Urteil des LG Dortmund vom 11.05.1987

LG Dortmund (behandlung, höhe, behandlungsfehler, folge, befund, versorgung, bemessung, fahrtkosten, eingliederung, beginn)

Landgericht Dortmund, 17 O 39/86
Datum:
11.05.1987
Gericht:
Landgericht Dortmund
Spruchkörper:
17. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
17 O 39/86
Tenor:
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin ein
weiteres Schmerzensgeld von 10.000,— DM ( i.W. zehn -
tausend Deutsche Mark) nebst 4 % Zinsen seit dem 01.
Dezember 1985 sowie weitere 1.170,-- DM (i.W. eintau-
Sendeinhundertundsiebzig Deutsche Mark) nebst 4 % Zin-
sen seit dem 07. Januar 1987 zu zahlen.
Ferner wird festgestellt, daß der Beklagte verpflichtet
ist, der Klägerin auch den weiteren Schaden aus der zahn-
ärztlichen Behandlung zwischen dem 20. August 1984 und
dem 30. April 1985 zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht
auf öffentlich-rechtliche Leistungsträger übergegangen sind
oder übergehen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.
Das Urteil ist für die Klägerjn gegen Sicherheitsleistung
in Höhe von 15.000.- DM vorläufig vollstreckbar.
T a t b e s t a n d
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Am 20. 08.1984 suchte die damals 39-jährige Klägerin wegen
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starker Schmerzen Im Unter -und Oberkiefer die zahnärztliche
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Praxis des Beklagten auf. Der Beklagte diagnostizierte
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aufgrund des erhobenen Röntgenbefundes eine Paradontitis
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chronica. Er riet der Klägerin zur umfangreichen Extraktion
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seiner Ansicht nach nicht erhaltungswürdiger Zähne und zur
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Eingliederung eines teils festen, teils herausnehmbaren
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Zahnersatzes.
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Im weiteren Verlauf der Behandlung extrahierte der Beklagte
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die Schneidezähne 11, 12., 21, 22, 31, 32, 41, 42, die
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gelockert und wegen des starken sagittalen Knochenabbaus bis
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zum unteren Drittel der Wurzel sichtbar waren. Da die Zähne
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seiner Ansicht nach temperatur- und perkussionsempfindlich
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waren, hielt er sie klinisch nicht für erhaltungswürdig. Im
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Oberkiefer links extrahierte er die Zähne 24, 25 und 26 sowie
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im Unterkiefer links den Weisheitszahn 38.
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Zur prothetischen Versorgung gliederte er am31.01.1985 im
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Unterkiefer links eine Brücke sowie eine herausnehmbare
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Prothese rechts und im Oberkiefer eine feste Brücke ein.
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Da die prothetische Versorgung jedoch nicht gelungen war, kam
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es auf der linken Kieferhälfte nur zu einer punktuellen
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Okklusion. Die Klägerin versuchte diese durchein geändertes
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Kauverhalten auszugleichen mit der Folge, daß sich die
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Kiefermuskulatur verspannte, weil sie die Zähne beim Kau-
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vorgang überlastete. Die Klägerin litt deshalb in der
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Folgezeit vermehrt unter Kopfschmerzen sowie neuromuskulären
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Beschwerden. Insgesamt 12 Nachbehandlungsversuche des
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Beklagten erbrachten keine Linderung, so daß die Klägerin ab
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dem 30.04.1985 eine weitere Behandlung durch ihn ablehnte.
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Durch Vermittlung ihrer Krankenkasse suchte sie zunächst am
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05.08.1985 den Zahnarzt F in E und am
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27.08.1985 den Zahnarzt Dr. C in M auf. Beide Ärzte
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kamen in Ihren Stellungnahmen übereinstimmend zu dem
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Ergebnis, daß der vom Beklagten eingegliederte Zahnersatz
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weder ausreichende Okklusion noch Artikulation habe und
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optisch ein wenig ansprechendes Bild bot. Das von Dr. C
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vorgenommene Einschleifen der Prothesen brachte der Klägerin
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spontan eine Linderung der druckdolenten Kaumuskulatur.
