Urteil des LG Darmstadt vom 19.05.2008

LG Darmstadt: vertreter, verfügung, aushändigung, wohnung, rücktritt, geschäft, herausgabe, genehmigung, kreis, arbeitsrecht

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Gericht:
LG Darmstadt 5.
Zivilkammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
5 T 685/07
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Norm:
§ 51 Abs 1 Nr 1 BeurkG
Beurkundungen des Notars: Anspruch eines
Insolvenzverwalters auf Erteilung von Urkundenabschriften
Tenor
Auf die Beschwerde des Beteiligten ... wird der Notar angewiesen, dem
Beteiligten ... einfache Kopien der bei ihm protokollierten Kaufverträge über die in
den Wohnungsgrundbüchern von ... Blätter 3126, 3127, 3550 und 3551
eingetragenen Wohnungseigentumseinheiten im Objekt ... 38 und 40 in ... (Nrn. 3,
4, 10 und 11 des Aufteilungsplans) zur Verfügung zu stellen.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten
werden nicht erstattet.
Gründe
I.
Der Beschwerdeführer ist mit Beschluss des Amtsgerichts Friedberg vom
12.07.2004 (60 IN 100/04) zum Insolvenzverwalter über das Vermögen des ..., ...,
ernannt worden.
Zur Insolvenzmasse gehörten u. a. hälftige Miteigentumsanteile an den in den
Grundbüchern von ... verzeichneten Eigentumswohnungen Blätter 3126, 3127,
3550 und 3551, nämlich jeweils eingetragene Miteigentumsanteile an dem
Grundstück Flur 9, Flurstück 249/2 .... 38 und 40, verbunden mit den Wohnungen
Nr. 3, 4, 10 und 11 des Aufteilungsplans.
Am 18.05.2006 verkaufte die Miteigentümerin und Ehefrau des
Insolvenzschuldners sowohl im eigenen Namen als auch als vollmachtlose
Vertreterin des Insolvenzverwalters die o. g. Eigentumswohnungen an ... zu
Kaufpreisen in Höhe von 40.800,– Euro (Blatt 3126), 38.400,– Euro (Blatt 3127),
27.600,– Euro (Blatt 3550) und 25.200,– Euro (Blatt 3551). Die Verträge wurden
von dem Notar beurkundet, die genauen Nummern der Urkunden sind dem
Beschwerdeführer nicht bekannt.
Am 19.05.2006 teilten der Insolvenzschuldner, dessen Ehefrau und der Käufer der
Eigentumswohnungen ... dem Notar mit, dass ein Rücktritt von den Kaufverträgen
erfolge und die Kaufverträge nicht abgewickelt werden sollten, da der
Zwangsversteigerungstermin für die betreffenden Wohnungen nicht zurück
genommen worden sei. Damit nicht weitere Gebühren anfielen, sollte keine weitere
Vertragsbearbeitung mehr erfolgen und es sollten keine Exemplare der Verträge
verschickt werden.
Mit Schreiben der Kreissparkasse ... vom 29.05.2006 wurde der Beschwerdeführer
darüber informiert, dass Zwangsversteigerungstermin für die o. g. Wohnungen am
19.05.2008 war und Gebote in Höhe von 40.800,– Euro (Blatt 3126), 38.400,– Euro
(Blatt 3127), 27.600,– Euro (Blatt 3550) und 25.200,– Euro (Blatt 3551) abgegeben
wurden. Zudem unterrichtete die Sparkasse den Beschwerdeführer über den
Umstand, dass bzgl. der Eigentumswohnungen Kaufverträge protokolliert wurden.
Daraufhin bat der Beschwerdeführer den Notar sowohl telefonisch als auch mit
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Daraufhin bat der Beschwerdeführer den Notar sowohl telefonisch als auch mit
Schreiben vom 01.06.2006 und 08.06.2006 um Aufklärung und Übersendung von
Ablichtungen der beurkundeten Verträge.
