Urteil des LG Bonn vom 03.11.2010

LG Bonn (kläger, unwirksamkeit, klausel, treu und glauben, vertrag, höhe, gas, vorbehalt, materielles recht, allgemeine bedingungen)

Landgericht Bonn, 5 S 218/09
Datum:
03.11.2010
Gericht:
Landgericht Bonn
Spruchkörper:
5. Zivilkammer des Landgerichts
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
5 S 218/09
Vorinstanz:
Amtsgericht Euskirchen, 17 C 375/09
Schlagworte:
Gaspreisanpassungsklausel, Sondervertragskunden,
Rückforderungsanspruch
Normen:
§§ 306, 307, 812, 820 BGB
Sachgebiet:
Recht (allgemein - und (Rechts-) Wissenschaften
Leitsätze:
Allein der Weiterbezug von Gas begründet bei Unwirksamkeit einer
Gaspreisanpassungsklausel keinen neuen stillschweigend vereinbarten
Gaspreis mit Sondervertragskunden.
Tenor:
1. Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen. Auf die Berufung
des Klägers wird das Urteil des Amtsgerichts Euskirchen vom
01.09.2009 – 17 C 375/09 – abgeändert und im Hauptsachetenor wie
folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.977,61 € nebst Zinsen in
Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem
18.05.2009 zu zahlen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
G r ü n d e:
1
A.
2
(abgekürzt gemäß §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 S. 1 ZPO)
3
I.
4
Der Kläger begehrt von der Beklagten die Rückzahlung eines Betrages in Höhe von
1.977,61 €, den letztere auf Grund von Anpassungen des Gas-Arbeitspreises in der Zeit
vom 01.10.2005 bis zum 31.12.2008 zu Unrecht vereinnahmt haben soll.
5
Die Beklagte ist ein regionales Gasversorgungsunternehmen. Sie schloss mit dem
Kläger als Sonderkunden unter Verwendung eines von ihr vorformulierten
Vertragsformulars unter dem ##./##.##.1991 einen Vertrag über die Belieferung des
Hausgrundstückes des Klägers mit Gas. Gemäß § 3 dieses Vertrages setzt sich der
zugrundezulegende Gaspreis zusammen aus einem monatlichen Grundpreis in Höhe
von 30,00 DM sowie einem Arbeitspreis in Höhe von 4,60 Pf/kWh zuzüglich gesetzlicher
Umsatzsteuer. Sodann heißt es dort weiter:
6
"Der vorstehende Gaspreis ändert sich, wenn eine Änderung der "Allgemeinen
Tarifpreise für Gas" eintritt."
7
Gem. § 6 des vorgenannten Vertrages können die Parteien diesen erstmals nach Ablauf
von 24 Monaten nach seinem Inkrafttreten (##.##.1991) mit einer Kündigungsfrist von 3
Monaten jeweils zum Ende eines Abrechnungsjahres schriftlich kündigen. § 7 des
Vertrages verweist schließlich auf die jeweils gültige "Verordnung über Allgemeine
Bedingungen für die Gasversorgung von Tarifkunden (AVB GasV)" einschließlich
Anlagen, die wesentlicher Bestandteil des Vertrages ist und gelten soll, soweit im
Sondervertrag nicht anderes vereinbart ist. Für die Abwicklung des
Vertragsverhältnisses erteilte der Kläger der Beklagten eine Einzugsermächtigung von
seinem Konto, so dass die Beklagte die von ihr errechneten Rechnungsbeträge vom
Konto des Klägers abbuchte.
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Die Beklagte nahm in der Folgezeit Erhöhungen des vereinbarten Arbeitspreises vor.
Durch Schreiben vom 06.10.2005 widersprach der Kläger einer durch die Beklagte im
September 2005 zum 01.10.2005 angekündigten Preiserhöhung, wobei er erklärte:
9
"... Hiermit widerspreche ich der Preiserhöhung. Zugleich widerspreche ich vorsorglich
auch eventuellen weiteren Preiserhöhungen, da diese ebenfalls unbillig sein dürften.
10
[ … ]
11
Meine Ihnen erteilte Einzugsermächtigung steht hinsichtlich Ihrer Preiserhöhungen
unter dem Vorbehalt, dass von Ihnen umfassend und zweifelsfrei die Billigkeit des
Gaspreises dargelegt bzw. im Rahmen des von mir oder anderen Kunden
beabsichtigten Rechtsstreits endgültig festgestellt wird. Vorsorglich fordere ich Sie
auf, mir bei festgestellter Unbilligkeit umgehend und ohne weitere Aufforderung
oder Mahnung die unbillig erhobenen Rechnungsbeträge und
Abschlagszahlungen auf mein Ihnen bekanntes Konto zurück zu überweisen,
einschließlich Verzugszinsen in Höhe von 5% über dem jeweiligen Diskontsatz der
Bundesbank. ..."
12
Durch Schreiben vom 14.10.2005 bestätigte die Beklagte den Eingang des
vorgenannten Schreibens und führte hierzu unter anderem aus:
13
"… In der Zwischenzeit sind bundesweit einige Gerichte mit der Klärung der
unterschiedlichen Rechtsauffassungen befasst. Rechtskräftige Entscheidungen der
14
höheren Instanzen stehen zurzeit noch aus, werden aber in den nächsten Monaten
erwartet.
Sollten sich, entgegen unserer Erwartungen, dennoch durch Rechtsprechung
veranlasste Veränderungen der Gaspreise ergeben, so wären auch andere
Gaskunden davon betroffen. In diesem Falle würden Sie auch ohne besondere
Aufforderung entsprechend geänderte Abrechnungen erhalten. …"
15
Einer durch die Beklagte im Dezember 2005 angekündigten Preisanpassung zum
01.01.2006 widersprach der Kläger durch weiteres Schreiben vom 15.01.2006, in
welchem er die der Beklagten erteilte Einzugsermächtigung ausdrücklich nur auf den
Einzug von Entgelten und Abschlagszahlungen zu den bisherigen Preisen beschränkte.