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Seit Dezember 1985 befindet sich die Klägerin in zahn-
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ärztlicher Behandlung in der Universitäts- Zahnklinik in
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N, in deren Verlauf die vom Beklagten gefertigten
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Prothesen entfernt und zunächst durch ein Provisorium ersetzt
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Wurden.
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Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Ersatz Ihres materiellen
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Schadens und auf Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes
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in Anspruch und begehrt darüber hinaus die Feststellung
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seiner Ersatzpflicht für Zukunftsschäden.
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Sie behauptet, die Extraktion der Zähne sei fehlindiziert
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gewesen, da schon eine Parodontopathie- Behandlung zur
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Linderung ihrer Schmerzen und zum Erhalt ihrer Zähne aus-
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gereicht hätte. Der vom Beklagten gefertigte und ihr ein-
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gepaßte Zahnersatz sei fehlerhaft und für sie wertlos
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gewesen, da es ihm auch bei zwölf Nachbehandlungen nicht
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gelungen sei, den Zahnersatz funktionsfähig zu machen. Der
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Beklagte habe sie auch nicht über mögliche Behandlungs-
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alternativen informiert und somit seine Aufklärungspflicht
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verletzt.
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Die Klägerin beantragt,
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1. den Beklagten zu verurteilen,
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a) an sie ein angemessenes Schmerzensgeld zu
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zahlen, dessen Höhe in das Ermessen des
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Gerichtes gestellt wird –Mindestvorstellung:
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10.000,- DM -, nebst 4 % Zinsen seit dem
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01.12.1985 abzüglich gezahlter 1.500,—DM,
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b) an sie 1.170,-DM nebst 4% Zinsen seit dem
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07.01.1987 zu zahlen;
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2. festzustellen, daß der Beklagte verpflichtet
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ist, Ihr auch den weiteren Schaden aus der
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zahnmedizinischen Fehlbehandlung zwischen
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September 1984 und dem 30.04.1985 zu ersetzen,
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soweit Ersatzansprüche nicht auf öffentlich-
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rechtliche Leistungsträger übergegangen sind.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er bestreitet das Vorliegen eines schuldhaften Behandlungs-
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fehlers. Die Extraktion der Zähne sei indiziert gewesen, da
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sie perkussions- und temperaturempfindlich und somit nicht
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mehr erhaltungswürdig gewesen seien. Unter diesen Umständen
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sei die von Ihm gewählte prothetische Versorgung angezeigt
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gewesen. Die von der Klägerin geschilderten Schmerzen seien
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psychogen bedingt und Ausdruck eines myofacialen Schmerz-
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syndroms.
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Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf
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den vorgetragenen lnhalt ihrer Schriftsätze und der
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überreichten Anlagen Bezug genommen. Die Kammer hat Beweis
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erhoben durch Vernehmung des Leiters der Abteilung Zahn-
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ärztliche Prothetik der Poliklinik und Klinik für Zahn-,
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Mund- und Kieferkrankheiten der Westfälischen X
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Universität in N, Prof. Dr. med. dent. O
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als medizinischen Sachverständigen. Wegen des
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Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt der
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Sitzungsniederschrift vom 11.05.1987 Bezug genommen.
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E n t sch e i d u n g s g r ü n d e
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Die Klage ist begründet.
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Der Beklagte ist verpflichtet, an die Klägerin ein
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Schmerzensgeld (§ 847 BGB) in Höhe von weiteren 10.000,—DM
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sowie zum Ausgleich der ihr infolge der zahnärztlichen
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Behandlung in der Universitäts-Zahnklinik in N ent-
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standenen Fahrtkosten einen Betrag, von 1. 170 ,-- DM zu zahlen.
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Er hat darüber hinaus der Klägerin allen materiellen und
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immateriellen Zukunftsschaden zu ersetzen, der ihr aus der
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zahnprothetischen Fehlbehandlung in der Zeit vom 26.08.1984
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bis 30.04.1985 noch entstehen wird, soweit die Ansprüche.
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nicht auf öffentlich- rechtliche Leistungsträger übergegangen
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sind.
