Urteil des LG Bochum vom 14.07.2010

LG Bochum (bundesamt für migration, abschiebungshaft, vorzeitige entlassung, abschiebung, anordnung, unterrichtung, stpo, staatsanwaltschaft, pass, visum)

Landgericht Bochum, I-7 T 266/10
Datum:
14.07.2010
Gericht:
Landgericht Bochum
Spruchkörper:
7. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
I-7 T 266/10
Vorinstanz:
Amtsgericht Bochum, 18 XIV 1012 B
Tenor:
Die sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.
Der Antrag auf Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird
zurückgewiesen.
Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten findet nicht statt.
Der Wert für das Beschwerdeverfahren wird auf bis zu 3.000,00 EUR
festgesetzt.
Gründe:
1
I.
2
Der Betroffene reiste zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt in das Bundesgebiet
ein. Am 03.07.2008 wurde er festgenommen. Einen Aufenthaltstitel oder einen
Reisepass konnte er nicht vorlegen. Vor seiner Festnahme hielt sich der Betroffene bei
seiner Familie in Dortmund auf.
3
Unter dem 14.10.2008 wurde der Betroffene wegen gefährlicher Körperverletzung
angeklagt. Die Ausländerbehörde bereitete die Abschiebung des Betroffenen vor und
richtete eine Anfrage nach § 72 Abs. 4 AufenthG an die Staatsanwaltschaft Dortmund,
ob Einvernehmen mit einer Abschiebung aus der Untersuchungshaft bestehe. Die
Staatsanwaltschaft Dortmund teilte mit Verfügung vom 15.12.2008 mit, dass einer
Abschiebung nicht zugestimmt werde. Mit Beschluss vom 18.12.2008 wies das
Amtsgericht Dortmund einen von der Ausländerbehörde gestellten Antrag auf
Anordnung von Abschiebungshaft gegen den Betroffenen zurück.
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Am 06.01.2009 verurteilte das Amtsgericht Dortmund den Betroffenen wegen schwerer
Körperverletzung zu 2 Jahren und 3 Monaten Haft, die bis zum 01.10.2010 andauern
sollte.
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Unter dem 16.07.2009 wurde die Ausländerbehörde über den rechtskräftigen Ausgang
des Strafverfahrens unterrichtet. Mit Schreiben vom 17.07.2009 gab die
Ausländerbehörde dem Betroffenen Gelegenheit zur Äußerung zu den von ihr geplanten
ausländerrechtlichen Maßnahmen, nämlich der Ausweisung, der Ausreiseforderung und
der Androhung der Abschiebung. Mit Verfügung vom 27.08.2009 wurde der Betroffene
gemäß § 54 AufenthG aus dem Bundesgebiet ausgewiesen und unter Androhung der
Abschiebung zur Ausreise aufgefordert. Im September 2009 leitete die
Ausländerbehörde das Verfahren zur Passersatzpapierbeschaffung ein und wandte sich
in Amtshilfe an die Stadt Dortmund, um bei einer Verwandten des Betroffenen in
Dortmund einen Pass oder Ausweis aufzufinden.
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Mit Schreiben vom 17.09.2009 teilte die Staatsanwaltschaft Dortmund der
Ausländerbehörde mit, der Anwalt des Betroffenen habe zwischenzeitlich mitgeteilt,
dass ein Vorgehen nach § 456 a StPO nicht mehr gewünscht werde. Mit Schreiben vom
24.07.2009 bat die Ausländerbehörde die JVA Bochum um Mitteilung einer Anordnung
der Entlassung bzw. Verlegung des Betroffenen bzw. einer Änderung der Haftzeit.
