Urteil des LG Bochum vom 05.05.2010

LG Bochum (kläger, höhe, vertragsstrafe, einstweilige verfügung, abmahnung, verhältnis zu, abgabe, anlage, verfügung, rechtsmissbrauch)

Landgericht Bochum, I-13 O 217/09
Datum:
05.05.2010
Gericht:
Landgericht Bochum
Spruchkörper:
13. Zivilkammer - Kammer für Handelssachen -
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
I-13 O 217/09
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger wird verurteilt, an die Beklagte 3.561,81 Euro nebst Zinsen in
Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem
19.01.2010 zu zahlen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden
Betrages vorläufig vollstreckbar.
Die Sicherheit kann auch durch eine unbedingte, unbefristete
selbstschuldnerische Bürgschaft eines als Zoll- und Steuerbürgen
zugelassenen Geldinstituts erbracht werden.
T a t b e s t a n d :
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Beide Parteien handeln im Internet mit Autozubehörteilen.
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Mit anwaltlichem Schreiben vom 12.08.2009 (Anlage 2, Bl. 8 f. d. A.), auf das hinsichtlich
der Einzelheiten verwiesen wird, mahnte der Kläger die Beklagte wegen fehlerhafter
Grundpreisangabe ab und forderte sie auf, bis zum 21.08.2009 eine strafbewehrte
Unterlassungserklärung abzugeben sowie Rechtsanwaltskosten nach einem
Gegenstandswert von 30.000,00 EUR in Höhe von insgesamt 1.005,40 EUR netto zu
zahlen. In dem Schreiben wies er darauf hin, dass die gesetzten Fristen auf Grund der
Dringlichkeit der Durchsetzung von Unterlassungsansprüchen nicht verlängert werden
könnten. In der beigefügten vorformulierten strafbewehrten Unterlassungserklärung war
eine Vertragsstrafe von 5.100,00 EUR für jeden Fall der auch nicht schuldhaften
Zuwiderhandlung vorgesehen. Fettgedruckt in der strafbewehrten
Unterlassungserklärung war folgender Satz:
"Der Gesamtbetrag iHv. 1.005,40 € ist bis
zum 21.08.2009 fällig."
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Da die Beklagte nicht reagierte, beantragte der Kläger eine einstweilige Verfügung, die
vom Landgericht Bochum am 25.08.2009 – 13 O 161/09 – erlassen wurde. Die Beklagte
gab mit anwaltlichem Schreiben vom 11.09.2009 (Anlage 4, Bl. 14 f. d. A.) eine
Abschlusserklärung ab.
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Mit anwaltlichem Schreiben vom 02.09.2009 (Anlage 5, Bl. 16 f. d. A.) mahnte der Kläger
die Beklagte wegen wettbewerbswidriger Angaben zu Garantien und Versandkosten ab.
In der vorformulierten Unterlassungserklärung war eine Vertragsstrafe von 5.000,00
EUR für jeden Fall der nicht schuldhaften Zuwiderhandlung vorgesehen. Ferner enthält
die vorformulierte Unterlassungserklärung die Klausel, dass der Gesamtbetrag in Höhe
von 1.005,40 EUR bis zum 11.09.2009 fällig sei.
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Am 22.09.2009 wurde auf Antrag des Klägers eine einstweilige Verfügung – 13 O
189/09 – erlassen.
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Mit anwaltlichem Schreiben vom 13.10.2009 (Anlage 8, Bl. 27 f. d. A.) forderte der
Kläger zur Abgabe einer Abschlusserklärung bis zum 03.11.2009 auf.
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Die Beklagte zahlte am 22.10.2009 auf die Abmahnkosten vom 12.08.2009 einen
Betrag in Höhe von 859,80 EUR, am 21.10.2009 einen Betrag von 439,90 EUR, auf den
Kostenfestsetzungsbeschluss in dem Verfahren 13 O 161/09 LG Bochum Beträge in
Höhe von 460,85 EUR und 2,26 EUR, auf den Kostenfestsetzungsbeschluss in dem
Verfahren 13 O 189/09 Beträge in Höhe von 468,35 EUR und 5,45 EUR, Gerichtskosten
in beiden Verfahren in Höhe von insgesamt 864,00 EUR. Die Anwälte der Beklagten
berechneten wegen der Abmahnung vom 12.08.2009 an die Beklagte Beträge in Höhe
von 193,80 EUR netto zzgl. Auslagenpauschale sowie wegen der Abmahnung vom
02.09.2009 Honoraransprüche in Höhe von 227,40 EUR netto zzgl. 20,00 EUR
Auslagenpauschale.
