Urteil des LG Bonn vom 08.12.2010

LG Bonn (bundesamt für justiz, sitz im ausland, offenlegung, ewg, richtlinie, befreiung, sitz, betreiber, muttergesellschaft, bundesamt)

Landgericht Bonn, 31 T 652/10
Datum:
08.12.2010
Gericht:
Landgericht Bonn
Spruchkörper:
6. Kammer für Handelssachen
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
31 T 652/10
Schlagworte:
Offenlegung der Rechnungslegungsunterlagen; Befreiung;
Muttergesellschaft mit Sitz im Ausland
Normen:
§§ 264b, 325, 335 HGB,; Art. 57 der Richtlinie 78/660/EWG
Sachgebiet:
Recht (allgemein - und (Rechts-) Wissenschaften
Leitsätze:
Der Konzernabschluss muss auch dann gemäß § 264b Nr. 3 a HGB im
elektronischen Bundesanzeiger offengelegt werden, wenn die
Muttergesellschaft bereits an ihrem Sitz im Ausland eine Offenlegung
vorgenommen hat.
Tenor:
Die sofortige Beschwerde vom 20.04.2010 wird zurückgewiesen.
Gründe
1
I.
2
Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen die Festsetzung eines Ordnungsgeldes von
2.500,00 EUR wegen Nichteinreichung der Jahresabschlussunterlagen 2007/2008 bei
dem Betreiber des elektronischen Bundesanzeigers. Das Bundesamt für Justiz hat der
Beschwerdeführerin die Verhängung des Ordnungsgeldes mit Verfügung vom
15.12.20##, zugestellt am 21.12.20##, angedroht.
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Dagegen hat die Beschwerdeführerin unter dem 25.01.2010 (Eingang) Einspruch
eingelegt. Sie hat darauf hingewiesen, dass sie als Tochtergesellschaft nach § 264b
HGB von der Offenlegung befreit sei.
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Das Bundesamt für Justiz hat durch die angefochtene Entscheidung vom 09.04.2010
das bezeichnete Ordnungsgeld unter Verwerfung des Einspruchs festgesetzt. Der
Konzernabschluss sei nicht im elektronischen Bundesanzeiger offengelegt worden, die
Befreiungsvoraussetzungen des § 264b HGB lägen daher nicht vor.
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Gegen die ihr am 13.04.2010 zugestellte Entscheidung hat die Beschwerdeführerin am
23.04.2010 (Eingang) sofortige Beschwerde eingelegt. Sie meint, dass sie den
Konzernabschluss nicht im elektronischen Bundesanzeiger offenlegen müsse, da er
bereits in den O - am Sitz der Muttergesellschaft - offengelegt worden sei.
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II.
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Die gemäß §§ 335 Abs. 4, Abs. 5 S. 1 und 4 HGB statthafte und auch im Übrigen
zulässige sofortige Beschwerde ist unbegründet.
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Das Bundesamt für Justiz hat das Ordnungsgeld zu Recht festgesetzt, denn die
Beschwerdeführerin hat innerhalb der ihr gesetzten Frist von sechs Wochen weder die
Rechnungslegungsunterlagen für das Geschäftsjahr 2007/2008 (endend am
30.09.2008) bei dem Betreiber des elektronischen Bundesanzeigers eingereicht noch
die Voraussetzungen für eine Befreiung von der Offenlegungspflicht gemäß § 264b
HGB erfüllt.
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Unstreitig hat sie den Konzernabschluss, in den sie einbezogen worden ist, nicht bei
dem elektronischen Bundesanzeiger eingereicht. Sie meint, dass die Einreichung nicht
erforderlich sei, weil die in B ansässige Muttergesellschaft ihren Jahresabschluss bei
dem für sie zuständigen Register in den O eingereicht habe. Die Muttergesellschaft
unterfalle nicht dem Anwendungsbereich des § 325 HGB. Dies überzeugt jedoch nicht.
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Schon der Wortlaut des § 264b Nr. 3 Buchstabe a HGB spricht dafür, dass der
Konzernabschluss (auch) bei dem Betreiber des elektronischen Bundesanzeigers
einzureichen ist, denn dort heißt es, dass die Befreiung "im Anhang des vom
Mutterunternehmen aufgestellten und nach § 325 durch Einreichung beim Betreiber des
elektronischen Bundesanzeigers offen gelegten Konzernabschlusses" anzugeben sei.
