Urteil des LG Dortmund vom 22.08.2008

LG Dortmund: geschäftsführender gesellschafter, stille gesellschaft, beendigung, widerklage, rangrücktritt, deckung, gegenleistung, verdacht, kündigung, rate

Landgericht Dortmund, 3 O 187/08
Datum:
22.08.2008
Gericht:
Landgericht Dortmund
Spruchkörper:
3. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
3 O 187/08
Tenor:
Es wird festgestellt, dass dem Kläger in dem Insolvenzverfah-ren über
das Vermögen der K GmbH, I-straße, E, eine Insol-venzforderung in
Höhe von 974,13 € (in Worten neunhundert-vierundsiebzig 13/100 Euro)
zusteht.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Der Kläger wird verurteilt, an den Beklagten zu 1) 11.186,62 € (in
Worten: elftausendeinhundertsechsundachtzig 62/100) nebst Zinsen in
Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basis-zinssatz seit dem
01.09.2007 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des
vollstreckbaren Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
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Der Beklagte zu 1) ist Insolvenzverwalter in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen
der Insolvenzschuldnerin K GmbH, I-straße, E. Das Insolvenzverfahren wurde durch
Beschluss des Amtsgerichts Dortmund vom 01.09.2007 - 257 IN 67/07 – aufgrund des
Insolvenzantrages der Insolvenzschuldnerin vom 07.05.2007 eröffnet.
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Der Kläger war in der Zweigniederlassung der Insolvenzschuldnerin in G als
Rechtsanwalt tätig.
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Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger die Feststellung einer
Darlehensforderung gegen die Insolvenzschuldnerin in Höhe von 50.000,00 EUR nebst
Zinsen und einer Forderung auf Umsatzbeteiligung in Höhe von 974,13 EUR zur
Insolvenztabelle. Mit der Widerklage begehrt der Beklagte zu 1) die Rückzahlung der an
den Kläger von der Insolvenzschuldnerin geleisteten Zahlungen.
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Am 24.10.2005/25.10.2005 schlossen der Kläger und die Insolvenzschuldnerin einen
formularmäßigen als Partnerschaftsvertrag überschriebenen Vertrag ab, der folgende
Regelungen enthält:
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" Ziffer I: Die Beteiligten werden die gebotenen und zweckdienlichen Maßnahmen
einleiten, damit der Partner unverzüglich geschäftsführender Gesellschafter der GmbH
wird. Die Beteiligung am Stammkapital der GmbH wird sich dabei wegen der Vielzahl
der im gemeinsamen Interesse an der Durchsetzung des Konzeptes in Deutschland
gewünschten Partner auf 100,00 EUR belaufen. Der Partner wird seine anwaltliche
Tätigkeit in einer Zweigniederlassung ausüben."
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Das Stammkapital der Insolvenzschuldnerin betrug 26.000,00 EUR.
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"Ziffer II: Die GmbH verpflichtet sich zu folgenden Leistungen…u.a. zur Überlassung von
Kanzleiräumen, technischen Infrastruktur, Verwaltung, Marketing."
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"Ziffer III: Als Gegenleistung verpflichtet sich der Partner der Gesellschaft ein
Gesellschafterdarlehen in Höhe von 50.000,00 EUR bis zum 03.11.2005 zur Verfügung
zu stellen. Das Darlehen ist auf das Konto der Beklagten zu 2) zu leisten."
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"Ziffer V: Für den Partner werden im Rechnungswesen der GmbH ein festes
Einlagenkonto, ein Verrechnungskonto und ein Darlehenskonto geführt. Auf dem
Darlehenskonto wird das Darlehen des Partners verbucht. Das Darlehen ist gegenüber
den Forderungen außenstehender, gesellschaftsfremder Gläubiger nachrangig
(kapitalersetzendes Gesellschafterdarlehen)."
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"Ziffer VI: Der Partner ist berechtigt als Gewinn vorab Entnahmen bis zu 1.666,67 EUR
monatlich zu Lasten seines Verrechnungskontos zu tätigen…Das Recht auf den Gewinn
vorab entfällt ferner mit der Beendigung der rechtsanwaltlichen Tätigkeit."