16
Nach Bekanntwerden des Inhaltes des Urteils des Bundesgerichtshofes vom
17.12.2008 – VIII ZR 274/06 – fordert der Kläger nunmehr von der Beklagten unter dem
Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung die Rückzahlung des aufgrund der
durchgeführten Gaspreiserhöhungen vereinnahmten Mehrbetrages zurück. Seine
Forderung, welcher der bei Vertragsschluss im Jahre 1991 geltende Arbeitspreis von
umgerechnet 2,4 Cent netto zugrundliegt, beziffert der Kläger – von der Beklagten nicht
bestritten - wie folgt:
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Überzahlung Abrechnung 2005: € 165,06
18
Überzahlung Abrechnung 2006: € 551,14
19
Überzahlung Abrechnung 2007: € 492,13
20
Überzahlung Abrechnung 2008: € 769,28
21
Gesamtüberzahlung € 1.977,61
22
Wegen des weiteren Sachverhaltes wird gemäß § 540 Abs.1 Satz 1 Nr. 1 ZPO auf die
tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
23
II.
24
Das Amtsgericht hat der Klage in Höhe von 1.603,90 € stattgegeben und sie im Übrigen
abgewiesen. Der Kläger habe aus § 812 BGB einen Anspruch auf Rückzahlung der
Beträge, die er aufgrund der Gaspreiserhöhungen für die Jahre 2005 bis Mitte 2009
gezahlt habe. Die streitgegenständlichen Preiserhöhungen ergäben sich weder aus der
Regelung des zwischen den Parteien geschlossenen Gasversorgungssondervertrages
noch seien die Erhöhungen später zwischen den Parteien ausdrücklich oder konkludent
vereinbart worden. Die Klausel aus § 3 des Gaslieferungsvertrages sei unwirksam.
Anstelle der unwirksamen Preisanpassungsklausel trete auch kein Preisänderungsrecht
der Beklagten gem. § 4 AVBGasV, weil diese Vorschrift nur für Tarif- und nicht für
Sondervertragskunden gelte. Auch sei eine konkludente Vereinbarung eines erhöhten
Gaspreises nicht feststellbar, weil der Kläger einer Erhöhung unter dem 06.10.2005 und
unter dem 15.01.2006 widersprochen habe. Anderes gelte nur, soweit der Kläger
Preiserhöhungen bis zum 01.10.2005 widerspruchslos hingenommen und die hierauf
beruhenden Jahresrechnungen ausgeglichen habe. Aus diesem Grund sei bei der
Berechnung des Rückforderungsanspruches von dem zum 01.10.2005 gültigen Preis in
25
Höhe von 3,65 Cent je kWh auszugehen. Auch sei der Vertrag trotz der Unwirksamkeit
der Preisanpassungsklausel im Übrigen wirksam geblieben, wobei auch im Wege der
ergänzenden Vertragsauslegung die so entstandene Regelungslücke nicht zu
schließen sei. Dies setze nämlich voraus, dass die Regelungslücke zu einer einseitigen
Verschiebung des Vertragsgefüges – hier zugunsten des Kunden – führe. Das sei aber
allein deshalb nicht der Fall, weil jede Partei gemäß § 6 des Sondervertrages nach
Ablauf einer zweijährigen Vertragslaufzeit mit einer Frist von drei Monaten zum Ende
des Abrechnungsjahres kündigen könne. Ein Festhalten an dem vertraglich
vereinbarten Preis bis zu diesem Zeitpunkt sei für die Beklagte zumutbar, zumal sie im
Gegensatz zu ihren Kunden die Preisentwicklungen eher vorhersehen und sich hierauf
einstellen könne. Auch könne sich die Beklagte nicht auf den Einwand der
Entreicherung berufen, weil der Kläger nur noch unter Vorbehalt gezahlt habe (§ 820
BGB).
III.
26
Hiergegen wenden sich sowohl die Beklagte als auch der Kläger.
27
1.
angefochtene Entscheidung verkenne, dass auch im Falle einer unwirksamen
Vertragsklausel die Möglichkeit einer ergänzenden Vertragsauslegung anerkannt sei.
Eine solche sei allein deshalb erforderlich, weil ein ersatzloser Wegfall der
Preisanpassungsklausel dazu führe, dass der Kunde in diesem Fall zu einem für die
Beklagte weit unter der Wirtschaftlichkeitsgrenze liegenden Preis beliefert worden wäre.
Dies sei für die Beklagte angesichts der Vielzahl der bestehenden Verträge mit
erheblichen wirtschaftlichen Nachteilen verbunden. Eine ergänzende
Vertragsauslegung müsse daher zu dem Ergebnis gelangen, dass eine Preisanpassung
unter Billigkeitsgesichtspunkten möglich sei, wobei zu berücksichtigen sei, dass die
Beklagte im Rahmen der von ihr vorgenommenen Preisanpassungen lediglich die
gestiegenen Beschaffungskosten weitergegeben habe. Anderenfalls sei von einer
Unwirksamkeit des Vertrages gem. § 306 Abs.3 BGB im Übrigen auszugehen. Soweit
das Amtsgericht darauf abstelle, ein Festhalten an dem Vertrag sei für die Beklagte
deshalb zumutbar, weil sie von ihrem Kündigungsrecht nach § 6 des Sondervertrages
Gebrauch machen könne, verkenne das Amtsgericht, dass die Unwirksamkeit der
Preisanpassungsklausel für die Beklagte insbesondere auch im Hinblick auf das Urteil
des Landgerichts Bonn vom 07.09.2006 – 8 S 146/05 – nicht vorhersehbar gewesen sei.
Soweit das Amtsgericht der Beklagten schließlich den Einwand der Entreicherung
aufgrund des durch den Kläger erklärten Vorbehalts unter Hinweis auf § 820 BGB
versagt habe, verstoße dieses gegen formelles und materielles Recht. Das Amtsgericht
habe auf § 820 BGB nicht hingewiesen und so seine Hinweispflicht verletzt. Auch habe
das Amtsgericht verkannt, dass die Beklagte dem Vorbehalt des Klägers durch
Schreiben vom 14.10.2005 widersprochen und die Preiserhöhung als notwendig
verteidigt habe. Es sei für sie nicht voraussehbar gewesen, dass sie die Leistungen
nicht behalten dürfe. Zudem habe die Beklagte im Vertrauen darauf, die Leistung
behalten zu dürfen, Aufwendungen getätigt, die sie anderenfalls nicht getätigt hätte.
