Urteil des LG Bonn vom 27.12.2000

LG Bonn: vollmacht, gesellschaft, strafbefehl, geschäftsführer, bevollmächtigung, datum, strafverfahren, urkunde, vorfrage, vertreter

Landgericht Bonn, 37 Qs 59/00
Datum:
27.12.2000
Gericht:
Landgericht Bonn
Spruchkörper:
7. große Strafkammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
37 Qs 59/00
Vorinstanz:
Amtsgericht Bonn, 72 Cs 673/00
Sachgebiet:
Recht (allgemein - und (Rechts-) Wissenschaften Wirtschaftsrecht
Strafrecht
Tenor:
Die von der S Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, .vertreten durch den
Geschäftsführer, Herrn Rechtsanwalt T S, mit Schriftsatz vom
30.11.2000 "namens des Angeklagten" eingelegte Beschwerde wird als
unzulässig verworfen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die S
Rechtsanwaltsgesellschaft mbH.
Der Beschwerdewert beträgt 200 DM.
Gründe:
1
I
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Im Rahmen eines gegen den Angeschuldigten laufenden Steuerstrafverfahrens bestellte
sich ursprünglich mit Schriftsatz vom 22.06.1998 Frau Rechtsanwältin L S und fügte
eine auf sie persönlich lautende Vollmacht bei, die der Angeschuldigte am 12.06.1998
ihr für die "Vertretung in allen Steuerangelegenheiten erteilt hatte.
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Bereits ab dem 05.10.1998 wurde die Korrespondenz mit dem Finanzamt für den
Angeschuldigten durch die Beschwerdeführerin geführt, ohne dass diese sich
ausdrücklich anstelle von Rechtsanwältin L S bestellt hätte. Eine neue auf die Frau S
Rechtsanwaltsgesellschaft mbH lautende Vollmacht wurde dabei nicht zu den Akten
gereicht.
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Zur Durchführung einer tatsächlichen Verständigung stellte die M GmbH, vertreten durch
den Angeschuldigten als Geschäftsführer, am 03.09.1999 der Beschwerdeführerin "in
Sachen tatsächliche Verständigung" eine Vollmacht aus.
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Mit Datum vom 30.06.2000 erließ das Amtsgericht Bonn einen Strafbefehl gegen den
Angeschuldigten, Az. ## Cs ## Js ###/00 – ###/00 . Dieser wurde dem
Angeschuldigten, der unbekannten Aufenthalts ist, persönlich bisher nicht zugestellt.
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Mit Schriftsatz vom 14.07.2000 teilt die Beschwerdeführerin mit, ihrem Geschäftsführer,
Herrn Rechtsanwalt S sei der Strafbefehl am 06.07.2000 zugegangen, und vertritt dazu
die Auffassung, dass nicht dieser persönlich, sondern die Beschwerdeführerin die
Position der Verteidigerin übernommen habe. Daher sei der Strafbefehl bisher nicht
ordnungsgemäß zugestellt.
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Hilfsweise legte die Beschwerdeführerin im Schriftsatz vom 14.07.2000 Einspruch
gegen den Strafbefehl vom 30.06.2000 ein. Mit Schriftsatz vom 08.09.2000 wurde
seitens der Beschwerdeführerin das Vollmachtsformular Bl. 227 d.A. zu den Akten
gereicht, das bis auf einen Schriftzug im Feld für die Unterschrift nicht ausgefüllt worden
ist.
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Am 19.10.2000 wurde der Strafbefehl gegen den Angeschuldigten der
Beschwerdeführerin, vertreten durch ihren Geschäftsführer per Empfangsbekenntnis
zugestellt (Bl. 231 d.A.).
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Das Amtsgericht vertritt sowohl gegenüber der Beschwerdeführerin als auch gegenüber
deren Geschäftsführer persönlich die Auffassung, eine Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
selbst könne nicht Verteidigerin im Sinne der StPO sein, sondern nur deren
Geschäftsführer als für sie handelnde Person. Die Vollmacht, die mit Schriftsatz vom
08.09.2000 zu den Akten gereicht worden sei, sei nicht ausreichend, weil sie auf die
Rechtsanwaltsgesellschaft mbH ausgestellt worden sei.
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Die von der Beschwerdeführerin namens des Angeschuldigten daraufhin eingelegte
Beschwerde vom 30.11.2000 stellt sich auf den Standpunkt Verteidigerin des
Angeschuldigten sei die Beschwerdeführerin und führt dazu aus, Gegenstand sei die
Weigerung des Amtsgerichts Bonn, die Prozessbevollmächtigung der S
Rechtsanwaltsgesellschaft mbH im genannten Strafverfahren anzuerkennen und den
Strafbefehl gegen den Angeklagten der S Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
ordnungsgemäß zuzustellen.
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II.
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Die Beschwerde ist unzulässig.
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Die Beschwerdeführerin, in dessen Namen die Beschwerde eingelegt worden ist, ist
weder selbst Verteidigerin des Angeschuldigten noch als Rechtsanwaltsgesellschaft
ordnungsgemäß durch- den Angeschuldigten bevollmächtigt, wodurch Herr
Rechtsanwalt T S als für die Gesellschaft Handelnder Verteidiger geworden wäre.
