Urteil des LG Bonn vom 29.09.2010

LG Bonn (treu und glauben, anschrift, auskunft, kenntnis, anwendungsbereich, persönlichkeitsrecht, werbung, uwg, ausdrücklich, vorschrift)

Landgericht Bonn, 1 O 207/10
Datum:
29.09.2010
Gericht:
Landgericht Bonn
Spruchkörper:
1. Zivilkammer des Landgerichts
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
1 O 207/10
Sachgebiet:
Recht (allgemein - und (Rechts-) Wissenschaften
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung
durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des vollstreckbaren
Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung
Sicherheit in Höhe von 115 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages
leistet.
Tatbestand:
1
Die Klägerin behauptet, sie sei die Mutter des am ##.##.20## geborenen Kindes M. Das
Kind sei im Rahmen eines einmaligen sexuellen Kontaktes entstanden. Der Erzeuger
habe sich selbst "N" genannt. Nachnamen und Anschrift habe er ihr nicht mitgeteilt,
wohl aber seine Telefonnummer (####)########, unter der sie mehrfach mit ihm
telefoniert habe. Sie habe "N" über ihre Schwangerschaft unterrichtet; dieser habe
daraufhin mitgeteilt, er brauche keine Kinder. Letztmals am ##.##.20## sei "N" unter der
genannten Rufnummer erreichbar gewesen. Zwischenzeitlich sei die Rufnummer nicht
mehr in Benutzung. Da sie den Erzeuger des Kindes nicht habe benennen können,
seien ihr Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz gesperrt worden. Sie sei
unter diesen Umständen zur Feststellung der Vaterschaft darauf angewiesen, Namen
und Anschrift des Anschlussinhabers zu erfahren.
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Die Klägerin beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Auskunft zu erteilen über Namen und
Anschrift des Anschlussinhabers zum ##.##.20## für die Handy-Nr.
(####)########.
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Die Beklagte beantragt,
5
die Klage abzuweisen.
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Entscheidungsgründe:
7
Die Klage ist unbegründet. Der geltend gemachte Auskunftsanspruch steht der Klägerin
nicht zu.
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Nach der bereits durch das Reichsgericht (Urteil vom 03.06.1921 – II 590/20, RGZ 102,
235, 236) begründeten ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung ist dem
bürgerlichen Recht eine allgemeine, nicht aus einem besonderen Rechtsgrund
abgeleitete Auskunftspflicht unbekannt. Daher begründet allein die Tatsache, dass
jemand über Sachverhalte informiert ist oder sein könnte, die für einen anderen von
Bedeutung sind, keine Auskunftspflicht (BGH, Urteil vom 07.05.1980 – VIII ZR 120/79,
zitiert nach juris, Rdnr. 15 m.w.N.; Palandt-Grüneberg, Bürgerliches Gesetzbuch, 69.
Auflage, München 2010, § 260, Rdnr. 5).
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Für die von der Klägerin begehrte Auskunft fehlt es an einer gesetzlichen Grundlage.
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Die Voraussetzungen eines Anspruchs aus § 13a i.V.m. § 13 UKlaG liegen nicht vor.
Zwar folgt aus diesen Vorschriften ein Anspruch gegen einen Erbringer von
Telekommunikationsdiensten auf Mitteilung des Namens und der zustellungsfähigen
Anschrift eines Beteiligten an Telekommunikationsdiensten. Dieser Anspruch setzt
jedoch nach dem klaren Wortlaut der Vorschriften voraus, dass der Betroffene die
Angaben zur Durchsetzung bestimmter Ansprüche benötigt. Es handelt sich um
Ansprüche auf Unterlassung der Lieferung unbestellter Waren, der Erbringung
unbestellter sonstiger Leistungen oder der Zusendung oder sonstiger Übermittlung
unverlangter Werbung. Einen Auskunftsanspruch zur Durchsetzung der von der
Klägerin beabsichtigten Vaterschaftsfeststellung sieht § 13a UKlaG demgegenüber
nicht vor.
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Insoweit kommt auch keine analoge Anwendung der Vorschrift in Betracht. Eine
Analogie ist, worauf die Beklagte zu Recht hinweist, nur zulässig, wenn das Gesetz eine
planwidrige Regelungslücke enthält und der zu beurteilende Sachverhalt in rechtlicher
Hinsicht so weit mit dem Tatbestand vergleichbar ist, den der Gesetzgeber geregelt hat,
dass angenommen werden kann, der Gesetzgeber wäre bei einer Interessenabwägung,
bei der er sich von den gleichen Grundsätzen hätte leiten lassen wie bei dem Erlass der
herangezogenen Gesetzesvorschrift, zu dem gleichen Abwägungsergebnis gekommen.