Schließlich habe sie sich durch Schriftsatz vom 19.06.2009 hinsichtlich der Zahlungen
im Abrechnungsjahr 2005 auf den Einwand der Verjährung berufen. Diesen Einwand
habe das Amtsgericht übergangen.
28
2.
Klage statt gegeben wurde. Seiner Ansicht nach hätte das Amtsgericht bei der
29
Klage statt gegeben wurde. Seiner Ansicht nach hätte das Amtsgericht bei der
Berechnung des Rückforderungsbetrages jedoch nicht von dem zum 01.10.2005
geltenden Gaspreis ausgehen dürfen, sondern hätte den Gaspreis bei Vertragsbeginn
zugrundelegen müssen, weil die Anpassungsklausel unwirksam sei und aufgrund der
einseitigen Preisanpassungsankündigungen der Beklagten keine konkludente Einigung
über einen neuen Gaspreis habe zustande kommen können. Einseitige Erklärungen
seien nicht in Vertragsangebote umzudeuten.
B.
30
I.
31
Lediglich die Berufung des Klägers hat Erfolg. Sein Rechtsmittel führt zur Abänderung
der angefochtenen Entscheidung im tenorierten Umfang. Die Berufung des Klägers, der
eine Rückzahlung des geleisteten Gaspreises auf der Grundlage des bei
Vertragsschluss im Jahre 1991 geltenden Arbeitspreises von umgerechnet 2,4 Cent/
kWh netto begehrt, ist begründet. Er hat gegen die Beklagte aus § 812 Abs.1 Satz 1 Alt.
1 BGB einen Anspruch auf Rückzahlung eines Betrages in Höhe von 1.977,61 €. Die
hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten ist dagegen unbegründet.
32
1.
Grundlage der von der Beklagten durchgeführten Preisanpassungen einen
Gesamtbetrag in Höhe von 1.977,61 € an die Beklagte gezahlt.
33
2.
einen Arbeitspreis zugrundelegte, der den bei Vertragsschluss im Jahre 1991 geltenden
Arbeitspreis von umgerechnet 2,4 Cent/kWh netto überstieg. Ein Rechtsgrund für die
Leistung des Klägers an die Beklagte liegt insbesondere nicht in der durch die Beklagte
vorgenommenen Preisanpassung, da sie diese auf § 3 des unter Verwendung eines von
ihr vorformulierten Vertragsformulars mit dem Kläger geschlossenen Sondervertrages
stützte. Die vorgenannte Formularvertragsklausel ist eine allgemeine
Geschäftsbedingung im Sinne des § 305 Abs.1 Satz 1 BGB. Sie unterliegt daher der
Inhaltskontrolle der §§ 307ff. BGB. Als Ergebnis dieser Kontrolle ist sie gemäß § 307
Abs.1 Satz 1 und 2 BGB unwirksam, weil sie hinsichtlich des Umfangs der
Preisänderung nicht klar und verständlich ist und die Kunden deswegen unangemessen
benachteiligt (BGH Urt. v. 17.12.2008 – VIII ZR 274/06 – BGHZ 179, 186ff.; vgl. dazu
auch OLG Köln Urt. 19.02.2010 – 19 U 143/09 – ZNER 2010, 285ff.; AG Hamburg-
Bergehof Urt. v. 15.05.2009 – 409 C 10/09 –ZMR 2009, 692ff.; LG Köln Urt. v.
16.09.2009 – 90 O 50/09 – RdE 2009, 386). Denn der Preisanpassungsklausel lässt
sich auch im Wege der Auslegung nicht entnehmen, in welchem Umfang der Gaspreis
bei einer Änderung der allgemeinen Tarife erhöht oder gesenkt wird (BGH Urt. v.
17.12.2008 – VIII ZR 274/06 – BGHZ 179, 186ff.; OLG Köln Urt. 19.02.2010 – 19 U
143/09 – ZNER 2010, 285ff.).
34
3.
Regelung zur Preisanpassung kommt insoweit auch nicht in Betracht. Zwar kann nach §
7 des Versorgungsvertrages auf die jeweils gültige AVBGasV zurückgegriffen werden,
"soweit in diesem Sondervertrag nichts anderes vereinbart" ist. Der Sondervertrag
enthält jedoch eine – wenn auch unwirksame – Regelung zur Preisanpassung. Im
Hinblick auf das in § 307 Abs.1 Satz 1 und 2 BGB bestimmte Transparenzgebot kann
daher nicht auf die Regelungen zur Preisanpassung in der AVBGasV bzw. der GasGVV
35
zurückgegriffen werden. Bei Vertragsschluss hatte der Kläger keinerlei Anlass für die
Annahme, die Beklagte würde Preisanpassungen auf andere Regelungen außer § 3
des Sondervertrags stützen. Der Kläger durfte daher davon ausgehen, dass § 3 des
Sondervertrags eine abschließende Regelung zu Preiserhöhungen enthält (vgl. BGH
Urt. v. 17.12.2008 - VIII ZR 274/06 - NJW 2009, 578f.).
4.
Beklagten, da die Parteien eine wirksame Befugnis der Beklagten zur einseitigen
Leistungsbestimmung gerade nicht vereinbart haben und sich diese auch nicht kraft
Gesetzes ergibt (vgl. OLG Hamm Urt. v. 29.05.2009 – 19 U 52/08 – VuR 2009, 316).
36
5.
gebrachten Preiserhöhungen an einer rechtlichen Grundlage. Sind Allgemeine
Geschäftsbedingungen - hier die formularmäßigen Preisänderungsklauseln - nicht
Vertragsbestandteil geworden oder unwirksam, so bleibt der Vertrag grundsätzlich
wegen § 306 Abs.1 BGB im Übrigen wirksam. Soweit Bestimmungen nicht
Vertragsbestandteil geworden oder unwirksam sind, richtet sich der Inhalt des Vertrages
gemäß § 306 Abs. 2 BGB nach den gesetzlichen Vorschriften.
