Urteil des LG Bonn vom 13.11.2006

LG Bonn: einstellung des verfahrens, abgabe, erwerb, vertreter, anschluss, weisung, kaufpreis, form, haus, anzahlung

Landgericht Bonn, 6 T 196/06
Datum:
13.11.2006
Gericht:
Landgericht Bonn
Spruchkörper:
6. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
6 T 196/06
Vorinstanz:
Amtsgericht Waldbröl, 2 K 96/05
Schlagworte:
Gläubigervertreter, Gebot, Eigenerwerbsinteresse
Normen:
§§ 71 Abs. 1, 77 Abs. 1, 85a Abs. 1, 96, 97 Abs. 1, 98, 100 Abs. 1 ZVG,
567 Abs. 1 Nr. 1, 569 ZPO
Sachgebiet:
Recht (allgemein - und (Rechts-) Wissenschaften
Leitsätze:
Gibt im ersten Zwangsversteigerungstermin nur der erschienene
Vertreter der das Verfahren betreibenden Gläubigerin im eigenen
Namen ein Gebot ab, das unter der 5/10-Grenze liegt, ohne dabei ein
eigenes Erwerbsinteresse zu haben, ist das Gebot als unwirksam
zurückzuweisen (Anschluss an BGH -V ZB 98/05- vom 24.11.2005).
Ist stattdessen auf das Gebot gemäß § 85a Abs. 1 ZVG der Zuschlag
versagt worden, darf gleichwohl im nächsten Versteigerungstermin der
Zuschlag nicht auf ein Gebot erfolgen, das unterhalb der 5/10-Grenze
liegt. Der dennoch erteilte Zuschlag ist auf sofortige Beschwerde des
Schuldners aufzuheben.
Tenor:
Dem Beschwerdeführer wird für das Beschwerdeverfahren mit Wirkung
vom 30.05.2006 ratenfreie Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von
Rechtsanwalt E in B bewilligt.
Der Zuschlagsbeschluss des Amtsgerichts Waldbröl vom 16.05.2006 –2
K 96/05- wird aufgehoben.
Der Zuschlag wird versagt.
G r ü n d e:
1
I.
2
Mit Beschluss vom 25.08.2005 hat das Amtsgericht den Verkehrswert auf 101.000,- €
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festgesetzt. Die 7/10-Grenze beträgt demnach 70.700,- €, die 5/10-Grenze 50.500,- €.
Im ersten Versteigerungstermin am 20.12.2005 sind von Seiten der Beteiligten der
Schuldner sowie der Zeuge Rechtsanwalt W, dieser als Bevollmächtigter der C
Partnerschaft in L, diese ihrerseits Bevollmächtigte der betreibenden Gläubigerin F
Bank, erschienen. Der Zeuge W hat in dem Termin im eigenen Namen ein Gebot in
Höhe von 25.000,- € abgegeben, das zugelassen worden ist, weitere Gebote wurden
nicht abgegeben. Das Amtsgericht hat daraufhin mit Beschluss vom 20.12.2005 den
Zuschlag auf dieses Gebot gemäß § 85a ZVG wegen Nichterreichens der 5/10-Grenze
versagt.
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Unter dem 13.02.2006 hat das Amtsgericht neuen Versteigerungstermin auf den
18.04.2006 anberaumt unter Hinweis auf den Zuschlagsversagungsbeschluss vom
20.12.2005 und den Grund der Versagung.
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In dem Termin vom 18.04.2006 sind seitens der Beteiligten erschienen der Schuldner
sowie als Bevollmächtigter der C Partnerschaft für die F Bank Herr A. In diesem Termin
sind Gebote abgegeben worden von einem Herrn Y und von dem Beteiligten K. Der
Beteiligte K ist mit einem Gebot von 50.000,- € Meistbietender geblieben.
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Mit dem angefochtenen Beschluss vom 16.05.2006 hat das Amtsgericht dem Beteiligten
K den Zuschlag erteilt. In der Begründung hat es zu dem im Termin vom 18.04.2006
erhobenen "Einspruch" des Schuldners, im ersten Versteigerungstermin sei mangels
Eigenerwerbsinteresses kein gültiges Gebot abgegeben worden, ausgeführt, es liege
kein Scheingebot vor. Der verfahrensrechtliche Zweck, mit dem Gebot die Wirkung des
§ 85a Abs. 2 Satz 2 ZVG zu erzielen, sei legitim und stehe der Unwirksamkeit des
Gebots auch bei fehlendem Eigenerwerbsinteresse entgegen. Wegen der weiteren
Einzelheiten der Begründung wird auf den angefochtenen Beschluss Bezug
genommen.
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Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde, mit der im wesentlichen geltend
gemacht wird, das Gebot im ersten Termin am 20.12.2005 sei mangels
Eigenerwerbsinteresses des Bieters unwirksam gewesen, weshalb auf den zweiten
Termin nicht zu einem Gebot unterhalb der 5/10-Grenze habe zugeschlagen werden
dürfen.