Die Lücke muss sich also aus einem unbeabsichtigten Abweichen des Gesetzgebers
von seinem - dem konkreten Gesetzgebungsvorhaben zu Grunde liegenden -
Regelungsplan ergeben (BGH, Urteil vom 16.07.2003 – VIII ZR 274/02, Rdnr. 22, zitiert
nach juris, m.w.N.). Eine solche planwidrige Regelungslücke lässt sich in Bezug darauf,
dass der Auskunftsanspruch aus § 13a UKlaG nicht auch der Durchsetzung einer
Vaterschaftsfeststellung dient, nicht feststellen. Im Bericht des Rechtsausschusses, auf
dessen Initiative § 13a UKlaG eingeführt worden ist, heißt es (Bundestags-Drucksache
14/9353, Seite 7):
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"Der Auskunftsanspruch nach § 13a ist allerdings in seinem sachlichen
Anwendungsbereich enger. Während der Anspruch nach § 13 des
Unterlassungsklagengesetzes alle Ansprüche nach den §§ 1 oder 2 des
Unterlassungsklagengesetzes und der Anspruch nach § 13 Abs. 7 UWG in
Verbindung mit dieser Vorschrift alle Ansprüche nach § 13 UWG erfasst, erfasst er
nur die Unterlassungsansprüche wegen unverlangter Werbung, der Lieferung
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unbestellter Sachen und der Erbringung unbestellter Leistungen. Bei diesen
Ansprüchen ist das Auskunftsbedürfnis des Betroffenen gegenüber sonstigen
Unterlassungsansprüchen erfahrungsgemäß besonders groß. Hier kommt es
nämlich besonders häufig vor, dass die Anspruchsadressaten für den Betroffenen
nicht ermittelbar sind, weil diese ihre ladungsfähige Anschrift verschleiern. Das
Verstecken hinter einer Postfach- oder Internetadresse, einer Telefon- oder
Faxnummer bietet den Anspruchsgegnern geradezu die Basis für ihr wettbewerbs-
und lauterkeitswidriges Tun. Dem soll entgegengewirkt werden."
Dem lässt sich entnehmen, dass der Gesetzgeber den Anwendungsbereich des § 13a
UKlaG bewusst auf ganz bestimmte Fallgruppen begrenzt hat, in denen er auf Grund
spezifischer Erfahrungen von einem besonderen Auskunftsbedürfnis ausgegangen ist.
Es fehlt damit an einer Grundlage dafür, den dem Gesetzgeber bekannten und von ihm
nicht infrage gestellten Grundsatz, dass es einen allgemeinen Auskunftsanspruch nicht
gibt, über den ausdrücklich geregelten Spezialfall hinaus aufzugeben.
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Über die gesetzlich normierten Fälle hinaus ist ein Auskunftsanspruch nach Treu und
Glauben (§ 242 BGB) grundsätzlich nur dann begründet, wenn eine besondere
rechtliche Beziehung zwischen dem Auskunftfordernden und dem
Inanspruchgenommenen besteht (BGH, Urteil vom 07.05.1980 – VIII ZR 120/79, a.a.O.;
Palandt-Grüneberg, a.a.O., Rdnr. 4 f.). Dies ist nicht der Fall. Die Klägerin kann ihren
Auskunftsanspruch insbesondere nicht aus einem zwischen den Parteien bestehenden
Vertragsverhältnis herleiten.
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Die Versagung der begehrten Auskunft verletzt die Klägerin entgegen ihrer Auffassung
nicht in ihrem aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG abzuleitenden allgemeinen
Persönlichkeitsrecht. Denn verfassungsrechtlich geschützt ist nur die Kenntnis der
eigenen Abstammung und die Kenntnis, ob eine andere Person von einem selbst
abstammt (vgl. BVerfG, Urteil vom 13.02.2007 - 1 BvR 421/05, zitiert nach juris, Rdnr.
59). Darum geht es der Klägerin nicht. Über etwaige Rechte des am Rechtsstreit nicht
beteiligten Kindes ist nicht zu entscheiden, da die Klägerin ausdrücklich einen eigenen
Auskunftsanspruch geltend macht (vgl. AG Düsseldorf, Urteil vom 14.12.2004 - 54 C
5095/04, NJW-RR 2005, 554, das in einer vergleichbaren Fallgestaltung einen
Auskunftsanspruch des Kindes ohne Rückgriff auf zivilrechtliche Anspruchsgrundlagen
unmittelbar aus dem verfassungsrechtlichen Persönlichkeitsrecht abgeleitet hat).
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Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91 Abs. 1 Satz 1, 708 Nr.
11, 711 ZPO.
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Streitwert: 3.000,- €
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(Die Klage dient der Vorbereitung der rückwirkenden Geltendmachung von
Unterhaltsansprüchen nach § 1615 l BGB und ist deshalb gemäß den §§ 48 Abs. 1 Satz
1 GKG, 3 ZPO mit einem Bruchteil des Wertes dieser Ansprüche [vgl. § 51 Abs. 2 Satz 1
FamGKG] zu bewerten. In Ermangelung jeglicher Grundlagen für die
Unterhaltsberechnung hat die Kammer den von der Klägerin selbst zu Grunde gelegten
Streitwert übernommen und die Festsetzung des Amtsgerichts entsprechend
abgeändert.)
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