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a)
Versorgungsvertrags verwiesen werden. Bei einer einseitigen Erhöhung von
Gaspreisen durch den Gasversorger gegenüber Sondervertragskunden wird der von
dem Versorger veröffentlichte Gaspreis auch dann nicht zum individuell vereinbarten
Preis, wenn der Kunde auf die ihm individuell bekannt gegebene Preiserhöhung
weiterhin widerspruchslos Gas bezieht, ohne zum Ausdruck zu bringen, dass er das
vom Gasversorger gewünschte erhöhte Entgelt nicht entrichten möchte (vgl. BGH Urt. v.
14.07.2010 – VIII ZR 246/08 – MDR 2010, 1096f. und Juris Rdnr. 57; OLG Hamm Urt. v.
29.05.2009 – 19 U 52/08 – VuR 2009, 316; a.A. OLG Köln Urt. 19.02.2010 – 19 U
143/09 – ZNER 2010, 285ff.; OLG Frankfurt/Main Urt. v. 13.10.2009 – 11 U 28/09 (Kart)
– RdE 2010, 104; LG Bonn Urt. v. 24.03.2010 – 1 O 226/09 – nicht veröffentlicht; LG
Köln Urt. v. 16.09.2009 – 90 O 50/09 – RdE 2009, 386; LG Dresden Urt. v. 11.09.2008 –
6 O 1981/07 – RdE 2009, 33ff.; OLG Oldenburg Urt. v. 05.09.2008 – 12 U 49/07 – OLGR
Oldenburg 2008, 885, zitiert in Juris Rdnr. 94).
38
Zwar hat der Bundesgerichtshof dies für den widerspruchslosen Weiterbezug von Gas
für den Bereich der Tarifvertragskunden bereits wiederholt angenommen (BGH Urt. v.
13.06.2007 – VIII ZR 36/06 – NJW 2007, 2540; BGH Urt. v. 19.11.2008 – VIII ZR 138/07
– NJW 2009, 502). Jedoch ist dies auf Sondervertragskunden nicht übertragbar (BGH
Urt. v. 14.07.2010 – VIII ZR 246/08 – MDR 2010, 1096f. und in Juris Rdnr. 57). Denn
anders als beim Sondervertragskunden ist bei einseitigen Preiserhöhungen in einem
Tarifkundenvertrag gemäß § 4 Abs.1 und 2 AVBGasV nicht zweifelhaft, ob das
Versorgungsunternehmen den Preis überhaupt anpassen durfte; es besteht lediglich
Ungewissheit darüber, ob die Preisanpassung der Billigkeitskontrolle gemäß § 315
Abs.3 BGB standhält, welche nur stattfindet, wenn der Kunde die Unbilligkeit der
Leistungsbestimmung durch Klage geltend macht oder wenn er gegenüber der
Leistungsbestimmung des Versorgers den Einwand der Unbilligkeit erhebt und der
Versorger im Wege der Leistungsklage vorgeht (BGH Urt. v. 14.07.2010 – VIII ZR
246/08 – MDR 2010, 1096f. und in Juris Rdnr. 57).
39
Ob von einer stillschweigenden Vertragsänderung ausgegangen werden kann, ist daher
nach allgemeinen Grundsätzen davon abhängig, ob die Beklagte aufgrund des
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nach allgemeinen Grundsätzen davon abhängig, ob die Beklagte aufgrund des
Verhaltens des jeweiligen Kunden nach den Gesamtumständen davon ausgehen durfte,
der Kunde hätte der Änderung des Abrechnungspreises zugestimmt (§§ 133, 157 BGB;
vgl. auch BGH Urt. v. 10.10.2007 – VIII ZR 279/06 - NZM 2008, 81f.; BGH Urt. v.
14.07.2010 – VIII ZR 246/08 – MDR 2010, 1096f. und in Juris Rdnr. 57). Da es insoweit
aber bei der Beklagten aufgrund der Unwirksamkeit der unter § 3 des Vertragsformulars
formulierten Klausel überhaupt an einer Gasanpassungsklausel fehlt (s.o.), kommt eine
weiter gehende Auslegung des Verhaltens des Klägers dahin, er werde nicht nur die
Billigkeit der jeweiligen einseitigen Preisänderung, sondern auch die Berechtigung des
Beklagten zur einseitigen Preisänderung akzeptieren, nicht in Betracht (BGH Urt. v.
10.10.2007 – VIII ZR 279/06 - NZM 2008, 81f.; BGH Urt. v. 14.07.2010 – VIII ZR 246/08
– MDR 2010, 1096f. und in Juris Rdnr. 57). Dies gilt bereits unabhängig davon, dass
Schweigen sowie der widerspruchslose Hinnahme oder auch der Begleichung von
Rechnungen im Rechtsverkehr in der Regel kein darüber hinausgehender
Erklärungswert entnommen werden kann (vgl. BGH Urt. v. 14.07.2010 – VIII ZR 246/08
– MDR 2010, 1096f. und Juris Rdnr. 57; OLG Hamm Urt. v. 29.05.2009 – 19 U 52/08 –
VuR 2009, 316).
b)
ergänzenden Vertragsauslegung (§§ 133, 157 BGB) herleiten.
41
Eine ergänzende Vertragsauslegung kommt jedenfalls dann in Betracht, wenn sich die
mit dem Wegfall einer unwirksamen Klausel entstehende Lücke nicht durch dispositives
Gesetzesrecht füllen lässt und dies zu einem Ergebnis führt, das den beiderseitigen
Interessen nicht mehr in vertretbarer Weise Rechnung trägt, sondern das
Vertragsgefüge einseitig zugunsten des Kunden verschiebt (BGH Urt. v. 28.10.2009 –
VII ZR 320/07 – WM 2010, 228ff.; BGH Urt. v. 15.07.2009 – VIII ZR 225/07 – BGHZ 182,
59ff.; BGH Urt. v. 01.02.1984 – VIII ZR 54/83 – BGHZ 90, 69ff.; OLG Köln Urt.
19.02.2010 – 19 U 143/09 – ZNER 2010, 285ff.). Die ergänzende Vertragsauslegung
scheitert jedoch jedenfalls daran, dass nicht feststeht, was die Vertragsparteien
vereinbart hätten, wenn sie bei Vertragsschluss bedacht hätten, dass die von der
Beklagten vorgegebene Gaspreisanpassungsklausel unwirksam ist. Denn kann eine
Regelungslücke in verschiedenen Weisen geschlossen werden und bestehen keine
Anhaltspunkte dafür, für welche Alternative sich die Parteien entschieden hätten, ist eine
ergänzende Vertragsauslegung ausgeschlossen (vgl. nur BGH Urt. v. 20.07.2005 – VIII
ZR 397/02 – NJW-RR 2005, 1619ff., Juris Rndr. 19; Palandt-Ellenberger, BGB, 69.