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Zur Überzeugung der Kammer hat die Beweisaufnahme ergeben,
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daß dem Beklagten bei der zahnprothetischen Behandlung der
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Klägerin schuldhafte Behandlungsfehler unterlaufen sind. Bei
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dieser Beurteilung stützt sich die Kammer im wesentlichen auf
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das Gutachten des Sachverständigen Prof.Dr. O, der
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als hoch renommierter und sehr erfahrener Zahnprothetiker zur
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Beurteilung gerade der hier in Rede stehenden Problematik in
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besonderem Maße berufen ist.
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Nach den Ausführungen des Sachverständigen ist davon aus-
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zugehen, daß die Extraktion der Schneidezähne 11,12, 21, 22,
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31, 32, 41, 42, des Zahnes 25 im Oberkiefer links und des
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Weisheitszahnes 38 zum damaligen Zeitpunkt fehlindiziert war.
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Zwar konnte der Beklagte den damaligen Röntgenaufnahmen
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entnehmen, daß die Beklagte an einer Parodontopathie, einer
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Vorstufe zur Parodontitis, litt. Ihre Erkrankung war jedoch
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nicht so weit fortgeschritten, daß der Befund die Extraktion
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der Zähne rechtfertigte. In der Zahnmedizin gilt nämlich der
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allgemein anerkannte Grundsatz, daß eine Zahnextraktion erst
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als letzte Behandlungsmöglichkeit indiziert ist, wenn
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konservierende Behandlungsalternativen zu keiner Besserung
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geführt haben. Die konservierende Behandlungsmöglichkeit ist
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vor allen Dingen bei einer Erkrankung des Patienten an
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Parodontopathie dringend angezeigt, da die systematische
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Parodontal-Behandlung in den letzten Jahren erheblich fortentwickelt
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worden ist und vielfach zu durchgreifenden Besserungen des Gesund,-
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heitszustandes führt. Diesen in der Zahnmedizin
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geltenden Grundsatz hat der Beklagte nicht beachtet, als er
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ohne den Versuch einer systematischen Parodontal- Behandlung
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unternommen zu haben, sofort die acht Schneidezähne sowie den
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Zahn 5 oben links und den Weisheitszahn 8 unten links
136
extrahierte. Von der systematischen Parodontal- Behandlung
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darf auch dann nicht abgesehen werden, wenn, wie der Beklagte
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behauptet, die Klägerin zu Beginn der Behandlung über
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Schmerzen an den bereits gelockerten Schneidezähnen geklagt
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haben sollte. Auch in diesem Fall ist eine Behandlung der
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Parodontopathie indiziert. Hierdurch kann nämlich das
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Parodontium gesunden, so dass die Zähne, selbst wenn sie etwas
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gelockert bleiben, durchaus noch ihre Funktion erfüllen können.
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Von einer Parodontal- Behandlung hätte der Beklagte nur absehen
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dürfen, wenn bei der Klägerin damals eine sogenannte pro-
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gessive Parodontopathie vorgelegen hätte. In diesem Falle
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hätte eine systematische Behandlung zu keinem Erfolg geführt,
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so daß bei diesem Befund die Extraktion indiziert gewesen
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wäre. Für das Vorliegen dieses Befundes bei Beginn der
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Behandlung der Klägerin ergeben sich jedoch keine Anhalts-
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punkte, und zwar weder aus den von dem Beklagten gefertigten
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Röntgenaufnahmen noch aus seiner Dokumentation, so daß die
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sofortige Extraktion der Zähne hier fehl indiziert war.
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Hier ist dem Beklagten mit seiner gewählten Behandlungs-
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methode ein vorwerfbarer Behandlungsfehler unterlaufen.
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Es liegen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, daß eine
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Parodontal- Behandlung bei der Klägerin erfolglos geblieben
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und deshalb die Extraktion der Zähne schließlich notwendig
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gewesen wäre. Nach den überzeugenden Ausführungen des
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Sachverständigen ist vielmehr davon auszugehen, dass die
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extrahierten Schneidezähne sowie die Zähne 5 oben links und 8
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unten links bei einer Parodontal- Behandlung gute Chancen
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hatten, daß das paradontium gesundete und so die Zähne
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erhalten werden konnten. Hierfür spricht nach den Röntgen-
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aufnahmen insbesondere auch der Umstand, daß zum Beispiel
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beim Zahn 3 oben links der Parodontopathie- Befund ausge-
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prägter ist als bei den extrahierten Schneidezähnen, der Zahn
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oben links aber noch heute erhalten ist.