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Der Kläger hat zunächst beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1.005,40 EUR nebst Zinsen in Höhe von
5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.08.2009, sowie weitere
1.005,40 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz
seit dem 12.09.2009 zu zahlen, sowie weitere 1.005,40 EUR nebst Zinsen in Höhe
von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
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Im Termin vom 05.05.2010 hat er die Klage in Höhe der gezahlten Teilbeträge von
859,80 EUR und 439,90 EUR mit Zustimmung des Beklagtenvertreters
zurückgenommen und stelle im Übrigen die Anträge aus der Klageschrift.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Widerklagend beantragt die Beklagte,
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den Kläger zu verurteilen, an die Beklagte und Widerklägerin 3.649,44 EUR
abzüglich 87,63 EUR, bezüglich derer die Widerklage zurückgenommen worden
ist, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit
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Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte trägt vor: Die vom Kläger ausgesprochen Abmahnung sei
rechtsmissbräuchlich, wie in den Verfahren 13 O 220/09, 13 O 235/09, 13 O 232/09 LG
Bochum bereits festgestellt worden sei. Der Kläger sei zur Rückzahlung der an ihn bzw.
die Gerichtskasse gezahlten Kosten sowie zur Erstattung der dem Beklagten
angefallenen Anwaltskosten in Höhe der Widerklage verpflichtet.
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Der Kläger repliziert: Der Rechtsmissbrauch sei eine Einzelfallentscheidung und könne
nicht aus den anderen Verfahren verallgemeinert werden. In der vorliegenden
Auseinandersetzung habe der Konflikt mit der von der Beklagten gegenüber dem Kläger
mit Schreiben vom 10.08.2009 ausgesprochenen Abmahnung begonnen. Es sei legitim,
dass der Kläger seinerseits abgemahnt habe. Nach der ersten Abmahnung des Klägers
habe die Beklagte eine weitere Abmahnung vom 26.10.2009 ausgesprochen.
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Die Beklagte trägt weiter vor: Der Kläger habe im maßgeblichen Zeitraum in einem
Umfang abgemahnt, der nicht mehr im Verhältnis zu seiner eigenen Geschäftstätigkeit
stehe. Der Kläger erziele bei f einen monatlichen Umsatz von 100.000,00 bis
150.000,00 EUR; der Gewinn sei deutlich geringer. Dem gegenüber habe er 26
Verfahren anhängig gemacht sowie weitere 16 Verfahren. Die Kostenrisiken aus den
fraglichen Abmahnvorgängen seien für den Kläger immens. Weitere Indizien für
Rechtsmissbrauch seien z. B., dass der Kläger die Bitte, mit der Erteilung einer
vollstreckbaren Ausfertigung bis zur Entscheidung über den Widerspruch abzuwarten,
regelmäßig abschlage. Der häufige Namenswechsel des Klägers, der auch unter N
bzw. U geschäftlich tätig geworden sei, spreche für Rechtsmissbrauch. Auch bezüglich
der Adresse des Klägers habe es in der Vergangenheit Irritationen gegeben, weil der
Kläger mehrere Adressen angebe. Bezüglich der weiteren Ausführungen der Beklagten
wird auf den Schriftsatz vom 28.04.2010 (Bl. 58 ff. d. A.) verwiesen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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Der Antrag des Klägers ist im Sinne von § 8 Abs. 4 UWG rechtsmissbräuchlich und
daher unzulässig. Ein Missbrauch im Sinne von § 8 Abs. 4 UWG liegt vor, wenn das
beherrschende Motiv des Gläubigers bei der Geltendmachung des
Unterlassungsanspruchs sachfremde Ziele sind. Davon ist auszugehen, wenn die
äußeren Umstände in ihrer Gesamtheit aus Sicht eines wirtschaftlich denkenden
Unternehmers deutlich machen, dass der Antragsteller kein nennenswertes
wirtschaftliches oder wettbewerbspolitisches Interesse an der Rechtsverfolgung haben
kann und deshalb allein oder ganz überwiegend nur ein Gebühreninteresse verfolgt
(vgl. BGH GRUR 2001, 261; OLG Hamm vom 28.04.2009 – I-4 U 9/09 und OLG Hamm
vom 26.05.2009 – I-4 U 27/09). Hierbei ist eine Gesamtabwägung erforderlich,
insbesondere reicht eine Vielzahl von Abmahnungen allein nicht aus.
