert sich jedoch kraft Gesetzes der Reisepreis gem. § 651 d Abs. 1 BGB. Auch wenn
unstreitig die nach § 651 d Abs. 2 BGB grundsätzlich erforderliche Mängelanzeige durch
den Kläger gegenüber der angegebenen Stelle oder dem örtlichen Reiseleiter nicht
erfolgt ist, war eine solche hier entbehrlich, da der Beklagten als Reiseveranstalterin
insoweit eine Abhilfe überhaupt nicht möglich war. Die Minderung der Reise schätzt die
Kammer gem. § 651 d Abs 1 S 1 BGB i.V.m. § 638 Abs 3 S. 2 BGB für die gesamte
gebuchte Dauer der Reise wegen der Einschränkungen und der möglicherweise
bestehenden Angst vor Repressalien bei Nichtbeachtung der Verbote auf 10%. Dem
steht nach Ansicht der Kammer nicht entgegen, dass der Kläger vorzeitig abgereist ist.
83
Hätte er nämlich das ihm angebotene Ersatzhotel angenommen, wäre er weiterhin den
mit dem Ramadan einhergehenden Einschränkungen ausgesetzt gewesen. So hat der
Bevollmächtigte der Beklagten im Termin vor der Kammer ausdrücklich eingeräumt,
dass auch in dem angebotenen Ersatzhotel in den Außenbereichen während der
Sonnenstunden mit Rücksicht auf die religiösen Gefühle der fastenden Muslime auch für
die Touristen Essen, Trinken und Rauchen nicht möglich gewesen wäre, wohl aber im
Hotel selbst.
84
Die Minderung macht hier einen Betrag in Höhe von 318,--€ aus. Bei der Berechnung
der Minderung ist vom Gesamtpreis - dies gilt auch bei zusammengesetzten Reisen
85
(vgl. OLG Frankfurt a.M., NJW-RR 1992, 115) - auszugehen, da auch Mängel der
Gesamtleistung vorliegen müssen (BGH NJW 2000, 1188, 1191: Staudinger/Eckert,
BGB (2003), § 651 d Rdn. 37). Soweit die Auffassung vertreten wird, dass grundsätzlich
der Preis der jeweiligen mangelhaften Teilleistung als Bezugsgröße der Berechnung
zugrunde zu legen sei (LG Hannover NJW 1984, 2417, 2418 f), vermag die Kammer
dem nicht zu folgen. Denn ein solches Verständnis widerspricht dem eindeutigen
Wortlaut
86
des § 651 d Abs 1 BGB, der auf den "Reisepreis" und nicht auf den "anteiligen
Reisepreis" abstellt. Mit diesem Wortlaut ist es unvereinbar, der Minderung lediglich den
Preis einzelner Reiseteile zugrunde zu legen. Hinzu kommt, dass es kaum möglich sein
dürfte, den Pauschalpreis in Einzelpreise für die jeweiligen Teilleistungen
aufzugliedern, ohne Einblick in die betriebswirtschaftliche Kalkulation des
Reiseveranstalters zu haben (Staudinger/Eckert, aaO., Rdn. 37).
87
4.
88
Dem Kläger steht auch gem. § 651 c Abs. 3 BGB kein Anspruch auf Ersatz der Kosten
für den vorzeitigen Rückflug in Höhe von insgesamt 801,- ~ zu. Die Maßnahme des
89
Klägers stellt sich als Selbstabhilfe nach § 651 c Abs. 3 BGB dar. Die Rückflugkosten
sind wie die Kosten bei einer sogenannten erweiterten Selbstabhilfe nur dann
ersatzfähig, wenn eine erhebliche Beeinträchtigung i.S. des § 651 e Abs. 1 BGB vorliegt
(LG Frankfurt a.M., NJW-RR 1992, 310; Tempel, Materielles Recht im Zivilprozess, 4.
Auflage, S 495). Ließe man bereits bei jedem geringfügigen Mangel den vorzeitigen
Rückflug als berechtigt zu, entstünden dadurch Wertungswidersprüche zu § 651 e Abs.
1 BGB, der bei einer Kündigung des Reisevertrags stets eine erhebliche
Beeinträchtigung voraussetzt, die hier nicht vorliegt. Die vom Kläger gewählte Form der
Abhilfe stellt aber in der Sache nichts anderes als eine Kündigung des Reisevertrages
dar.
5.
90
Im Wege des Schadensersatzes gem. § 651 f Abs. 1 BGB, der neben den
Minderungsanspruch des §651d BGB tritt (MünchKomm/Tonner, BGB, 4. Auflage 2005,
§ 651f Rdn. 24), kann der Kläger aber nach einem Gegenstandswert von 318,-€ die von
ihm lediglich in hälftiger Höhe begehrten außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten
geltend machen. Zu den Schäden im Sinne dieser Vorschrift gehören alle Mangelfolge-
und Begleitschäden, die in einem ursächlichen Zusammenhang mit dem Reisemangel
stehen - insbesondere nutzlose Aufwendungen und Mehrkosten (OLG Düsseldorf, NJW-
RR 1998, 53). Die hälftigen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten belaufen sich gem.
§§ 2, 13 RVGi.V.m. W 2300, W 7002, W 7008 hier auf insgesamt 45,53 €
91
(1,3 x 45,- € + 20,- €+16 % MwSt = 91,06 €).
92
6.
93
Der Zinsanspruch bezüglich der Hauptforderung ergibt sich aus §§ 286, 288 BGB, der
bezüglich der Nebenforderung aus § 291 BGB.
94
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §708 Nr. 10 ZPO n.F.i.V.m. §§711,713 ZPO.
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