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Beider Eingliederung des Zahnersatzes sind dem Beklagten
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weitere schuldhafte Behandlungsfehler unterlaufen.
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Nach den Ausführungen des Sachverständigen ist die Okklusion
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bei dem eingegliederten Zahnersatz trotz sichtbarer Ein-
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schleifmaßnahmen nicht gelungen. Hiervon konnte sich die
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Kammer anhand der in der Universitäts- Zahnklinik N
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gefertigten Modelle des Ober- und Unterkiefers der Klägerin,
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die zu Beginn ihrer Behandlung in der Klinik gefertigt worden
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waren, überzeugen. Die unzureichende .Okklusion beruhte
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darauf, dass die Bißnahme, d.h. die Stellung der Zahnreihe Im
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Oberkiefer zu derjenigen im Unterkiefer, nicht gelungen ist.
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Ein solcher Fehler in der Gebissnahme ist zwar im allgemeinen
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nicht schwerwiegend und durch instrumentelles Nachregulieren
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korrigierbar. Diese Möglichkeit schied jedoch hier bei der
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Klägerin infolge eines weiteren gravierenden Behandlungs-
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fehlers aus. Bei den vom Beklagten angepaßten Prothesen im
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Oberkiefer sind vier von fünf Kronen und im.Unterkiefer fünf Kronen
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teilweise deutlich seitlich versetzt auf die Zahnhälse
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aufgesetzt worden, wie die vom Sachverständigen angefertigte
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Panoramaaufnahme deutlich zeigt. Hierdurch sind bei der
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Klägerin im Bereich der Kronenränder zwischen den Kronen und den
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Zahnhälsen Hohlräume entstanden, die, wie die Kammer als
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Spezialkammer für Arzthaftpflichtsachen aufgrund ihrer Erfahrung
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Aus vergleichbaren Fällen weiß, ideale
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Nährböden für Bakterienbesiedlung bilden und zu schmerzhaften
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Entzündungen im Kieferbereich führen können. Der Beklagte
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hätte bei Eingliederung der Prothesen ernennen müssen, daß
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die vom Zahnprothektiker gefertigten Kronen nicht mit den
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Zahnstümpfen schlossen und daher davon absehen müssen, diesen
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Zahnersatz einzupassen. Daß er die Prothesen trotz Ihrer
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erkennbar gravierenden Mängel eingliederte, ist ihm als weiterer
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schuldhafter Behandlungsfehler zur Last zu legen. Die
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eingepaßten Prothesen entsprachen aufgrund dieser Mängel
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nicht einer ausreichenden zahnärztlichen Versorgung und
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mußten deshalb in der Universitäts-Zahnklinik N
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entfernt werden.
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Infolge der fehlsamen Behandlung hatte die Klägerin gut zwei
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Jahre unter einer Myoarthopathie mit Dauerschmerz zu leiden.
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Diese Schmerzen rührten daher, daß der Mensch
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zu einem festeren Zubeißen neigt, wenn auf einer Gebißhälfte
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keine Okklusion yorhanden ist. Hierdurch überanstrengt er
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- wie dies auch bei der Klägerin geschehen ist - die Kaumuskulatur
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und das Kiefergelenk, so daß Schmerzen auftreten.
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Hinzu kamen bei der Klägerin auch die Schmerzen von den
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lokalen Entzündungen als Folge der nicht gut schließenden
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Kronenränder.
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Die dem Beklagten bei der zahnprothetischen Behandlung
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unterlaufenen schuldhaften Behandlungsfehler und die hier-
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durch der Klägerin entstandenen Schmerzen und Unbilligkeiten
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rechtfertigen die Zubilligung eines Schmerzensgeldes, das die
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Kammer unter Berücksichtigung des von der Haftpflichtver-
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sicherung des Beklagten vorgerichtlich gezahlten Betrages von
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1.500,- DM mit einem weiteren Betrag von 10.000,- DM für
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erforderlich, aber andererseits auch für angemessen erachtet.
