Urteil des LG Dortmund vom 22.03.2007

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Landgericht Dortmund, 4 S 134/06
Datum:
22.03.2007
Gericht:
Landgericht Dortmund
Spruchkörper:
4. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
4 S 134/06
Schlagworte:
Fortdauer der Betriebsgefahr
Normen:
BGB § 823; StVG § 7
Leitsätze:
Beschädigt ein Verkehrsteilnehmer ein Verkehrsschild, ist er bis zur
Unfallaufnahme durch die Polizei zur Verkehrssicherung verpflichtet. Bis
zu diesem Zeitpunkt dauert auch die von seinem Fahrzeug ausgehende
Betriebsgefahr an. Mit der Unfallaufnahme durch die Polizei darf der
Verkehrsteilnehmer aber davon ausgehen, dass die notwendigen
Maßnahmen veranlasst werden. so dass der innere Zusammenhang mit
der Betriebsgefahr nicht mehr gegeben ist und eine weitere
Verkehrssicherungspflicht entfällt.
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Amtsgerichts Dortmund
vom 19.09.2006 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe:
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I.
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Die Parteien streiten über Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall vom
24.02.2004 in E.
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Der Beklagte verursachte an diesem Tage einen Verkehrsunfall auf der B-straße, in dem
er gegen 17:50 Uhr auf eine Verkehrsinsel auffuhr und dabei das Verkehrszeichen
"Vorgeschriebene Vorbeifahrt" (Zeichen 222) derart beschädigte, dass es nicht mehr
sichtbar war. Der Beklagte rief sofort die Polizei hinzu, die den Unfall aufnahm. Wegen
der weiteren Einzelheiten kann auf die Kopie der Verkehrsunfallanzeige (Bl. 9 / 10 d.A.)
Bezug genommen werden.
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Der Kläger fuhr später, am gleichen Tage um 19:31 Uhr, auf diese Verkehrsinsel auf.
Wegen der Einzelheiten kann insoweit auf die zweite Verkehrsunfallanzeige (Bl. 6 d.A.)
Bezug genommen werden. Dabei wurde sein Fahrzeug beschädigt. Für die Reparatur
entstanden ihm Kosten in Höhe von insgesamt 1.037,35 €, die er mit dem Klageantrag
zu 1.) verfolgt. Mit dem Antrag zu 2.) verfolgt der Kläger anteilige Anwaltskosten für die
außergerichtliche Tätigkeit seines Prozessbevollmächtigten in Höhe von
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87,29 €.
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Der Kläger ist der Ansicht, der Beklagte hafte auch für seinen Unfall, da der Beklagte für
die ungesicherte Verkehrsinsel verantwortlich sei.
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Der Beklagte ist der Ansicht, der er trage keine Verantwortung für die Sicherung der
Verkehrsinsel, nachdem er die Polizei hinzugerufen habe. Er ist weiter der Ansicht, der
Kläger müsse sich einen Abzug Neu für Alt anrechnen lassen.
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Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Dagegen wendet sich der Kläger mit der
Berufung.
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Der Kläger beantragt,
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unter Abänderung des angefochtenen Urteils
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1. den Berufungsbeklagten zu verurteilen, an den Berufungskläger
1.037,35 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem
jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.04.2005 zu zahlen;
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2. den Berufungsbeklagten zu verurteilen, an den Berufungskläger
87,29 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem
jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes kann auf den Tatbestand des
erstinstanzlichen Urteils sowie die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze
Bezug genommen werden.
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II.
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Die zulässige Berufung ist unbegründet. Dem Kläger stehen gegenüber dem Beklagten
keinerlei Schadensersatzansprüche wegen der Beschädigung seines Fahrzeugs zu.
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Der Kläger kann keine Ansprüche aus einer Gefährdungshaftung gem. §§ 7, 17, 18
StVG herleiten. Der Unfall des Klägers hat sich nicht mehr beim Betrieb des
Kraftfahrzeugs des Beklagten im Sinne von § 7 StVG ereignet.
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Zwar hat sich der erste Unfall des Beklagten, bei dem das Schild beschädigt worden ist,
zunächst beim Betrieb dieses Fahrzeugs ereignet. Der Betrieb eines Fahrzeugs dauert
auch weiter an, solange das Kraftfahrzeug im Verkehr bleibt und die dadurch
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geschaffene Betriebsgefahr also fortbesteht (Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 37.
Auflage, § 7 StVG Rn. 7).
Im Falle einer starken Fahrbahnverschmutzung geht der Bundesgerichtshof auch von
einer Fortdauer der Betriebsgefahr aus, wenn mit dem Betrieb eines Fahrzeugs für
andere Verkehrsteilnehmer eine Gefahrenlage geschaffen worden ist, die weiter
andauert. Eine Gefahrenlage, die beim Betrieb eines Kraftfahrzeugs geschaffen worden
ist, ist diesem Betrieb grundsätzlich auch dann noch zuzurechnen, wenn sie fortdauert.
Ein naher zeitlicher Zusammenhang des Unfalls mit dem Betrieb des Kraftfahrzeugs ist
nicht erforderlich (vgl. BGH NJW 1982, S. 2669 f.).
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Die Kammer stimmt dem Kläger insoweit zu, als der Beklagte hier durch das
Beschädigen des Hinweisschildes eine Gefahrenquelle geschaffen und diese
Gefahrenquelle fortgedauert hat, da das Schild nicht wieder aufgerichtet worden ist.
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Der Bundesgerichtshof nimmt jedoch nur dann eine Fortdauer der Betriebsgefahr an,
wenn der innere Zusammenhang nicht unterbrochen ist (vgl. BGH a.a.O.). Im
vorliegenden Fall geht die Kammer aber davon aus, dass der Kausalzusammenhang
durch das Herbeirufen der Polizei und die Unfallaufnahme durch diese den
Kausalzusammenhang unterbricht. Bis zum Eintreffen der Polizei war es Aufgabe des
Beklagten, die Unfallstelle und die von dem fehlenden Schild ausgehende Gefahr
abzusichern. Mit dem Eintreffen der Polizei ist die weitere langfristige Sicherung der
Unfallstelle jedoch Aufgabe der zuständigen Behörden und kann von dem Beklagten
nicht mehr verlangt werden. Insbesondere bei der Beschädigung größerer
Verkehrszeichen, wie z.B. einer Lichtzeichenanlage, kann von dem Unfallschädiger
nicht verlangt werden, den betroffenen Verkehrsbereich abzusichern. Der Beklagte darf
daher mit dem Eintreffen der Polizei darauf vertrauen, dass diese entweder selbst
notwendige Sicherungsmaßnahmen einleitet oder die zuständige Behörde umgehend
informiert. Ab diesem Zeitpunkt kann ein innerer Zusammenhang nicht mehr
angenommen werden, so dass der Betrieb des Fahrzeugs des Beklagten nicht mehr
fortdauerte, als der Kläger auf die Verkehrsinsel auffuhr.
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Dem Kläger stehen gegenüber dem Beklagten auch keine Schadensersatzansprüche
gem. § 823 BGB aus unerlaubter Handlung zu. Insoweit ergibt sich aus den
vorstehenden Ausführungen, dass den Beklagten zwar ursprünglich eine
Verkehrssicherungspflicht bezüglich der Unfallstelle getroffen hat. Diese
Verkehrssicherungspflicht endete aber nach der Unfallaufnahme durch die Polizei.
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Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den § 97, 708 Nr.10 ZPO.
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Die Revision war nicht gem. § 543 Abs.2 ZPO zuzulassen, da die vorliegende
Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und weder die Fortbildung des
Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des
Revisionsgericht erfordert.
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