7
Unter dem 01.10.2009 erhob der Betroffene vor dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen
Klage gegen die Verfügung vom 27.08.2009. Unter dem 09.10.2009 stellte er einen
Asylantrag. Mit Bescheid vom 16.11.2009 lehnte das Bundesamt für Migration und
Flüchtlinge den Asylantrag als offensichtlich unbegründet ab. Gegen diesen Bescheid
ist ein Klageverfahren vor dem Verwaltungsgericht Düsseldorf anhängig (Aktenzeichen:
7 K 7970/09 A), Termin zur mündlichen Verhandlung ist auf den 14.07.2010 anberaumt.
8
Im Dezember 2009 teilte die Stadt Dortmund mit, dass bei der Großtante des
Betroffenen kein Pass oder Ausweis aufgefunden worden sei.
9
Am 11.03.2010 wies das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen die gegen die
Ausweisungsverfügung vom 27.08.2009 gerichtete Klage des Betroffenen ab. Das Urteil
ist seit dem 18.05.2010 rechtskräftig (Aktenzeichen: 8 K 4319/09).
10
Am 07.06.2010 wurde die Ausländerbehörde telefonisch über die vorzeitige Entlassung
des Betroffenen in Kenntnis gesetzt und stellte beim Amtsgericht Bochum einen Antrag
auf Anordnung der Abschiebungshaft für die Dauer von drei Monaten. Mit Beschluss
vom selben Tage ordnete das Amtsgericht Bochum die Sicherungshaft für die Dauer
von drei Monaten ab dem 07.06.2010 gestützt auf die §§ 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 5
AufenthG an.
11
Am 18.06.2010 suchte ein Mitarbeiter der Zentralen Ausländerbehörde Dortmund den
Betroffenen in der Haft auf bezüglich der Antragstellung für die
Passersatzpapierbeschaffung. Der Betroffene verweigerte die Mitwirkung und
unterzeichnete den Antrag nicht.
12
Mit Schriftsatz seiner Verfahrensbevollmächtigten vom 17.06.2010 legte der Betroffene
gegen den Beschluss des Amtsgerichts die am selben Tage bei Gericht eingegangene
sofortige Beschwerde ein.
13
Mit Nichtabhilfebeschluss vom 21.06.2010 legte das Amtsgericht der Kammer die Sache
zur Entscheidung vor.
14
Der Betroffene trägt vor, die Haftanordnung sei bereits deshalb rechtswidrig, weil es das
Amtsgericht unterlassen habe, ihm einen Verfahrenspfleger beizuordnen. Darüber
hinaus habe die Ausländerbehörde gegen den Beschleunigungsgrundsatz verstoßen.
Die Anordnung von Abschiebungshaft im Anschluss an 23 Monate Strafhaft sei
unzulässig. Die Ausländerbehörde habe während der Strafhaft nichts unternommen, um
die Abschiebung zeitnah herbeizuführen. Zudem sei er wohl im November 2006 mit
einem Visum eingereist, dies habe eine Gültigkeit von 3 Wochen gehabt, von wann bis
wann, könne er nicht sagen. Vorlegen könne er das Visum nicht. Mit dem Mitarbeiter der
Zentralen Ausländerbehörde habe er am 18.06.2010 in der JVA nicht sprechen wollen,
da man ihm das Überbrückungsgeld nicht habe auszahlen wollen. Er habe auch einen
Pass, der sei nur nicht verfügbar.
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Überdies sei er durch das Amtsgericht nicht über sein Recht auf Unterrichtung seiner
konsularischen Vertretung belehrt worden. Im Anhörungstermin vor dem Amtsgericht
habe er auch keinen Dolmetscher gehabt. Außerdem sei seiner Rechtsanwältin trotz
ihres Akteneinsichtsgesuchs keine Akteneinsicht gewährt worden.
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II.
17
Die zulässige sofortige Beschwerde ist unbegründet.
18
1.
19
a)
verpflichtet, da er einen erforderlichen Aufenthaltstitel im Sinne von § 4 Abs. 1
Satz 2 AufenthG nicht besitzt.