Mit Beschluss des Amtsgerichts Gelnhausen vom 20.06.2006 wurden die o. g.
Eigentumswohnungen dem Meistbietenden ... zugeschlagen. Der Ersteher hat die
4 Wohnungen mittlerweile mit drei bei Notar ... beurkundeten Kaufverträgen (UR-
Nr. 450/06 vom 23.06.2006;, Wohnungen 3 und 4 : 110.000,– Euro; UR-Nr. 495/06
vom 06.07.2006, Wohnung 10: 115.000,– Euro; UR-Nr. 693/06 vom 07.09.2006,
Wohnung 11 : 105.000,– Euro) verkauft.
Mit Schreiben vom 18.12.2007 hat der Beteiligte zu 1) Beschwerde gem. §§ 51, 54
BeurkG eingelegt und beantragt den Notar anzuweisen, einfache Kopien
derjenigen Kaufverträge über Wohnungseigentum zur Verfügung zu stellen, die bei
ihm protokolliert worden sind und bei denen auf Verkäuferseite in Ansehung des
hälftigen Miteigentums des Hr. ... ein vollmachtloser Vertreter für den
Beschwerdeführer als Insolvenzverwalter aufgetreten ist, vornehmlich also
betreffend die in den Wohnungsgrundbüchern von ... Blätter 3126, 3127, 3550 und
3551 eingetragenen Wohnungseigentumseinheiten im Objekt ... 38 und 40 in ...
(Nrn. 3, 4, 10 und 11 des Aufteilungsplans).
Er habe von Gesetzes wegen den Anspruch, die auch in seinem Namen
errichteten notariellen Urkunden kennenzulernen, um Sach- und Rechtslage
seinem Amt entsprechend beurteilen zu können.
Der Notar hat der Beschwerde nicht abgeholfen. Er habe die Kopien dem
Beschwerdeführer auf Grund der Vertragsaufhebung vom 19.05.2008 nicht zur
Verfügung gestellt. Er sei an die Schweigepflicht gebunden, so dass er Kopien der
Urkunden nur auf Grund entsprechender Anweisung durch das Landgericht
vorlegen werde.
II.
Die Beschwerde des Insolvenzverwalters ist gem. § 54 BeurkG statthaft und auch
ansonsten zulässig.
Die Beschwerde ist auch begründet.
Der Notar hat dem Insolvenzverwalter Kopien der beurkundeten Kaufverträge zu
erteilen, bei denen auf der Verkäuferseite in Ansehung des hälftigen
Miteigentumsanteils des Insolvenzschuldners ... ein vollmachtloser Vertreter für
den Insolvenzverwalter aufgetreten ist.
Die Voraussetzungen des § 51 BeurkG liegen vor.
Nach der Vorschrift des § 51 Abs. 1 Nr. 1 BeurkG kann bei Niederschriften über
Willenserklärungen jeder, der eine Erklärung im eigenen Namen abgegeben hat
oder in dessen Namen eine Erklärung abgegeben worden ist, Ausfertigungen bzw.
Kopien (§ 54 Abs. 3 BeurkG) verlangen.
Der Beschwerdeführer, der als Insolvenzverwalter hinsichtlich der zur Masse
gehörenden Vermögensgegenstände allein verfügungsbefugt ist und in dessen
Namen die entsprechenden Kaufvertragsangebote u. a. erklärt wurden, gehört zu
dem nach § 51 BeurkG berechtigten Personenkreis.
Da dem Notar im Rahmen des § 51 BeurkG kein Ermessen zukommt (vgl. OLG
Karlsruhe, Beschl. v. 16.01.2007 – 14 Wx 51/06 = DNotZ 2008, 139-141; Limmer,
in: Eylmann/Vaasen, BNotO und BeurkG, § 51 BeurkG, Rz. 1), sind ihm die
begehrten Kopien auszuhändigen.