Auflage, § 157 Rdnr. 10 m.w.N.).
42
Zwar haben die Parteien in § 3 des Gaslieferungsvertrages eine
Preisanpassungsmöglichkeit vereinbart. Es entspricht insoweit auch dem tatsächlichen
Willen der Parteien, der Beklagten im Grundsatz die Möglichkeit einzuräumen,
Kostensteigerungen an ihre Kunden weiterzugeben. Auch ist eine
Preisänderungsklausel grundsätzlich ein geeignetes und anerkanntes Instrument zur
Bewahrung des Gleichgewichts von Preis und Leistung bei langfristigen Verträgen,
indem sie einerseits dem Verwender das Risiko langfristiger Kalkulation abnimmt und
ihm seine Gewinnspanne trotz nachträglicher ihn belastender Kostensteigerungen
sichert und sie andererseits den Vertragspartner davor bewahrt, dass mögliche künftige
Kostenerhöhungen vorsorglich schon bei Vertragsschluss durch Risikozuschläge
aufgefangen werden (BGH Urt. v. 24.03.2010 – VIII ZR 178/08 – NJW 2010, 1240ff.,
zitiert Juris Rdnr. 27; BGH Urt. v. 13.06.2007 – VIII ZR 36/06 – NJW 2007, 2540ff., zitiert
Juris Rdnr. 22; BGH Urt. v. 13.12.2006 – VIII ZR 25/06 – NJW 2007, 1054, zitiert Juris
Rdnr. 20 jeweils m.w.N.). Dabei hat der Gasversorger auch ein berechtigtes Interesse,
43
Kostensteigerungen während der Vertragslaufzeit an den Kunden weiterzugeben, mit
dem er einen Vertrag mit unbestimmter Laufzeit geschlossen hat (BGH Urt. v.
24.03.2010 – VIII ZR 178/08 – NJW 2010, 1240ff., zitiert Juris Rdnr. 27).
Trotzdem ist im vorliegenden Fall nicht ersichtlich, welche Regelung die Parteien zur
Frage einer möglichen Preisanpassung getroffen hätten. Zwar nimmt der
Gassondervertrag in der Gasanpassungsklausel in § 3 Bezug auf die "Allgemeinen
Tarifpreise für Gas" so dass eine Abhängigkeit des Sondervertragspreises von den
allgemeinen Tarifpreisen von den Parteien gewollt war. Auch stellt eine
Preisanpassungsklausel, die das im Tarifkundenverhältnis bestehende gesetzliche
Preisänderungsrecht nach § 4 Abs.1 und 2 AVBGasV in einen formularmäßigen
Gassondervertrag übernimmt im Grundsatz keine unangemessene Benachteiligung des
Sonderkunden im Sinne von § 307 Abs.1 Satz 1 oder 2 BGB dar (BGH Urt. v.
15.07.2010 – VIII ZR 225/07 – NJW 2009, 2662ff., Juris Rdnr. 24). Die §§ 4 AVBGasV
und 5 Abs.2 GasGVV können daher als gesetzlichen Regelungen für den
Tarifkundenbereich auch Leitbild einer Preisanpassung für Sondervertragskunden sein.
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Trotzdem verbietet sich im vorliegenden Fall eine vorbehaltlose Übertragung der
gesetzlichen Regelungen für Tarifkunden im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung
auf den Sonderkundenvertrag. Denn aus der Bezugnahme auf die allgemeinen
Tarifpreise lässt sich lediglich eine Abhängigkeit des sondervertraglich vereinbarten
Gaspreises vom Tarifpreis entnehmen. In welcher Weise diese Abhängigkeit besteht,
lässt sich dagegen nicht bestimmen. Aus der unwirksamen Klausel wird lediglich
deutlich, dass die Gaspreise sich jeweils in der gleichen Richtung wie die Tarifpreise
ändern sollen, dass also bei einer Senkung der allgemeinen Tarifpreise nur eine
Senkung, nicht aber eine Erhöhung des Gaspreises in Betracht kommt und umgekehrt
(so BGH Urt. v. 17.12.2008 – VIII ZR 274/06 – BGHZ 179, 186ff., Juris Rdnr. 15 zu der
hier in Rede stehenden Klausel aus § 3 des Gaslieferungsvertrages). Die Frage nach
dem Umfang der jeweiligen Erhöhung oder Senkung war aber bereits hinsichtlich der
unwirksamen Klausel auch im Wege der Auslegung nicht hinreichend zu klären (so
BGH Urt. v. 17.12.2008 – VIII ZR 274/06 – BGHZ 179, 186 ff., Juris Rdnr. 15 ebenfalls zu
der hier in Rede stehenden Klausel). Der Bundesgerichtshof hatte zur Auslegung der
hier in Rede stehenden Klausel ausgeführt, es sei nicht feststellbar, welche denkbare
Lösungsmöglichkeit die kundenfreundlichste sei, und hatte hierzu die nachfolgenden
Beispiele gebildet ( BGH Urt. v. 17.12.2008 – VIII ZR 274/06 – BGHZ 179, 186ff., Juris
Rdnr. 15):
45
"- Eine Änderung der Tarifpreise wird nominal auf die Sonderkundenpreise übertragen
(Beispiel: Bei einer Erhöhung bzw. Senkung der Tarifpreise um 0,5 Cent/kWh werden
auch die Sonderkundenpreise um 0,5 Cent/kWh erhöht bzw. gesenkt.).
46
- Eine Änderung der Tarifpreise wird prozentual auf die Sonderkundenpreise übertragen
(Beispiel: Der Tarifpreis von 5 Cent/kWh wird um 0,5 Cent/kWh – also 10% – erhöht
bzw. gesenkt; der Sonderkundenpreis beträgt 4 Cent/kWh, er
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wird um 10% – also 0,4 Cent/kWh – erhöht bzw. gesenkt.).