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Bei der Bemessung der Höhe des Schmerzensgeldes war zu
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berücksichtigen, daß sich die Klägerin infolge der fehlsamen
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zahnprothetlschen Behandlung einer langwierigen Nachbe-
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handlung unterziehen mußte, die bis heute noch nicht ab-
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geschlossen ist, da die Krankenkasse der Klägerin zur
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Übernahme der für die Anfertigung einer neuen Zahnprothetik
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notwendigen Kosten bisher nicht bereit war. Noch heute trägt die
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Klägerin deshalb ein Provisorium. Diese Behandlung war für sie
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mit verständlich starken Schmerzen verbunden, die
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nicht zuletzt von den lokalen Entzündungen als Folge der
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nicht gutschließenden Kronenränder und der Überanstrengung
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ihrer Kaumuskulatur wegen der unzureichenden Okklusion
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herrührten. Hierdurch hat die Klägerin eine nicht unbe-
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trächtliche Einbuße an Lebensfreude erlitten und ist in ihrer
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Lebensführung eingeschränkt worden. Diese Einbußen wird sie
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auch in Zukunft noch erfahren. Diese Umstände waren bei der
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Bemessung der Höhe des Schmerzensgeldes für die Kammer
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entscheidend. Immerhin hat nämlich die Klägerin in noch
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Jungen Jahren bereits elf erhaltungswürdige Zähne verloren,
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ohne daß für ihre Extraktion ein ausreichender Befund vorlag.
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Gerade die fehlsame Extraktion der Sohneidezähne hat für die
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Klägerin die schwerwiegende Folge, daß bei ihr nunmehr ein
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Fester Zahnersatz nicht mehr eingegliedert werden kann. Die
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herausnehmbaren Prothesen im Ober- und Unterkiefer werden sie
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in ihrer Lebensführung erheblich beeinträchtigen. Die neuen
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Prothesen bedürfen gründlicherer Pflege und sind gegen
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Schäden eher anfällig, als feste im Kieferbereich einge-
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gliederte Zahnprothesen. Dieser Umstand wird von der
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Klägerin als einer noch Jungen Frau wesentlich intensiver
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als von anderen Menschen in vergleichbarer Situation em-
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funden, was die Zubilligung eines vergleichbar hohen
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Schmerzensgeldes rechtfertigt.
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Der Beklagte ist darüber hinaus verpflichtet, der Klägerin
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die Fahrtkosten zu der Universitäts- Zahnklinik in N zu
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ersetzen, die sie mit 65 Fahrten a 130 km zu 0,50 DM/km mit
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insgesamt 1.170,- DM angemessen berechnet hat. Erst
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die gravierenden Folgen seiner fehlsamen zahnprothetischen
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Behandlung haben es nämlich erfordert, daß sich die Klägerin
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in die Behandlung einer Spezialklinik begeben mußte.
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Zinsen kann die Klägerin für den Schmerzensgeldbetrag sowie
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für die Erstattung der Fahrtkosten In beantragter Höhe gemäß
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§§ 286, 288 Abs. 1 BGB verlangen.
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Der Feststellungsantrag der Klägerin ist begründet, weil sie
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angesichts der durch die fehlerhafte zahnprothetische Behandlung
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entstandenen und möglicherweise noch zu erwartenden
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materiellen und immateriellen Schäden ein rechtliches
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Interesse im Sinne des § 256 Abs.1 ZPO an der Feststellung
270
einer bestehenden Ersatzpflicht des Beklagten hat. Im-
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materielle Zukunftsschäden wird sie allerdings nur ersetzt
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verlangen können, soweit diese auf der fehlerhaften Behandlung
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des Beklagten beruhen und Schäden betreffen, die nicht
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bereits durch den ihr zuerkannten Schmerzensgeldbetrag
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abgedeckt sind. Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes hat
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die Kammer nämlich bereits alle entstandenen Unbilligkelten
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berücksichtigt, insbesondere die ihr durch das Tragen eines
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herausnehmbaren Zahnersatzes auch zukünftig entstehenden
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Unannehmlichkeiten.
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Für die Zuerkennung eines immateriellen Zukunftsschadens bleibt
281
somit nur für solche Unbilligkeiten Raum, die bisher nicht erkennbar
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sind.
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Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 ZPO, diejenige
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für die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 709 Satz 1 ZPO.
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