Das Gesetz geht somit davon aus, dass der Konzernabschluss bei dem Betreiber des
elektronischen Bundesanzeigers offen gelegt werde. Eine Ausnahme für
Mutterunternehmen, die ihren Sitz im Ausland haben, ist dort nicht vorgesehen, und
zwar in Kenntnis dessen, dass § 264b HGB eine Befreiung auch in solchen Fällen
vorsieht, in denen das Mutterunternehmen seinen Sitz in einem Mitgliedstaat der
Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den
Europäischen Wirtschaftsraum hat (§ 264b Nr. 1 HGB).
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Die Gesetzgebungsgeschichte gibt keine unmittelbaren Anhaltspunkte für den Willen
des Gesetzgebers. In der Begründung der Bundesregierung zu dem Gesetzentwurf vom
15.03.2006 (BT-Drs. 16/960, Seite 48) heißt es zu der Neufassung des § 264b HGB nur:
"Es handelt sich um eine Folgeänderung, die in ihrer Ausgestaltung den zu § 264
vorzunehmenden Änderungen entspricht (vgl. vorstehende Begründung)". Die in Bezug
genommene Begründung zu der Neufassung des § 264 Abs. 3 HGB verweist lediglich
darauf, dass das Offenlegungssystem gewechselt habe. Es werde dem Umstand
Rechnung getragen, dass § 264 Abs. 3 HGB auf Art. 57 der Vierten
gesellschaftsrechtlichen EU-Richtlinie beruhe. Der Rechtsausschuss des Deutschen
Bundestages empfahl im Hinblick auf die §§ 264, 264b HGB keine Änderungen des
Gesetzentwurfs, demgemäß enthält die Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses
vom 27.09.2006 (BT-Drs. 16/2781) insoweit auch keine weitergehende Begründung.
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Der Hinweis auf das Gemeinschaftsrecht ist jedoch insofern von Interesse, als Art. 57
der Richtlinie 78/660/EWG in der Fassung, die er durch Art. 43 der Richtlinie
83/349/EWG erhalten hat, Folgendes vorschreibt:
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"Unbeschadet der Richtlinien 68/151/EWG und 77/91/EWG brauchen die
Mitgliedstaaten die Bestimmungen der vorliegenden Richtlinie über den Inhalt, die
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Prüfung und die Offenlegung des Jahresabschlusses nicht auf Gesellschaften
anzuwenden, die ihrem Recht unterliegen und Tochterunternehmen im Sinne der
Richtlinie 83/349/EWG sind, sofern folgende Voraussetzungen erfüllt sind:
a) das Mutterunternehmen unterliegt dem Recht eines Mitgliedstaats;
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b) [betrifft den Befreiungsbeschluss];
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c) [betrifft die Einstandserklärung];
17
d) [betrifft die Offenlegung von b) und c)];
18
e) das Tochterunternehmen ist in den von dem Mutterunternehmen nach der Richtlinie
83/349/EWG aufgestellten konsolidierten Jahresabschluß einbezogen;
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f) die bezeichnete Befreiung wird im Anhang des von dem Mutterunternehmen
aufgestellten konsolidierten Abschlusses angegeben;
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g) der unter Buchstabe e) bezeichnete konsolidierte Abschluß, der konsolidierte
Lagebericht sowie der Bericht der mit der Prüfung beauftragten Person werden für das
Tochterunternehmen nach den in den Rechtsvorschriften der einzelnen Mitgliedstaaten
vorgesehenen Verfahren gemäß Artikel 3 der Richtlinie 68/151/EWG offengelegt."
[Hervorhebung nicht im Original]
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Damit geht schon das Gemeinschaftsrecht, auf dem § 264 Abs. 3 und § 264b HGB
erklärtermaßen beruhen, davon aus, dass der konsolidierte Abschluss (=
Konzernabschluss) für das Tochterunternehmen nach dem Recht der einzelnen
Mitgliedstaaten offengelegt wird. Diese Formulierung wäre überflüssig, wenn es
lediglich um die Offenlegung des Konzernabschlusses für die Konzernmutter selbst
ginge. Die Auslegung des § 264b Nr. 3 Buchstabe b HGB durch das Bundesamt wird
somit von der Regelung des Gemeinschaftsrechts gedeckt, wenn nicht sogar gefordert.