20
Dass der Betroffene, wie er behauptet, mit einem gültigen Visum eingereist ist,
konnte nicht festgestellt werden. Zunächst hat er keine genauen Angaben zur
Gültigkeit des behaupteten Visums gemacht, er hat auch nicht mitgeteilt, wann
genau die Einreise in das Bundesgebiet erfolgt ist. Er hat das von ihm
angegebene Visum bislang auch weder vorgelegt noch in Anbetracht seiner
Inhaftierung der Ausländerbehörde mitgeteilt, wo es aufzufinden sei. Das
behauptete Visum ist auch nicht bei seinen in Deutschland lebenden
Verwandten aufgefunden worden. Nach § 48 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG ist jedoch
ein Ausländer verpflichtet, auf Verlangen den mit dem Vollzug des
Ausländerrechts vertrauten Behörden seinen Aufenthaltstitel oder eine
Bescheinigung über die Aussetzung der Abschiebung vorzulegen,
auszuhändigen und vorübergehend zu überlassen, soweit dies zur
Durchführung oder Sicherung von Maßnahmen nach dem AufenthG erforderlich
ist.
21
b)
58 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG.
22
c)
Erfüllung der Ausreisepflicht nicht gesichert und eine Überwachung der
Ausreise erscheint aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung
erforderlich, § 58 Abs. 3 Nr. 5 AufenthG.
23
2.
24
Der Betroffene war wegen der vollziehbaren Ausreisepflicht auf Grund seiner
unerlaubten Einreise nach § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG in Abschiebungshaft zu
nehmen.
25
Durch die Stellung eines Asylantrags erwarb er zwar eine Aufenthaltsgestattung nach §
55 Abs. 1 AsylVfG und die vollziehbare Ausreisepflicht entfiel.
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Gleichwohl steht nach § 14 Abs. 3 Nr. 2 AsylVfG die Asylantragstellung der Anordnung
und Aufrechterhaltung von Abschiebungshaft nicht entgegen, da sich der Betroffene
zum Zeitpunkt der Asylantragstellung in Strafhaft befand.
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Die Abschiebungshaft ist auch nicht nach § 14 Abs. 3 Satz 3 AsylVfG aufzuheben. Nach
dieser Vorschrift endet die Abschiebungshaft mit der Zustellung der Entscheidung des
Bundesamtes, spätestens jedoch 4 Wochen nach Eingang des Asylantrags beim
Bundesamt, es sei denn, es wurde auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen
Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages über die Zuständigkeit für die
Durchführung von Asylverfahren ein Auf- oder Wiederaufnahmeersuchen an einen
anderen Staat gerichtet oder der Asylantrag wurde als unbeachtlich oder offensichtlich
unbegründet abgelehnt.
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Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat mit Bescheid vom 16.11.2009 den
Asylantrag des Betroffenen als offensichtlich unbegründet abgelehnt, mit der Folge,
dass die Haft auch nicht nach Ablauf von 4 Wochen nach Eingang des Asylantrags
beim Bundesamt endete.
29
3.
30
Von der Anordnung der Abschiebungshaft war auch nicht ausnahmsweise abzusehen,
da der Betroffene nicht im Sinne von § 62 Abs. 2 Satz 3 AufenthG glaubhaft gemacht
hat, dass er sich der Abschiebung nicht entziehen will.
31
4.
32
Eine Unzulässigkeit der Abschiebungshaft nach § 62 Abs. 2 Satz 4 AufenthG liegt
ebenfalls nicht vor. Es steht derzeit nicht fest, dass aus vom Betroffenen nicht zu
vertretenden Gründen die Abschiebung nicht innerhalb von 3 Monaten ab dem
07.06.2010 durchgeführt werden kann. Insbesondere bestehen zum gegenwärtigen
Zeitpunkt keine Anhaltspunkte, dass die Passersatzpapierbeschaffung so lange Zeit in
Anspruch nimmt, dass die Dreimonatsfrist nicht gewahrt werden kann. Die Zentrale
Ausländerbehörde hat der Ausländerbehörde mit Schreiben vom 28.06.2010 mitgeteilt,
dass trotz der Weigerung des Betroffenen, bei der Passersatzpapierbeschaffung
mitzuwirken, die Passersatzpapiere innerhalb der nächsten 8 Wochen vorliegen würden
und sodann zeitnah ein Rückflug gebucht werden könne.