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Die Beschwerdeführerin ist nicht ordnungsgemäß bevollmächtigt.
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Zwar bedarf die Verteidiger-Vollmacht grundsätzlich keiner besonderen Form, weil eine
solche durch die StPO nicht im allgemeinen, sondern nur für besondere Fälle, z .B. §
145a StPO, vorgeschrieben ist, so dass eine Vermutung für die Verteidigerstellung
desjenigen spricht, der sich als Verteidiger bestellt und Prozesshandlungen vornimmt,
BGHSt 36, 259; BayObLG 1980, 69; Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 44. Aufl., Rn. 9
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vor § 137. Aber bei Zweifeln im Einzelfall kann die Vorlage einer Vollmachtsurkunde
verlangt werden, OLG Hamm, AnwBl. - 1981, 31; LG Hagen, stv 1983, 145;
Kleinknecht/Meyer-Goßner a.a.O. Dabei muss sich die Verteidigervollmacht auf eine
oder mehrere bestimmte Rechtssachen beziehen, LG Wuppertal, NStZ 1992, . 152;
Laufhütte, in KK StPO, 3. Aufl., Rn. 2 vor § 137,
Ein solcher berechtigter Zweifel im Einzelfall bestand hier für das Amtsgericht, das damit
zurecht von der S Rechtsanwaltsgesellschaft mbH den Nachweis der Verteidiger-
Vollmacht forderte. Zunächst hatte sich Frau Rechtsanwältin L S mit einer auf sie
persönlich als Einzelanwältin lautenden Vollmacht als Verteidigerin bestellt. Alsbald
danach trat aber nur noch eine S Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, überwiegend durch
Herrn Rechtsanwalt T S handelnd, für den Angeschuldigten auf, ohne sich anstelle der
bisherigen Verteidigerin zu bestellen oder eine auf die Gesellschaft lautende Vollmacht
vorzulegen. Hinzu kam, dass die bisherige Verteidigerin, Frau Rechtsanwältin L S,
ausweislich des Briefkopfes der Gesellschaft deren angestellte Rechtsanwältin ist.
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Der vom Amtsgericht zulässigerweise geforderte Nachweis ist nicht erbracht worden.
Eine ordnungsgemäße Bevollmächtigung der S Rechtsanwaltsgesellschaft mbH ist
nicht ersichtlich. Die auf die Rechtsanwaltsgesellschaft mbH lautende Vollmacht vom
03.09.1999 ist nicht vom Angeschuldigten, sondern von der M GmbH ausgestellt worden
und bezieht sich zudem nur auf die tatsächliche Verständigung, nicht aber auf ein
Strafverfahren. Auch das mit Schriftsatz vom 08.09.2000 zu den Akten gelangte
unterschriebene Vollmachtsformular führt nicht den Nachweis einer ordnungsgemäßen
Bevollmächtigung der Rechtsanwaltsgesellschaft mbH. Es ist nicht nur ohne Datum,
sondern auch im übrigen nicht ausgefüllt. Insbesondere lässt sich der Urkunde weder
entnehmen, wer der Gesellschaft eine Vollmacht ausgestellt haben soll, noch für welche
konkrete Rechtssache die Vollmacht gelten soll.
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Darüber hinaus wäre die Beschwerdeführerin aber auch im Falle einer
ordnungsgemäßen Bevollmächtigung der Gesellschaft nicht Verteidigerin im Sinne der
§§ 137 ff. StPO - Vielmehr würde durch, die ordnungsgemäße Bevollmächtigung der
Gesellschaft seitens des Angeschuldigten der in der konkreten Rechtssache für die
GmbH handelnde Rechtsanwalt Verteidiger im Sinne der §§ 137 ff. StPO. Dies ergibt
sich aus dem eindeutigen Wortlaut des § 59 I Satz 4 BRAO. Bei der Einführung der
Rechtsanwaltsgesellschaft mit beschränkter Haftung sollte auch der Anwalts-GmbH
eine strafverfahrensrechtliche Betätigung ermöglicht werden, ohne dabei die Vorgaben
des Bundesverfassungsgerichts aus BVerfGE 43, 79; 45, 272, dass
Personenvereinigungen keine Verteidiger sein können, zu verletzen. Dabei dürften
allerdings - ordnungsgemäße Bevollmächtigung der Gesellschaft vorausgesetzt
Zustellungen sowohl an, die Gesellschaft als bevollmächtigten Vertragspartner des
Angeschuldigten als auch an den konkret handelnden Anwalt persönlich, der gem. §§
59 I Satz 4 BRAO, 137 ff. StPO in eigener Person Verteidiger ist, wirksam sein.
Feuerich, in: Feuerich/Braun, BRAO, 4. Aufl. 1999, § 59 I Rn. 5.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO. Danach ist auch der
vollmachtslose Vertreter verpflichtet, die Kosten des Rechtsmittels zu tragen, OLG Celle,
StraFo 1998, 31; KG, Rpflg. 1971, 193; Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, § 473 Rn 8.
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Der Beschwerdewert wurde ausgehend vom Gebühreninteresse der
Beschwerdeführerin gem. §§ 83, 84 BRAGO unter Berücksichtigung eines Abschlages,
weil nur die Feststellung einer Vorfrage begehrt wurde, festgelegt.
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