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"Ziffer VII: Der vorliegende Vertrag kann von beiden Vertragsbeteiligten mit einer Frist
von acht Wochen zum Ablauf des ersten Jahres der Tätigkeit des Partners gekündigt
werden (Sonderkündigungsrecht)."
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"Ziffer VIII: Bei Beendigung der Partnerschaft steht dem Partner ein
Auszahlungsanspruch zu. Dieser errechnet sich aus dem Saldo der Summen der für
den Partner bei der Gesellschaft geführten Konten. Im Fall einer ordentlichen Kündigung
dieses Vertrages erhält der Partner zusätzlich eine Abfindung unter entsprechender
Anwendung der Regeln zum Ausgleichsanspruch des § 89b HGB… Das
Auseinandersetzungsguthaben ist in drei gleichen Monatsraten auszuzahlen. Die erste
Rate ist zwei Monate nach Beendigung der gesellschaftsrechtlichen Mitgliedschaft
fällig."
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Am 01.11.2005 überwies der Kläger an die Insolvenzschuldnerin einen Betrag in Höhe
von 50.000,00 EUR. Am 15.12.2005 nahm der Kläger seine Tätigkeit in der G
Zweigniederlassung der Insolvenzschuldnerin auf. Der Kläger wurde weder
Gesellschafter noch Geschäftsführer der Insolvenzschuldnerin.
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Seit dem 15.04.2006 war der Kläger für die Insolvenzschuldnerin nicht mehr tätig. Mit
Schreiben vom 05.10.2006 kündigte der Kläger den mit der Insolvenzschuldnerin
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geschlossenen Vertrag zum 15.12.2006. Mit Schreiben vom 18.10.2006 bestätigte die
Insolvenzschuldnerin die Kündigung.
Die Insolvenzschuldnerin leistete an den Kläger folgende Zahlungen, insgesamt in
Höhe von 11.186,62 EUR:
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Am 19.07.2006 470,21 EUR
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04.08.2006 1.000,00 EUR
18
06.09.2006 470,21 EUR
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11.10.2006 1.478,05 EUR
20
19.10.2006 1.478,05 EUR
21
08.11.2006 1.478,05 EUR
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20.12.2006 1.478,05 EUR
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26.01.2007 1.667,00 EUR
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19.02.2007 1.667,00 EUR
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Mit Schreiben vom 29.10.2007 meldete der Kläger die Klageforderung im
Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH an. Die Beklagten bestritten die
Forderung.
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Für den Fall der Anerkennung der Forderung würde dem Kläger eine Insolvenzquote in
Höhe von 62,75 % zustehen.
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Die Beklagten verzichteten auf die Schiedseinrede.
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Der Kläger ist der Ansicht, bei dem Darlehensrückzahlungsanspruch handele es sich
nicht um eine nachrangige Insolvenzforderung. Entgegen der Formulierung in dem
Partnerschaftsvertrag stelle das gewährte Darlehen kein kapitalersetzendes
Gesellschafterdarlehen dar, weil der Kläger zu keinem Zeitpunkt Gesellschafter der
Insolvenzschuldnerin gewesen sei und am Kapital der Insolvenzschuldnerin nicht
beteiligt gewesen sei und deshalb schon rein begrifflich ein Gesellschafterdarlehen
nicht in Betracht komme. Das Darlehen sei in Ziffer III des Vertrages auch als
Gegenleistung für das Zurverfügungstellen von Mittel durch die Insolvenzschuldnerin
vereinbart worden. Außerdem habe sich die Insolvenzschuldnerin zum Zeitpunkt der
Darlehensgewährung nicht in einer Krise befunden. Der Kläger habe die
Darlehensrückzahlung bereits am 15.04.2006 gefordert, so dass auch kein
Stehenlassen des Darlehens in Betracht komme.
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Der Rangrücktritt sei nur für den Fall vereinbart worden, dass der Kläger Gesellschafter
der Insolvenzschuldnerin werde. Die Rangrücktrittsregelung müsse dahin ausgelegt
werden, dass der Kläger, solange er kein Gesellschafter geworden wäre, das Darlehen
lediglich als Gegenleistung zu gewähren gehabt hätte, weil derartige
Rangrücktrittserklärungen typischerweise von Gesellschaftern und nicht von Dritten
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abgegeben werden.