48
- Bei einer Änderung der Tarifpreise besteht ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht
der Beklagten, die Preise für Sonderkunden zu erhöhen (im Falle einer Erhöhung der
Tarifpreise) oder zu senken (im Falle einer Senkung der Tarifpreise), ohne dass eine
feste rechnerische Bindung an die Änderung der Tarifpreise besteht."
49
Vor diesem Hintergrund vermag die Kammer daher auch im Wege der ergänzenden
Vertragsauslegung im Übrigen nicht sicher festzustellen, was die Vertragsparteien im
vorliegenden Fall vereinbart hätten, wenn sie bei Vertragsschluss bedacht hätten, dass
die von der Beklagten vorgegebene Gaspreisanpassungsklausel unwirksam ist. Bei
Verweisung auf das gesetzliche Preisänderungsrecht nach § 4 Abs.1 und 2 AVBGasV
bliebe weiterhin unklar, in welcher Weise der Gaspreis im Sondervertrag vom Gaspreis
im Tarifvertrag abhängig sein soll beziehungsweise in welcher Weise der Gaspreis im
Sondervertrag sich vom Gaspreis im Tarifvertrag unterscheiden soll. Es wäre mithin
jedenfalls eine ergänzende Vereinbarung der Parteien zur Frage dieses
Abhängigkeitsverhältnisses zu treffen, deren Inhalt nicht mit Sicherheit beurteilt werden
kann. Anderenfalls würde die ergänzende Vertragsauslegung in diesem Fall lediglich
eine unklare Klausel durch eine unklare Bestimmung ersetzen. Aus gleichen Gründen
scheidet daher auch eine Anwendung des § 315 BGB aus (vgl. dazu auch OLG Köln
Urt. 19.02.2010 – 19 U 143/09 – OLG Köln Urt. v. 19.02.2010 – 19 U 143/09 –
ZNER 2010, 285ff., zitiert Juris Rdnr. 41).
50
6.
Gaslieferungsvertrages führt auch nicht gemäß § 306 Abs.3 BGB zu einer
Unwirksamkeit des Gaslieferungssondervertrages im Übrigen. Dem steht nicht
entgegen, dass die Beklagte als regionale Gasversorgerin in diesem Fall einer Vielzahl
von Rückforderungsansprüchen anderer Sondervertragskunden ausgesetzt ist und dies
nach ihrem Vortrag zu einer erheblichen finanziellen Belastung bis an die Grenze ihrer
wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit führen soll. Dabei kann auch offen bleiben, ob bei
dieser Beurteilung auf den einzelnen Vertrag oder auch auf eine Gesamtschau der
Folgen der Unwirksamkeit für den Verwender abzustellen ist.
51
Gesamtnichtigkeit gemäß § 306 Abs.3 BGB tritt erst ein, wenn das Festhalten an dem
nach § 306 Abs.2 BGB näher zu bestimmenden Vertragsinhalt bei Unwirksamkeit einer
Klausel (§ 306 Abs.1 BGB) für eine der Vertragsparteien eine unzumutbare Härte
darstellt (BGH Urt. v. 20.03.2003 – I ZR 225/00 – NJW-RR 2003, 1056ff., Juris Rdnr. 72;
BGH Urt. v. 22.02.2002 – V ZR 26/01 – NJW-RR 2002, 1136f.; Palandt-Grüneberg, 69.
Auflage, BGB, § 306 Rdnr. 10). Da die Verwendung einer unwirksamen Klausel auf
Seiten ihres Verwenders jedoch immer zu einer Verschlechterung seiner Rechtsstellung
führt, ist § 306 Abs.3 BGB eng auszulegen (vgl. nur OLG Frankfurt/Main Urt. v.
22.09.1994 – 1 U 103/93 – NJW-RR 1995, 283f., Juris Rdnr. 40f.; Palandt-Grüneberg,
69. Auflage, BGB, § 306 Rdnr. 11f.). Das Festhalten am Vertrag kann – wie von der
Beklagten vorgetragen – unzumutbar sein, wenn infolge der Unwirksamkeit einer
Klausel das Vertragsgleichgewicht grundlegend gestört ist. Allerdings genügt insoweit
nicht jeder wirtschaftliche Nachteil auf Seiten des Verwenders; erforderlich ist eine
einschneidende Störung des Äquivalenzverhältnisses von Leistung und Gegenleistung,
die das Festhalten am Vertrag für ihn schlechthin unzumutbar macht (vgl. dazu BGH Urt.
v. Urt. v. 09.05.1996 – III ZR 209/95 – NJW-RR 1996, 1009, Juris Rdnr. 26).
52
Im Wege der Interessenabwägung der Parteien vermag die Kammer jedoch eine der
Beklagten als Gasversorgerin unzumutbare Härte nicht zu ermitteln. Dabei verkennt die
Kammer nicht, dass die aufgezeigte Unwirksamkeit der einseitigen Gaspreisanpassung
die Austauschbedingungen für die Beklagte nachteilig dahingehend verändert, dass sie
Gas zu den Bedingung liefern muss, die sie im Zeitpunkt des Vertragsschlusses
vereinbart hat und dies im Einzelfall dazu führen kann, dass die Beklagte Gas unter den
eigenen Beschaffungskosten liefern muss. Allerdings ist im Rahmen der
53
Interessensabwägung auch zu berücksichtigen, dass sich die Beklagte als
Gasversorgerin von diesen Bedingungen durch Kündigung des Gasliefervertrages lösen
kann.
Ein unzumutbares Ergebnis zu Lasten des Gasversorgers wird daher dann nicht
angenommen, wenn dieser sich nach Ablauf einer Mindestvertragslaufzeit vom Vertrag
lösen kann; wenn er bis zu diesem Zeitpunkt an den vertraglich vereinbarten Preis
gebunden bleibt, führt dies bereits nicht ohne Weiteres zu einem unzumutbaren
Ergebnis (vgl. dazu auch BGH Urt. v. 17.12.2008 – VIII ZR 274/06 - BGHZ 179, 186ff.;
BGH Urt. v. 28.10.2009 – VII ZR 320/07 – WM 2010, 228ff.; BGH Urt. v. 15.07.2009 – VIII
ZR 225/07 – BGHZ 182, 59ff.; BGH Urt. v. 29.04.2008 – KZR 2/07 – BGHZ 176,244ff.;
OLG Köln Urt. 19.02.2010 – 19 U 143/09 – nicht veröffentlicht; OLG Hamm Urt. v.
