Urteil des LG Bonn vom 25.03.1985

LG Bonn (immission, entschädigung, zpo, dauer, folge, minderung, mieter, ergebnis, grundstück, bauarbeiten)

Landgericht Bonn, 6 S 2/85
Datum:
25.03.1985
Gericht:
Landgericht Bonn
Spruchkörper:
6. Zivilkammer des Landgerichts
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
6 S 2/85
Vorinstanz:
Amtsgericht Bonn, 8 C 100/84
Sachgebiet:
Recht (allgemein - und (Rechts-) Wissenschaften
Tenor:
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts
Bonn vom 06.12.1984 - 8 C 100/84 - wird kostenpflichtig
zurückgewiesen.
- Ohne Tatbestand gemäß § 543 Abs. 1 ZPO -
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Entscheidungsgründe:
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Die Berufung des Beklagten ist zulässig, hat in der Sache indes keinen Erfolg. Zu Recht
hat das Amtsgericht in den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung,
denen die Kammer vollinhaltlich folgt, ausgeführt, dass dem Beklagten ein
Mietminderungsrecht wegen des Baulärms auf den Nachbargrundstücken nicht zusteht.
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Auszugehen ist zwar davon, dass für den hier streitigen Zeitraum (Februar bis Juni
1984) grundsätzlich die Voraussetzungen des § 537 BGB vorgelegen haben, nämlich
eine ganz erhebliche Minderung des Gebrauchswerts der Wohnung des Beklagten
durch Geräuschimmissionen von den Nachbargrundstücken. Jedoch hat das
Amtsgericht mit Rücksicht auf § 539 BGB ( Voraussehbarkeit der- möglichen Bebauung
eines nichtbebauten Nachbargrundstücks ohne Vorbehalt einer
Mietminderungsmöglichkeit bei Vertragsschluß für den Fall einer baubedingten
Immission, vgl. Emmerich-Sonnenschein, 2. Bearbeitung, Rdn. 33 zu § 537; OLG
Frankfurt am Main in ZMR 64, 271 f.) zu Recht die Minderungsmöglichkeit nach § 537
BGB davon abhängig gemacht, ob der Eigentümer gemäß § 906 BGB die Immission
entschädigungslos hinzunehmen hat oder ob die Immission die ortsübliche Nutzung des
Grundstücks über das - objektiv- - zumutbare Maß hinaus beeinträchtigt (§ 9O6 IV s. 2
BGB), so dass eine Entschädigung zu zahlen ist. Ob eine Immission entschädigungslos
hinzunehmen ist, ist dabei vom Standpunkt eines durchschnittlichen Grundstücknutzers
aus zu bestimmen (vgl. BGH in NJW 77, 894 m. w. N.), wobei eine Entschädigung nur
ausnahmsweise bei besonders schweren Beeinträchtigungen in Betracht kommt.
Insoweit kann auf die Ausführungen des Amtsgerichts in der angefochtenen
Entscheidung, Seite 8, verwiesen werden; die dort gefundene Begründung erscheint
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zumindest solange richtig, als es sich um ein überschaubares Bauvorhaben mit
absehbarer Dauer der Beeinträchtigungen handelt. Für einen überschaubaren Zeitraum
hat es ein Nachbar entschädigungslos hinzunehmen, dass Baulärm auf sein Grundstück
dringt. Vorliegend ist dies im Zeitraum Januar bis Juni 19## der Fall gewesen. Einen
Zeitraum von sechs Monaten entschädigungslos hinzunehmen hält die Kammer noch
für zumutbar.
An diesem Ergebnis vermögen die Ausführungen im Schriftsatz des Beklagten vom
12.03.1985 nichts zu ändern.
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Dass anlässlich der Bauarbeiten die zulässigen Immisionsrichtwerte überschritten
worden sind - siehe Meßprotokoll des Gewerbeaufsichtsamts vom 08.06.1984 - führt
nicht zu einem Unterlassungsanspruch des Eigentümers eines Nachbargrundstücks.
Denn da, wie die Beweisaufnahme - ebenfalls ergeben hat, eine geringere
Geräuschentwicklung nicht erreicht werden konnte (§ 22 b ImSchG), lag lediglich eine
wahrscheinliche, aber ortsübliche und daher zu duldende Nutzung des
Nachbargrundstücks vor.
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Entgegen der Ansicht des Beklagten wird er durch die von der Kammer vertretene
Auffassung auch nicht rechtlos gestellt. Die Kammer hat, wie oben bereits ausgeführt,
lediglich den Fall zu entscheiden, ob eine Entschädigung zu zahlen ist, wenn auf einem
Nachbargrundstück ein der sonstigen Bebauung entsprechendes Bauvorhaben in
einem überschaubaren, Zeitraum abgewickelt wird. Nur für diesen Fall, den sie
vorliegend noch für gegeben hält,. bejaht sie eine Verpflichtung zu entschädigungsloser
Hinnahme, ohne dass vorliegend entschieden werden müsste, ab welcher
Größenordnung und Dauer eines Bauprojekts der Ausgleich widerstreitender
nachbarlicher Interessen eine Entschädigungszahlung erfordert. Dass dies auch unter
Berücksichtigung des Umstands, dass die Immissionen eines umfangreichen
Bauvorhabens in einem Wohngebiet entstehen, der Fall sein könnte mit der Folge, dass
dann ein Mieter auch zur Minderung berechtigt sein könnte, ist nicht von der Hand zu
weisen mit der Folge, dass nicht die Rede davon sein kann der Mieter werde rechtlos
gestellt.
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Die Kostenentscheidung der nach allem unbegründeten Berufung folgt aus § 97 Abs. 1
ZPO.
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Berufungsstreitwert: 862,50 DM.
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