Der Notar kann die Herausgabe der Kopien auch nicht unter Berufung auf die
Verschwiegenheitspflicht des § 18 BNotO verweigern. Die Vorschrift des § 51
BeurkG geht in ihrem Anwendungsbereich der Verschwiegenheitspflicht aus § 18
BNotO als lex specialis vor, so dass § 18 BNotO einer Aushändigung der Kopien
nicht entgegensteht (vgl. OLG Karlsruhe, a. a. O.).
Schließlich ändert auch die am 19.05.2007 erklärte Vertragsaufhebung bzw. der
erklärte Rücktritt von den Kaufverträgen und die Aufforderung keine weiteren
Exemplare der Verträge zu verschicken, nichts an dem Anspruch des
Beschwerdeführers auf Herausgabe der Kopien.
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Unabhängig davon, dass ein Widerrufsgrund i. S. des § 178 BGB angesichts der
Kenntnis des Käufers von der fehlenden Vertretungsmacht nicht besteht, ein
Rücktrittsgrund nicht ersichtlich und eine einverständliche Vertragsaufhebung
mangels Vollmacht des Beschwerdeführers unwirksam ist, ist der Notar nämlich
nicht berechtigt, die Erteilung einer Ausfertigung von einer sachlich-rechtlichen
Prüfung abhängig zu machen. Es ist deshalb unerheblich, ob die Beteiligten an ihre
Erklärung bereits gebunden sind oder sie noch einseitig widerrufen können oder ob
das Geschäft wegen Fehlens einer Genehmigung schwebend unwirksam oder
wegen Versagung der Genehmigung endgültig unwirksam geworden ist oder ob
das Geschäft angefochten ist oder ein Vertragsteil ein Rücktrittsrecht ausgeübt
hat (vgl. Limmer, a. a. O., Rz. 7).
Gem. § 51 Abs. 2 BeurkG können die in § 51 Abs. 1 BeurkG erwähnten Personen –
also auch der in § 51 Abs. 1 Nr. 1 BeurkG genannte Vertretene – zudem nur
gemeinsam bestimmen, dass abweichend von § 51 Abs. 1 BeurkG der Kreis der
Personen, an die Ausfertigungen bzw. Kopien auszuhändigen sind, erweitert oder
beschränkt wird.
Einseitige Weisungen eines Vertragsteiles, dem anderen Teil keine Ausfertigungen
zu erteilen, darf der Notar dagegen nicht beachten (vgl. Limmer, a. a. O., Rz. 8).
Einer Entscheidung über die Frage, ob nach § 51 BeurkG nur Ausfertigungen bzw.
Abschriften bzgl. bestimmter vom Antragsteller zu bezeichnender Urkunden
verlangt werden können oder ob es ausreicht, dass der Antragsteller generell die
Aushändigung von Urkunden fordert, an denen er beteiligt war (vgl. hierzu OLG
Düsseldorf, Beschluss vom 14.10.2005 – I-3 Wx 212/05 = RNotZ 2006, 71-72),
bedurfte es vorliegend nicht, da der Antrag des Beschwerdeführers dahin
auszulegen war, dass er allein Abschriften der Kaufverträge über die im Tenor
genannten Wohnungseigentumseinheiten begehrt. Der Vortrag des
Beschwerdeführers beschränkt sich auf diese 4 Wohneinheiten und es sind auch
keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass der Notar weitere Kaufverträge beurkundet
hat, an denen auf Verkäuferseite in Ansehung des hälftigen Miteigentumsanteils
des ... ein vollmachtloser Vertreter für den Beschwerdeführer als
Insolvenzverwalter aufgetreten ist.
Die Kostenfolge ergibt sich aus den §§ 131 Abs. 1 S. 2 KostO, 13 a Abs. 1 S. 1
FGG. Insbesondere scheidet eine Kostenerstattung durch den Notar aus, da dieser
mangels Beteiligtenstellung nicht zur Kostentragung herangezogen werden kann
(vgl. auch Limmer, a. a. O., § 53, Rz. 4).
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.