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Die betreibende Gläubigerin trägt vor, der Zeuge W habe sein Gebot als Privatperson
abgegeben und damit ein konkretes Eigenerwerbsinteresse gehabt. Als
Terminsvertreter der Gläubigerin habe er die Weisung gehabt, höchstmögliche Gebote
durchzuholen.
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Die Kammer hat Beweis erhoben gemäß dem Beweisbeschluss vom 15.08.2006 durch
Einholung schriftlicher Zeugenaussagen der Zeugen W, N, T und G. Wegen der
Beweisthemen wird auf den Beweisbeschluss, wegen des Ergebnisses der
Beweisaufnahme wird auf die schriftlichen Aussagen der Zeugen T vom 22.08.2006 (Bl.
212 d.A.), N vom 24.08.2006 (Bl. 213 d.A.), W vom 25.08.2006 (Bl. 214-216 d.A.) sowie
G vom 26.08.2006 (Bl. 219 d.A.) Bezug genommen.
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Im Anschluss daran hat die Kammer den Beteiligten unter dem 01.09.2006 folgenden
Hinweis erteilt:
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Die Kammer tendiert vorbehaltlich noch vorzunehmender Überprüfung dieser
vorläufigen Auffassung nach Ablauf der den Beteiligten zur Stellungnahme
gesetzten Frist dazu, nicht von einem eigenen Erwerbsinteresse des Zeugen W
auszugehen, sondern davon, dass sein eigenes Gebot im ersten
Versteigerungstermin lediglich dem Zweck diente, überhaupt den Erwerb für
weniger als die Hälfte des Verkehrswertes zu ermöglichen: Der Zeuge W ist zu
dem Termin als Vertreter der betreibenden Gläubigerin erschienen. Er hat unter
Zugrundelegung der Aussagen zunächst alle Anwesenden gefragt, ob diese ein
Gebot abgeben wollen. Nachdem das verneint worden war, hat er im eigenen
Namen ein Gebot abgegeben, das deutlich unter der Hälfte des festgesetzten
Verkehrswertes lag. Aus der eigenen Aussage des Zeugen W lässt sich ein
Eigeninteresse des Zeugen am Erwerb des Objekts nicht ableiten. Auf die
ausdrückliche Frage nach dem eigenen Erwerbsinteresse oder dem sonstigen
Interesse an der Abgabe des Gebotes hat er angegeben, sein Gebot habe dem
Zweck gedient, einen Erwerb des Objektes für weniger als die Hälfte des
festgesetzten Verkehrswertes zu ermöglichen. Dass er selbst ein Interesse daran
hatte, das Objekt zu erwerben, sagt er nicht. Die Frage, warum er zum nächsten
Versteigerungstermin nicht erschienen sei, beantwortet er mit dem Hinweis, er
habe keine Ladung erhalten und zudem einen weitaus interessanteren
Versteigerungstermin wahrgenommen. Als Rechtsanwalt, der nahezu täglich einen
oder mehrere Versteigerungstermine als Gläubigervertreter wahrnimmt, weiß er
natürlich, dass in einem ersten Versteigerungstermin grundsätzlich kein Zuschlag
zu einem Gebot unter der Hälfte des festgesetzten Verkehrswertes erfolgt, man
also, wenn man günstig erwerben will, zu einem weiteren Termin wird kommen
oder sich dort vertreten lassen müssen. Auf eine Ladung kommt es nicht an, eine
solche erfolgt ohnehin nicht. Hätte er den zweiten Versteigerungstermin in Verfolg
eines eigenen Erwerbsinteresses wahrnehmen wollen, hätte er sich darum
kümmern können, zumal ohnehin ein (anderer) Vertreter der Kanzlei, in der er tätig
ist, als Gläubigervertreter erschienen ist. Die Kammer geht daher nach derzeitiger
Aktenlage davon aus, dass das Gebot des Zeugen W im ersten
Versteigerungstermin wegen fehlenden eigenen Erwerbsinteresses unwirksam
war. Dementsprechend hätte nicht der Zuschlag auf dieses Gebot versagt werden,
sondern das Gebot als unzulässig zurückgewiesen werden müssen. Folge davon
ist, dass im zweiten Versteigerungstermin ein Zuschlag auf ein Gebot unter der
Hälfte des festgesetzten Verkehrswertes nicht erfolgen konnte, so dass nach
derzeitiger Aktenlage mit Aufhebung des Zuschlagsbeschlusses zu rechnen ist. Es
besteht Gelegenheit, zu den vorstehenden Hinweisen und dem Ergebnis der
Beweisaufnahme binnen drei Wochen ab Zustellung dieser Verfügung Stellung zu
nehmen.
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Der Beschwerdeführer hat sich dem angeschlossen.
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Der Beteiligte K hat darum gebeten, eine Entscheidung über ihm entstandene Kosten in
Höhe von insgesamt 13.285,- € zu treffen, nämlich für Anzahlung auf den Kaufpreis,
Gebühren, Grunderwerbsteuer, Porto pp und 36 Stunden Arbeitszeit für
Instandhaltungsarbeiten am Haus.