29.05.2009 – 19 U 52/08 – VuR 2009, 316; OLG Oldenburg Urt. v. 05.09.2008 – 12 U
49/07 – OLGR Oldenburg 2008, 885, zitiert in Juris Rdnr. 92; AG Hamburg-Bergehof Urt.
v. 15.05.2009 – 409 C 10/09 –ZMR 2009, 692ff.). Diese Voraussetzungen liegen vor.
Die Beklagte kann den Gaslieferungsvertrag gemäß des dortigen § 6 erstmals nach
Ablauf von 24 Monaten nach seinem Inkrafttreten mit einer Kündigungsfrist von drei
Monaten jeweils zum Ende eines Abrechnungsjahres schriftlich kündigen. Auch wenn
der Kläger bei ersatzlosem Wegfall der Preisanpassungsklausel zu einem weit unter der
Wirtschaftlichkeitsgrenze liegenden Preis beliefert wurde, ist daher ein unzumutbares
Ergebnis zu Lasten der Beklagten nicht feststellbar. Die Beklagte hätte dieses Risiko
durch Kündigung des Gaslieferungsvertrages begrenzen können (vgl. dazu zu der hier
in Rede stehenden Klausel auch BGH Urt. v. 17.12.2008 – VIII ZR 274/06 – BGHZ 179,
186ff. sowie in Juris Rdnr. 24f.), wobei das wirtschaftliche Gesamtrisiko für die Beklagte
ohnehin auf die verjährungsfreie Zeit der Gaslieferung begrenzt ist.
54
Die Beklagte kann insoweit auch nicht einwenden, die Unwirksamkeit der
Preisanpassungsklausel sei für sie insbesondere im Hinblick auf das Urteil des
Landgerichts Bonn vom 07.09.2006 – 8 S 146/05 – nicht vorhersehbar gewesen, weil
diese Entscheidung nicht nur zeitlich nach den Widerspruchsschreiben des Klägers
vom 01.10. und 31.12.2005 folgte, sondern auch weil das Landgericht Bonn in der
genannten Entscheidung die Revision ausdrücklich zugelassen hatte (vgl. LG Bonn Urt.
v. 07.09.2006 – 8 S 146/05 – zitiert in Juris). Allein der Umstand, dass die Beklagte das
dahingehende Prozessrisiko abweichend eingeschätzt hatte, macht die Unwirksamkeit
der in Rede stehenden Preisanpassungsklausel für sie nicht unvorhersehbar. Sie hatte
die Möglichkeit, ein weitergehendes wirtschaftliches Risiko, das hinsichtlich des
allgemeinen Verjährungsrechts auf einen Rückforderungszeitraum von drei Jahren
begrenzt ist, durch eine Kündigung des Sonderlieferungsvertrages zu vermeiden.
55
7.
bei Vertragsschluss im Jahre 1991 geltenden Arbeitspreises von umgerechnet 2,4 Cent
netto. Entsprechend der durch die Beklagten nicht bestrittenen Darlegungen des
Klägers entspricht dies einem Betrag in Höhe von 1.977,61 €.
56
8.
den Einwand der Entreicherung (§ 818 Abs.3 BGB) berufen.
57
a)
folgt. Hiernach haftet der Bereicherungsschuldner nach allgemeinen Vorschriften, was
insbesondere bedeutet, dass er sich nicht auf den Wegfall der Bereicherung berufen
kann.
58
kann.
§ 820 Abs.1 BGB ist nach allgemeiner Auffassung auf Zahlungen unter dem Vorbehalt
der Rückforderung entsprechend anzuwenden, weil auch hier eine Unsicherheit über
das endgültige Behaltendürfen der Leistung besteht (vgl. nur Palandt/Sprau, BGB, 69.
Auflage, § 820 Rdnr. 4; Staudinger/Lorenz, BGB, Neubearb. 2007, § 820 Rdnr. 5; BGH
Urt. v. 08.06.1988 – IVb ZR 51/87 – WM 1988, 1494 jeweils m.w.N.). Zwar setzt die
Anwendbarkeit von § 820 Abs.1 BGB voraus, dass dem Vorbehalt seitens des
Zahlungsempfängers nicht widersprochen wurde (vgl. BGH Urt. v. 20.10.2005 – III ZR
37/05 – NJW 2006, 286ff., Juris Rdnr. 13). Von einem solchen Widerspruch gegen den
Vorbehalt der Rückforderung der geleisteten Zahlungen ist jedoch nicht auszugehen.
Der Kläger widersprach erstmals mit Schreiben vom 06.10.2005 einer durch die
Beklagte im September 2005 zum 01.10.2005 angekündigten Preiserhöhung und
sprach auch einen entsprechenden Vorbehalt der Rückforderung aus. Den Vorbehalt
bestätigte die Beklagte ausdrücklich durch Schreiben vom 14.10.2005.
59
Indem die Beklagte dem Kläger zugleich – wie anderen Kunden auch – zudem mitteilte,
sie werde "ohne besondere Aufforderungen entsprechend geänderte Abrechnungen"
erstellen, sofern sich "durch Rechtsprechung veranlasste Veränderungen der
Gaspreise" ergäben, hat sich die Beklagte mit dem seitens mehrerer Kunden
ausgesprochenen Vorbehalt der Rückforderung einverstanden erklärt. Der Kläger hatte
auf Grundlage des Schreibens der Beklagten vom 14.10.2005 auch keine
Veranlassung, weitere Vorbehalte zu erklären.
60
Der Vorbehaltswirkung steht schließlich auch nicht entgegen, dass der Kläger seine
Schreiben vom 06.10.2005 und 15.01.2006 lediglich gegen die Billigkeit der Preise
richtete. Zwar kommt es für die Frage der Wirksamkeit der in Rede stehenden
Preisanpassungen entgegen der von dem Kläger in seinen Schreiben vom 06.10.2005
und 15.01.2006 geäußerten Auffassung nicht darauf an, ob die Preiserhöhungen einer
Billigkeitskontrolle gemäß § 315 Abs.3 BGB standhielten (BGH Urt. v. 17.12.2008 – VIII
ZR 274/06 – BGHZ 179, 186ff. sowie in Juris Rdnr. 12.). In seinen Schreiben bringt der
Kläger jedoch hinreichend deutlich zum Ausdruck, dass er die neue Preisanpassung als
solche für unwirksam hält; der Hinweis auf die Frage ihrer Billigkeit war lediglich ein
dahingehendes Argument.