Der Kläger ist weiterhin der Ansicht, bei dem Partnerschaftsvertrag handele es sich nicht
um einen Vertrag auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts. Die Klausel in Ziffer V des
Vertrages stelle eine allgemeine Geschäftsbedingung dar. Sie sei nach dem
Erscheinungsbild des Vertrages ungewöhnlich und daher unwirksam, weil die
Vereinbarung eines Rangrücktritts für einen Rückzahlungsanspruch aus dem
Darlehensvertrag atypisch sei. Die Rangrücktrittsklausel stelle außerdem eine
unangemessene Benachteiligung des Klägers dar, weil der Kläger einerseits das Risiko
der Nachrangigkeit seiner Forderung zu tragen habe, andererseits aber kein
Gesellschafter der GmbH sei.
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Der Kläger behauptet, die GmbH schulde ihm Umsatzbeteiligungen für Dezember 2005
in Höhe von 10.92 EUR brutto, für Juli, August, September insgesamt in Höhe von
483,09 EUR brutto und für Oktober, November, Dezember 2006 insgesamt in Höhe von
40,12 EUR brutto.
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Der Kläger beantragt,
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festzustellen, dass dem Kläger in dem Insolvenzverfahren über
das Vermögen der K GmbH, I-straße, E, eine
Insolvenzforderung in Höhe von 52.771,35 EUR zusteht.
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Die Beklagten beantragen,
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die Klage im Hinblick auf die Feststellung, dass dem Kläger in
dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der K GmbH, I-
straße, E eine Insolvenzforderung in Höhe von 51.797,22 EUR
zusteht, abzuweisen. Im Übrigen erkennen die Beklagten die
Klageforderung an.
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Der Beklagte zu 1) beantragt,
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widerklagend den Kläger zu verurteilen, an den Beklagten zu
1) 11.186,62 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten
über dem Basiszinssatz seit dem 01.09.2007 zu zahlen.
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Der Kläger beantragt,
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die Widerklage abzuweisen.
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Der Beklagte zu 1) behauptet, die Partnerdarlehen hätten die Anfangsverluste in der
Aufbauphase der Geschäftstätigkeit der Insolvenzschuldnerin decken müssen und die
Provisionsansprüche der einzelnen Partner, für den Fall, dass diese zu niedrige oder
gar keine Umsätze erwirtschaftet hätten, finanzieren müssen. Deshalb habe jeder
Partner vor Beginn seiner Tätigkeit der Insolvenzschuldnerin ein Darlehen in Höhe von
50.000,00 EUR zur Verfügung stellen müssen. Die Partnerdarlehen mit Rangrücktritt
hätten außerdem die wegen des niedrigen Stammkapitals in Höhe von 26.000,00 EUR
mögliche Gefahr einer insolvenzrechtlich relevanten Überschuldung abwenden müssen.
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Mit der Widerklage erklärt der Beklagte zu 1) die Insolvenzanfechtung der von der
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Insolvenzschuldnerin an den Kläger geleisteten Zahlungen in Höhe von 11.186,62 EUR
wegen vorsätzlicher Gläubigerbenachteiligung. Der Beklagte zu 1) behauptet, bei den
Zahlungen an den Kläger habe es sich um Darlehensrückzahlungen gehandelt. Die
Liquiditätskrise der Insolvenzschuldnerin habe spätestens im März 2006 begonnen. Zu
dem Zeitpunkt sei die Insolvenzschuldnerin nicht in der Lage gewesen, die
Honoraransprüche der Partner für die Monate Februar und März 2006 rechtzeitig zu
zahlen.
Der Kläger behauptet, bei den Zahlungen handele es sich um Entnahmen, teilweise um
Gewinnvorabentnahmen. Die Insolvenzschuldnerin habe die Zahlungen unter
Verwendungszweck als Entnahmen deklariert.
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Entscheidungsgründe
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Die Klage ist in Höhe von 974,13 EUR begründet. Im Übrigen ist die Klage
unbegründet. Die Widerklage ist begründet.
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Dem Kläger steht in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der K GmbH, I-straße,
44137 Dortmund eine Insolvenzforderung nach § 38 InsO in Höhe von 974, 13 EUR zu.
Die Beklagten haben die Forderung als Insolvenzforderung gemäß § 38 InsO in der
mündlichen Verhandlung anerkannt.