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Die übrigen Beteiligten haben sich nicht zu der Hinweisverfügung geäußert.
15
II.
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Die nach den §§ 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO, 96, 97 Abs. 1 ZVG statthafte und auch sonst
zulässige –insbesondere form- und fristgerecht (§§ 569 ZPO, 98 ZVG) eingelegte-
sofortige Beschwerde ist begründet, weil das Amtsgericht bei der Erteilung des
Zuschlags die Vorschrift des § 85a Abs. 1 ZVG verletzt hat (§ 100 Abs. 1 ZVG).
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Soweit das Amtsgericht meint, von der auf Rechtsbeschwerde ergangenen
Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 24.11.2005 – V ZB 98/05- gestützt auf ältere
Rechtsprechung und ebenso ältere Literaturmeinungen abweichen zu können, ist ihm
nicht zu folgen. Das Amtsgericht verkennt dabei die grundlegende Bedeutung von
Grundsatzentscheidungen des Bundesgerichtshofs, die auf Rechtsbeschwerde ergehen
und dem Ziel dienen, grundsätzliche Fragen höchstrichterlich zu klären und dadurch die
Rechtsprechung zu vereinheitlichen. Jede Abweichung von einer solchen Entscheidung
des Bundesgerichtshofs führt zwangsläufig dazu, dass die Rechtsbeschwerde
zugelassen werden muss; das macht im Interesse der Verfahrensbeteiligten nur Sinn,
wenn das abweichende Gericht der Auffassung ist, für seine Ansicht durchschlagende
Argumente zu haben, die den Bundesgerichtshof zu einer Änderung seiner
Rechtsprechung veranlassen werden. Solche Gesichtspunkte zeigt das Amtsgericht
nicht auf, sie sind auch nicht erkennbar.
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Dementsprechend ist davon auszugehen, dass ein Gebot eines Gläubigervertreters, das
dieser im eigenen Namen abgibt, unwirksam ist, wenn es nicht im eigenen
Erwerbsinteresse abgegeben worden ist.
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Vorliegend war deshalb aufzuklären, ob der Zeuge W bei Abgabe seines Gebots im
ersten Versteigerungstermin ein eigenes Erwerbsinteresse gehabt hat. Die hierzu
durchgeführte Beweisaufnahme hat zu dem Ergebnis geführt, dass der Zeuge W bei
Abgabe seines Gebotes im ersten Versteigerungstermin eine eigene Erwerbsabsicht
nicht hatte. Zur Begründung wird auf die weiter oben zitierte Hinweisverfügung vom
01.09.2006 Bezug genommen. Da der Zeuge W, der von der F Bank die Weisung hatte,
höchstmögliche Gebote durchzuholen, als einziger überhaupt und dann im eigenen
Namen ein Gebot abgegeben hat, das um gut 50% unter der 5/10-Grenze lag, und nicht
zum zweiten Versteigerungstermin erschienen ist oder sich dort hat vertreten lassen, um
auch dort Gebote abzugeben, ist die Kammer davon überzeugt, dass der Zeuge W ein
eigenes Erwerbsinteresse nicht hatte, sondern ausschließlich verfahrenstechnische
Ziele im Interesse der Gläubigerin verfolgte.
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Damit war das Gebot des Zeugen W unwirksam. Es durfte nicht nach § 85a Abs.1 ZVG
auf dieses Gebot der Zuschlag versagt werden, vielmehr war das Gebot als unwirksam
nach § 71 Abs. 1 ZVG zurückzuweisen mit der Folge der einstweiligen Einstellung des
Verfahrens nach § 77 Abs. 1 ZVG. Dementsprechend lagen im Versteigerungstermin
vom 18.04.2006 die Voraussetzungen für die Erteilung des Zuschlags auf ein Gebot,
das unterhalb der 5/10-Grenze lag, nicht vor, so dass der Zuschlag gemäß § 85a Abs. 1
ZVG zu versagen war.
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Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, da zu Ungunsten des zum
Beschwerdeverfahren zugezogenen Erstehers und der sonstigen zugezogenen
Beteiligten in Ermangelung besonderer Umstände eine Kostenentscheidung nicht
ergehen kann ( vgl. Stöber, ZVG, 17. Aufl., § 99 Nr. 2.5).
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Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 574 ZPO
nicht erfüllt sind. Die Entscheidung orientiert sich an der Rechtsprechung des
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Bundesgerichtshofs, so dass sie in rechtlicher Hinsicht keine grundsätzliche Bedeutung
hat; in tatsächlicher Hinsicht handelt es sich ohnehin um eine Einzelfallentscheidung.
Soweit der Beteiligte K eine Entscheidung zu den ihm entstandenen Aufwendungen
erstrebt, kann dem im vorliegenden Verfahren nicht entsprochen werden, weil dies nicht
Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist.
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