Urteil des LG Bochum vom 22.09.2010

LG Bochum (kläger, abmahnung, umstand, werbung, rechtsmissbrauch, verwendung, uwg, höhe, grund, sache)

Landgericht Bochum, I-13 O 94/10
Datum:
22.09.2010
Gericht:
Landgericht Bochum
Spruchkörper:
13. Zivilkammer - Kammer für Handelssachen -
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
I-13 O 94/10
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe
des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor
der Vollstreckung in gleicher Höhe leistet.
Die Sicherheit kann auch durch eine unbedingte, unbefristete
selbstschuldnerische Bürgschaft eines als Zoll- und Steuerbürgen
zugelassenen Geldinstituts erbracht werden.
T a t b e s t a n d :
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Beide Parteien bieten gewerblich im Internet Produkte für die Nagelpflege an.
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In ihrem Onlineshop warb die Beklagte mit dem Satz "Nagelkosmetikprodukte bei #####
rund um die Uhr einkaufen zu günstigsten Top Preisen." Hinsichtlich der Einzelheiten
der Gestaltung des Onlineauftritts wird auf die Ausdrucke (Bl. 8 ff. d. A.) verwiesen.
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Mit Schreiben vom 15.05.2010 (Anlage K 2, Bl. 13 ff. d. A.) mahnte der Kläger die
Beklagte mit der Begründung ab, die Werbung stelle eine Alleinstellungsberühmung
dar. Mit anwaltlichem Schreiben vom 21.05.2010 (Bl. 17 f. d. A.), auf das ebenfalls
verwiesen wird, wies die Beklagte die Abmahnung als unberechtigt zurück, gab aber
gleichwohl eine rechtsverbindliche Unterlassungserklärung ab.
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Mit der Klage macht der Kläger die Kosten der Abmahnung vom 15.05.2010 geltend.
Der Kläger trägt vor: Ein Streitwert von 30.000,00 EUR und eine 1,3fache
Geschäftsgebühr seien angemessen. Soweit die Beklagte sich auf
rechtsmissbräuchliches Verhalten berufe, greife der Einwand nicht durch. Zum einen
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handele es sich im Wesentlichen um Gegenabmahnungen, da die Beklagte selbst den
Kläger regelmäßig angreife. Zum anderen sei der Kläger nicht verpflichtet gewesen, bei
früheren Abmahnungen den Onlineauftritt der Beklagten umfassend zu überprüfen. Die
beanstandete Werbeaussage sei eine unzulässige Werbung mit einer Alleinstellung,
was insbesondere durch die Verwendung des Superlativs beim Adjektiv "günstig" und
durch die Verwendung der Top-Level-Domain "eu" sowie den Zusatz "Top" vor dem
Wort "Preis" hervorgehoben werde.
Der Kläger beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1.005,40 Euro netto nebst Zinsen in
Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit
Rechtshängigkeit zu zahlen.
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Hilfsweise,
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die Beklagte zu verurteilen, den Kläger hinsichtlich der Nettoforderung aus der
Rechnung des Rechtsanwalts Dr. jur. T vom 07.06.2010, Rg.Nr. ##### über
1.005,40 Euro freizustellen. Der Betrag entspricht dem Nettobetrag aus der
Rechnung.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte trägt vor: Die Abmahnung des Klägers vom 15.05.2010 sei
rechtsmissbräuchlich gemäß § 8 Abs. 4 UWG. Der beanstandete Satz habe sich bereits
am 19.04.2010, als der Kläger die Beklagte auf Grund angeblicher weiterer
Wettbewerbsverstöße auf derselben Webseite abgemahnt habe, auf ihrer Internetseite
befunden. Der Kläger weite seine vermeintlichen Unterlassungsansprüche bewusst auf
mehrere Abmahnungen aus. Mit Schreiben vom 18.05.2010 habe der Kläger die
Beklagte erneut abgemahnt. Das Prozessrisiko für 3 Abmahnungen belaufe sich bei
einem Streitwert von 30.000,00 EUR auf insgesamt 17.700,00 EUR. Es sei nicht davon