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Der Anspruch des Klägers auf Rückzahlung des gewährten Darlehens gemäß Ziffer VIII
des Vertrages steht dem Kläger in dem Insolvenzverfahren allerdings nicht als
Insolvenzforderung nach § 38 InsO zu. Bei dem Darlehensrückzahlungsanspruch
handelt es sich um eine nachrangige Forderung im Sinne des § 39 InsO.
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Dies folgt bereits aus der Regelung in Ziffer V des Vertrages. In Ziffer V des Vertrages
haben die Parteien sowohl einen Rangrücktritt gegenüber den Forderungen
außenstehender, gesellschaftsfremder Gläubiger als auch die Funktion des gewährten
Darlehens als kapitalersetzendes Gesellschafterdarlehen vereinbart. Forderungen auf
Rückgewähr des kapitalersetzenden Darlehens eines Gesellschafters oder
gleichgestellte Forderungen sind im Insolvenzverfahren jedoch gemäß § 39 I Nr. 5 InsO
nachrangige Insolvenzforderungen.
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Die Regelung in Ziffer V des Vertrages ist auch nicht einschränkend dahin zu verstehen,
dass der Rangrücktritt und die Funktion als kapitalersetzendes Darlehen nur unter der
Bedingung vereinbart wurden, dass der Kläger geschäftsführender Gesellschafter der
Insolvenzschuldnerin wird. Für diese einschränkende Auslegung sind keine
Anhaltspunkte gegeben. Aus dem Wortlaut der Vertragsurkunde lässt sich eine solche
Bedingung nicht entnehmen. Die Ziffer III des Vertrages regelt sogar das Gegenteil, weil
das Darlehen bereits unmittelbar nach dem Vertragsschluss bis zum 03.11.2005
geleistet werden sollte. D.h. zu einem Zeitpunkt, zu dem der Kläger noch nicht
geschäftsführender Gesellschafter der Insolvenzschuldnerin werden konnte. Auch im
Hinblick auf die Regelung in Ziffer I des Vertrages kann diese Bedingung nicht
angenommen werden. Die Ziffer I des Vertrages enthält keine Verpflichtung der
Insolvenzschuldnerin zur Übertragung von Gesellschaftsanteilen. Nach seinem Wortlaut
und der systematischen Stellung, da die Pflichten der Insolvenzschuldnerin in Ziffer II
des Vertrages geregelt sind, beinhaltet Ziffer I des Vertrages lediglich
Absichtserklärungen. Außerdem spricht die beabsichtigte Beteiligung am Stammkapital
in Höhe von nur 100,00 EUR dafür, dass die Stellung des Klägers als
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geschäftsführender Gesellschafter für das mit dem Partnerschaftsvertrag verfolgte Ziel,
nämlich dem Kläger den Berufseintritt zu erleichtern, eher eine untergeordnete Rolle
spielen sollte.
Unschädlich ist auch, dass der Kläger kein Gesellschafter der Insolvenzschuldnerin war.
Denn auch ein stiller Gesellschafter, der nicht zugleich Gesellschafter der GmbH ist und
der auch nicht zugleich ein atypischer stiller Gesellschafter ist, kann mit der GmbH
vereinbaren, dass sonstige Leistungen, die er dieser gewährt, eigenkapitalersetzenden
Charakter haben sollen (BGH, Urteil vom 07.11.1988 – II ZR 46/88).
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Mit Abschluss des Partnerschaftsvertrages ist nämlich eine Innengesellschaft zwischen
der Insolvenzschuldnerin und dem Kläger begründet worden und zwar eine stille
Gesellschaft gemäß § 230 HGB mit dem Kläger als stillen Gesellschafter. Die
Insolvenzschuldnerin betrieb ein bundesweites Rechtsberatungssystem mit
verschiedenen Zweigniederlassungen. Der Kläger beteiligte sich daran, in dem er in
einer der Zweigniederlassungen der Insolvenzschuldnerin gegen eine
Umsatzbeteiligung Rechtsanwaltsdienstleistungen erbrachte.