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Im vorliegenden Fall rechtfertigen die konkreten Umstände des Streitfalls die Annahme
einer rechtsmissbräuchlichen Anspruchsverfolgung. Es existieren erhebliche Hinweise
darauf, dass der Verfügungskläger seine Abmahntätigkeit überwiegend dazu benutzt
hat, um gegen die Wettbewerber Ansprüche auf Zahlung einer Vertragsstrafe sowie
Ansprüche auf Ersatz von Aufwendungen oder Kosten der Rechtsverfolgung zu
generieren.
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Es ist gerichtsbekannt, dass bei den 4 Kammern für Handelssachen des Landgerichts
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Bochum im Jahre 2009 26 Verfahren bzw. Rechtsstreitigkeiten seitens des Klägers
anhängig gemacht wurden.
In dem Verfahren 13 O 220/09 hat der Kläger selbst eingeräumt, dass er in 9 Monaten
ca. 40 Abmahnungen ausgesprochen habe. Dies ist auch bei dem von ihm
angegebenen Umsatz von 1,5 Millionen Euro mit einem erheblichen Kostenrisiko
verbunden. In dem einstweiligen Verfügungsverfahren 13 O 232/09 hat der Kläger,
nachdem die dortige Verfügungsbeklagte nach erster Abmahnung am 23.10.2009 eine
von dem Kläger formulierte vertragsstrafenbewehrte Unterlassungserklärung
abgegeben hatte, in der sie sich verpflichtete, die Verwendung der beanstandeten
Klauseln bei Meidung einer Vertragsstrafe von 5.000,00 EUR für jeden Fall der auch
nicht schuldhaften Zuwiderhandlung zu unterlassen, bereits am Folgetag – einem
Samstag – den Internetauftritt überprüft und mit Schreiben vom 26.10.2009 die
Vertragsstrafe gefordert und zur Abgabe einer weiteren strafbewehrten
Unterlassungserklärung mit einer Vertragsstrafe von 6.000,00 EUR für jeden Fall der
auch nicht schuldhaften Zuwiderhandlung aufgefordert. Hierbei hat der Kläger dadurch
zusätzlich Druck auf die dortige Verfügungsbeklagte ausgeübt, indem er ausführte, dass
durch Verwendung von drei Klauseln die Vertragsstrafe eigentlich zu verdreifachen sei.
Auch in anderen Fällen - zum Beispiel in den Verfahren 12 O 242/09, 12 O 240/09 und
13 O 235/09 LG Bochum hat der Kläger Vertragsstrafen in Höhe von 5.100 Euro auch für
jeden Fall der nicht schuldhaften Zuwiderhandlung verlangt und die Einhaltung der
Unterlassungsverpflichtung zeitnah überprüft. So hat er auch in dem Verfahren 12 O
242/09 LG Bochum bereits einen Tag nach der Abgabe der Unterwerfungserklärung –
am 22.10.2009 –den Internetauftritt des Wettbewerbers überprüft und 4 Tage nach
Abgabe der Unterwerfungserklärung eine Vertragsstrafe eingefordert und zur Abgabe
einer erhöhten Vertragsstrafe aufgefordert. In dem Verfahren 13 O 189/09 LG Bochum
hat der Kläger nach Erlass der einstweiligen Verfügung am 25.08.2009 und
Überprüfung bereits mit Schreiben vom 02.09.2009 neu abgemahnt.