auszugehen, dass dieses Kostenrisiko in einem vernünftigen Verhältnis zur
Geschäftstätigkeit des Klägers stehe. Im Übrigen lege auch der Umstand, dass in der
beigefügten Unterlassungserklärung ein Verzicht auf die Einrede des
Fortsetzungszusammenhangs gefordert werde, einen Rechtsmissbrauch nahe. Die
Abmahnung vom 15.05.2010 sei auch inhaltlich unbegründet. Es liege keine unlautere
Alleinstellungsberühmung vor. Allein aus der Verwendung eines Superlativs ergebe
sich kein Alleinstellungsmerkmal. Eine Suggestion, dass die streitgegenständliche
Aussage auf Grund der Top-Level-Domain.eu europaweite Gültigkeit habe, könne dem
Satz ebenfalls nicht entnommen werden. Hilfsweise erklärt die Beklagte die
Aufrechnung mit einem Kostenerstattungsanspruch wegen der Abmahnung der
Beklagten vom 11.06.2010 (Anlage B 3, Bl. 57 f. d. A.), auf die hinsichtlich der
Einzelheiten Bezug genommen wird.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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Die Klage ist nach Auffassung des Gerichts zwar zulässig, in der Sache aber nicht
begründet. Nach Auffassung der Kammer liegen keine hinreichenden Anhaltspunkte für
rechtsmissbräuchliches Verhalten im Sinne des § 8 Abs. 4 UWG vor. Der Umstand,
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dass der Kläger gegenüber der Beklagten in der Zeit von April bis Juni 2010 drei
Abmahnungen ausgesprochen hat, begründet keinen Rechtsmissbrauch. Entgegen der
von der Beklagten vertretenen Auffassung kann auch nicht davon ausgegangen werden,
dass der Kläger bei Ausspruch der Abmahnung vom 19.04.2010 den mit der
Abmahnung vom 15.05.2010 beanstandeten Satz im Internetauftritt der Beklagten zur
Kenntnis genommen hat. Bei der Argumentation, dass das eingegangene Kostenrisiko
nicht in einem vernünftigen Verhältnis zur Geschäftstätigkeit des Klägers stehe, handelt
es sich um eine bloße Vermutung ins Blaue hinein. Unstreitig hat auch die Beklagte
ihrerseits den Kläger abgemahnt. Aus dem Umstand, dass in der beigefügten
Unterlassungserklärung ein Verzicht auf die Einrede des Fortsetzungszusammenhangs
gefordert wird, ergibt sich ebenfalls kein Rechtsmissbrauch, weil es der Beklagten frei
stand, eine andere Unterlassungserklärung abzugeben.
In der Sache war die Abmahnung jedoch nach Auffassung der Kammer nicht berechtigt.
Dem Kläger stand kein Unterlassungsanspruch aus §§ 4 Nr. 10, 5 Abs. 1 Nr. 2, 8, 12
UWG zu. Bei der von der Beklagten verwendeten Werbung mit "günstigsten Top-
Preisen" handelt es sich nach Auffassung der Kammer lediglich um eine substanzlose
Anpreisung ohne konkreten Tatsachengehalt. Dies ergibt sich zum einen daraus, dass
die Beklagte gerade nicht den bestimmten Artikel "die" verwandt hat, zum anderen auch
daraus, dass sich gerade aus der Kombination "günstigste" und "Top" ergibt, dass es
sich um eine reklamehafte Anpreisung handelt, der Verbraucher keinen
Tatsachengehalt zumessen. Selbst wenn man dies anders sehe und davon ausginge,
dass die beanstandete Werbeaussage einen nachprüfbaren Tatsachenkern enthielte,
würde die Beklagte mit der beanstandeten Werbung nach Auffassung des Gerichts
keineswegs in Anspruch nehmen, die günstigsten Preise unter allen Anbietern zu
haben, sondern allenfalls, zu der Gruppe der günstigeren Anbieter zu gehören. Aus dem
Umstand, dass in der Werbeaussage die Internetadresse ###### erwähnt ist, folgt
nichts anderes. Der Verbraucher versteht dies lediglich als Hinweis auf die
Internetadresse, nicht jedoch als Hinweis darauf, dass die Beklagte europaweit die
günstigsten Preise anbiete.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen
Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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