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Der Partnerschaftsvertrag der Parteien ist weiterhin als atypische stille Beteiligung des
Klägers zu qualifizieren. Eine atypische stille Beteiligung ist anzunehmen, wenn der
stille Gesellschafter am Gesellschaftsvermögen schuldrechtlich beteiligt ist (MK, InsO, §
135, Rn. 72). Das ist hier der Fall. Denn der Partnerschaftsvertrag gewährte dem Kläger
in Ziffer VIII 2 für den Fall der ordentlichen Kündigung zusätzlich einen
Abfindungsanspruch unter entsprechender Anwendung der Regeln zum
Ausgleichsanspruch des § 89b HGB. D.h. der Auseinandersetzungsanspruch war nicht
allein auf das Guthaben des Gesellschafters beschränkt.
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Für den Fall der atypischen stillen Beteiligung ist allerdings anerkannt, dass der
atypische stille Gesellschafter den Grundsätzen zur Erhaltung des Stammkapitals
ebenso wie der GmbH-Gesellschafter unterliegt (MK, InsO, § 39, Rn. 42; BGHZ 106, 7,
BGHZ 104, 33).
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Die Vereinbarung des Rangrücktritts und der Funktion des Darlehens als
kapitalersetzendes Gesellschafterdarlehen ist auch nicht wegen eines etwaigen
Verstoßes gegen §§ 305 c und 307 BGB unwirksam. Die Frage, ob ein solcher Verstoß
überhaupt vorliegt, kann dahin stehen. Die §§ 305 c und 307 BGB sind im vorliegenden
Fall gemäß § 310 IV BGB nicht anwendbar, weil es sich bei dem Partnerschaftsvertrag
um einen Gesellschaftsvertrag handelt.
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Unschädlich ist weiterhin, dass zum Zeitpunkt der Darlehensgewährung und der
Vereinbarung des Rangrücktritts die Insolvenzschuldnerin sich nicht in einer Krise
befunden hat. Die Vereinbarung eines Rangrücktritts kann auch außerhalb einer
Notsituation für den Fall des Eintritts einer solchen vereinbart werden.
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Die Widerklage ist begründet.
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Dem Beklagten zu 1) steht gegen den Kläger ein Anspruch auf Rückzahlung der
Zahlungen der Insolvenzschuldnerin in Höhe von 11.186,62 EUR aus § 143 InsO zu.
Der Beklagte zu 1) hat die Zahlungen der Insolvenzschuldnerin an den Kläger wirksam
angefochten.
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Es liegt ein Anfechtungsgrund nach § 135 Nr. 2 InsO vor. Gemäß § 135 Nr. 2 InsO ist
eine Rechtshandlung anfechtbar, die für die Forderung eines Gesellschafters auf
Rückgewähr eines kapitalersetzenden Darlehens oder für eine gleichgestellte
Forderung Befriedigung gewährt hat, wenn die Handlung im letzten Jahr vor dem
Eröffnungsantrag oder nach diesem Antrag vorgenommen worden ist.
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So liegt der Fall hier. Die Insolvenzschuldnerin hat unstreitig Zahlungen in dem
Zeitraum vom 19.07.2006 bis 19.02.2007, d.h. im letzten Jahr vor dem
Insolvenzeröffnungsantrag vom 07.05.2007 an den Kläger erbracht. Der Kläger ist
darlegungs- und beweispflichtig dafür, dass diese Zahlungen nicht, wie der Beklagte zu
1) behauptet, auf seinen Darlehensrückzahlungsanspruch, sondern, wie der Kläger
behauptet, als Entnahmen bzw. als Gewinnvorabentnahmen erfolgt waren (Palandt, §
366, Rn. 11). Diesen Umstand hat der Kläger trotz des gerichtlichen Hinweises in der
mündlichen Verhandlung nicht substantiiert dargelegt. Gegen die Annahme, dass die
geleisteten Zahlungen die Entnahmen bzw. die Gewinnvorabentnahmen und nicht die
Darlehensrückzahlung seien sollten, spricht außerdem bereits der eigene Vortrag des
Klägers. Der Kläger hat vorgetragen, er sei ab dem 15.04.2006 für die
Insolvenzschuldnerin als Rechtsanwalt nicht mehr tätig gewesen. Danach hätte dem
Kläger gemäß Ziffer VI des Vertrages ab dem 15.04.2006 gegen die
Insolvenzschuldnerin dann aber auch kein Anspruch mehr auf Leistung von
Gewinnvorabentnahmen zugestanden. Denn gemäß Ziffer VI des Vertrages entfällt das
Recht auf den Gewinnvorab mit der Beendigung der rechtsanwaltlichen Tätigkeit. Somit
hatte das Gericht gemäß § 138 ZPO von dem Vortrag des Beklagten zu 1) auszugehen.