33
5.
34
Auf die Rechtmäßigkeit der Sicherungshaft hat es keinen Einfluss, dass der Betroffene,
wie er behauptet, beim Amtsgericht nicht über sein Recht auf Unterrichtung seiner
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konsularischen Vertretung belehrt worden sei.
Die erstmals im Anhörungstermin am 13.07.2010 erhobene Rüge des Betroffenen, das
Amtsgericht habe gegen Art. 36 b Abs. 1 des Wiener Übereinkommens über
Konsularische Beziehungen vom 24.04.1963 (WÜK, Bundesgesetzblatt II 1969, 1585)
verstoßen, weil es ihn nicht über sein Recht belehrt habe, die Unterrichtung seiner
konsularischen Vertretung über seine Inhaftierung zu verlangen, ist unerheblich.
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Zunächst ist die Belehrung nach Aktenlage nicht unterblieben. So ergibt sich aus den
Anordnungen für den Vollzug in dem Aufnahmeersuchen vom 07.06.2010 (Bl. 7 d. A.),
dass der Betroffene über die Möglichkeit der Unterrichtung auf Verlangen bzw. über die
Verpflichtung zur Unterrichtung der Auslandsvertretung von der Verhaftung belehrt
wurde. Die zuständige Auslandsvertretung wurde, wie sich dem Aufnahmeersuchen
entnehmen lässt, nach Belehrung nicht unterrichtet.
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Auch unterliegt die Glaubhaftigkeit der Behauptung des Betroffenen Bedenken, da er
auch behauptet hat, seiner Verfahrensbevollmächtigten sei trotz entsprechendem
Akteneinsichtsgesuch keine Akteneinsicht seitens der Ausländerbehörde gewährt
worden, was diese jedoch nicht bestätigt hat.
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Letztlich kann indes offen bleiben, ob die Belehrung tatsächlich unterblieben ist. Selbst
unter Zugrundelegung des Vortrags des Betroffenen, dass die Belehrung unterblieben
sei, hat dies keine Auswirkungen auf die Zulässigkeit der Abschiebungshaft. Dies gilt
auch unter der Annahme, dass die Verletzung von Art. 36 b Abs. 1 WÜK individuelle
Rechte des Betroffenen berührt (IGH, Urt. v. 27.06.2001, JZ 2002, 91). Denn eine
Verletzung von Art. 36 b Abs. 1 WÜK berührt nicht den sachlichen Inhalt der
Entscheidung über die Freiheitsentziehung selbst (überwiegende Auffassung, vgl. OLG
Schleswig Beschl. v. 07.01.2004, 2 W 112/03, m. w. N., zitiert nach Juris; BGH Beschl. v.
07.11.2001, NStZ 2002, 168; Bundesverfassungsgericht NJW 1963, 1820, 1821). Der
Betroffene hat auch nicht dargelegt, welchen anderen Ablauf das Verfahren genommen
hätte, wenn die nach seiner Behauptung unterbliebene Belehrung erfolgt wäre.
39
Soweit der Betroffene rügt, ihm habe beim Amtsgericht kein Dolmetscher zur Seite
gestanden, so ist dem Sitzungsprotokoll vom 07.06.2010 (Bl. 5 d. A.) zu entnehmen,
dass eine Verständigung mit dem Betroffenen in deutscher Sprache möglich war. Das
Protokoll ist auch von dem Betroffenen selbst unterzeichnet worden. Außerdem hat die
Ausländerbehörde im Anhörungstermin vor der Kammer vorgetragen, dass der
Betroffene vor dem Amtsgericht auf Nachfrage erklärt habe, keinen Dolmetscher haben
zu wollen. Diesem Vortrag ist der Betroffene im Anhörungstermin nicht
entgegengetreten.
40
6.