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Der Umstand, dass der Kläger im vorliegenden sowie in anderen Verfahren eine
Vertragsstrafe verlangt hat, die mit 5.100,00 EUR am oberen Rand liegt, und dies
entgegen den üblichen Gepflogenheiten bei Abmahnungen auch auf die Fälle der nicht
schuldhaften Zuwiderhandlung ausgeweitet hat, spricht zusammen mit dem Umstand,
dass der Kläger in den obengenannten Verfahren sehr zeitnah die Einhaltung der
Unterlassungsverpflichtung kontrolliert und in dem Verfahren 13 O 232/09 bereits am
nächsten Werktag nach Abgabe der Unterlassungserklärung die Vertragsstrafe
angefordert hat, sowie mit der Zahl der Abmahnungen dafür, dass der Kläger es darauf
anlegt, aus den Unterlassungserklärungen Vertragsstrafen zu erzielen, die so bemessen
sind, dass sie auch angesichts des behaupteten Umsatzes von 1,5 Millionen Euro eine
nicht unerhebliche Einkommensquelle für den Kläger darstellen. Wenn der Kläger in
seiner Abmahnung eine Vertragsstrafe von 5.100,00 EUR für einen nicht sehr
schwerwiegenden Verstoß fordert, und zwar für jeden Verstoß einzeln, und die
Vertragsstrafe noch dazu auch im Falle des fehlenden Verschuldens gezahlt werden,
zeigt allein diese Ausgestaltung der Vertragsstrafe, dass es dem Kläger in erster Linie
um die Generierung von Forderungen gegangen ist. Im Zusammenhang mit der
zeitnahen Überprüfung der beanstandeten Werbung in den obengenannten Fällen
gewinnt die Forderung nach einer Vertragsstrafe auch bei schuldlosem Verstoß eine
besondere Bedeutung. Denn durch den Ausschluss der Exkulpationsmöglichkeit ist
dem Schuldner der Einwand abgeschnitten, den Wettbewerbsverstoß so kurzfristig nicht
abstellen zu können. Dieser Ausgestaltung der Vertragsstrafe in Verbindung mit der
zeitnahen Überprüfung des Internetauftritts der Schuldner wird so für Schuldner zu einer
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gewissermaßen unentrinnbaren Falle. Dass die eigentliche Verfolgung des
Wettbewerbsverstoßes beim Kläger in Hintergrund getreten ist, zeigt sich auch daran,
dass Unterlassungsanspruch und Kostenforderung bei der Frage der Fristverlängerung
miteinander verquickt worden sind. Auch wenn in der Abmahnung zu Recht darauf
hingewiesen wird, dass die Abgabefrist für die Unterlassungserklärung wegen der
Dringlichkeit der Angelegenheit nicht verlängert werden könne, bleibt unverständlich,
weshalb in diese fehlende Verlängerungsmöglichkeit auch die Zahlungsfrist mit
einbezogen worden ist (vgl. OLG Hamm I-4 W 22/10).
Der Umstand, dass die Klägerin zuvor von der Beklagten abgemahnt worden ist,
rechtfertigt keine andere Beurteilung. Die Beklagte handelt gerichtsbekannt in großem
Umfang mit Autozubehörteilen. Dass sie die Internetauftritte von Wettbewerbern
überprüft und Abmahnungen ausspricht, ist nicht geeignet, die Rechtsmissbräuchlichkeit
auf Beklagtenseite zu begründen oder die Rechtsmissbräuchlichkeit auf Klägerseite
auszuschließen.
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Die Widerklage ist in dem – nach Teilrücknahme hinsichtlich des Mehrwertsteueranteils
– aufrechterhaltenen Umfang begründet. Die Beklagte kann von dem Kläger nach § 823
Abs. 1, 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 263 StGB und § 826 BGB Rückzahlung der an den
Kläger geleisteten Beträge sowie Schadensersatz hinsichtlich der an die Gerichtskasse
und an die eigenen Anwälte gezahlten Kosten verlangen. Der Kläger, der wie oben
ausgeführt, bei den Abmahnungen rechtsmissbräuchlich handelte, hat durch
Vortäuschen einer begründeten Abmahnung die Beklagte vorsätzlich geschädigt. Der
Schaden beläuft sich auf den mit dem Widerklageantrag geltend gemachten Betrag. Der
Kläger ist daher zur Zahlung des geltend gemachten Betrages als Schadensersatz
verpflichtet.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen
Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.
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