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Rückzahlungen auf den Darlehensrückzahlungsanspruch des Klägers begründen
allerdings den Anfechtungsgrund nach § 135 Nr. 2 InsO. Bei dem
Darlehensrückzahlungsanspruch des Klägers handelt es sich um eine der Forderung
eines Gesellschafters auf Rückgewähr eines kapitalersetzenden Darlehens
gleichgestellte Forderung. Denn die Parteien haben, wie oben dargestellt, wirksam
vereinbart, dass das gewährte Darlehen die Funktion eines kapitalersetzenden
Darlehens haben sollte.
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Ein weiterer Anfechtungsgrund ergibt sich aus § 133 I InsO. Die Zahlungen der
Insolvenzschuldnerin an den Kläger sind mit dem Vorsatz erfolgt, die Gläubiger der
Insolvenzschuldnerin zu benachteiligen. Der Kläger hatte Kenntnis von der
vorsätzlichen Benachteiligung der Gläubiger durch die Insolvenzschuldnerin. Denn die
an den Kläger geleisteten Zahlungen stellen eine inkongruente Deckung dar.
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Eine inkongruente Deckung ist bereits dann anzunehmen, wenn der Gläubiger die
Leistung früher erhält als geschuldet, also wenn der Anspruch im Zeitpunkt der Erfüllung
entweder noch nicht fällig oder befristet war (MK, InsO, § 131, Rn. 40). So liegt der Fall
auch hier. Der Darlehensrückzahlungsanspruch des Klägers war nach Ziffer VIII Nr. 4
des Vertrages erst mit der Fälligkeit der ersten Rate am 15.02.2007 fällig. Die erste Rate
war gemäß Ziffer VIII Nr. 4 nämlich erst zwei Monate nach Beendigung der
gesellschaftsrechtlichen Mitgliedschaft am 15.12.2006 fällig. Somit sind die Zahlungen
der Insolvenzschuldnerin an den Kläger bis auf die letzte Zahlung vom 19.02.2007 vor
Fälligkeit des Darlehensrückzahlungsanspruchs erfolgt. Der Anspruch auf den Voraus
in Höhe von monatlich 1.666,67 € erlosch mit der Beendigung der Tätigkeit des Klägers
im April 2006 (VI des Partnerschaftsvertrages).
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Auf Grund der Gewährung einer inkongruenten Deckung durch die
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Insolvenzschuldnerin ist vom Vorliegen der vorsätzlichen Benachteiligung der Gläubiger
durch die Insolvenzschuldnerin und vom Vorliegen der Kenntnis beim Kläger davon
auszugehen. Denn einerseits sind Schuldner im Allgemeinen nicht bereit, früher zu
leisten, als sie schulden. Tun sie dies dennoch zugunsten eines Gläubigers, liegt der
Verdacht nahe, dieser solle zum Nachteil der anderen Gläubiger begünstigt werden
(MK, InsO, § 133, Rn. 29). Andererseits hat der beweisbelastete Kläger andere diesen
Verdacht entkräftende Umstände auch nicht vorgetragen.
Das Vorliegen des Anfechtungsgrundes gemäß § 133 I InsO ist auch im Hinblick auf die
letzte Zahlung vom 19.02.2007 anzunehmen. Zwar ist in diesem Fall keine inkongruente
Deckung anzunehmen. Der bei den anderen Zahlungen der Insolvenzschuldnerin an
den Kläger angenommene Verdacht der Gläubigerbenachteiligungsabsicht und der
Kenntnis des Klägers davon erstreckt sich allerdings auch auf die Zahlung vom
19.02.2007. Denn alle Zahlungen sind auf die gleiche Forderung und im engen
zeitlichen Zusammenhang erfolgt.
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Der geltend gemachte Zinsanspruch steht dem Beklagten zu 1) gegen den Kläger aus §
143 InsO i.V.m. §§ 818 IV, 819, 291, 288 I BGB zu.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige
Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.
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