61
b)
Wegfall der Bereicherung zu berufen. Zwar sind die dem Bereicherungsschuldner
erwachsenen Erwerbskosten grundsätzlich im Rahmen des § 818 Abs.3 BGB
anzurechnen, jedoch haben hierbei die Wertungen, die sich aus dem Zweck des
Bereicherungsanspruches ergeben, Berücksichtigung zu finden (Palandt/Sprau, BGB,
69. Auflage, § 818 Rdnr. 42f.). Bei der Leistungskondiktion ist daher maßgeblich, wer
nach den Vorschriften des fehlgeschlagenen Geschäftes das Entreicherungsrisiko zu
tragen hat (BGH Urt. v. 12.05.1998 – XI ZR 79/97 – NJW 1998, 2429ff., Juris Rdnr. 19;
BGH Urt. v. 25.10.1989 – VIII ZR 105/88 – NJW 1990, 314ff., Juris Rdnr. 18; OLG Köln
Urt. v. 19.02.2010 – 19 U 143/09 – ZNER 2010, 285ff.; Palandt/Sprau, BGB, 69. Auflage,
§ 818 Rdnr. 43 m.w.N.). Das wirtschaftliche Beschaffungsrisiko im
Gaslieferungssondervertrag liegt – wie in anderen Lieferverträgen auch (vgl. etwa BGH
Urt. v. 12.05.1998 – XI ZR 79/97 – NJW 1998, 2429ff., Juris Rdnr. 19; BGH Urt. v.
25.10.1989 – VIII ZR 105/88 – NJW 1990, 314ff.) - im Grundsatz beim Lieferanten und
damit bei der Beklagten. Es ist – wie gezeigt - gerade Folge der Unwirksamkeit der
Gaspreisanpassungklausel, dass sich die Austauschbedingungen für die Beklagte als
Verwenderin der unwirksamen Klausel nachteilig verändern können. Angesichts der
62
jährlichen Kündigungsmöglichkeit in § 6 Abs.1 des Sondervertrages ist ihr ein
Festhalten an dem Vertrag zu den ursprünglichen Konditionen jedoch zuzumuten und
der Vertrag daher auch nicht gemäß § 306 Abs.3 BGB im Übrigen unwirksam. Dieses
Risiko kann die Beklagte als Verwenderin der unwirksamen Klausel nicht über § 818
Abs.3 BGB auf den Kunden übertragen. Hat sie für den Zeitraum der ihr zumutbaren
Bindung höhere Erwerbskosten zu zahlen, fällt deshalb auch dies in ihren Risikobereich
(ebenso in einem vergleichbaren Fall OLG Köln Urt. v. 19.02.2010 – 19 U 143/09 –
ZNER 2010, 285ff., zitiert Juris Rdnr. 72ff.).
9.
auch nicht auf den Einwand der Verjährung berufen.
63
a)
Bereicherung auf Rückzahlung zuviel entrichteter Leistungsentgelte, die zu bestimmten
Zeitpunkten zu bezahlen sind, im Regelfall mit Ablauf des Jahres beginnt, in welchem
die Zahlung erbracht wurde (vgl. dazu nur BGH Urt. v. 26.04.1989 – VIII ZR 12/88 –
NJW-RR 1989, 1013ff.). Dies wäre für die von dem Kläger für den Zeitraum vom 01.10.
bis 31.12.2005 geltend gemachten Rückforderungsansprüche im Grundsatz der Ablauf
des Jahres 2005, da in diesem Zeitraum bereits Abschlagszahlungen geleistet wurden.
64
b)
Einwand der Verjährung zu berufen (vgl. dazu etwa Palandt-Ellenberger, 69. Auflage,
BGB, Überbl. v. § 194 Rdnr. 16ff.). Die Beklagte hat dem Kläger – wie anderen Kunden
auch - nach Erhalt des Widerspruchs gegen die Preiserhöhung durch Schreiben vom
14.10.2005 mitgeteilt, sie habe den Widerspruch erhalten und werde neue
Abrechnungen erstellen, falls es zu einer durch die Rechtsprechung veranlassten
Veränderung der Gaspreise komme. Zwar ist diesem Schreiben kein unmittelbarer
Verzicht auf die Erhebung der Einrede der Verjährung für die Zukunft zu entnehmen.
Aus Sicht eines objektiven Empfängers dieses Schreibens war jedoch davon
auszugehen, die Beklagte werde zunächst den Ausgang der von ihr genannten
laufenden Gerichtsverfahren abwarten und sich dann unabhängig von dem weiteren
Verhalten der Kunden den Urteilen beugen und etwaige Rückzahlungen veranlassen.
Der Empfänger eines solchen Schreibens durfte daher davon ausgehen, aus diesem
Grund keine verjährungshemmenden Maßnahmen ergreifen zu müssen (vgl. dazu auch
Staudinger/Peters-Jacoby, BGB, Neubarb. 2009, § 214 Rdnr. 23).
65
10.
66
II.
67
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 91 Abs.1, 97 Abs.1 ZPO. Die Entscheidung
über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
68
III.
69
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Rechtssache weder grundsätzliche
Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen
Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 Nr. 1
und 2 ZPO). Die Frage des Zustandekommens von vertraglichen Absprachen bei
Unwirksamkeit einer einseitigen Preisanpassungsklausel ist durch das Revisionsgericht
70
beantwortet worden (BGH Urt. v. 14.07.2010 – VIII ZR 246/08 – MDR 2010, 1096f. und
Juris Rdnr. 57). Der zur Entscheidung anstehende Sachverhalt im Übrigen war an Hand
allgemeiner Rechtsgrundsätze zur Vertragsauslegung und zur Entreicherung unter
Einbeziehung individueller Einzelfallumstände zu beurteilen.
Gegenstandswert für das Berufungsverfahren:
71
1.977,61 €
72