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Dies wird bestätigt durch eine Betrachtung der bis zum 31.12.2006 geltenden Fassung
des § 264b HGB. Danach gab es anstelle der heutigen Ziffer 3 die Ziffern 3 und 4. Diese
setzten für eine Befreiung u.a. voraus, dass "das den Konzernabschluss aufstellende
Unternehmen die offen zu legenden Unterlagen in deutscher Sprache auch zum
Handelsregister des Sitzes der Personenhandelsgesellschaft eingereicht hat". Dies war
eindeutig: die Muttergesellschaft musste ihren Konzernabschluss auch bei dem
inländischen Registergericht einreichen, das für die Tochtergesellschaft zuständig war,
und zwar in deutscher Sprache. Die Klausel "in deutscher Sprache" ist zwar mit der
Gesetzesänderung ebenso entfallen wie das Erfordernis einer Einreichung zum
Handelsregister. Der Grund hierfür war jedoch ausweislich der Gesetzesbegründung
lediglich, dass die Offenlegung von den Registergerichten auf den elektronischen
Bundesanzeiger umgestellt wurde. Darüber hinausgehende inhaltliche Änderungen
sollten nicht erfolgen.
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Auch der Zweck des § 264b HGB spricht dagegen, die Offenlegung des
Konzernabschlusses in den O genügen zu lassen. Wie das Bundesamt zu Recht
ausführt, dient die Offenlegung der Schaffung von Publizität. Wenn eine Befreiung für
den Fall vorgesehen wird, dass der Jahresabschluss in den Konzernabschluss
einbezogen ist, soll das nicht bedeuten, dass die substanziellen Angaben zu dem
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Unternehmen überhaupt nicht oder nur erschwert zugänglich sind. Der
Informationssuchende könnte zwar in dem anderen Mitgliedstaat, hier in den O, die
Unterlagen einsehen. Aber aufgrund der praktischen Unterschiede bei der Handhabung
der Offenlegung sowie wegen der fremden Sprache (je nach dem Sitz des
Mutterunternehmens könnte das jede Gemeinschaftssprache sein) hätte er letztlich nur
erschwert Einblick in die wesentlichen Daten des Unternehmens, obwohl dieses seinen
Sitz im Inland hat, hier geschäftlich tätig ist und in den Kreis der offenlegungspflichtigen
Gesellschaften fällt. Das wäre mit dem - auch gemeinschaftsrechtlich - verfolgten Zweck
der Offenlegung nicht vereinbar.
Nach allem war die Einreichung des Konzernabschlusses auch bei dem Betreiber des
elektronischen Handelsregisters erforderlich. Da dies bis zum Fristablauf nicht geschah
(entgegen der offengelegten Befreiungsmitteilung der Beschwerdeführerin, in der es
unzutreffend heißt "Der Konzernabschluss der F $$ zum 30. September 2008 wird im
elektronischen Bundesanzeiger veröffentlicht"), lagen nicht alle
Befreiungsvoraussetzungen vor, sodass das Ordnungsgeld festzusetzen war.
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Die Höhe des Ordnungsgeldes ist nicht zu beanstanden. Das Ordnungsgeld beträgt
nach § 335 Abs. 1 HGB mindestens 2.500,00 Euro und höchstens 25.000,00 Euro. Hier
hat sich das Bundesamt darauf beschränkt, den gesetzlich vorgeschriebenen
Mindestbetrag von 2.500,00 Euro festzusetzen. Eine weitere Herabsetzung des
Ordnungsgeldes ist - abgesehen von dem hier nicht einschlägigen Fall des § 335 Abs. 3
Satz 5 HGB - nicht zulässig.
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Nach allem konnte das Rechtsmittel keinen Erfolg haben.
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Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst (§ 335 Abs. 5 S. 7 HGB).
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Eine weitere Beschwerde gegen diesen Beschluss ist nicht zulässig
(§ 335 Abs. 5 S. 6 HGB).
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Wert des Beschwerdegegenstandes: 2.500,00 EUR.
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