41
Die Anordnung der Abschiebungshaft begegnet schließlich keinen Bedenken
hinsichtlich des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit. Insbesondere ist nicht ersichtlich,
dass die Ausländerbehörde ihrer Pflicht zur größtmöglichen Beschleunigung des
Verfahrens nicht nachkommt.
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Die Abschiebungshaft ist grundsätzlich nur verhältnismäßig, wenn die
Ausländerbehörde die Abschiebung mit größtmöglicher Beschleunigung betreibt (vgl.
Renner, Ausländerrecht, 8. Aufl. § 62 Rn. 11 m. w. N.). Befindet sich der Ausländer in
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Strafhaft, muss die Ausländerbehörde schon während der Haftzeit geeignete
Maßnahmen ergreifen, um die Abschiebung ohne Abschiebungshaft durchzuführen
(Renner, a.a.O., Rn. 24 m. w. N.). Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verbietet es in
solchen Fällen, die Verbüßung der Strafhaft abzuwarten und den Betroffenen danach in
Abschiebungshaft zu nehmen, es sei denn, die Ausländerbehörde hat sich zuvor
vergeblich darum bemüht, gemäß § 456 a StPO eine Abschiebung aus der Strafhaft
heraus zu erreichen und so eine zusätzliche Inhaftierung zu vermeiden (vgl. auch OLG
Rostock, Beschl. v. 02.08.2005, 3 W 85/05; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 14.06.2007, 11
WX 77/07, zitiert nach Juris).
Die Ausländerbehörde ist dem Beschleunigungsgebot gerecht geworden, sie hat sich
insbesondere auch vergeblich darum bemüht, eine Abschiebung des Betroffenen aus
der Strafhaft gemäß § 456 a StPO zu erreichen. Bereits Ende 2008 hat sie zunächst
versucht, die Abschiebung aus der Untersuchungshaft zu betreiben, die
Staatsanwaltschaft hat jedoch diesem Vorgehen nicht zugestimmt. Unter dem
17.07.2009, einen Tag nach Unterrichtung über den rechtskräftigen Ausgang des
Strafverfahrens, hat die Ausländerbehörde dem Betroffenen Gelegenheit gegeben, sich
zu den von ihr geplanten ausländerrechtlichen Maßnahmen (Ausweisung,
Ausreiseaufforderung, Abschiebungsandrohung) zu äußern. Mit Schreiben vom
17.09.2009 hat schließlich die Staatsanwaltschaft Dortmund mitgeteilt, dass der
Betroffene ein Vorgehen nach § 456 a StPO ausdrücklich nicht wünsche. Die von dem
Betroffenen vor dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen am 01.10.2009 erhobene Klage
gegen die Ausweisungsverfügung vom 27.08.2009 ist zudem erst durch Urteil des
Verwaltungsgerichts vom 11.03.2010 abgewiesen worden, das Urteil ist erst seit dem
18.05.2010 rechtskräftig. Aus einem Anruf einer Sozialarbeiterin der JVA bei der
Ausländerbehörde am 08.04.2010 konnte diese – insbesondere vor dem Hintergrund,
dass der Betroffene ein Vorgehen nach § 456 a StPO nicht wünschte – keine
Rückschlüsse auf eine etwaige vorzeitige Entlassung des Betroffenen ziehen, da die
Mitarbeiterin der JVA lediglich erfragte, ob es aufenthaltsbeendende Maßnahmen gebe.
Die Ausländerbehörde hat, nachdem sie von einer vorzeitigen Entlassung des
Betroffenen erfahren hatte, unmittelbar die Passersatzpapierbeschaffung in Amtshilfe
über die Zentrale Ausländerbehörde eingeleitet. Als ein Mitarbeiter der Zentralen
Ausländerbehörde den Betroffenen in der JVA aufsuchte, hat dieser jedoch seine
Mitwirkung bei der Passersatzpapierbeschaffung verweigert. Nach § 48 Abs. 3 AufenthG
ist ein Ausländer, der keinen gültigen Pass oder Passersatz besitzt, verpflichtet, an der
Beschaffung des Identitätspapiers mitzuwirken. Dass der Betroffene fürchtete, kein
Überbrückungsgeld zu erhalten, ändert an seiner Mitwirkungspflicht nichts. Unter den
gegebenen Umständen konnte die Ausländerbehörde die – erneute –
Passersatzpapierbeschaffung an dem für den 01.10.2010 vorgesehenen Haftende
ausrichten, zumal die Passersatzpapiere nur eine zeitlich eng begrenzte Gültigkeit
besitzen. Auch ist deren Beschaffung bei ordnungsgemäßer Mitwirkung des Betroffenen
in der Regel innerhalb von 8 Wochen möglich.
44
7.
45
Die Anordnung von Abschiebungshaft war schließlich auch nicht deshalb rechtswidrig,
weil dem in erster Instanz anwaltlich nicht vertretenen Betroffenen kein
Verfahrenspfleger beigeordnet wurde. Der Bestellung eines Verfahrenspflegers bedurfte
es nicht. Nach § 419 FamFG hat das Gericht dem Betroffenen einen Verfahrenspfleger
zu bestellen, wenn dies zur Wahrnehmung seiner Interessen erforderlich ist. Die
Bestellung ist insbesondere erforderlich, wenn von einer Anhörung des Betroffenen
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abgesehen werden soll. Eine Anhörung des Betroffenen ist auch in erster Instanz erfolgt.
In Fällen der Abschiebungshaft kann das Gericht in der Regel von der
uneingeschränkten Fähigkeit des Betroffenen zur Wahrnehmung seiner Interessen
ausgehen (Keidel, FamFG, 16. Aufl. 2009, § 419 Rn. 3). Eine Beeinträchtigung des
Betroffenen, die ihn bei der Wahrnehmung seiner Interessen behindert hätte, ist weder
ersichtlich noch von ihm vorgetragen worden.
III.
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Das erst im Anhörungstermin vor der Kammer am 13.07.2010 gestellte
Verfahrenskostenhilfegesuch war mangels hinreichender Erfolgsaussicht ebenfalls
zurückzuweisen.
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IV.
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Eine Entscheidung über die Gerichtskosten ist nicht veranlasst. Die Voraussetzungen
für eine Auslagenerstattung nach § 430 FamFG sind nicht erfüllt, da es bei der
Anordnung der Abschiebungshaft verbleibt.
50
Die Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf § 30 Abs. 2, 3, § 131 Abs. 4 KostO.
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V.
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Rechtsmittelbelehrung:
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Gegen diese Entscheidung ist das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde gegeben. Diese
kann nur binnen einer Frist von einem Monat nach Zustellung dieses Beschlusses bei
dem Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45 a, 76133 Karlsruhe, Postanschrift:
Bundesgerichtshof, 76125 Karlsruhe, eingelegt werden, und zwar durch Einreichung
einer Beschwerdeschrift in deutscher Sprache, die von einem bei dem
Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet sein muss.
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Die Rechtsbeschwerdeschrift muss die Bezeichnung des Beschlusses, gegen den die
Rechtsbeschwerde gerichtet wird, und die Erklärung, dass gegen diesen Beschluss
Rechtsbeschwerde eingelegt werde, enthalten. Die Rechtsbeschwerde ist, sofern die
Beschwerdeschrift keine Begründung enthält, binnen einer Frist von einem Monat zu
begründen. Die Frist beginnt mit der Zustellung des angefochtenen Beschlusses.
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Die Begründung der Rechtsbeschwerde muss die Erklärung enthalten, inwieweit der
Beschluss angefochten und dessen Aufhebung beantragt werde
(Rechtsbeschwerdeanträge), sowie die Angabe der Rechtsbeschwerdegründe, und
zwar
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a. die bestimmte Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung
ergibt;
b. soweit die Rechtsbeschwerde darauf gestützt wird, dass das Gesetz in Bezug auf
das Verfahren verletzt sei, die Bezeichnung der Tatsachen, die den Mangel
ergeben.
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